26 Schmutziger Deal.

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Drei Tage vor dem Pokerabend stattete ich Niall einen Besuch ab. Ich ließ meinen Fahrer blöde Besorgungen machen, damit er beschäftigt war und um Mick in nichts mit reinzuziehen. Laut meiner Planung war er noch länger als vier Stunden unterwegs.

Ich mochte die Absteige nicht, in der Niall wohnte. Im Treppenhaus roch es nach Urin, der Müll quirlte im Hof über und als ich den trostlosen Gebäudekomplex betrat, da versuchten übermuskulöse Südländer oder Mexikaner mich einzuschüchtern.

„Kumpel, du musst hier nicht wohnen, ich kann dir etwas Besseres verschaffen", sprach ich und saß auf der Eckbank in Nialls kleiner Küche. Zumindest war es hier sauber. Trotzdem bekam ich dezent Platzangst.

„Ich mag die Nachbarschaft", meine Niall und stellte mir eine Cola hin. „Klar, die Kriminalität ist hoch, aber die Nachbarn, die nicht zu den Gangs gehören, sind freundlich und familiär. So etwas hast du an der Upper East Side nicht. Dort kümmert sich jeder um seinen eigenen Scheiß."

„Das ist wahr", gab ich zu, „trotzdem könnte der Kasten hier ein paar Überarbeitungen gebrauchen."

„Die ganze Straße würde davon profitieren", Niall zuckte mit den Schultern. Er war angespannt und ich konnte das verstehen. Denn wir warteten darauf heute einen Deal zu machen. Um mit David Grant abzurechnen, brauchten wir etwas Besseres, als nur einen guten Plan.

Wir warteten und normalerweise schwiegen Niall und ich uns nicht an. Doch dieses Mal trafen wir uns nicht auf ein Bier. Sichtlich unruhig verschränkte Niall die Arme vor der Brust: „Du weißt, dass wir Liam nicht die volle Wahrheit sagen dürfen, ja?"

„Schon klar, je weniger er weiß, umso besser. Es darf sowieso niemand den vollen Umfang miterleben", wiederholte ich. „Aber das eigentliche Ding ist doch das, wir wissen beide nicht, ob wir nicht in drei Minuten von einem Kugelhagel niedergemäht werden."

Ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung von der Nachbarschaft, die sich im Schatten aufhielt. Nicht, dass ich viel mit Gangs, wie den Bloods oder Crips zu tun hatte, aber man hörte ja aller Hand in den Nachrichten.

Niall seufzte tief und ich tat es ihm gleich, dann sprach ich: „Ich hätte nie gedacht, dass wir das mal für Liam tun."

„Wenn du aussteigen willst, dann solltest du das jetzt sagen", warf Niall ein. „Es ist okay, wenn dir alles zu heikel wird."

Wir sahen uns an und ich musste schmunzeln: „Nein, ich ziehe das durch. Mich überrascht nur, dass du dabei so ruhig bleibst."

„Ach, ich bin heikle Dinge gewöhnt und habe aufgehört schwarz und weiß zu denken. Manche Sachen muss man anders klären und wir haben ein gutes Angebot für das, was wir vorhaben", glaubte er und sah erneut auf die Uhr. 

Gleichzeitig zuckten wir zusammen als jemand hart gegen Nialls Wohnungstür hämmerte. Mein Kumpel nickte mir knapp zu und schritt durch seinen kleinen Flur, dann hörte ich ihn sagen: „Julio, so sehr ich die Art deines Beschützerinstinkt auch respektiere, aber mir wäre es lieber, du würdest draußen warten. Ich verspreche, es wird kein Kugelregen in meiner Wohnung stattfinden."

Stille, dann fiel die Wohnungstür ins Schloss und ich hörte schwere fremde Schritte. Ein dunkelhäutiger muskulöser Mann betrat die Küche. Er trug das typisch blaue Bandana der Crips und lässige Sportbekleidung.

Höflich hielt ich dem hochgewachsenen Typen die Hand hin, doch er verzichtete darauf sie anzunehmen und Niall stellte uns vor: „Mr Stanley Williams, Harold Styles."

Der Gangleader der Crips setzte sich und musterte mich: „Ich habe über die Bitte nachgedacht, die du mir unterbreitet hast, Niall."

Ganz dreist duzte er meinen Kumpel und der nahm das hin.

„Ist jedenfalls ein ziemlich dickes Ding, das ihr da verlangt."

Niall blieb gelassen und setzte sich zu uns: „Es wird sich lohnen."

„Wofür? Ihr wollt Geld und einen Gefallen von meinen Jungs, dabei habt ihr selbst genug Asche", misstrauisch beugte er sich vor. „Was stimmt mit eurer eigenen Kohle nicht?"

„Sollte die Staatsanwaltschaft ermitteln, geraten wir als erstes in den Fokus", sprach ich. „Wenn hohe Geldbeträge fehlen, dann ist jeder von uns dran."

„Die Crips waschen ihr Geld und es ist nicht markiert", warf Niall ein. „Darauf kommt es uns an. Außerdem brauchen wir diesen einen Gefallen wirklich dringend von Leuten, die nicht quatschen und die man motivieren kann."

Ich hätte nie gedacht, dass Stanley Williams ein so unauffälliger Kerl war. Er ging unter bei den Crips, denn er war weder hässlich wie die Nacht, noch spazierte er wie ein Playboy durch die Gegend. Vielmehr war er einer von ihnen, der die Strippen zog. Klang nach dem Geheimrezept, um eine loyale Truppe hinter sich zu haben.

Von Niall wusste ich, dass die Crips nicht den einen Boss hatten, sondern in einer Hierarchie organisiert waren. Dort gab es keinen El Chapo, der den Gewinn alleine einsteckte. Das war clever, denn eine indirekte Demokratie hielt das Gleichgewicht zwischen Drogen, Prostitution, Waffenhandel.

Ich hatte keine Ahnung, welchen Bereich Stanley Williams kontrollierte und organisierte, aber je weniger ich wusste, umso besser. Kurz räusperte ich mich: „Sie wissen, wer wir sind und was wir Ihnen anbieten können, nehme ich an?" Nur weil er unhöflich war, musste ich es nicht sein.

Stanley lehnte sich zurück und musterte uns: „Wieso organisiert ihr euch nicht einfach einen Auftragsmörder? Für 120.000 Dollar gibt es durchaus fähige Leute, es sei denn ihr nehmt das Schnäppchen für 2.000 Dollar."

„Wir wollen keinen Auftragsmörder, das ist nicht unser Stil", behauptete ich und schmunzelte. „Das ist eine Abrechnung und keine Rache."

Überraschend hob Stanley die Augenbrauen und wollte wissen: „Was hat der Typ getan? Je nachdem, was ihr mir erzählt, bin ich vielleicht eher bereit meine Leute zu motivieren."

Niall und ich tauschten einen Blick aus, dann begann mein Kumpel das Register des David Grant anzuschneiden. Ich war mir sicher, dass Stanley Williams ein abgebrühter Typ war und wir ihn damit sowieso nicht schocken konnten, aber scheinbar gab es auch bei Gangstern einen moralischen Knick. Dabei waren die Crips bekannt dafür, wenn möglich Kinder zu rekrutieren.

Stanley schwieg einen Augenblick lang, dann beugte er sich vor und stützte sich auf der Tischkante ab: „Okay, ich habe folgende Bedingungen für die Kohle und den Gefallen. Ich will, dass alle, die für den Gefallen das Maul halten müssen, eine rechtliche Vertretung bekommen, wenn sie wegen irgendwas angeklagt werden. Egal, ob es sich um diesen Fall hier handelt oder einen anderen." Dabei sah er Niall an.

Dieser nickte: „Okay. Geben Sie mir die Namen durch und ich halte mich bereit."

„Haue meine Jungs raus, Niall, sonst haben wir ein großes Problem miteinander", kündigte Stanley an. Zu meiner Verblüffung ließ mein Kumpel sich nicht einschüchtern. Vielleicht, weil er es mittlerweile gewohnt war auf so eine Art und Weise bedroht zu werden.

Nun fiel Stanleys Blick auf mich und ich wappnete mich für alles. „Unser Viertel kackt ab, der Staat pumpt kein Geld in die Immobilien. Ich will, dass sich in den nächsten sechs Monaten hier etwas tut und die Mieten nicht steigen. Trotz Renovierung."

Ich verstand. „Wie groß ist das Viertel?"

Stanley erklärte mir die Straßen und Niall warf ein: „Die Wohnkomplexe sind keine Drogenküchen, oder?"

„Nein", er schüttelte den Kopf, „aber meine Jungs würden es begrüßen, wenn ihre Familien nicht in Absteigen hausen müssten, wo bereits die Haustür nach Pisse stinkt."

„Kann ich verstehen", gab ich zu. Sah so aus, als wollte Stanley auch seine kleinen Lichter stärker in die Gang einbinden und wahrscheinlich war er intelligenter, als er aussah. Eine Gang zu organisieren schien Hirn zu erfordern.

Wir klärten weitere Dinge für den Gefallen ab und hielten nichts Schriftlich fest. Es durfte nichts geben, das eine Zusammenarbeit verriet. Als wir fertig waren, da wies uns Stanley darauf hin: „Wenn ihr mich verarscht, dann bereut ihr das."

„Wir hätten keinen Grund dafür", konterte Niall. „Außerdem stehe ich nicht so darauf, wenn Backsteine durch meine Fenster fliegen oder Kugeln meine Wohnung durchlöchern."

Unwillkürlich grinste Stanley: „Ich werde das im Hinterkopf behalten." Damit ging er und ich sah die Schatten seiner Bodyguards. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und ich bemerkte, dass ich klatschnasse Hände hatte. Während des Gesprächs hatte ich die Angst meisterlich unterdrückt.

„Er wirkt so harmlos, dass es mir Angst macht", gab ich zu. Niall nickte und goss uns einen billigen Scotch ein: „Und das ist das Gefährliche an ihm. Er spielt damit, dass man ihn unterschätzt, aber dadurch, dass er seine Leute gut behandelt, stehen sie hinter ihm und tun, was er verlangt."

Schwerfällig setzte Niall sich und wir stießen mit unserem Scotch an, dann fuhr er fort: „Wir sagen Liam, wir hätten jemanden aus dem Ausland gefunden, der das Geld locker macht und das dieser nicht belangt werden kann."

„Hältst du das für eine gute Idee?", warf ich ein, doch er antwortete: „Je weniger Liam an Details weiß, umso besser. Wir werden nämlich während der Abrechnung nicht anwesend sein. Dann gibt es niemanden von uns, der über alle Einzelheiten im Bilde ist."

„Ich weiß nicht, was ich erschreckender finde. Die Tatsache, dass du als Sauberjunge nicht mal überredet werden musstest das hier mitzumachen oder dass du hier Details austüffelst, für die du locker in den Knast kommen könntest."

Niall musterte mich ernst: „Harry, wir kommen alle in den Knast, wenn wir auch nur ein Leck haben. Glaub mir, Stanley Williams und seine Männer sind nicht meine größte Sorge. Die werden dicht halten, denn sie haben alle so viel Dreck am Stecken, dass es lebensmüde für sie wäre zu quatschen."

„Ich glaube nicht, dass unsere eigenen Leute den Mund aufmachen. Sie alle haben einen Grund zu schweigen", meinte ich. Tief seufzte ich: „Nachher rufe ich Liam an und halte mich an den Plan. Hoffentlich macht er bis zum Pokerabend keinen Unsinn." Ich kippte den Scotch und stellte das leere Glas ab. „Bleib weiter unauffällig, Kollege."

„Immer doch."

Die Tage bis zum Pokerabend zogen sich quälend lange hin und ich versuchte mich abzulenken. Als erstes stellte ich Nachforschungen an, was im Viertel, das ich aufwerten sollte, so los war und wem welches Gebäude gehörte. Es gab genug zu tun. Viel Elektrik musste überholt werden, ebenso die Innenausstattung. Die Fassade war das kleinste Problem.

Normalerweise kümmerte ich mich eher um Immobilien, die sich in der oberen Preisklasse befanden und wertete diese mit viel modernen Schnickschnack auf. Aber Problemviertel brauchten erst einmal eine Grundlage.

Es würde mich Geld kosten, das nicht wieder reinkam, denn ich durfte die Miete nicht erhöhen. Das war der Preis für die gewaschene Kohle, die niedriger war als meine Investition. Aber es würde mich schon nicht in den Ruin treiben.

Ich kannte ein paar Baufirmen, die sich über die Aufträge vor Ort freuen würden, damit war die Wirtschaft an der richtigen Ecke angekurbelt. Trotzdem war es nervig sich keine handfesten Notizen machen zu dürfen. Zumindest vorerst.

Also widmete ich mich den New York Yankees und besorgte Karten für eines der Spiele. Vielleicht bekam ich Taylor so weich gekloppt. Die Karten würde ich ihr mit Blumen schicken und um richtig dick aufzutragen, bekam sie eine Kiste mit guten Katzenfutter für ihre Viecher.

Die üblichen Dinge zogen bei Taylor schließlich nicht. Am Telefon setzte ich das Datum für den Lieferdienst, denn aktuell war sie bei Sophia in den Hamptons.

Am Tag, als der Pokerabend stattfinden sollte, begann ich in meinem Apartment die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Alles musste wie immer sein, auffällig unauffällig. Die Drinks wurden geliefert, ich schob ein paar Sessel um den Pokertisch, suchte die Chips und Karten und meinen heutigen Einsatz raus.

Der Jetlev-Flyer war etwas für Action im Urlaub und ich hatte keinen Spaß daran mit ihm zu fliegen. Es würde mir also nicht weh tun, wenn ich ihn heute verlor. Ich würde nie wieder um etwas spielen, das ich mochte. Honey war eine bittere Entscheidung.

Die Zeit verstrich und schließlich wurde es Abend. Ich saß in einem Ohrensessel und erinnerte mich daran, dass ich nicht genau wusste, was heute passieren würde. Niall dagegen umso mehr. Er war es auch, der als erstes eintraf.

Angespannt lockerte er die langweilige Krawatte um seinem Hals und ich sah, dass er direkt von der Arbeit kam. Die schwere Aktentasche stellte er im Flur hinter der Kommode ab, dann sprach er: „Hast du Whisky?"

„Nur den Besten", wir traten ins Wohnzimmer und gingen direkt auf die Bar zu. Dort goss ich Johnnie Walker Blue ein und Niall sah auf die Häppchen: „Weißt du, eine Pizza würde uns satter machen."

„Ich habe noch genug Platten in der Küche, kein Grund gierig zu werden", konterte ich und suchte nach Gin. Heute würde ich wohl auch Natron trinken, um meine Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Kaum hatte ich jedoch die Flasche geöffnet, da klingelte es.

Niall und ich sahen uns schweigend an. Mein Herz schlug bis zum Hals und ich ließ die Schultern kreisen, damit die Anspannung aus meinem Körper verschwand. „Es geht los", raunte ich.

Die Nacht der Abrechnung begann.

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