Im Club
In der folgenden Woche verdammte er sie dazu, die Angelegenheiten der Kampfsportschule, die als Deckmantel für seine Organisation diente, zu regeln. Missmutig überprüfte sie stundenlang, ob alle Schüler ihre Stunden bezahlt hatten. Danach wurde sie zur Beobachtung abgestellt und musste am Ende der Woche eine grobe Einteilung der Schüler in Kurse treffen. Natürlich anhand von deren Leistungen. Als ob sie das nach ein, maximal zwei Trainingseinheiten sagen könnte.
„Also", entspannt breitete Blake die Pläne eines Nachtklubs auf dem Tisch vor ihm aus. „Du gehst nicht alleine. Sue und Kit werden dich begleiten. Deine Aufgabe ist es, den Job zu erledigen. Ihre, dir den Rücken freizuhalten. Wir operieren heute auf sehr engem Raum und in einer großen Menschenmenge."
Es war ein riskanter Auftrag. Nicht nur die ganzen Kameras machten es beinahe unmöglich, die Zielperson ungesehen auszuschalten, auch das strikte Waffenverbot im Gebäude machte den Attentätern das Leben schwer. Die Sicherheitskräfte waren natürlich mit Elektroschockern ausgestattet.
Blakes Plan sah vor, dass die drei zu unterschiedlichen Zeitpunkten dort eintreffen sollten. Sue würde von Anfang an dort sein, genauso wie Kit, der als externe Sicherheitskraft angeheuert worden war. In seiner Schicht an der Tür würde Ria auftauchen. Ihr Job war es, von Sue den VIP-Pass abzuholen und dann in einer möglichst nicht überwachten Ecke der VIP-Lounge die Zielperson auszuschalten.
Bis dahin hatte sie aber noch ein wenig Zeit. Die wollte sie in ihrem neuen Zimmer verbringen. Allein. Ihr entging jedoch nicht, dass Blake ihr folgte.
Zwei Stunden später versuchte Ria sich durch das Gedränge Tanzender zu schieben. Dummerweise hatte sie wegen der Metalldetektoren all ihre Waffen bei Blake lassen müssen. Was zweifelsohne lebensrettend für den jungen Mann gewesen war, der vorhin versucht hatte mit ihr zu flirten. Als ob sie mit sich flirten ließe! Nicht einmal Blake flirtete mit ihr und der gab sich immerhin als ihr Freund aus.
Jemand zog sie am Arm beiseite und sie konnte nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, ihm die Nase ins Hirn zu rammen. „Eine so schöne Frau wie du sollte nicht alleine über die Tanzfläche irren." Die fremde Hand wanderte eindeutig ein Stück zu tief. Bei dem kurzen Fetzen Stoff, den Blake ihr als Outfit vorgeschrieben hatte, musste das ja früher oder später so kommen.
Zielsicher fand ihre Hand den Akupressurpunkt. Mit der Gewissheit, dass er am leben und nicht tot war, versuchte Ria weiter durch die Menge zu kommen. Irgendwie musste sie in den VIP-Bereich dieses verdammten Clubs kommen. Natürlich hatte Sue es verplant, ihr die nötigen Ausweise dafür zu beschaffen.
Eine andere Hand versuchte sich unter ihren Minirock zu schieben. Das war zu viel. Kompromisslos griff sie hinter sich und brach der Person kurzerhand das Handgelenk. So schnell sie konnte stürzte sie in Richtung der Toiletten davon. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor sie ihr Mittagessen wieder von sich gab. Zitternd rappelte sie sich wieder auf ihre Beine. Ihr Spiegelbild bot einen jämmerlichen Anblick. So aschfahl und nuttig. Um ihren donnernden Puls zu beruhigen, ließ sie eiskaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen. Was für ein Desaster. Tief durchatmend drehte sie den Wasserhahn aus und hängte sie sich ihre Handtasche wieder um. Sie würde es durchziehen. Sie würde die Zielperson umbringen. Egal, was Blake ihr vorher angetan hatte. Damit du weißt, dass du mein bist. Seine fröhlich hervorgebrachten Worte schwirrten ihr unheilverkündend im Kopf herum.
Weitaus weniger gefasst als gewünscht kehrte sie wieder in den Diskobereich zurück. An einer Wand ließ sie sich zu Boden sinken.
Jemand in viel zu teuer aussehenden Hosen stellte sich vor sie. „Was macht ein so hübsches Mädchen wie Sie hier so alleine auf dem Boden?"
Träge und mit leicht geröteten Augen sah sie zu ihm auf. Ein Sicherheitsmann war er jedenfalls nicht. Eigentlich hatte sie erwartet, dass Kit oder Sue nach ihr suchen würden. Sie wusste, dass Blake die Kameras des Clubs hatte anzapfen lassen, um die Operation beobachten zu können. In der Regel waren es solche Operationen, die einem einen Platz in der Ausbildung der neuen Killer verschaffte. Das war zumindest eine der wenigen Informationen, die sie über Blakes Organisation hatte aufschnappen können. Nicht, dass es sie sonderlich interessierte.
Beinahe schüchtern ergriff sie die Hand, die der Unbekannte ihr hinstreckte. Sie war noch nie groß mit anderen Leuten in Kontakt getreten. Mit ihren Kollegen hin und wieder schon, aber nicht mit Leuten außerhalb ihres beschränkten Lebensraumes. „Danke." Ihr Lächeln war definitiv schüchtern.
„Sie sehen ein wenig verloren aus. Warten sie auf jemanden?" Dunkle Haare, blasse Haut und grüne Katzenaugen. Dieser Mann war so ganz anders als alle, die Ria bislang getroffen oder umgelegt hatte. Sein befremdliches Auftreten faszinierte sie. „Nein, wie es aussieht, hat meine Freundin mich verlassen. Wir waren zusammen hier", fügt sie erklärend hinzu, bevor er auch nur daran denken konnte, sie als lesbisch abzustempeln.
Auf seinem Gesicht breitete sich ein charmantes Lächeln aus. „Dann erlauben Sie mir, Sie auf einen Drink einzuladen, um Sie ein wenig aufzuheitern."
Ria bemerkte seinen Blick in Richtung VIP-Bereich. Das war ihre Chance! Aber würde er ihr glauben, wenn sie sofort zustimmte? „Ich weiß nicht recht, ich sollte vermutlich besser gehen."
Sein Griff um ihre Hand verstärkte sich. „Ich bestehe darauf."
Sie musste schwer schlucken. Erneut wurde ihre Selbstbeherrschung auf die Probe gestellt. Jedem anderen Mann hätte sie vermutlich den Hals umgedreht. Aber das ging ja nicht. Schließlich war dieser leicht aufdringliche Unbekannte ihr Fahrschein in den VIP-Bereich. „Aber nur ein Getränk", lenkte sie betont scheu ein.
Zur ihrem Glück führte er sie ohne Umschweife in den VIP-Raum. Mit jedem Schritt auf ihre Zielperson zu, kehrten ihre Ruhe und Zielstrebigkeit wieder zurück. Der Fremde hatte ihre Hand immer noch nicht losgelassen. Wenn er es nicht bald tat, würde sie nicht mehr viel damit festhalten können. Schweißnasse Hände konnten ja so unglaublich rutschig sein. Das machte es nur noch schwieriger das Opfer ohne große Spuren zu töten.
Sie wurde in einen Sessel gedrückt, mit der Anweisung zu warten. Das verschaffte ihr genügend Zeit, sich umzusehen. Sie hasste es, sich irgendwo sichtbar unter die Leute zu mischen. Am liebsten hätte sie auf die Zielperson gewartet, bis sie den Club verließ und ihn dann klammheimlich um die Ecke gebracht. Aber Blakes Anweisungen befolgte man nun einmal ohne Murren und Knurren. Bingo. Sie brauchte nicht lange, um ihre Zielperson ausfindig zu machen. Der Widerling saß mit drei halbnackten Frauen auf dem Schoß ganz zentral im Raum. Und diese befummelten ihn auch noch schamlos. „Diese Leute zahlen dafür. Ich entschuldige mich. Wenn es Ihnen hier oben zu unangenehm ist, können wir auch gerne woanders hin."
Ria versteifte sich. „Ich dachte, ein Drink war abgemacht."
Wieder schenkte er ihr ein charmantes Lächeln. „Natürlich."
Skeptisch beäugte sie das Glas, das er ihr hinhielt. Sie traute ihm kein Stück. „Ich ziehe Getränke vor, die direkt vor meinen Augen zubereitet werden", erklärte sie ihm zuckersüß und marschierte Richtung Bar davon. „Kiba. Mit Eis. Geht auf die Rechnung des Gentlemans dort drüben", orderte sie bei der Barfrau und gestikulierte in Richtung ihres Unbekannten.
Mit ihrem Drink in der Hand beobachtete sie, wie ihre Zielperson sich mit ihrem Unbekannten unterhielt und überschlug ihre Möglichkeiten. Auf dem Weg zur Bar waren ihr zwei Dinge aufgefallen. Zum einen gab es nur zwei Ausgänge – Toiletten und die Treppe nach unten – und zum anderen schien der leicht abgeschirmte Bereich neben ihr für Vergnügungen zweifelhafter Natur genutzt zu werden. Ob es dort Kameras gab? Die Zielperson löste sich aus dem Gespräch und kam langsam auf sie zugeschlendert. „Hey, Süße. Hast du Interesse an einem Job? Gute Verdienstmöglichkeiten und so."
Er war eindeutig angetrunken. Sein Wanst hüpfte bei jedem Schritt, den er auf sie zu machte im Takt seiner Schritte auf und ab. Unwillkürlich wich sie vor seiner Hand zurück. „Dein Freund wird so schnell nicht wieder auftauchen, Süße. Ich habe ihn nämlich weggeschickt. Er denkt du seist hier sicher, weil es sein sonst Revier ist. Aber heute ist es meins. Mein alleiniges Jagdrevier. Und ich finde es fantastisch, dass du dich mir so darbietest. Ich hatte schon lange kein so scheues Ding mehr wie dich."
Unten im Club brach ein Tumult aus. Offenbar hatte man den Mann, den Ria vor einer gefühlten Ewigkeit außer Gefecht gesetzt hatte, endlich entdeckt. Die Barfrau stürzte nach unten. Das war die Gelegenheit. Sie ließ zu, dass der Dicke sie in den Sadomaso-Bereich zurückdrängte. Mit aller Macht wehrte sie sich gegen den Sog an Erinnerungen, den dieser Raum in ihr auslöste.
Ein kurzer Blick in die typischen Kamerawinkel und zwei gezielt sitzende Tritte später war ihr Auftrag erledigt. Natürlich hätte einer vollkommen gereicht, aber manchmal half ein Overkill, die angestauten Aggressionen abzubauen. Und heute Nacht hatte sie eine ganze Menge Aggressionen.
Als sie endlich in die kühle Nachtluft trat, hörte sie den nächsten Tumult ausbrechen. Die Leiche war gefunden worden. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf den Lippen schlug sie ihren Mantelkragen hoch, und verschmolz mit der Dunkelheit.
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Oben im VIP-Raum starrte Hauptkommissar Reece Dunn auf die übel zugerichtete Leiche. Wer auch immer diesen korpulenten Mann umgebracht hatte, musste über großes Gewaltpotential verfügen. Nach seinem Tod war der Körper des Mannes nach allen Regeln der Kunst gefesselt worden. Bondage war dagegen bloß ein Kinderspiel.
„Todesursächlich ist ein Schlag in die Milz." Der Gerichtsmediziner, ein älterer Herr mit schütterem Haar und Hornbrille auf seiner leichten Knubbelnase, schüttelte fassungslos den Kopf. „Wenn Sie mich fragen, kann keine Frau so eine Kraft aufbringen. Sie brauchen seine Häschen gar nicht erst zu verhören. Nach Profikiller sieht das auch nicht aus. Vermutlich irgendein Feind oder der Mann eines dieser armen Mädchen, die er anschaffen geschickt hat."
Widersprechend schüttelte Reece seinen Kopf. Wie er nur allzu genau wusste, konnte eine Frau einen ebenso großen Schaden anrichten wie ein Mann. Erneut besah er sich die Videobänder vom Tatzeitpunkt, die einer seiner Kollegen schon vor seinem Eintreffen aufgetan hatte. Ausgerechnet im Moment des Mordes versagten die Batterien der oberen Kamera. Was die Frauen im VIP-Raum machten, blieb ungeklärt. Er fragte sich, wo wohl die Kleine steckte, die der ein wenig zu gelassen wirkende Clubbesitzer mit in den Raum gebracht hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war sie mit den anderen Gästen geflohen, als sie gesehen hatte, dass unten jemand zusammengeschlagen wurde. Zumindest hoffte er es für sie. Wer wusste schon, mit wem dieser dubiose Clubbesitzer noch unter einer Decke steckte. Der Tote war jedenfalls kein unbeschriebenes Blatt.
„Hauptkommissar Dunn." Ein Polizeibeamter deutet auf eine junge Dame, gehüllt in einen Hauch von Nichts. „Die Zeugin ist es bereit, ihre Aussage zu machen."
Reece nickte. „Sagen Sie Kommissar Müller, er soll sich darum kümmern." Der neue Kommissar würde sich darüber freuen.
Ohne wirklich etwas Neues erfahren zu haben, beendete er die Besichtigung des Tatorts. Bis auf die Leiche gab es keine vernünftigen Hinweise. Ihn beschlich der Verdacht, dass dieser Mord von langer Hand geplant worden war. Eine Spontantat konnte es nicht sein, dafür fehlten einfach die Indizien.
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