7 Die Kriegserklärung.
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❰ S O P H I A ❱
„Okay Sweets, was ist los mit dir?"
Liams Frage kam wie aus dem Nichts. Nach meiner Flucht von der kleinen Abendgesellschaft, hatten wir uns eine Stunde später im Penthouse getroffen, aber ich wollte nicht reden. Stattdessen schloss ich mich ein und tat am nächsten Morgen so, als sei nichts geschehen.
Ich hatte Glück, Liam ließ das auf sich beruhen. Aber wenn ich ehrlich war, dann nutze ich nur die Tatsache aus, dass er vor seinem ersten Kaffee nur auf Sparflamme funktionierte.
Doch jetzt war es Mittag und er saß bei mir im Büro direkt vor dem Schreibtisch.
Dreist hatte er seine schmutzigen Schuhe auf meinem Tisch abgestellt und sah mich gelangweilt an. Fast hätte ich ihm die Gleichgültigkeit abgekauft, aber mittlerweile kannte ich die kleinen, verräterischen Zeichen.
Da war die Art, wie er sich umsah, aber im Endeffekt nur Lässigkeit vortäuschen wollte. Dazu neigte er leicht den Kopf und hob die Augenbrauen. So wie jetzt auch.
„Wovon sprichst du?", stellte ich dumm die Gegenfrage und setzte meine Unterschrift unter eines der zahlreichen Formulare. Prompt bekam ich eine Kugel Papier gegen den Kopf geworfen und Liam sprach: „Halte mich nicht für blöd. Wieso bist du bei Bill so fix abgehauen?"
„Mir ging es nicht gut", und das war nicht einmal gelogen.
Leicht bewegte Liam sich und schien mein Gesicht zu studieren. „Ja", sprach er gedehnt. „Dir geht's öfter scheiße und so richtig Bock auf Spaß hast du auch nicht mehr."
Ich begriff sofort was ich meinte und er fuhr fort: „Scheint so, als würdest du mich nur richtig ran lassen, wenn wir nicht in New York sind. Was ist los mit dir, gefällt dir der Sex nicht mehr, den wir hatten?"
Das Ganze ging in die völlig falsche Richtung, aber in einem hatte er Recht, wir hatten scheinbar wirklich nur Sex, wenn wir nicht in New York waren. Ich versuchte das abzuschwächen: „Ist das ein Hinweis darauf, dass du Druck hast?"
Liam musterte mich und plötzlich bereute ich es das rote Kleid mit den Punkten angezogen zu haben. Es war zu leicht und ich spürte förmlich, wie er darüber nachdachte, wo man es öffnen musste: „Dafür, dass ihr Frauen euch immer so damit hochschaukelt, so wahnsinnig gut zwischen den Zeilen zu lesen, brauchst du ganz schön lange."
Dazu schwieg ich nur und schmunzelte. Liam tat es mir gleich, dann linste er über seine Schulter und obwohl ich es besser wissen sollte, sah ich es nicht kommen als er sprach: „Lass mich dir helfen deinen ach so großen Stress in positive Energie umzuwandeln."
Es dauerte, bis der Groschen bei mir fiel und just in diesem Moment musste ich laut auflachen: „Nicht hier. Auf gar keinem Fall hier." Im Büro Sex zu haben war das Letzte, was ich hier tun würde. Schließlich nutzte Louis den Schreibtisch genauso oft wie ich und ich hoffte stark, dass auch er hier nicht die Hosen runter ließ.
„Gut, nicht hier", lenkte Liam überraschend schnell ein. „Dann heute Abend. Wenn ich dich erst mit Wein und Essen abfüllen muss, um dich ins Bett zu kriegen, soll es nicht daran scheitern."
„Ein bisschen mehr Mühe wirst du dir schon geben müssen", konterte ich, auch wenn ich mich nicht halb so taff fühlte, wie ich tat.
Liam erhob sich amüsiert und machte noch einmal klar: „Super. Also, du und ich heute Abend. Keine Überstunden, Sweets, sonst kannst du den Nachtisch vergessen."
Klang wie eine ernste Drohung.
„Wehe das Essen ist nicht gut", schob ich hinterher und er verließ lachend mein Büro, ganz nach dem Motto, dass ich daran ja wohl selbst nicht zweifelte. Kaum war er zur Tür raus, da wurde mir klar, wie dumm ich mal wieder war.
Meine Taktik hieß, mir Liam so lange vom Leib zu halten, bis ich mich dazu durchgerungen hatte eine Lösung für mein Problem zu finden. Ein Problem, das ich endlich lösen musste. Stattdessen schob ich die Entscheidung nur vor mir her.
Auf meine Arbeit konnte ich mich nicht mehr konzentrieren, besonders, weil mir eine Stunde später der Kaffee wieder hochkam und ich lange auf dem kalten Badezimmerboden saß. Ich brauchte eine Pause und beschloss, dass ich Louis' Entwürfe mitnahm und draußen frische Luft schnappte.
Es war sehr warm und ohne zu zögern schlug ich im Foyer aus, dass mich ein Personenschützer begleitete. Ich würde schon unauffällig abtauchen, weil zu dieser Jahreszeit zahlreiche Fotografen in den Hamptons waren. Der große Klatsch fand außerdem auf irgendwelchen Yachten in Europa statt.
Ich schulterte meine Tasche und verließ Henry & Payne durch einen Nebenausgang. Louis' Skizzenbuch unter den Arm wusste ich ganz genau, wo ich hin wollte. Nämlich dorthin, wo ich ihm das Angebot als Chefdesigner machte.
Der Central Park war gut besucht, viele machten Picknick, spielten Frisbee oder genossen einfach die warmen Sonnenstrahlen. An Rand des Brunnens der Angel of the Waters Statur ließ ich mich nieder, zog die Schuhe aus und ließ den Blick schweifen.
Jetzt ging es mir besser, mein Magen beruhigte sich und ich glaubte nicht mehr, dass die Luft nach kaltem Käse roch. Hinter mir kreischten Kinder vergnügt und prompt jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.
Nein, ich wollte darüber nicht nachdenken.
Also klappte ich den Block von Louis auf und griff nach einem Bleistift für Notizen. Wie zu erwarten hatte Louis wieder tolle Ideen. Manche waren jedoch zu ausgefallen und bei anderen war ich skeptisch wegen der Farbe. Trotzdem staunte ich immer wieder über die Muse meines Kollegen. Langsam sickerte durch, dass er sich Richtung Saint Laurent entwickelte.
Ich betrachtete die Mäntel für die Winterkollektion und war froh, dass Louis noch nie ein Liebhaber von Pelz war. Gerade vermerkte ich dies in einer Notiz, als ich bemerkte, dass sich jemand neben mir nieder ließ.
Der Duft von einem bestimmten Aftershave hüllte mich ein, ließ mich in kalten Schweiß ausbrechen und sofort breitete sich das Gefühl von Angst aus. Ich umklammerte den Bleistift fester und hörte auf zu atmen.
„Wie üblich am arbeiten, sehr strebsam."
Leicht glitt mein Blick nach rechts und ich erkannte, dass sich an der tadellosen Aufmachung von David Grant rein gar nichts verändert hatte. Gelassen, mit einem Becher Kaffee in der Hand, schien auch er das gute Wetter zu genießen.
Doch ich wusste es besser. David war niemand, der seine Mittagspausen verplemperte. Er hatte keinen Sinn für verschwendete oder erholsame Zeit. Alles musste eine Art Nutzen haben. Selbst eine Pause. Von Auszeiten für Erholung hielt er nichts.
Ich schwieg und das schien David nur noch mehr herauszufordern. Als er sprach: „Du siehst hübsch aus, scheinbar bekommt dir New York gut", tat er so, als hätte er mich nie mit geschundenen Knochen in seiner Wohnung zurückgelassen.
Mir schmerzte automatisch der Kiefer, den er mir gebrochen hatte und hatte den Drang meine linke Rippenseite zu berühren. Doch so reagierte ich einfach gar nicht und versuchte innerlich nicht in Panik zu verfallen.
Wir waren hier in der Öffentlichkeit, er würde mir hier nichts tun und wenn, dann.. ich wusste nicht, was ich dann tun würde.
David hob seine Hand, ich sah es aus den Augenwinkel und just in dieser Sekunde reagierte ich instinktiv. Er hatte mein Gesicht berühren wollen und nach außen wirkte es wie eine zärtliche Geste.
Um nichts in der Welt würde ich es noch einmal zulassen, dass dieser Mann mich anfasste. Ganz egal, wie simpel die Berührung auch war.
Ich schlug seine Hand weg und sprach: „Was willst du hier?"
„New York ist eine tolle Stadt", meinte er. „Und der Central Park ein netter Platz um seine Zeit zu verbringen."
Just in diesem Moment fragte ich mich, wie zufällig er hier war. Eine leise Stimme in meinem Kopf flüsterte unaufhörlich, dass das hier alles, aber ganz gewiss kein Zufall war.
Neben mir streckte David seine langen Beine aus und ließ den Blick gelassen schweifen: „Du warst bei Bill so plötzlich weg, ich konnte mich nicht einmal höflich von dir verabschieden. Aber mit Verabschiedungen hast du es wohl allgemein nicht so."
Er klang fast spöttisch und in mir wallte eine unglaubliche Wut auf. Deshalb klappte ich das Skizzenbuch zu und erhob mich. Ich würde nicht hier sitzen bleiben und mir von einem Schläger und Psychopathen sagen lassen, wie gut er mich angeblich kannte.
„Setz dich wieder, Sophia", sprach er herrisch, doch ich blieb stehen und musterte ihn mit unbewegter Miene: „Ich habe zu tun."
„Nimm dir ein bisschen Zeit", meinte er süffisant und ich erkannte den berechnenden Blick in seinen Augen. „Schließlich ist es doch normal, dass man Familie kennenlernen will."
Ich verstand nicht was er meinte, mir rutschte eine Augenbraue in die Höhe und das ließ David schallend auflachen. Er neigte den Kopf und beugte sich vor: „Sieht so aus, als würden dein Ehemann und du nicht gerade viel miteinander reden."
Das ging ihn einen Dreck an!
Nun stand auf David auf und lächelte: „Schätze, das liegt tatsächlich in der Familie."
„Was meinst du damit?", ich redete, ohne sachlich darüber nachzudenken und genau dies schien er gewollt zu haben.
Dieses ekelhafte, überhebliche Grinsen glitt über seine Lippen: „Das solltest du vielleicht mit deinem Gatten diskutieren. Aber Liam hat sich schließlich noch nie sämtliche Vorteile genommen, die er hätte haben können. Wieso auch auf GCooper zurückgreifen, wenn Henry & Payne genug bietet."
Meine Verwirrung, aber auch mein Unbehagen wurden großer und größer. „Was sollte Liam mit GCooper zu tun haben?" Die Firmer der Grants war ein Familienunternehmen und sie taten alles dafür, dass es auch so blieb.
„Das ist die Frage aller Fragen", warf David wissend ein und ich ballte die Hände zu Fäusten. Er amüsierte sich köstlich. „Ich wünsche dir noch einen netten Tag, Liebling. Ich bin sicher, wir werden uns von nun an öfters begegnen."
Es klang, wie ein Versprechen.
„Vor allem jetzt, wo ich dich endlich wiedergefunden habe."
Da war es wieder, die unterschwellige Drohung, die mir verriet, dass nicht ein einziger Tag vergangen war, seit Eleanor mich aus seiner Wohnung gerettet hatte.
„Wir haben eine Menge Zeit nachzuholen", sprach David zärtlich.
Ich zwang mich zu atmen, ruhig und gleichmäßig. Doch ich konnte ihn nicht einen Moment aus den Augen lassen. Er mich dafür auch nicht, doch zu meiner Erleichterung war er es, der mich mit einem Lächeln verabschiedete und mich am Brunnens der Angel of the Waters Statur stehen ließ.
Geschockt, aber auch merkwürdig gehemmt sah ich ihm nach. Denn offiziell war das eine Kriegserklärung für mich.
David würde nicht gehen. Er blieb und würde mir meine neu gewonnene Freiheit zur Hölle machen und das richtig Schlimme war, er wusste ganz genau, wie er das anstellte.
Es funktionierte, denn ich hatte Mühe auf meinen eigenen Beinen zu bleiben und Panik zu bekämpfen.
Alleine Davids Anwesenheit ließ New York plötzlich sehr klein werden.
Doch was meinte er damit, dass ich mit Liam reden sollte? Was hatte er mit GCooper zu tun?
Mir rauschte der Kopf und ich schwor mir Liam noch am selben Abend zu fragen. Quälend langsam verging die Zeit, ich fand auch auf der Arbeit nicht mehr in meinen Schwung zurück. Viel zu früh ließ ich Basil den Wagen vorfahren und hoffte, dass Liam für alles eine logische Erklärung hatte. Meine Gedanken kreisten darum, wie ich David aus dem Weg gehen konnte.
Vielleicht sollte ich New York einige Zeit verlassen.
Aber das würde bedeuten, dass ich wieder weglief. Ich konnte nicht mein Leben lang jede Stadt hinter mir lassen, nur weil er auftauchte und ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht. Doch was ich wirklich wollte, war mich sicher zu fühlen und das tat ich nicht, wenn David sich in meiner Nähe befand.
Seine direkte Ansage machte mir Angst.
Im Foyer des Penthouses schrieb ich mir innerlich ein Memo, dass ich mit den Portier sprechen musste. Denn so ließ man David hier nicht hinein. Ich traute ihm mittlerweile alles zu, doch nicht einmal er konnte dumm genug sein in meinen eigenen vier Wänden aufzukreuzen.
Prompt blieb ich stehen. Da war es, ich unterschätzte ihn, dabei... hatte sein Auftauchen im Penthouse nichts damit zu tun, dass er dumm war. Im Gegenteil.
Verdammt!
Sein Auftauchen machte mich völlig hysterisch und durcheinander!
Automatisch atmete ich im Fahrstuhl tief durch und zwang mich das Penthouse zu betreten. Aerosmith hallte durch die Räume und ich erkannte im Flur, dass Liam durchaus da war. Chaotisch waren seine Schuhe in die Ecke gekickt und seine Jacke lag auf dem Boden. Automatisch hob ich sie auf und legte sie über den Sessel.
Ich setzte die Tasche ab und stellte meine Schuhe ordentlich auf. Es roch köstlich, mir lief das Wasser im Mund zusammen. Im Esszimmer sah ich den gedeckten Tisch und begriff, dass Liam sich durchaus seinen Spaß verdienen wollte. Ob ich jetzt darüber lachen sollte, dass ich kaufbar durch Essen war, konnte ich nicht mit mir selbst ausmachen.
Liam befand sich in der Küche, der Ofen war an, mehrere Töpfe auf dem Herd und er war gerade dabei Unwichtiges in die Spülmaschine zu räumen. Lässig gekleidet sah er auf und grinste breit: „Perfektes Timing, es dauert noch fünfzehn Minuten und ich führe dich ins gelobte Land."
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Aber heute war mir jeder Funken abhanden gekommen. Ich musterte ihn und fragte dann ganz direkt: „Was hast du mit GCooper zu tun?"
„Was?", völlig überrascht sah er mich an und ich wiederholte mich, doch Liam wehrte ab: „Ich habe dich schon verstanden, was mich irritiert ist, wie du-"
„GCooper", unterbrach ich ihn hartnäckig. Schwerfällig atmete Liam aus und öffnete sich ein Bier: „Kein großes Ding, mir gehören nur ein paar Anteile."
Es hätte mich beruhigen sollen, doch das Gegenteil war der Fall, denn ich wusste, dass man nur aus einem Grund Anteile bekam. Die Luft wurde erschreckend dünn: „Also... bist du... ein Teil dieser Familie?"
Langsam ließ er die Bierflasche sinken und zuckte mit den Schultern: „Das ist doch unwichtig."
„Nein", nicht für mich. Panik wallte in mir auf. „In wie weit, bis du verwandt mit Familie Grant?"
Liam antwortete nicht sofort, er ließ sich Zeit und stellte den Herd kleiner, dann begann er: „Als wir letztens bei Bill waren, du weißt schon, bevor du abgehauen bist. Da habe ich dir jemanden vorgestellt."
Atmen. Nicht vergessen, atmen.
„Ja", sprach ich zögernd. „Ich weiß, wen du meinst."
Nachdenklich nickte Liam: „David ist mein Halbruder. Er treibt sich schon eine Weile in New York herum. Keine Ahnung, wieso, aber-"
Ich hörte Liam nicht weiter zu. Mir wurde unglaublich schlecht und mir riss jemanden den Boden unter den Füßen weg.
Wie eine Lawine raste die Information auf mich zu. Ich hatte Davids Bruder geheiratet. Liam war verwandt mit dem Mann, der mich behandelt hatte, wie ein nutzloses Stück Fleisch.
Waren sie sich ähnlich?
Hätte ich das merken können?
David wusste es.
Ich war nie wirklich weg von ihm gewesen.
„Sweets?", Liam runzelte irritiert die Stirn und machte einen Schritt auf mich zu. Just machte ich einen von ihm weg und das schien ihn noch mehr zu verwirren. „Was ist los?
Erneut musste ich mich zwingen zu atmen, ich konnte nichts anderes tun, als ihn völlig geschockt anzusehen. Ich musste hier weg, die Angst fraß sich eiskalt durch meinen Körper, dabei hatte er mir nie etwas getan.
Jemand drückte mir die Luftröhre zu.
„Hey", Liams Stimme wurde etwas, weshalb ich zusammenzuckte, er trat weiter auf mich zu. Mein Rücken berührte die Wand und als er mich das erste Mal berührte, da konnte ich nicht anders.
Ich musste völlig überwältigt von Panik schreien.
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