10. Wir?
Mit einem Kuchen auf dem Gepäckträger bog ich in die Straße ein, in der das Büro der Linken war. Heute Morgen hatten Maurice und Oliver zu einem Abendessen eingeladen, zu dem jeder etwas mitbringen sollte. Ich hatte die Chance sofort ergriffen und einen Regenbogenkuchen gebacken. Viele hatten abgesagt, unter ihnen auch Amelie und Lizzy, dafür kam Roxanne.
Nach dem Kuss gestern hatte ich mich verabschiedet und war sicher noch eine Stunde durch die Stadt gerannt, um meinen Kopf freizubekommen. Ich hatte weder mit ihr geschrieben noch irgendetwas anderes. Würde sie es für einen Fehler halten?
Plötzlich stand ich schon vor dem Büro und ich sammelte beim Anschließen meines Fahrrads meine Gedanken zusammen, bevor ich reinging.
Ich konnte Noah und Alex erkennen, neben denen ein Platz frei war. Ohne zu zögern, ging ich auf die beiden zu.
"Hey, wie geht es euch?", fragte ich an die beiden gerichtet.
"Uns geht's gut", lächelte Noah schüchtern, den Alex nur mit einem Nicken bestätigte.
Ich freute mich für die beiden und lächelte breit.
"Ich hab übrigens den schwulsten Kuchen der Welt gemacht", kündigte ich mein Meisterwerk der Backkunst an und stellte die Box auf den Tisch.
Nachdem ich den Deckel beiseite gelegt hatte, sah mich Alex mit großen Augen an. "Ist es das, was ich denke, das es ist?"
"Oh ja. Warte bis ich ihn anschneide, wenn alle da sind."
Er klatschte nur begeistert in die Hände und ich widmete mich kurz meinem Handy, das ein Vibrieren von sich gegeben hatte. Ich entsperrte es und sah, dass ein paar andere dem Abendessen abgesagt hatten. Wahrscheinlich war der Großteil von gestern beziehungsweise heute Morgen noch verkatert. Konnte ich aber gut verstehen, denn ein paar hatten noch Bilder vom Feiern um sechs Uhr in der Früh geschickt.
"Hey!"
Diese Stimme würde ich unter Tausenden erkennen und ich sah sofort von meinem Handy auf.
Roxanne kam gerade zusammen mit ihrem Bruder im Schlepptau durch die Tür. Sie sah schön wie immer aus und er hatte leichte Augenringe.
"Ich hab Nudeln und Soße mitgebracht, ich hoffe das ist okay?", meinte sie und hielt zwei Boxen in die Luft.
"Sind die vegan?", kam es sofort von Beth.
"Ich weiß es nicht, aber auf jeden Fall vegetarisch." Sie schien ein wenig überfordert zu sein, was mich zum Schmunzeln brachte.
Sie ging schnell in die Küche und stellte das Essen dort ab, damit sich jeder gleich da einen Teller zusammen mit dem Essen holen konnte. Ich folgte ihr, weil ich noch auf die Toilette musste, die aber leider besetzt war, was ich erst erkannte, als ich vor der Tür stand. Also lehnte ich mich gegen die Wand und wartete, bis sie wieder frei wurde.
In meinen Gedanken vertieft, hatte ich gar nicht bemerkt, dass plötzlich Roxanne vor mir stand. "Alles okay bei dir?"
"Ja. Aber wir müssen später reden, okay?"
Sie sah emotionslos und vielleicht ein wenig besorgt in meine Augen, bevor sie wieder ging und das Bad frei wurde.
Als ich wenige Minuten später zu Noah und Alex zurückkehrte, sprach letzterer gerade mit Roxanne, die auf der roten Stoffcouch hinter ihm saß. Sie würde während des gesamten Gesprächs hinter mir sitzen!
Gezwungen normal ging ich zu meinem Stuhl, setzte mich, woraufhin das Gespräch kurz verstummte, aber genauso schnell wieder fortgeführt wurde.
Sandy hatte inzwischen neben mir Platz genommen und alle saßen irgendwo, als das Gespräch von Maurice eröffnet wurde und wir zuerst über den Erfolg der Veranstaltung sprachen. Ich hörte, so gut es ging, zu und versuchte Roxanne auszublenden, wobei ich mir ein paar möglichst unauffällige Schulterblicke nicht nehmen lassen konnte.
Nebenbei aßen wir und Alex und Noah waren die Ersten, die begeistert meinen Regenbogenkuchen probierten. Auch die anderen fanden ihn toll, was mich ein wenig rot werden ließ. Ich hingegen aß die Schokomuffins von Kitty und die Kekse von Petra.
Die Zeiger auf der Uhr zeigten irgendwann auf neun Uhr und wir beschlossen, nachdem wir den Großteil gegessen und eigentlich alles besprochen hatten, abzuräumen und langsam Schluss zu machen. Ein wenig panisch streifte ich durch die Gegend und versuchte mich davon abzulenken, dass ich wahrscheinlich gleich mit Roxanne reden musste, obwohl die Idee mit dem Gespräch ja von mir gekommen war.
Ich stellte meinen Teller gerade in die Spülmaschine, als Alex durch die Tür kam und mich anlächelte.
"Hey du", begrüßte ich ihn und ging beiseite, damit er sein Besteck und Geschirr ebenfalls einräumen konnte.
"Hey, ich wollte dir eigentlich noch sagen", begann er, doch ich unterbrach ihn.
"Dass du mit Noah zusammen bist", beendete ich seinen Satz und er sah mich erstaunt an. "Alex ich bin nicht dumm. Erstmal, dein Status 'A+N' mit einem roten Herz danach sagt schon alles. Als ich dann auch noch das Bild bei Snapchat bekommen habe, in dem ihr euch küsst, und du in der Nachricht danach irgendwas vom zusammen glücklich sein schreibst, ist mir irgendwie in den Sinn gekommen, dass ihr euch endlich gefunden habt."
Er presste bloß die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und umarmte mich dann.
"Danke, dass du so eine gute Freundin bist", murmelte er in mein Ohr und ich umarmte ihn ein wenig fester.
"Darf auch mal passieren", lachte ich und als ich meine Augen öffnete, konnte ich Roxanne gerade durch die Tür kommen sehen.
"Ganz ehrlich, nehmt euch ein Zimmer", sagte sie gespielt angewidert und konnte ein belustigtes Zucken ihrer Mundwinkel nicht verhindern.
Ich und mein Freund lösten uns daraufhin voneinander.
"Violetta, wollen wir?", fragte sie mich und ich antwortete bloß mit einem "Okay".
Sie machte auf ihrem Absatz kehrt und ich folgte ihr, aber nicht ohne dem verwirrt dreinblickenden Alex ein "später" zuzuraunen.
Wir gingen zusammen nach draußen, aber ließen unsere Sachen bis auf die Jacken im Büro. Nachdem wir um die Ecke gebogen waren, steuerte sie eine kleine Nische zwischen zwei Häusern an. Sie zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich gegen die Wand, was ich ebenfalls tat.
"Roxanne, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", seufzte ich und sah ihr in die Augen.
Was hatte ich mir hierbei bloß gedacht? Dass sie und ich zusammenkamen und sie meine Gefühle erwiderte?
"Also ich", begann ich erneut und versuchte meine rasenden Gedanken irgendwie einzufangen und in Worte zu fassen, "ich mag dich wirklich und das schon seit ein paar Wochen. Richtig klar geworden ist mir das erst, als du mich plötzlich am Bastelnachmittag angesprochen hast und ich endlich irgendwie deine Aufmerksamkeit bekommen habe. Und als du dann gestern erst meine Hand genommen hast und wir diese Momente hatten, in denen es nur dich und mich gab, war es irgendwie so perfekt. Und plötzlich hab ich vor dir gestanden und -"
Weiter kam ich gar nicht, denn sie unterbrach mich.
"Mir ging es genauso."
Dann ließ sie ihre halbfertige Zigarette fallen, die auf dem Boden, der wegen des Regens heute Nachmittag noch nass war, sofort ausging. Sie stieß sich von der Wand ab und kam auf mich zu. Ihre eine warme Hand legte sie auf meine Wange und mit der anderen stützte sie sich an der Wand hinter mir ab.
"Wirklich?"
Ihre braunen Augen, die in der tiefdunklen Nacht beinahe schwarz wirkten, fanden meine und sie sah mich mit einem warmen Blick an.
"Jeden einzelnen Augenblick."
Dann lagen ihre Lippen auf meinen und diesmal zerbrach mein Herz nicht in ihrer Gegenwart, sondern wurde wieder ganz.
Wir wurden ganz.
A/N: Ich will mich gerne bei jedem bedanken, der dieses Buch gelesen hat. Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, Roxanne zu schreiben und meine Gefühle und Gedanken niederzubringen.
Dieses Buch ist nämlich für die echte Roxanne, die, die ein Teil meines Lebens ist, aber ich keiner ihres. Sie wird das hier wahrscheinlich nie lesen und trotzdem möchte ich es ihr widmen, ganz allein ihr. Und ich bin ihr dankbar für jede einzelne Sekunde, die ich mit ihr verbracht habe, auch wenn sie voller Tränen war, weil sie mich inspiriert hat.
Danke Roxanne.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top