28 Der Richter.

 FSK 16

*Hinweis zur ausgeschriebenen Gewalt. Wer damit nicht umgehen kann, überspringt dieses Kapitel bitte. Dieser Hinweis ist nicht dazu da, um Neugier anzukurbeln, sondern um bewusst zu machen, dass es in Ordnung ist beschriebene Gewalt abzulehnen.






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❰ L I A M




 „Du hast meinen Rat nicht ernst genommen. Wird Zeit, dass du die Konsequenzen trägst."

Es war kalt in den Kellerräumen und die drei anwesenden Crips ließen uns alle Zeit der Welt. Doch ich wusste, dass ich irgendwann in der Nacht, vor Beginn des Tagesanbruchs zurück zu Harry musste.

Ich sah mich um und dann setzte ich mich auf eine der abgedeckten Waschmaschinen. Dabei ließ ich David nicht aus den Augen. Man hatte mich bereits darauf hingewiesen keine Fragen zu stellen, unter anderem nicht, wie die Männer meinen Halbbruder hier hin bekommen hatten.

Erst nach und nach wurde mir klar, warum. Durch das Teilwissen war niemand von uns in der Lage den kompletten Tathergang herzustellen. Gefährlich, aber sinnvoll.

„Und was jetzt?", kam es spöttisch von David. „Wir hätten uns auch bei einem Glas Scotch unterhalten können."

Ich antwortete nicht sofort. „Über eine Unterhaltung sind wir hinaus. Ich habe dir einen gut gemeinten Rat gegeben und das hier sind die Konsequenzen."

David musterte mich aufmerksam. Dann ging der Blick zu den drei Crips und schließlich schnaubte er: „Du hast nicht die Eier in der Hose, um das hier wirklich durchzuziehen. Vergiss nicht, was wir wirklich sind!"

Es war interessant, was er in seiner Situation alles glaubte zu wissen. Er spielte eine Karte, von der ich nicht gedacht hätte, dass er sie direkt am Anfang ziehen würde. Ich hatte den merkwürdigen Geschmack von Fäule im Mund.

Bemüht gelassen dachte ich nach, schließlich sprach ich: „Ich habe einmal zu dir gesagt, dass ich dich nicht für einen Typen halte, der sentimentalen Scheiß verkörpert." Kurz machte ich eine Pause. „Du hast recht, wir sind Brüder. Aber genau deswegen kann ich dir versichern, dass wir uns ähnlicher sind, als du vielleicht glaubst."

„Was soll das heißen?", wollte David misstrauisch wissen.

Ich schmunzelte und dann rutschte ich von der Waschmaschine und zog eine Bescheinigung aus meiner Jackentasche. „Du hast dein Leben lang machen können, was du willst. Überall hat man dich rausgekauft, die Leute erpresst und niemand hat dir Einhalt geboten. Doch damit ist jetzt Schluss. Ich werde dir und deiner verfickten Familie den Geldhahn zudrehen."

David musterte mich, doch dann höhnte er: „Das kannst du gar nicht!" 

Er fühlte sich unheimlich sicher und unantastbar. Wahrscheinlich, weil er das immer gewesen war. Niemand setzte ihm Grenzen und deshalb befand er sich nun hier.

„Ich weiß, warum du unbedingt die Schallplatten deines Großvaters haben wolltest", sprach ich. „Du wusstest, dass es ein überarbeitetes Testament gab und stell dir vor, ich habe es gefunden. Es ist so echt wie die Mona Lisa im Louvre, und Anwälte verwalten es bereits." Ich hielt ihm die beglaubigte Kopie vor die Nase.

Zuerst schien David das für einen Bluff zu halten, doch dann sah er die Unterschrift und den Stempel vom Notar. Ein Muskel in seinem Gesicht zuckte und ich packte die Kopie wieder ein: „Ich dachte, dass ihr Grants euch vielleicht den zuständigen Notar schon vorgeknöpft hättet. Aber mittlerweile vermute ich, dass ihr nicht wusstet, welchen euer Oberhaupt in Anspruch genommen hat."

Manchmal schlug Karma eben zu. 

Ich setzte mich wieder auf die Waschmaschine und zum ersten Mal verschwand die völlige Überlegenheit aus Davids Gesicht: „Dir gehört die Mehrheit von GCooper, na und?"

„Das wird an deiner Einnahmequelle kratzen, du solltest demnächst sparsamer damit sein, wen du bestichst", riet ich ihm. Doch David lachte überdreht: „Du erledigst mich eh hier, ich werde kein Geld mit ins Grab nehmen können."

Was sagte es über ihn aus, dass er mir so etwas zutraute? Hielt er mich wirklich für so durchschaubar? 

„Nein", sprach ich, „du wirst heute nicht hier sterben. Das wäre zu einfach und zu gnädig."

Ich hatte lange Zeit darüber nachzudenken, was ich David gönnte. Der Tod war es nicht.

„Das wirkliche Problem ist dein Gesicht", begann ich. „Es lässt die Frauen, die du vergewaltigt und verprügelt hast glauben, dass man dir vertrauen könnte." Er sah gut aus, hatte ein sympathisches Lächeln und verschaffte sich damit noch leichter Zugang. Damit sollte es vorbei sein.

Ich sah die drei jungen Männer an und fragte: „Kann man etwas dagegen machen?"

Zum ersten Mal regten sich die Männer und der Schmalste von ihnen schmunzelte. Sie setzten sich in Bewegung und dann sah ich, dass sie auf alles vorbereitet waren. Auf dem Tisch hinter ihnen, auf den man normalerweise Tapeten ausrollte, breiteten sie ein Arsenal an Waffen, Werkzeuge und Messer aus. Vor allem Letztes war in einer Tasche verstaut, wie sie nur professionelle Köche hatten.

Sie zogen sich blaue Tatort-Overalls an und auf dem hinteren Teil des Tisches erkannte ich allerhand Erstehilfekram. So, als hätten sie damit gerechnet, dass sie heute keine Leiche schnüren mussten.

Selbst wenn, der tote Körper war bei all der Plastikfolie schnell eingepackt.

„Dürfen wa' aussuch'n womit wa' anfan'?", fragte mich der Dicke von ihnen und ich zuckte mit den Schultern: „Sicher, er soll nur weiterhin alles mitkriegen."

David riss die Augen auf, er schwitzte stärker und die Männer beugten sich über das Werkzeug. Sie entschieden sich für eines der unscheinbaren Küchenmesser, doch ich wusste, sie schnitten durch Fleisch, wie durch weiche Butter.

Ich hätte Mitgefühl haben sollen, doch stattdessen fühlte ich einfach gar nichts. 

Einer der Männer trat an David heran, die anderen beiden sorgten dafür, dass er sich nicht abwenden konnte und ihnen hilflos ausgeliefert war. Sie griffen in sein blondes Haar, die Hände, überzogen mit Gummihandschuhe hielten sein Gesicht fest und dann schien David bewusst zu werden, dass ich es erst meinte.

„Liam, wir- komm schon Mann! Wir könnten doch über alles reden und eine Lösung finden die-", sein eigener Schrei unterbrach ihn, als das Küchenmesser aus Edelstahl quer über seine rechte Gesichtshälfte ging.

Ruhig, ohne Herzrasen, emotionslos und abgestumpft sah ich mit an, wie die Mitglieder der Crips ein Tic-Tac-Toe-Muster auf seine Haut schlitzten. David schrie, dass es in meinen Ohren klirren müsste, panisch, verzweifelt und hysterisch. Ich hätte Mitleid bekommen sollen, aber das tat ich nicht.

Denn er hatte ebenfalls nicht einen Funken Mitgefühl für all die Frauen gehabt, denen er die Knochen brach, die Seele als Extra dazu und ihnen die Würde nahm. 

Sophias Kiefer war sechs Wochen mit Draht fixiert, sie hatte 18 Stunden in der Hölle verbracht und schließlich erleben müssen, wie er ein Kind aus ihr heraus prügelte.

Dieses bisschen Schmerz sollte David nun mit Haltung ertragen.

Als die Crips das Muster gesetzt hatten, begannen sie auch direkt auf menschlicher Haut zu spielen. Ich betrachtete dabei den Gesichtsausdruck meines Bruders. Blut lief über seinen Hals und als er das Spiel überstanden hatte, da neigte ich den Kopf: „Na, war doch gar nicht so schlimm. Wenn man bedenkt, dass du meine Frau achtzehn Stunden gequält, misshandelt und gebrochen hast, dann ist das doch hier ein Kinderspaziergang."

Einer der Crips sah mich an, dann David: „Achtzehn Stunden, im Ernst?"

„Ja", bekräftigte ich, „und dann erzählte er ihr, er würde nach der Arbeit zurückkommen und dafür sorgen, dass sie Spaß miteinander hätten. Wie ein angebundenes Tier ließ er sie in ihrer Wohnung zurück."

„Das ist schwach, Mann", fand der Andere und schüttelte darüber den Kopf. Natürlich war mir klar, dass die Moral der Männer nicht für bare Münze zu nehmen war, immerhin gehörten sie einer Gang an. Doch diese gespielte Überlegenheit fühlte sich gut an.

„Weißt du, was das Tragische an dem Ganzen ist?", ich lächelte. „Sophia war deine Freundin, sie war verliebt in dich und du hättest sie haben können, für den Rest deines Lebens. Aber stattdessen hast du sie zerstören wollen."

Heftig atmete David und sah mich an, als würde er mich jetzt zum ersten Mal klar sehen. Sein Haar klebte mittlerweile nass an seinem Kopf. Es wirkte, als würde er etwas sagen wollen, doch dann presste er seine Lippen aufeinander.

Ich hob die Hand und die Crips machten weiter. 

Über seine Stirn ritzten sie die Worte 'Rapist' und schließlich ließen sie sein Gesicht in Ruhe. David schrie nicht mehr, stattdessen schien er das letzte bisschen Stolz zusammen zu suchen und hielt aus, was sie ihm antaten. 

Auch als sie seine Schuhe und Socken auszogen und ihm einen Zeh nach dem Nächsten brachen, da war die Folter erstaunlich leise. Die Rohrzange machte ihm nicht so viel Angst, wie sie sollte.

Allerdings irrte ich, denn als sie ihn losließen und er wie ein nasser Sack in der Luft hin, da breitete sich ein bitterer Geruch aus. Er hatte sich in die Hose gemacht.

„Wa' bist du für'ne Sau!", dröhnte einer der Crips und sie begannen sich über ihn lustig zu machen. „Das bisschen Schmerz, ey!"

David röchelte, sein Blut vermischte sich mit seinem Schweiß und er murmelte irgendetwas. Ich verstand ihn nicht, doch der schmalere der Crips umso besser: „Dich sucht keiner, vergiss'es. Offiziell biste immer noch in deinem Hotel und hast es net verlassen. Auftauchen wirst'e da auch net mehr."

Es war mir egal, wo er wieder auftauchte. Darum musste ich mich zum Glück nicht kümmern. 

Ich sah auf die Uhr, es waren fast drei Stunden vergangen und als ich mich umdrehte, da erkannte ich Elizas Silhouette durch die verblichene Plastikfolie. Sie hatte mir den Rücken zugewandt, aber sich nicht einen Meter bewegt.

„Können wir etwas gegen seine Haare tun? Ich meine, man sieht euer Kunstwerk auf seiner Stirn sonst nicht besonders gut", fragte ich und der Mittlere der Crips schien bereits Ideen zu haben. Sie scherten David den Kopf, doch dabei gaben sie sich nicht besonders viel Mühe. Er wurde hässlicher und hässlicher.

Als sie fertig waren, da rutschte ich von der Waschmaschine und musterte ihn eingehend, dann blickte ich die Crips an: „Ich danke euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt und ich hoffe, es lohnt sich im Austausch dafür."

„Darauf kannst du einen lassen", sprach der Dicke zufrieden. Zumindest einer hatte von diesem Abend etwas Gutes. Ich wollte mich nicht fragen, was man ihnen versprochen hatte für diese ekelhafte Arbeit.

„Li...am", hörte ich David röcheln. „Bitte... wir sind..."

„-Brüder, ich weiß", wiederholte ich emotionslos, „und deshalb verrate ich dir etwas, ich bin mit diesem sentimentalen Scheiß nicht herumzukriegen. Du hast mein Kind getötet und du wirst für jede Frau bezahlen, die du vergewaltigt, geschändet und ihre Hoffnung auf ein normales Leben genommen hast."

Meine Stimme wurde fast ein Flüstern: „Jeden geschmierten Cop, jedes falsche Alibi, jeden Tag in gekaufter Freiheit wirst du heute bezahlen. Und ich sehe dir an, du willst, das auch ich dafür leide, was dir heute hier passiert. Aber das ist vorbei."

Ich grinste gefühlstot. „Du wirst nicht mit mir abrechnen, weil wir quitt sind und du pleite sein wirst, wenn du es versuchst. Meine Familie und meine Freunde sind ab heute für dich tabu. Solltest du doch auf so lebensmüde Ideen kommen, es mit irgendeiner absurden Rache probieren zu wollen, dann schwöre ich dir hier und jetzt, dass die Nacht dir vorkommen wird, wie die Vorstufe zum Paradies."

Davids Unterlippe zitterte, aber er schien sich noch einmal zusammen nehmen zu wollen. Von mir aus sollte er das versuchen. Ich wandte mich an einen der Crips: „Achtet darauf, dass er nicht hops geht. Er soll leben damit, was er bezahlt hat und daran erinnert werden, wenn er in den Spiegel schaut."

Kurz hielt ich inne und sah meinem Bruder in die Augen, dann sprach ich: „Bevor ihr ihn an die frische Luft setzt, sorgt dafür, dass er kastriert wird und den Sex, den er bislang hatte, nur noch in Erinnerungen durchlebt."

Ich wollte, dass sie ihn entmannen und der Mittlere der Crips verstand die Anweisung sofort: „Uh, n' Würstchen hab'n wir lange ned mehr entfernt."

„NEIN!" Die Stimme meines Bruders überschlug sich.

„Viel Spaß", wünschte ich.

„NEIN, LIAM! BITTE!"

Hysterisch, wie eine Sirene dröhnte Davids Stimme durch den Kellerraum. Ich bezweifelte, dass auch nur ein Mucks nach draußen ging. 

  „NEIN! DAS KANNST DU NICHT - LIAM!"  

Die Crips wussten, welcher Raum schalldicht war, sonst würden sie die Aktion nicht riskieren. Sie zogen ihm die Hose runter und beschäftigten sich damit, welche Waffe sie nehmen sollten, um den Feierabend einläuten zu können.

„LIAM!"

Ich hatte geglaubt, das es mir schwer fallen würde, David mit seinem Schicksal zurück zu lassen. Dass sich meine Füße anfühlten, als würden sie in Beton stecken. Doch nichts davon war der Fall.

Viel mehr war es erleichternd.

  „NEIN!NEIIIIN!"  

Meine Hand umfasste die meiner Schwester, sie blickte mich an, sich aber nicht um. Stattdessen verstärkte sie den Druck ihrer Finger. Wir verließen den Kellerraum. Hinter mir schloss sich die Tür. 

Davids Schreie verstummten.

Es war, als würde ich ein bestimmtes Kapitel in meinem Leben schließen und nun ein Neues beginnen. Nur, dass die Seiten nicht weiß und unschuldig waren, sondern verschmutzt und mit Blut besudelt. Ich würde lernen müssen damit zu leben.

Eliza und ich gingen den Weg so unauffällig zurück, wie wir gekommen waren. Sie entfernte ihre Ohrstöpsel und steckte sie sicher verstaut ein. Dann verschmolzen wir mit den Schatten der Nacht und hinterließen keinerlei Spuren.

Wir hatten Harrys Apartment niemals verlassen.

Die Wachmänner ließen uns wieder ins Gebäude, verloren kein Wort und wir nahmen die Treppen zurück nach oben. Es dauerte Stufe für Stufe hinter sich zu bringen. Ich wartete darauf, das Eliza etwas sagte, doch meine Schwester schwieg, so als wäre jedes weitere Wort zu viel.

In Harrys Apartment war Musik zu hören. Wir zogen unsere Jacken aus und betraten das Wohnzimmer. Sofort sahen alle auf und hielten in ihrem Spiel inne. Stumm setzten Eliza und ich uns auf die leeren Plätze. Eine merkwürdige Stimmung schlug uns entgegen, aber das hatten wir vorher gewusst. Niemand sah uns direkt an.

Jeder ließ seine Karten zurück zu Niall gehen, die Chips wurden neu aufgeteilt und Harry war der Erste, der sprach: „Was wollt ihr trinken?"

„Whisky", antwortete ich ruhig und Eliza hielt Harry das leere Wodkaglas hin. Die Flüssigkeit des Alkohols vertrieb das abgestumpfte Gefühl nun vollends aus meinem Körper. Niall mischte die Karten neu und dann teilte er sie aus.

Eine weitere Runde begann.

Der Abend endete, wie er angefangen hatte. 



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Hallo ihr Lieben, 

es war harter Tobak, den ihr hier zu lesen bekommen habt und ich kann verstehen, wenn der eine oder andere die Zeilen eher überflogen hat.Normalerweise bin ich kein Fan davon eine Folter so direkt auszuschreiben, allgemein bin ich absolut gegen Folter.

Sie sollte weder im Krieg, noch sonst eingesetzt werden. Auch Selbstjustiz finde ich gefährlich, wobei wir berücksichtigen müssen, dass es Lücken im System gibt, die einen absolut hilflos und wütend zurücklassen. 

Liam hat nun abgerechnet und er hat sich dabei nicht direkt die Hände schmutzig gemacht.

Hat David eurer Meinung nach bekommen, was er verdient?

Wird Liam damit umgehen können, was er getan oder auch nicht getan hat?

Eure lieben Kommentare bekommen heute eine Antwort <3 ich hole sie nach und habe endlich richtig Zeit dafür, danke, dass ihr euch meldet, egal ob als Vote oder Kurznachricht. 


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