kleine Psychopathin & fürsorglicher Mistkerl

Die Schnitte ignorierend schwang sie sich ins Zimmer. Noch im Flug griff sie nach ihren Messern.

Schwer atmend befreite sie sich von den Scherben, ehe sie sich daran machte, ihre Waffen wieder an sich zu nehmen. Dann wandte sie sich ihrem Opfer zu, das sie kreidebleich anstarrte. In der Hand hielt der Mann eine Waffe. Allerdings schien er sich nicht mehr daran erinnern zu können, wie man sie benutzte. Bevor er sich erholen konnte, nagelte sie ihre Zielperson an die Wand. Wozu Messer nicht alles gut waren. Das Überraschungsmoment nutzend, brach sie den anderen, vor der Tür positionierten Wachen das Genick. Mit gezogener Pistole deutete sie auf die an der Wand hängenden Person. „Hängen bleiben. Wenn ich wiederkomme und Sie weg sind, werden Sie eines äußerst grausamen Todes sterben." Der sich für abgebrüht haltende Boss wurde gleich noch eine Nuance bleicher. Rias Ton hatte unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie nicht zum Spaßen oder Bluffen aufgelegt war. Tatsächlich hatte sie eine Mordsstimmung. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Mittlerweile war es im Nebenzimmer ruhig geworden. Den Idioten musste wohl aufgefallen sein, dass sie ihre wertvolle Munition völlig umsonst durchs Holz gejagt hatten. Umweltfreunde waren die wohl nicht. Vielleicht wusste ja eine Wurmfamilie das durchlöcherte Domizil zu schätzen und ließ sich irgendwann hier nieder.

Suchend sah Ria sich im Raum um. Schließlich konnte sie schlecht in die Waffenkammer spazieren, wenn die Kerle auf sie warteten. Ihre einzige Chance bestand darin, sie möglichst einzeln herauszulocken. Ohne Überraschungsmoment war das echt beschissen. Nachdenklich wanderte ihr Blick zwischen dem an die Wand gepinnten Männchen und den leblosen Körpern der Wachen hin und her. Schild oder Folter? Um sich die Sache leichter zu machen, hockte sie sich vor den Kopf der Bande. „Wir spielen ein Spiel. Ich werde dieses Messer drehen. Wenn die Spitze auf Sie zeigt, werde ich Sie so lange foltern, bis all ihre Kumpane aus ihrer Waffenkammer tot vor mir auf dem Boden liegen. Wenn nicht, haben Sie noch ein paar schmerzfreie Minuten vor sich, ehe ich Sie mit meinem Schwert Bekanntschaft schließen lasse."

Der Mann wurde noch bleicher. Als Kopf eines illegalen Schmugglerrings hatte er schon viele Drohungen erhalten, die eine brutaler als die andere. Aber eines unterschied diese von den Worten der kleinen Attentäterin. Ihre Stimme klang glasklar und vergnügt. Sie klang wie ein kleines Mädchen, das gerade dabei war eine Sandburg zu bauen – ihre Art jagte ihm eiskalte Schauer über den Rücken. Diese Mischung aus Vergnügen und eiskalter Berechnung war ein ganz anderes Kaliber. Vor ihm stand kein aufgebrachter oder verschmähter ehemaliger Konkurrent oder ein Betrogener. Alles an ihr schrie nur so nach skrupellosem Killer. „Warum machen wir nicht einen Deal?" Er versuchte überlegen zu klingen, scheiterte aber auf ganzer Linie. Da half selbst sein charmanter osteuropäischer Akzent nicht.

Ein böses Lächeln umspielte die Mundwinkel der jungen Frau. „Rufen Sie sie. Vielleicht wird ihr Tod dann weniger schmerzhaft." Als er das Gesicht verzog, grinste sie ihn schadenfroh an. „Das ist ihre letzte Chance. Nein? Gut, dann 3 ... 2 ... 1." Sie gab dem Messer einen Schubs. Träge kam es zum Liegen, die Spitze auf eine der Leichen gerichtet. Mit gespieltem Bedauern steckte sie es wieder ein. „Glück gehabt. Ich werde jetzt einen Ihrer Männer töten. Danach werden wir dieses Spiel erneut spielen. Ich freue mich schon darauf."

Ohne mit der Wimper zu zucken schnappte sie sich den leblosen Körper und warf ihn achtlos in den Nebenraum. Sofort ertönten Rufe. Sie schnappte sich den erstbesten, der beim Toten ankam und packte ihn unbarmherzig an seinen dreckigen braunen Haaren. Kurz darauf ertönte ein ungesundes Knacken. Mit einer geradezu anmutigen Bewegung hatte sie dem armen Mann das Genick gebrochen. Wieder ballerte man drinnen herum. Ungerührt schleifte sie die Leiche hinter sich her, um sie wie eine Barbiepuppe neben der lebendigen Zielscheibe zu platzieren.

Angstschweiß brach ihrem Opfer auf der Stirn aus, als sie mit einem vergnügten Zwinkern das Messer aus der Scheide zog. „Runde 2. Na, was meinen Sie? Haben Sie jetzt wieder Glück? Oder darf ich mich ein bisschen mit Ihnen beschäftigen?"

„Piotr! Piotr!" Wie wild brüllte er einen Namen. Hektisches Fußgetrappelt ertönte. Leise lächelnd legte sie ihren Finger an die Lippen und verschwand.

Mikhail Orlóv sah sich panisch um. Dieses Mädchen war wie ein Geist. Noch nie hatte er einen so abgebrühten Killer erlebt. Selbst ihm wurde ganz bang, wenn er sie sah.

Die letzte noch halbwegs funktionierende Lampe im Raum wurde angeschaltet. Nur einen Sekundenbruchteil später kullerte Piotrs Kopf durch den Raum - er kam direkt vor Mikhails Füßen zum Liegen.

„Armer Piotr." Ria packte den kopflosen Rumpf und positionierte ihn genauso liebevoll neben Mikhail, wie sie es zuvor mit seinem Freund getan hatte. Zu guter Letzt legte sie den fehlenden Kopf auf seinen Schoß. Wieder ließ sie das Messer aufblitzen. „Fehlen noch zwei."

Mikhail holte tief Luft, um nach dem nächsten seiner Männer zu rufen. Ein Messer landete in seiner Brust. „Aber, aber." Enttäuscht schüttelte Ria ihren Kopf. „Ich möchte doch nicht schon wieder einen Ihrer Leute auf die gleiche langweilige Art umlegen. Unterhalten wir uns ein wenig."

Rias Vorhaben wurde jäh durchkreuzt, als die anderen beiden auch ohne gerufen worden zu sein, in den Raum gestürzt kamen. Sie sprang zur Seite, wurde jedoch von einer Kugel gestreift. Ihr rechter Arm brannte höllisch. Mit der linken Hand griff sie nach ihrer Pistole. Zwei saubere Kopfschüsse.

Mikhails Hautfarbe hatte unterdessen jedwede Pigmentierung verloren. Er war kreidebleich. „Na schön", noch schlechter gelaunt als sie sowieso schon war, ließ Ria ihr Messer zwischen den Fingern umherwandern. „Jetzt unterhalten wir uns ein wenig über ihr Geschäft. Was war das noch gleich? Ach ja, Schmuggeln von minderjährigen Mädchen und deren Verkauf an zwielichtige Zuhälter." Langsam zog sie das Wurfmesser aus seinem linken Fuß. Sein schmerzverzerrter Aufschrei brachte sie nur mäßig zum Lächeln. „Aber das kannst du doch besser", hauchte sie in sein Ohr. „Oder?"

Das Messer aus dem rechten Fuß landete neben dem ersten auf dem Boden. Augenblicklich begann Mikhail zu fluchen und sie wie wild zu beschimpfen. „Das ist aber gar nicht nett." Mit einem gezielten Schnitt durchtrennte sie sein Hemd. „Hat Ihnen Ihre Mutter denn nicht erklärt, dass man immer nett zu anderen Leuten sein muss? Man weiß nie, wen sie sonst auf einen ansetzen."

Geradezu zufällig berührte sie das noch in Mikhails Brust steckende Messer. Wieder schrie er auf, aber anstatt zu fluchen, ging er nun dazu über, um sein Leben zu betteln. Ria schnaubte verächtlich. „Weder Anstand, noch Würde. Also, hätten Sie bitte die Freundlichkeit mir zu verraten, wo ich Ihre Unterlagen finden kann?"

Der Russe kniff die Lippen zusammen. „Tststs...", mit dem Zeigefinger hin und her wedelnd, trat sie noch einen Schritt auf ihn zu. „Es bringt Ihnen nichts, sich gegen meine Wünsche zu wehren. Möchten Sie, dass ich Ihnen noch mehr Schmerzen zufüge? Oh, habe ich schon erwähnt, dass ich sehr gut darin bin? Sie sterben nicht, wissen Sie? Und ohnmächtig werden Sie auch nicht." Ihre Drohung half nicht.

Wimmernd sackte Orlóv in sich zusammen, als sie ihm die restlichen Messer aus dem Körper riss. „Okay, dann wollen wir mal. Sie verraten mir schon noch, was ich wissen will."


Blutverschmierte Mappen lagen auf Blakes Schreibtisch, als er wieder in sein Büro trat. Ria war also wieder zurück. Und wie es aussah, hatte sie den Auftrag erfüllt. Er hatte sich gewundert, ob sie ihre Zielperson wirklich würde töten können. Aber nachdem er ihr verraten hatte, was ihr Opfer alles verbrochen hatte, war sie äußerst entschlossen gewesen. Da war selbst ihr der grausame Tod, den sie ihm bereiten sollte als gar nicht so schlimm erschienen.

Auf den Mappen lag ein unbeschriebener Umschlag. Grimmiger Stolz erfüllte ihn beim Anblick des Inhalts. Sie hatte die Leichen so präsentiert, als wären sie Bewohner eines Puppenhauses. Ein ganz schön makabrer Anblick. Er steckte die Bilder zurück in den Umschlag und trat ins Schlafzimmer. Auch hier war keine Spur von ihr zu sehen.

Im Badezimmer wurde er schließlich fündig. Aschfahl lehnte sie am Handtuchschrank. Ihre blasse Haut unterschied sich nur noch um Nuancen von dem strahlenden Weiß des Möbelstückes. „Ria?" Besorgt fühlte er ihren Puls. Ganz schwach konnte er das Zucken ihrer Lebensgeister unter seinen Fingern spüren. Erleichtert atmete er aus: sie war also noch am Leben. Allerdings beruhigte ihn diese Tatsache nicht im Geringsten. Als sein Blick an ihr hinab glitt, musste er die Zähne aufeinanderpressen, um nicht laut zu fluchen. Ihre Hände waren voller Blut. Blut, das aus einer Wunde an ihrem Arm sickerte. Ohne zu Zögern rannte Bake zum Medizinschrank und riss den Erste-Hilfe-Koffer auf. Ausgerüstet mit einem Haufen Verbandszeug kam er wieder zurück. Ein kurzer Blick genügte, um sich dafür zu entscheiden, sie ihm Bett zu verarzten.

Nachdem er die ganzen Verbände auf dem Bett abgeladen hatte, wollte er sie ins Bett verfrachten. Beim Hochheben verlagerte er ihr Gewicht, sodass sie ihren locker an den Schrank gelegten Fuß belasten musste.

Wimmernd ließ sie sich zu Boden sinken und umklammerte ihren Knöchel. Es tat so höllisch weh. Blake kniete neben ihr und beschwor sie, sich nicht mehr zu bewegen, als nötig. Das einzige, was bei ihr ankam war die schlichte Tatsache, dass er bei ihr war.

Behutsam hob er sie auf seine Arme, penibel darauf bedacht, weder ihren Arm, noch ihr Gelenk in eine schmerzhafte Situation zu bringen. Kaum lag sie sicher auf der weichen Matratze kniete er auch schon neben sie und legte sorgfältig einen Druckverband an. Dann besah er sich ihren Knöchel. Seine Finger berührten lediglich ihre Haut, da begann sie erneut zu wimmern.

Innerlich fluchend stabilisierte er nach bestem Wissen ihren Fuß und legte ihn hoch. „Bleib liegen, rühr dich nicht", wies er sie mit zusammengepressten Lippen an. 

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