Kapitel 1
Hämmernde Kopfschmerzen war das Erste was ich wahrnahm, als ich die Augen öffnete. Sie bohrten sich wie eine heiße Nadel in mein Gehirn. Stöhnend vergrub ich meinen Kopf im Kissen. Ich hatte es gestern wohl wieder übertrieben und zahlte heute den Preis dafür.
Eine Bewegung zu meiner Rechten, veranlasste mich dazu vorsichtig ein Auge zu öffnen. Neben mir schlief ein halb nackter Mann. Ach verdammt! Ich war gestern Abend zu schnell eingeschlafen, um meine Begleitung rauszuwerfen. Und scheinbar war ich auch so betrunken gewesen, dass ich ihn mit in meine Wohnung nahm, was ich normalerweise versuchte zu vermeiden. Das war einfacher.
Als ich mich fit genug fühlte, warf ich einen Blick auf den Wecker. So ein Mist! Spät dran war ich auch noch.
„Hey." Der Mann in meinem Bett bekam einen unsanften Schlag ab, was ihn aber nicht wach machte. Genervt rüttelte ich ihn an der Schulter, bis er sich endlich rührte.
„Ich gehe jetzt unter die Dusche. Bis ich das Badezimmer verlasse, bist du hier verschwunden klar?"
Seine Reaktion wartete ich nicht ab, sondern kämpfte mich ins Bad. Ich erschrak mich selbst über mein Spiegelbild. Meine Haare waren total zerzaust, mein Make-Up war verlaufen und ich hatte Augenringe wie ein Panda. Eine leere Hülle von mir selbst sah mir entgegen, bis ich mich geekelt abwandte.
Für Haare waschen war keine Zeit mehr, also quälte ich mich nur mit einer eiskalten Dusche, um den Alkoholgeruch von meiner Haut zu schrubben und einigermaßen wach zu werden. Ich brauchte dringend eine Schmerztablette, wenn ich den Tag überleben wollte.
Gedanklich machte ich mir eine Notiz es mit dem Feiern nicht zu übertreiben, wenn ich am nächsten Tag wichtige Termine hatte.
Der Typ war tatsächlich verschwunden, nachdem ich aus dem Badezimmer kam. Ich war erleichtert, dass er keine Szene gemacht hatte. Irgendwo klingelte mein Smartphone und ich brauchte einen Moment, bis ich es unter einem Haufen Klamotten gefunden hatte.
„Liv wo steckst du?"
Lesly, meine Assistentin, klang gehetzt.
„Nicht so laut", stöhnte ich und hielt mir den Kopf. „Ich bin auf dem Weg."
Naja, nicht so ganz. Ich war nur in mein Handtuch gehüllt und sah aus wie eine Vogelscheuche. Keine besonders gute Voraussetzung um meine Herbstkollektion zu präsentieren.
„Kannst du Lorelai vorwarnen, dass ich ihre Hilfe brauche?"
Lorelei war meine Make-Up Künstlerin, die sich darum kümmerte, dass meine Models vorzeigbar waren.
„Ich warne sie vor, wenn du deinen Hintern hier her bewegst."
Als ich damals das Krönungskleid für meine Schwester entworfen hatte, hatte mir das eine gute Grundlage gelegt, um meine eigene Modefirma zu gründen. Zuerst hatte ich nur Aufträge in England bekommen, aber mittlerweile interessierten sich immer mehr andere Länder für meine Arbeit.
Ich hatte damals eine Assistentin gesucht, die mir mit der Organisation von Terminen und Events unter die Arme griff. Lesly war ein Geschenk des Himmels gewesen. Mit ihrem Starbucks to go Kaffee war sie zu dem Bewerbungsgespräch erschienen und hatte mich von der ersten Sekunde an überzeugt. In den knapp zwei Jahren war sie mehr Freundin als Angestellte gewesen.
Von dem ganzen royalen Wahnsinn hatte ich mich sehr zurückgezogen. Der erste Schritt war meine Firma zu gründen, aber dann hatte ich mir auch eine eigene Wohnung gesucht. Mein Loft lag mehr im Zentrum Londons und somit auch näher am Büro. In den Palast kam ich nur noch ab und zu. Was mir auch recht war. Seit meine Schwester verheiratet war, war sie zwar umgänglicher, aber ich hatte mich dort schnell wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt. Und als meine Nichte auf die Welt kam nur noch mehr. Die drei genossen ihr Familienglück und Dad war stolzer Großvater.
Um also nicht zu spät zu meiner eigenen Modeschau zu kommen, schlüpfte ich schnell in wahllose Klamotten, die mich nicht wie eine Obdachlose aussehen ließen. Das Vogelnest auf meinem Kopf, band ich notdürftig zu einem Knoten zusammen und setzte mir dann eine Basecap auf. Das würde das Schlimmste verdecken bis Lorelai mich wieder hergerichtet hatte.
Unten vor der Haustür wartete überraschenderweise mein Bodyguard. „Greg, hatten wir nicht abgemacht, dass wir uns dort treffen?"
Da ich mich so gut es ging aus den royalen Geschäften heraushielt, hatte ich es auch nicht für nötig gehalten ständig von einem Bodyguard begleitet zu werden. Trotzdem hatte ich mit Dad und Emmett abgesprochen, bei größeren Events einen an meiner Seite zu haben.
„Das haben wir, aber ich dachte nach der Nacht gestern willst du nicht selbst fahren. Außerdem musste ich dein Besuch über die Schweigepflicht aufklären, bevor er verschwunden ist."
„Greg, du bist ein Schatz!" Dankbar ließ ich mich auf die Rückbank seines Wagens fallen.
Mein Bodygaurd war ein Riese, äußerst gut trainiert und sein Körper mit Tattoos übersäht. Allein von seiner Erscheinung her, flößte er den meisten Menschen schon Respekt ein. Aber eigentlich war er einfach nur ein großer Teddy, der keiner Seele etwas zu Leide tat. Außer natürlich es ließ sich nicht vermeiden.
Als wir in der Halle ankamen, die ich für die Modenschau gemietet hatte, war hinter der Bühne die Hölle los. Dutzende Models wurden geschminkt, eingekleidet und unzählige Helfer traten sich gehetzt auf die Füße.
„Da bist du ja endlich!"
Kaum war ich auf der Bildfläche erschienen, kam Lesly auch schon angerauscht. „Scheiße, wie siehst du denn aus?"
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wilde Nacht."
Jetzt wo ich da war, wurde ich auch schon von allen in Beschlag genommen.
„Das kann sie nicht anziehen, das sieht an ihr aus wie ein Sack!"
„Kannst du dir vorstellen, sie hat in der letzten Woche zugenommen. Der braune Lederrock sieht furchtbar aus!"
Obwohl tausende Dinge gleichzeitig auf mich einprasselten, fühlte ich mich genau hier wohl. Mit solchen Problemen kannte ich mich aus und hier konnte ich helfen. Hier fühlte ich mich wenigstens gebraucht.
Das Model mit dem Kleid, das ihr viel zu groß war bekam einen Gürtel, der ihr Outfit sofort aufpeppte.
Ich veranlasste ein Outfit Wechsel bei dem Model, das unverhofft etwas zugenommen hatte.
Den einen Friseur wies ich an eine Hochsteckfrisur zu zaubern. „Sie trägt ein Oberteil mit atemberaubenden Rückenausschnitt. Der muss zur Geltung kommen, also können ihre Haare auf keinen Fall offen bleiben."
Seltsamerweise liebte ich diese Hektik die hinter der Bühne herrschte. Es lag immer ein wenig Aufregung und Vorfreude in der Luft, die meistens mit einem erfolgreichen Event belohnt wurden.
In einer ruhigen Minute spähte ich hinter dem Vorhang hervor, der die Bühne von uns trennte. Ich konnte erkennen wie die Gäste Platz nahmen und sich bis zum Beginn angeregt unterhielten.
„Besuch für dich, Liv", rief Lesly.
Ich drehte mich um und sah sie mit Emmett im Schlepptau auf mich zukommen. Lächelnd umarmte ich meinen Schwager.
„Schön, dass du da bist."
„Das will ich doch nicht verpassen. Du kannst stolz auf dich sein."
Als Emmett damals als Bodyguard zu uns in den Palast kam, hatte ich immer wieder versucht mit ihm zu flirten. Ich hatte ihn wahnsinnig attraktiv gefunden, wenn auch ein wenig verklemmt. Aber er war von Anfang an total vernarrt in Willow gewesen und nachdem ich das gemerkt hatte, hatte ich mit meinen Versuchen mich an ihn heranzuschmeißen aufgehört.
Mittlerweile war er eher so etwas wie ein großer Bruder für mich. Egal was es war ich konnte immer zu ihm kommen und er hatte ein offenes Ohr für mich. Er war fast mehr ein Bruder für mich, als Willow für mich eine Schwester war.
„Ist Willow auch da?", fragte ich beiläufig.
„Nein. Leider gab es kurzfristig Probleme in der Stiftung, deswegen konnte sie nicht weg."
Ich nickte verständnisvoll und versuchte meine Enttäuschung nicht zu zeigen. Das hatte ich mittlerweile perfektioniert. Auch wenn ich mich mit Willow nicht wirklich verstand, wünschte ich mir trotzdem sie würde sich wenigstens anschauen was ich machte.
Sie war noch nie auf einem Event von mir gewesen. Wie durch Zufall war spontan immer etwas dazwischen gekommen. Entweder etwas geschäftliches oder Carolina wurde krank. Dass das nur billige Ausreden waren, war mir klar. Emmett wusste das auch, aber er verkaufte mir ihre Entschuldigungen trotzdem als echt, um mich nicht zu verletzen. Und um ihn nicht zu enttäuschen, tat ich so als würde ich ihm das abkaufen.
„Vielleicht schafft sie es ja das nächste Mal", ich lächelte gespielt unbekümmert. „Du solltest aber vielleicht wieder zurück auf deinen Platz, es geht bald los."
Emmett wünschte mir viel Erfolg und verschwand dann wieder, aber nicht ohne vorher ein freundliches Wort mit Greg zu wechseln. Dass ihm der Sicherheitsbereich des Palastes unterlag, passte wirklich wie die Faust auf's Auge zu ihm. Die meisten Bodyguards kannte er von seiner Zeit als Angestellter und hatte ein gutes Verhältnis zu ihnen. Anders herum wurde er aber auch von allen respektiert.
„Also wo ist der Notfall für den ich mich bereit halten sollte?" Lorelei trat zu mir, sobald das erste Model auf dem Laufsteg war. Als sie mich genau ansah, konnte sie einen kleinen entsetzten Schrei nicht verhindern. „Schätzchen, du siehst furchtbar aus."
Bestimmt dirigierte sie mich zu einem der Schminktische. Da ich wusste, dass Lesley sich um einen reibungslosen Ablauf kümmerte, konnte ich mich einigermaßen entspannt hinsetzen. Ich wurde erst wieder am Ende der Show gebraucht, wenn ich als Designerin selbst eine Runde über den Laufsteg drehen durfte.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du ein bisschen besser auf dich achten sollst? Ich kann dir nicht immer alles retten."
Kopfschüttelnd begann sie damit meine Augenringe unter einer dicken Schicht Concealer zu verbergen. „Du kannst froh sein, dass ich dich so gern habe, Kind. Ansonsten hättest du dich selbst um dein Make-Up kümmern müssen. Ich habe genug andere Mädchen, um die ich mich kümmern muss."
„Dafür bin ich dir auf ewig dankbar Lorelai. Ich verspreche dir, es kommt nie wieder vor."
„Du schuldest mir etwas."
In Windeseile sah mein Gesicht wieder vorzeigbar aus. Normalerweise machte ich mir mein Make-Up selbst. Mir machte es Spaß neue Produkte und Looks zu testen und nur im absoluten Notfall, wie heute, wandte ich an meine Schmink-Fee.
„Hank! Komm her und kümmere dich um ihre Haare!"
Ich bedankte mich ungefähr tausend Mal bei Lorelai, bis diese von mir wegkam. Sie musste sich um die bereits gelaufenen Models kümmern, deren Make-Up eine Auffrischung benötigten.
Hank, der Haar-Spezialist, machte sich ebenfalls kopfschüttelnd über meine Haare her. Immerhin waren sie danach wieder seidig weich und fielen mir in tollen Beach-Waves über die Schulter.
Es fehlte nur noch mein Lieblings-Outfit aus meiner Kollektion und ich war bereit für den Laufsteg.
Da bereite man sich monatelang auf den Moment vor, suchte Models und stimmte die Outfits aus der Kollektion auf sie ab, nur dass dann in Sekundenschnelle alles vorbei war. Trotzdem war es genau das, was ich machen wollte.
„Liv!" Lesly winkte mich mich in Richtung Laufsteg. „Dein Einsatz, Süße."
Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mich raus wagte. Es war nicht mein erstes Mal auf dem Laufsteg, aber ein bisschen nervös war ich schon. Auch wenn ich natürlich nicht die Kollektion präsentierte, sondern als Abschluss mich mit meinem Lauf beim Publikum bedankte.
Applaus und Jubelrufe empfingen mich als ich den Laufsteg betrat und meine Runde lief. Lächelnd winkte ich und verschickte Handküsschen. Ich liebte diese Aufmerksamkeit.
Hinterder Bühne waren alle ganz aufgeregt von dem erfolgreichen Abend und plapperten durcheinander.
Ich half gerade dabei aufzuräumen, als Greg zu mir trat. „Liv. Prinz Asher und seine Schwester Prinzessin Mathilde aus Dänemark bitten um ein kurzes Gespräch mit dir."
Überrascht sah ich auf. „Lass sie ruhig rein."
Es ging keine Minute, da sah ich auch schon wie das Geschwisterpaar sich mit ihren Bodyguards einen Weg durch das Chaos zu mir bahnte.
„Oh mein Gott, das war umwerfend! Es ist so eine Ehre, dich persönlich kennenzulernen!"
Ich wusste gar nicht wie mir geschah, da war mir Mathilde auch schon um den Hals gefallen. Überrumpelt lachte ich auf. „Gleichfalls."
„Maddy", hörte ich die warnende Stimme ihres Bruders und allein das löste eine Gänsehaut bei mir aus.
Ich hatte die dänische Königsfamilie schon seit Jahren nicht mehr gesehen und sie nur sporadisch in den Medien verfolgt. Doch als mein Blick jetzt auf Asher fiel, konnte ich nicht verhindern, dass mein ganzer Körper kribbelte. Er war größer und muskulöser, als ich ihn in Erinnerung hatte und wie er mich ansah, ließ mir die Knie weich werden.
Ich streckte die Hand aus und lächelte. „Hi." Als er sie ergriff, jagte mir das tausende Stromschläge durch den Körper. Oh mein Gott.
„Hi",er lächelte ebenfalls. „Ich entschuldige mich für den Überfall, aber Maddy hat keine Ruhe gegeben, bis sie mich überredet hatte, dich wenigstens kurz zu sprechen."
„Ich bin dein größter Fan", klinkte Mathilde sich ein. „Es tut mir wirklich leid, wenn ich zu aufdringlich war, aber ich wollte dir nur sagen, wie sehr ich dich bewundere!"
Ich grinste breit. „Das freut mich. Ich hatte nicht damit gerechnet royalen Besuch zu bekommen."
„Das war ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk für mich. Ich rede schon seit Monaten davon, endlich eine Modenschau von dir besuchen zu können."
Wenn ich es noch richtig in Erinnerung hatte, würde Mathilde in einigenWochen achtzehn werden.
„Na dann hoffe ich es hat dir gefallen."
„Und ob!" Dann redete sie auch schon wie ein Wasserfall los, davon welche Teile ihr am besten gefallen hatten und war kaum noch zu stoppen.
Ich warf ihrem Bruder einen belustigten Blick zu, der mein Lächeln erwiderte.
„Fahr' mal eine Spur runter Maddy. Wir wollen Olivia auch nicht weiter stören."
„Oh bitte sagt doch Liv zu mir. Und ihr stört mich überhaupt nicht, es hat mich gefreut euch mal wieder persönlich zu treffen."
Da fiel mir etwas ein. „Hey, es steigt noch eine After-Show Party. Wenn ihr wollt, könnt ihr gerne mitkommen."
„Oh bitte, Ash! Können wir dahin gehen?" Bettelnd sah Maddy ihren Bruder an. Dieser sah unschlüssig aus
Bitte sag ja, bitte sag ja! Ich musste ich zusammenreißen mir nicht aufreizend auf die Lippe zu beißen, aber ich hatte das starke Verlangen mit Asher den Abend zu verbringen.
„Na schön", gab er sich schließlich geschlagen. „Aber wir bleiben nicht lange und du hältst dich von Alkohol fern. Und wenn ich sage wir gehen, machst du kein Theater."
„Danke, danke, danke!", quietschte Maddy und fiel ihm um den Hals.
Ich konnte mir ein triumphierendes Lächeln nicht mehr verkneifen.
*****
Schön, dass ihr euch hier her verlaufen habt! Zur Begrüßungsfeier gibt es für jeden ein Glas Champagner.
Es gelten die selben Regeln wie immer: Hat euch das Kapitel gefallen, drückt gerne das Sternchen, so könnt ihr mich unterstützen. Und wenn ihr mir in den Kommentare eure Eindrücke hinterlasst, versüßt ihr mir damit den Tag.
Debbie
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