Epilog

Vier Jahre später


„Noch ein Mal!" Nilay grinste mich mit ihrem süßen Zahnlücken-Lächeln an.

„Ich habe euch die Geschichte doch schon drei Mal vorgelesen", protestierte ich lachend.

„Wir wollen sie aber noch ein Mal hören." Naresh grinste mich ebenfalls frech an.

Ich saß auf Nilays Bettkante, Naresh hatte sich in das Bett daneben gekuschelt.

„Ihr sollt jetzt schlafen. Ich werde euch die Geschichte morgen wieder vorlesen, aber für heute ist Ende."

Nilay zog eine Schnute woraufhin ich sie durch die Bettdecke begann zu kitzeln. Ihr Kichern erfüllte das Kinderzimmer. Atemlos flehte mich das Mädchen an aufzuhören. Also zog ich ihr die Decke bis unters Kinn hoch und steckte sie fest, sodass wie in einem Kokon da lag.

„Gute Nacht, meine Süße." Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Gute Nacht, Mummy." Obwohl sie wusste, dass ich nicht ihre Mutter war, bestand sie darauf, dass sie mich so nennen durfte. Für sie war ich wie eine Mutter, da ich die erste Frau in ihrem Leben war, die sich um sie gekümmert hatte.

Ich strich Naresh durch die Haare und küsste auch ihn auf die Stirn.
„Gute Nacht."

Leise schaltete ich das Licht in dem Zimmer aus und zog die Tür hinter mir zu, ließ aber einen Spalt offen.

Während ich die Treppen zur Boutique hinunter ging, zog ich mir einen Cardigan über mein Top. Sobald die Kinder im Bett waren, ging ich meistens noch ein Mal in den Laden, um die Einnahmen des Tages durchzugehen und ordentlich zu verzeichnen. Da war es praktisch, dass sich direkt über dem Laden eine Eigentumswohnung befand.

Nilay und Naresh wohnten offiziell nicht bei mir. So oft es ging kamen sie mich besuchen, auch wenn sie einen weiten Weg auf sich nehmen mussten. Aber sie bestanden darauf. Und ich hatte ihnen in meiner Wohnung ein Zimmer hergerichtet. Auch wenn es nicht auf einem Papier stand, fühlte es sich dennoch so an, als wären sie meine Kinder. Sie bedeuteten mir alles.

Lesly war gerade dabei zu gehen als ich herunter kam und wünschte mir einen schönen Abend, bevor sie aus der Tür ging. Abschließen würde ich nachher.

Ich band mir die Haare im Nacken zusammen, dann setzte ich mich hinter den Verkaufstresen und ging die Liste der Verkäufe durch und heftete Quittungen ab.

Plötzlich erklang die kleine Glocke an der Ladentür. Vermutlich hatte Lesly mal wieder etwas vergessen.

„Wenn dein Kopf nicht angewachsen wäre, würdest du ihn irgendwann vergessen", sagte ich ohne aufzusehen. Doch es kam keine Antwort.

Als ich den Blick hob, blieb mir die Luft weg. Dort stand nicht Lesly, die zurückgekommen war, weil sie etwas vergessen hatte. Dort stand Asher.

König von Dänemark. Mein Ex-Freund. Meine große Liebe, den ich seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte. Abgesehen von den sozialen Medien und im Fernsehen.

„Was machst du hier?", hauchte ich, unfähig mich zu bewegen.

„Maddy und Lenny haben mir verraten wo ich dich finde. Und wo ich dich am besten alleine antreffe." Seine Stimme nach so langer Zeit zu hören, bescherte mir Gänsehaut. Mein Herz raste, seit der Sekunde an, in der Asher meine Boutique betreten hatte.

„Verräterinnen", sagte ich, aber meinte es nicht ernst. Asher lächelte schief.
„Man kann es ihnen aber nicht übel nehmen."

Nein das konnte man wirklich nicht. Mit Ashers Schwestern war ich in Kontakt geblieben und mittlerweile verband mich eine tiefe Freundschaft mit ihnen.

Natürlich hatte ich durch sie das ein oder andere mitbekommen, von dem was in Ashers Leben passiert war. Innerlich hatte ich mich nach diesen Infos verzehrt, aber äußerlich hatte ich so getan als würde es mich nicht interessieren. Auch wenn Maddy und Lenny mich immer genauestens beobachtet hatten, ob ich nicht doch eine Reaktion zeigte.

Asher sah sich neugierig in meiner Boutique um. Er betrachtete die Kreationen, die an Ständern zum Verkauf hingen und sah sich auch eingehend die Bilder an der Wand an. Ich hatte nicht nur Kunstwerke aufgehängt, sondern auch Bilder von Willow, Emmett und mir, oder Bildern auf denen ich mit Nilay und Naresh zu sehen waren oder ich mit Maddy und Lenny auf einer meiner Modenschau gemacht hatte.

„Deine Boutique ist wirklich toll. Da hast du was gutes auf die Beine gestellt."
„Dankeschön."

Aber er war sicher nicht den Weg von Dänemark hergekommen, um mir zu sagen, dass er die Inneneinrichtung meiner Boutique schön fand. Immerhin platzte er nach vier Jahren einfach so wieder in mein Leben.

„Du bist aber nicht deswegen hier."

Asher schüttelte den Kopf und trat näher zu mir heran. Er hatte die Hände in den Taschen seines Hoddies vergraben.

Noch immer sah er unverschämt gut aus. Lange wirkte er auch nicht mehr so fertig wie zu der Zeit als er frisch zum König gekrönt worden war.

„Ich wollte in Ruhe mit dir reden. Vielleicht können wir ja hoch in deine Wohnung?"

„Nilay und Naresh schlafen oben, ich will sie nicht aufwecken."

„Lenny hat mir erzählt, dass sie oft bei dir zu Besuch sind."

„Ja. Wir versuchengerade zu organisieren, dass sie ein Internat hier in London besuchen können und dann die Wochenende und Ferien bei mir verbringen. In Pflege quasi. Ich habe versucht sie zu adoptieren, aber mein Antragwurde abgelehnt. Als trockene Alkoholikerin bin ich nicht gerade vertrauenswürdig." Ich lächelte bitter. Damals hatte mich diese Nachricht schwer getroffen. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als die beiden Kindern rechtlich und offiziell bei mir aufnehmen zu können. Aber Jugendämter waren sehr streng was das alles ging.

„Aber du wirst es doch weiterhin versuchen?"

„Natürlich." Aufgeben würde ich ganz sicher nicht.

Ich führte Asher zu einem der Sofas, die für meine Besucher bereit standen.

„Also, wieso bist du wirklich hier?"

„Ich wollte dir das was ich zu sagen habe persönlich erzählen, damit du es nicht aus der Presse erfährst."

Es schien ernst zu sein. Vermutlich hatte es etwas mit Isabella zu tun. In den letzten Jahren waren die beiden oft in der Presse gewesen, weil sie ständig zusammen gesehen worden waren. Ashers Schwestern hatten nie mit mir darüber geredet, aber ich vermutete, dass er es vermutlich doch mit Isabella versuchen wollte. Sie war eine kluge Wahl und würde eine deutlich bessere Königin als ich abgehen. Isabella war eine würdige Nachfolgerin von Victoria.

„Ich werde demnächst..." Asher beendete den Satz nicht. Scheinbar fiel es ihm schwer die Wahrheit auszusprechen.

„Du wirst demnächst Isabella heiraten?", half ich ihm aus.

Überrascht sah er mich an. „Was? Nein. Wie kommst du denn darauf?"

„Naja ihr seid die ganze Zeit in den Medien. Ich dachte ihr versucht es jetzt doch miteinander."

„Wir haben uns öfter getroffen, um zu sehen, ob wir uns ein gemeinsames Leben doch vorstellen können. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir beide etwas besseres verdienen, als eine arrangierte Ehe, in der wir vielleicht zufrieden, aber nicht glücklich sind."

„Oh." Ich war wirklich davon überzeugt gewesen, dass die beiden ein Paar waren.

Asher seufzte. „Ich werde abdanken. Das ist es was ich dir eigentlich sagen wollte."

„Du wirst was?" Jetzt war ich diejenige die völlig verblüfft aussah.

„Ich war die letzten vier Jahre unglücklich. Vielleicht gebe ich einen ganz guten König ab, zumindest habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt. Aber an alles was ich die letzten Jahre gedacht habe warst du. Und dass dieses blöde Erbe es mir nicht möglich macht mit dir zusammen zu sein."

„Ash du kannst nicht einfach so abdanken. Schon gar nicht wegen mir. Das ist eine völlig übereilte Entscheidung, die du irgendwann bereuen wirst. Ich habe auch nicht mein Leben für dich aufgeben, deswegen kann ich nicht zulassen, dass du das wegen mir tust. Du kannst solche gravierenden Entscheidungen nicht einfach so treffen."

„Hör zu, Liv. Damals als ich König wurde und dich in London besucht habe, hatte ich einen Ring dabei. Ich wollte dir an diesem Tag einen Antrag machen. Schon damals war ich mir sicher, dass du die einzige Frau bist, mit der ich mein Leben verbringen will. Ich hab die ganze Sache nur ziemlich vermasselt. Warum du dich damals gegen uns entschieden hast, verstehe ich. Und was du getan hast zeigt von Charakterstärke. Du hast was aus dir gemacht und das bewundere ich sehr."

Er schenkte mir diesen verlegene, leicht schiefe Lächeln, dass ich an ihm immer so sehr geliebt habe.

„Ich habe wirklich lange überlegt was in meinem Leben falsch ist, dass ich nicht glücklich bin. Und irgendwann habe ich festgestellt, dass du die Komponente bist die fehlt. Es war keine leichtfertige Entscheidung die ich getroffen habe und wir haben sehr lange darüber diskutiert. Aber wieso sollte ich nicht einen Job aufgeben, der mir keinen Spaß macht, wenn ich stattdessen vielleicht die wunderbarste Frau auf der Welt wiederhaben kann?"

Perplex starrte ich ihn an. Ich hatte mit allem gerechnet nur nicht damit. „Und wer soll deine Nachfolge antreten?"

„Lenny hat sich dazu bereit erklärt und sie freut sich darauf. Sie war schon immer in diesen Dingen besser als ich und hat in den letzten Jahren, in denen sie mich eigentlich nur beraten hat, ein besseres Bild abgeben."

Ich schwieg. Ich hatte keine Ahnung was ich jetzt sagen sollte. Es ist toll, dass du dein Leben für mich umkrempelst? Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache?

„Das...Das kann ich nicht von dir verlangen. Ich will nicht, dass du diese Entscheidung irgendwann bereust und mir die Schuld dafür gibst, dass du für mich alles aufgegeben hast."

„Aber ich gebe doch überhaupt nichts auf", sagte er sanft. „Und wenn dann nur eine Last. Ich mag vielleicht für dieses Amt geboren worden und mein ganzes Leben darauf vorbereitet worden sein. Aber es ist nicht mehr das was ich will. Alles was ist will ist dich. Ein Leben mit dir. Und wenn es bedeutet, dass ich abdanke, dann tue ich das mit Freuden. Oder dass ich in ein anderes Land ziehe, dann tue ich das mit Handkuss. Weil du das einzige bist was zählt."

Tränen sammelten sich in meinen Augen. Es war nicht so, dass ich die letzten Jahre nie an ihn gedacht hatte, oder mich nach einer Beziehung gesehnt hatte. Ich hatte mir ausgemalt, wie unser gemeinsames Leben ausgesehen hätte, wenn manche Umstände anders gewesen wäre. Ich war sogar auf vereinzelten Dates, aber es war nie das richtige gewesen. Immer wenn ein Treffen vorbei war, konnte ich nicht verhindern, mir einzugestehen, dass es nicht wie mit ihm war.

Schon als wir die Beziehung beendet hatten, hatte ich gewusst, dass ich ihn immer lieben würde.

„Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du mir gesagt, dein Herz wird immer mir gehören. An diese Hoffnung habe ich mich geklammert und deswegenbin ich hier. Liv ich liebe dich. Mehr als alles andere, mehr als mein Land. Ich will eine Zukunft mir dir. Ich will jeden morgen neben dir aufwachen und jeden Abend neben dir einschlafen. Ich will dabei sein, wenn du die ersten grauen Haare bekommst und solange an deiner Seite sein bis unsere Haut von Falten überzogen sind und wir eigentlich hässlich sind. Aber selbst dann wirst du die schönste Frau auf der ganzen Welt sein."

Unter Tränen lachte ich auf. Vielleicht war es auch ein Schluchzen, so genau konnte ich das nicht sagen.

„Ich will nicht ein Tag länger ein Dasein fristen, in dem du keine Rolle spielst. Und deswegen frage ich dich, nein ich flehe dich an uns noch eine Chance zu geben."

Ich sah ihm in die Augen und in diesem Moment konnte ich unser gemeinsames Leben genau vor mir sehen. Er würde zu mir nach London ziehen und seiner Schwester zur Seite stehen, die seinen Platz einnahm. Vermutlich würde er auch als Botschafter für Dänemark arbeiten. Aber er lebte in London, damit ich meine Boutique führen konnte. Wir würden eine traumhafte Hochzeit feiern, nur mit den engsten Verwandten und Freunden. Es würde uns sogar möglich sein Nilay und Naresh zu adoptieren, aber es würden auch Mini-Ichs und Mini-Ashs in unserem Haus herumtollen. Und wir würden gemeinsam alt werden und uns ewige Liebe schwören, bis der Tod uns scheiden würde.

Daher fiel mir die Antwort leicht.

„Ja."

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