27 Kinder der Macht.
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Tief atmete ich durch und fuhr mit den Fahrstuhl bis zu Harrys Apartment. Zum ersten Mal würde ich überpünktlich sein, aber auch angespannt, nervös und nicht die Spur vorfreudig. Meine Handflächen wischte ich an meiner Jeanshose ab und mir war schlecht. Ich hatte vergessen zu Essen, der Appetit war nicht vorhanden.
An der Tür erwartete mich Harry und ich hielt ihm die Faust hin. Sofort reagierte mein Freund und stieß die seine dagegen.
„Du bist der Letzte", begrüßte er mich und ließ mich hinein. Er war erstaunlich ruhig und ich schritt durch die bekannten Räume.
Im doppelgroßen Türrahmen des Wohnzimmers blieb ich stehen, denn ich hatte nicht damit gerechnet, wen Harry alles einweihte. Falls man vom einweihen reden konnte. Es roch nach schweren Alkohol, leise Musik erfüllte den Raum und statt das große Licht an der Decke anzuhaben, gab es mehrere kleine Lichtquellen.
Ganz wie gewohnt saß Niall am Pokertisch und machte den Dealer. Ich wusste, dass er in unserer Gleichung für heute Nacht der Glaubhafte sein würde. Immer wieder mischte mein bester Freund die Karten, so als wenn er sich beschäftigt halten musste.
Ihm gegenüber saß Tomlinson, er stach in seinen Adidas-Klamotten hervor und wirkte blasser als sonst. Vor ihm stand ein Glas Scotch und ich nickte ihm dankbar zu. Bis zum Schluss wusste ich nicht, ob er wirklich kommen würde. Die Position des Sauberen hatten wir damit auch besetzt.
Harry trat an mir vorbei und räusperte sich, er steuerte den Pokertisch an und ich wollte ihm folgen, doch dann fiel mein Blick auf die Couch, wo Zayn Malik saß. Er rauchte eine Zigarre und sprach: „Dann sind wir vollzählig." Er zog keinen Nutzen aus unserem heutigen Treffen und das war genau das, was wir brauchten. „Wann geht es los?"
„In einer Stunde", ertönte eine weibliche Stimme und ich fuhr nach links.
Eliza drehte das Wodkaglas in ihren Händen und ich war völlig überfahren. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich meine älteste Schwester sah.
Schön, wie eh und je stand sie an der Bar und strich sich durch das lange, offene Haar. Sie trug dunkle, unauffällige und praktische Kleidung, doch das änderte nichts an der Anziehung, die sie ausstrahlte.
Mit tauben Gliedern steuerte ich den Pokertisch an. Neben Louis nahm ich Platz und zog die Besitzurkunde für Honey aus meiner Jackentasche. Diese warf ich in die Mitte des Tisches, damit Niall sie als Gewinn umwandeln und setzten konnte.
Harry schmunzelte: „Ich hole mir das Boot zurück."
„Tue, was du nicht lassen kannst", antwortete ich und spürte die merkwürdige Spannung im Raum. Eliza und Zayn setzten sich zu uns. Und damit begann die erste Runde. Es war seltsam, denn es fühlte sich an, als würden wir tatsächlich den ganzen Abend spielen.
Die Einsätze hätten mir gefallen müssen, doch stattdessen konnte ich mich nicht richtig konzentrieren. Da war irgendeine Erstausgabe, eine Brosche aus Elfenbein - angeblich aus der Kolonialzeit, mein Boot, eine signierte Autogrammkarte von Muhammad Ali und noch anderer Kram.
„Wo kommst du her, Louis?", begann Zayn den verhassten Smalltalk und vermittelte das trügerische Gefühl von Normalität. Eliza neigte leicht den Kopf und kaute auf ihrer Unterlippe herum. Ich fragte mich, wie zum Teufel man sie gefunden hatte und warum sie hier war. Ihr Blick traf meinen, dann nahm sie die Karten an, die Niall austeilte.
Wir redeten über das Essen in Europa, Football und der schwulen Sprache der Franzosen – nur nicht über das, weshalb wir heute Nacht wirklich alle hier waren. Ich zwang mich, mich halbwegs auf Spiel zu konzentrieren und wollte gerade eine Zigarre rauchen, als meine Schwester aufstand.
Plötzlich hielte alle inne.
„Es wird Zeit, lasst eure Handys hier", sprach Harry, er reichte mir Handschuhe, dann wandte er sich zu, die ihre dunklen Handschuhe gerade anzog: „Eliza wird die Einzige sein, die dich begleitet."
„Ich dachte, ich soll mit", mischte sich Zayn Malik ein, doch Niall verneinte: „Du hast dein Temperament nicht im Griff, das ist zu heikel."
Aber ich schon, oder wie?
Ich sah Zayn fucking Malik an, das er dasselbe dachte, doch er zwang sich, nicht in seinem Stolz verletzt zu sein. Langsam stand ich auf, legte meine Karten ab, ohne sie preis zu geben und sprach: „Egal, was jetzt passiert, ich danke euch, dass ihr das hier durchzieht."
„Es ist besser für alle", meinte Zayn. Er sprach nicht aus, was er genau damit meinte. Nämlich das David bekommen musste, was er verdiente, sonst war irgendwann jemand anderes aus unserem Umfeld dran. Dieser Mann ging über Leichen, trat die Würde der Frauen mit Füßen und kaufte sich mit seinem dreckigen Geld aus allem raus.
Langsam streifte ich mir die Handschuhe über und schlussendlich sprach Niall: „Nächste Runde." Das Spiel ging weiter.
Ich folgte Eliza mit klopfenden Herzen. Sie führte mich aus dem Apartment, doch statt den Fahrstuhl, nahmen wir die Treppen. Während wir die Stufen der zahlreichen Stockwerke hinter uns ließen, wurde sie langsamer: „Es tut mir leid, was deiner Frau passiert ist."
Darauf antwortete ich nicht und musterte sie mit unbewegter Miene. Auf einer Treppenstufe blieb sie stehen und drehte sich zu mir um, ihre Stirn war gerunzelt: „Du musst nicht mit mir reden, das ist in Ordnung."
„Ich wüsste nicht, was ich dir zu sagen hätte", gab ich zu. Denn so war es tatsächlich. Ich kannte meine ältere Schwester nicht mehr und hatte keine Ahnung, wer sie war. In all der Zeit war sie mir unglaublich fremd geworden. Aber wahrscheinlich wusste sie das selbst.
Eliza regte sich nicht, stattdessen atmete sie tief durch: „Ich bin hier, weil ich weiß, wie man sich bewegt, ohne dass man meine Bewegungen nachweisen kann. New York wird öffentlich überwacht und wenn wir auf Überwachungsbändern auftauchen oder im Straßenverkehr, dann ist das nicht gut für unser Alibi. Denn offiziell haben wir die ganze Nacht bei Harry Poker gespielt. Niemand wird etwas anderes behaupten."
„Okay."
Hätte ich mir selbst denken können. Doch falls ich geglaubt hätte, Eliza wäre fertig, dann hatte ich mich getäuscht: „Wir werden gleich an einem Ort kommen, an dem sich David befindet und du musst dir ganz genau überlegen, was mit ihm passieren soll. Knicke nicht ein und bereue nichts. Vor allem: Stelle keine Fragen, besonders nicht, wie er dort hingekommen ist."
„Wenn dir jetzt schon der Arsch auf Grundeis geht, dann solltest du vielleicht besser hier bleiben", fand ich, doch meine Schwester verzog keine Miene: „Vergiss es, du wirst da nicht alleine hingehen!"
„Ich bin ein großer Junge und brauche deine Unterstützung nicht mehr", wies ich sie drauf hin. Das schien sie zu verstehen und zum ersten Mal änderte sich ihr Gesicht der Gleichgültigkeit: „Ja, das ist mir bewusst. Aber der heutige Abend ist die einzige Möglichkeit, die ich haben werde, um je wieder für dich da sein zu können."
Stumm sah ich sie an. Ihre Lippen verzogen sich zaghaft zu einem überforderten Lächeln: „Ich bin eine furchtbare Schwester, Liam. Denn ich habe dir die Schuld daran gegeben, dass Niall mich nicht liebt."
Und dann war sie abgehauen. Nicht einmal mein Verrat hatte sie zurückgebracht. Etwas, was mir bewusst werden ließ, dass Eliza mir nicht traute. Ihren Plan B hatte ich nicht auf den Schirm.
„Aber es war weder deine Schuld, noch Nialls, sondern alleine meine", fuhr sie fort. „Ich komme nur schwer damit zurecht, wenn man mich zurückweist."
„Dann arbeite dran", konterte ich trocken. Keine Ahnung warum, aber ich fühlte mich stumpf und taub. Als würde ein Schutzmechanismus sich rundherum um meine Gefühle aufbauen. Statt darauf zu antworten, neigte Eliza den Kopf: „Bist du sicher, dass du David gegenübertreten kannst? Ich weiß, dass du-"
„Wenn du versuchst meine Meinung zu ändern, dann spare dir den Atem!", unterbrach ich sie rüde. Wir standen mitten im finsteren Treppenhaus und ich wollte meinen Puls ruhig halten. „Er hat meine Frau überfallen, zweimal und sie jedes Mal behandelt wie Dreck! Ihr Knochen zu brechen hat ihm Spaß gemacht und er geilte sich an ihrem Schmerz auf!"
Meine Stimme blieb gefährlich ruhig. Dafür ballte ich die Hände zu Fäusten und schob gepresst hinterher: „Er hat mein Kind getötet!"
All das aus reiner Boshaftigkeit und weil es meines und nicht seines war. Nur um mir zu zeigen, das ich das kleinere Licht im Vergleich zu ihm war. Es war ein widerliches Kräftemessen, das ich verloren hatte.
Eliza schluckte hart und dann gestand ich ihr: „Das Baby wäre ein kleines Mädchen geworden, das ich nie kennen lernen werde."
Fast zuckte ich zusammen als Eliza die Hand hob und ich spürte, wie sie mir über die Wange strich. So wie früher, als alles noch in Ordnung war und unser größtes Problem die Hausaufgabenzeit am Küchentisch waren, oder wie wir am besten Grace entkommen konnten, damit wir nicht mit ihr spielen mussten.
Sie sagte nichts, stattdessen drehte sie sich wieder um und setzte den Weg fort. Wir gingen bis in den Keller und alles, was wir hörten, waren unsere eigenen Schritte. Im schmalen Flur des Kellers brannte Licht und als wäre er nicht anwesend, gingen wir an einem Wachmann vorbei, der Monitore überwachte.
Dies war der erste gekaufte Mann.
Es folgte ein Zweite, der den Alarm am Kellerausgang mit seiner Magnetkarte legal unterbrach und uns entwischen ließ. Er sah uns nicht an und als wir nach draußen traten, die paar Stufen wieder hoch gingen, da blickte sich Eliza aufmerksam um. Es stank furchtbar nach Müll und Kotze. Sie wies mich darauf hin, dass ich mich immer an der Wand des Hauses entlang bewegen sollte.
Warum, sagte sie nicht.
Hier war es so düster, man erkannte seinen eigenen Schatten nicht. Zwei Blocks weiter, vorbei an überfüllten Mülltonnen, abgestellten Möbeln und zugeparkten Liefereingängen, nutze sie erneut einen Kellereingang.
Ich kannte das Hochhaus nicht, doch ich achtete auch nicht allzu viel auf Merkmale. Stattdessen hatte ich den Kragen meiner Jacke hochgeklappt und folgte meiner Schwester blind. Der Keller, in dem wir uns nun befanden, roch feucht.
Eliza blieb zum ersten Mal stehen als uns zwei dunkelhäutige Schränke in die Quere kamen. Sie trugen schwarze Kleidung, ich bemerkte eine seltsame Ausbeulung unter ihren Klamotten und das blaue Bandana.
Das hier waren Bandenmitglieder der Crips. In meinen Ohren rauschte es, denn mir wurde klar, wer sie mit ins Boot geholt hatte. Verdammte Scheiße, wo war Niall da nur hineingeraten?
„Code", brummte einer der Schränke und Eliza sprach: „Community Revolution in Progress."
Doch das alleine schien ihnen noch nicht zu reichen. Sie filzten uns, um zu prüfen, ob wir verkabelt waren und suchten nach Handys, die wir bei Harry gelassen hatten. Einer der Gangster belästigte meine Schwester, während er sie abtastete und ihre Brüste überprüfte. Doch Eliza ließ das stumm über sich ergehen. Schließlich galten wir als 'sauber' und der Kleinere von Beiden hämmerte gegen eine schwere Kellertür. Dann öffnete er sie.
Das Erste, was mir auffiel, war, dass der Boden über und über mit Folie beklebt worden war. Genauso wie die Wände. Ich kam mir vor, wie in einer Neuauflage von Dexter. Der Geruch von Marihuana stieg mir in die Nase und ich ignorierte die Gänsehaut, die über meinen Rücken rieselte.
Das hier war im Normalfall eine Waschküche. Sie war von einem Teil des Raumes abgetrennt, ich musste Folie, die an der Decke befestigt war, zur Seite schieben, wenn ich in den Bereich wollte, wo sich vier Leute aufhielten.
Sie unterhielten sich nicht, sondern schienen zu warten.
Eliza blieb stehen. Die Farbe verschwand aus ihrem Gesicht und ich sprach rau: „Bleib hier. Das ist okay." Knapp nickte sie und ich verstand ihre Angst. Meine Schwester war taff, aber das musste sie sich nicht mitansehen.
Ihre Hände zitterten und sie zog aus ihrer Jackentasche etwas heraus, ich sah, dass es Ohrenstöpsel waren. Fast flüsternd gestand sie: „Niall... meinte, ich würde sie brauchen..." Damit sie Davids Schreie nicht hörte.
Meine Hand legte sich auf ihrer, ihre Finger waren eiskalt und kurz drückte ich sie. Dann wandte ich ihr den Rücken zu und überwand die letzten Meter der Folie. Kaum schob ich sie zur Seite, da hörte ich das Brummen der Lampe an der Decke. Die Folie knisterte unter meinen Schuhen.
Zuerst fiel mein Blick auf zwei Dunkelhäutige Männer und einen Mexikaner. Sie alle trugen das blaue Bandana. Sie waren trainiert, ihre Mienen ausdruckslos und abgeklärt. Einer von ihnen drehte einen Joint zwischen den Fingern.
In der Mitte des abgegrenzten Bereiches befand sich David. Seine Handgelenke waren gefesselt, grob nach oben gerissen und festgebunden. Sein gesamter Körper war gestreckt, beinahe wirkte es, als würde er von der Decke herab baumeln.
Ich hatte Angst in seinem Gesicht erwartet, doch da war keine. Stattdessen stierten mich seine stechenden blauen Augen an. Schweiß lief ihm über die Wange und er wirkte arrogant und selbstherrlich wie eh und je.
„Liam", zischte er wie eine Schlage und seine Lippen verzogen sich zu einer Fratze.
Hässlich und völlig fern von jeglicher Realität.
Er war mir so ausgeliefert, wie Sophia es einst war. New York hatte ihn verschluckt, hier würde ihn keiner finden.
Seine Handgelenke waren aufgescheuert, jeder Zentimeter seines Körpers eine Angriffsfläche und während ich ihn ansah, wurde mir klar, was ich hier tun würde.
David war mein Bruder. Blut hätte dicker sein sollen als Wasser. Doch alles, was ich mit ihm verband war Schmerz, Hass, Wut und Ekel. Ich musste mich überwinden zu sprechen, doch schließlich erklang meine Stimme erstaunlich fest. Sie war überzogen von Kälte und Emotionslosigkeit.
„Du hast meinen Rat nicht ernst genommen. Wird Zeit, dass du die Konsequenzen trägst."
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Hallo ihr Lieben,
bitte nicht erschrecken ;) neues Kapitel. Wir befinden uns auf der Ziellinie und ich bin so happy, dass wir endlich dort sind. Die Abrechnung! Ich muss gestehen, diese Krimi-Elemente sind mir etwas arg fremd, aber es macht Spaß sich auszuprobieren. Auch wenn der Profi sagt: Pff, welche Krimi-Elemente xD Ich finde es gut, mal in ein anderes Genre leicht reinzuschnuppern und ich muss sagen es ist echt schwer.
Man muss so höllisch aufpassen. Es ist, als würde man einen Schal mit Schatzkartenmuster stricken und fürs Detail: Ich kann nicht stricken!
Hier sind wir nun, welche Position würdet ihr einnehmen wollen, wenn ihr dabei wärt? Eliza, Liam, Niall, Louis, Harry, Zayn?
Ist nachvollziehbar, warum niemand alles wissen darf?
Denkt ihr, Liam wird es bereuen, was er nun tut?
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