2 Nachtschwarz.
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❰ H A R R Y ❱
Da ich nicht zu den Männern gehörte, die sich von den ersten 'Nein' gleich entmutigt fühlten, gab ich Taylor zuerst ein bisschen Abstand. Sie sollte nicht denken, dass ich jederzeit bei ihr auf der Matte stehen würde.
Im Avenue lehnte ich mich in einem schweren Sessel zurück, nippte an meinem Scotch und dachte darüber nach, wie ich diesem Mäuschen ordentlich einheizen konnte. Oder eher, wie sie mir am Besten in die Falle ging.
Obwohl mir sämtliche Kneipen offen standen, so verbrachte ich hier am liebsten meine Zeit. Das Avenue war exklusiv genug, um nicht ständig genervt zu werden. Außerdem dröhnte mich die Musik hier nicht total zu.
In der linken Hand hielt ich den Joint und betrachtete ihn nachdenklich. Ich war es mittlerweile so stark gewohnt, dass sich die Frauen mir an den Hals warfen, dass ich fast vergessen hatte, wie es sich anfühlte, wenn man jagen ging.
Mein Blick streifte einen jungen Mann, mit kühler Miene und arroganter Haltung. David Grant, was suchte der schon wieder hier? Obwohl ich kaum drei Sätze mit diesem Kerl gewechselt hatte, mochte ich ihn nicht besonders.
Er war so glatt, so undurchsichtig.
Da waren mir so unkontrollierbare Spinner, wie Liam, einfach lieber.
„Hey Harry", grüßte mich eine raue Stimme und ich sah auf. Zayn Malik ließ sich mir gegenüber im Sessel sinken. Er sah aus, als wäre eine Runde Schlaf auch schon wieder eine ganze Weile her.
„Wenn du mir deine Matratzen-Aktivität mit Gigi unter die Nase reiben willst, dann spare es dir.Ich sage dir dann nur ungern, was du alles falsch machst", sprach ich und Zayn lachte amüsiert auf.
Allgemein lachte er nicht viel und obwohl er wusste, dass ich im Zweifelsfall Team Payne war, so blieb der Sack irgendwie an mir kleben.
„Nein", wehrte er ab und nahm seinen Wodka entgegen, der ihm serviert wurde. „Hast du noch etwas übrig?" Zayn nickte auf meinem Joint und ich reichte ihm diesen. Genießend zog er daran und sank entspannt zurück.
Eine ganze Weile schwiegen wir, dann schien auch er David Grant auf der anderen Seite des Avenues zu bemerken. „Was tut der schon wieder hier?"
„Vielleicht ist die Luft in Europa nicht mehr das, was sie einmal war", riet ich blind vor mir hin. Zayn studierte ihn, schließlich sprach er: „Je eher er sich hier verpisst, umso besser ist die Luft hier wieder."
Ich grinste: „Hat da jemand was zu erzählen?"
Zayn zögerte, etwas, was Ungewöhnlich für ihn war. Neugierig richtete ich mich auf: „Spuk es schon aus."
„Du weißt, ich bin kein Kind von Traurigkeit", gab Zayn langsam zu und ich rollte mit den Augen: „Weißt du überhaupt, was ein Kind von Traurigkeit ist?"
Er ging nicht drauf ein: „Jeder mag irgendwelche Abgefahrene Sachen, du, ich, Andy, selbst Peinlich Payne – all das hält sich jedoch noch an gewisse Grenzen."
Was wollte er denn damit sagen?
Zayn ließ David Grant nicht aus den Augen. „Sagen wir, er ist der Typ, den ich niemals mit meinen Schwestern alleine lassen würde. Und jeder Kerl, der eine Schwester hat, sollte es ebenso halten."
Nun stellte ich meinen Scotch ab: „So pervers?"
In unseren Kreisen gab es eigentlich nichts, was einen noch groß erschrecken konnte. Dafür hatte man die meisten Dinge selbst schon durch und einen hohen Grad an Toleranz entwickelt. Doch wenn Zayn von Grenzen sprach, dann entzog sich das meinen Vorstellungen.
„Er verkloppt gerne Frauen", teilte Zayn mir mit. „Zumindest erzählt man sich, dass er sich total daran aufgeilt, wenn Frauen Schmerzen haben."
Und das ging gar nicht.
So viel Raum man für Vorlieben auch hatte, aber selbst mir drehte sich da der Magen um, wenn ich mir vorstellte, dass Gemma auf diesen geleckten Typen hereinfallen könnte. Ich sah zu ihm und meine Abneigung wurde noch einmal eine Tonne größer.
„Kann man nachhelfen, dass er hier verschwindet?", fragte ich und Zayn verzog das Gesicht: „Habe Shahid drauf angesetzt etwas rauszukriegen, aber bislang nada."
Seinen fetten Kumpel? Na wenn der sich mal nicht halb so dämlich anstellte, wie er war. Ich nahm den Blick vom Golden Boy und sprach: „Sag mir Bescheid, wenn du Unterstützung brauchst, ja?"
„Klar", ging er drauf ein und ich beschloss andere Luft einzuatmen, als der Frauenschläger. Solche Kerle widerten mich an.
Ganz dezent machte ich mich daran bei dieser Eleanor fallen zu lassen, dass ich kein Problem damit hatte in nächster Zeit noch einmal die Begleitung für ihr Sorgenkind zu spielen. Eleanors Mundwinkel zuckten und ich sah an ihren Augen, dass sie mich durchschaute. Doch sie hatte zumindest den Anstand und sagte mir das nicht direkt ins Gesicht.
Stattdessen gab sie mir einen Tipp: „Wenn du möchtest, dass dir Taylor ein bisschen... freundlicher gesinnt ist, als sowieso schon, solltest du es mal mit den guten alten Klassikern versuchen."
„Also Filme?", riet ich.
Eleanor schmunzelte: „Je älter, umso besser. Da wird dir doch bestimmt etwas einfallen."
Und wir mir etwas einfiel.
Ein paar Dinge ließ ich organisieren und stand dann an einem Mittwoch vor Taylors Haustür. Sie ließ mich nicht sofort rein, was hatte ich auch erwartet, doch als ich durch das abgenutzte Treppenhaus ging, da wurde ich eine Spur zuversichtlicher. Im Türrahmen zu ihrer kleinen Wohnung versperrte sie mir den Weg.
Zu meiner Belustigung trug sie ihr blondes Haar zu einem nachlässigen Zopf gebunden, hatte eine Jogginhose an und ein rosa Shirt weißen Pukten drauf. Um ihre Füße strich eine weiße Katze und schnurrte.
„Was verschafft mir die Ehre?", begrüßte sie mich mit sanfter Stimme.
„Stressiger Tag heute?", stellte ich die Gegenfrage und sah ihr ungeschminktes Gesicht. Sie hatte unglaublich blasse Haut und große Augen. Tief seufzte Taylor und gab zu: „Ja, ich bin erst seit einer Stunde zu Hause und will nur noch ins Bett."
„Ich weiß etwas Besseres", behauptete ich.
Taylor musterte mich erst stumm: „Entschuldige Harry, aber ich möchte nicht mehr ausgehen."
„Du müsstest dich nicht einmal umziehen", lockte ich sie und bemerkte, dass die weiße Katze in meine Richtung fauchte. Störrisches Ding. Die verdiente einen Tritt in ihren pelzigen Hintern.
Skeptisch verzog Taylor nun das Gesicht: „Was?"
„Mit mir kommen müsstest du trotzdem", schob ich hinterher. Ich konnte beobachten, wie sie mich mitleidig musterte: „Lässt du mich dann in Ruhe?"
„Vielleicht."
Sie tat mir diesen einen Gefallen und ich versprach, dass sie es nicht bereuen würde. In Hausschlappen, schnell eine Jacke über geworfen kam sie zum Auto und mahnte: „Wehe ich stehe am Ende zwischen irgendwelchen tanzenden Nymphen."
„Ich kenne keine Nymphen, Feen und Meerjungfrauen", zog ich mich aus der Affäre und brachte sie leider nicht einmal zum schmunzeln. Wir fuhren nach Manhattan und vor einem Hochhaus hielt Mick den Wagen an.
„Und was wollen wir hier?", fragte Taylor in der pompösen Eingangshalle. Ich zückte die Magnetkarte, damit wir Zugang zum Fahrstuhl bekamen und wählte das Oberste Stockwerk. Dort befand sich eine große Wohnung, die ich vor Kurzem gekauft hatte.
Noch war sie nicht vermietet, geschweige denn komplett fertig, aber für heute war sie perfekt. Ich ließ Taylor schließlich den Vortritt und sichtlich zufrieden beobachtete ich, wie erstaunt sie war. Das große Loft hatte eine Decke aus Glas, der Boden war aus eleganten Marmor, doch mein eigentlicher Plan befand sich in dem riesigen Wohnzimmer.
Für den Kamin, mitten im Raum, war es zu warm. Dafür standen zahlreiche Lampen verteilt um eine gemütliche Nische aus zahlreichen Matratzen, Kissen und Decken bereit. Direkt dahinter befand sich eine aufgebaute Leinwand.
„Ich... weiß nicht, was ich sagen soll", stammelte Taylor und ich half ihr aus ihrer Jacke, dann setzte sie sich vorsichtig auf die Matratzen und musterte den Beistelltisch voller Süßkram, den man sonst im Kino dabei hatte.
„Du magst alte Filme, hat mir ein Vögelchen gezwitschert", gab ich zu und sie lachte. „Also dachte ich, wieso nicht deine heimische Gemütlichkeit mal verlegen?"
Taylor griff nach dem Popcorn und probierte es, dann schlüpfte sie aus ihren Hausschuhen: „Das ändert jedoch nichts daran, dass ich dich weiterhin für einen Casanova halte."
„Das macht nichts", meinte ich leichthin. „Casanova hatte Stil." Und am Ende alle Damen ins Bett bekommen. Aber auf die Geschlechtskrankheit konnte ich verzichten.
Sie fragte, welche Filme wir schauen würden und ich warf meine Jacke beiseite, dann suchte ich nach der Fernbedienung. „Frühstück bei Tiffany's und Ein Herz und eine Krone", beide hatte ich noch nicht gesehen und würde ich sicher überleben.
Bisschen nervige Romantik, gute Stimmung und dann würde ich schon zum Angriff übergehen können. Sofort streckte sich Taylor neben mir, verknotete ihre Beine und raschelte mit dem Popcorn. Ohne Schuhe war es prompt bequemer und ich versuchte so zu tun, als würde mich Frühstück bei Tiffany's groß interessieren.
„Geht es wirklich ums Frühstück?", fragte ich und Taylor lächelte: „Nein. Zumindest nicht wirklich. Aber wenn man es genau nimmt, dann könnte man fast meinen, dass Holly im heutigen New York lebt."
Das fand ich mal so gar nicht, immerhin spielte der Film 1961. Die Dialoge fand ich komisch, genauso wie diese Audrey Hepburn sich unwiderstehlich fand. Ich konnte über sie nur müde lächeln, während Taylor absolut begeistert zu sein schien. Sie ließ sich von diesem Rehgesicht einwickeln und immer wieder hörte ich sie verzückt seufzten.
„Das ist ein New York, in dem ich gerne gelebt hätte", flüsterte sie und ich saugte am Strohalm meiner Cola. Dort gehörte eindeutig ein Schuss Alkohol rein. Irgendwie hatte ich verdrängt, dass jagen so anstrengend sein konnte, denn Taylor zerstörte jegliche Stimmung.
Irgendwie schien sie zu riechen, wann ich etwas vor hatte, denn genau dann fragte sie: „Kannst du mir bitte die Weingummis geben?" Und wenn es nicht die Weingummis waren, dann hörte ich: „Sind noch M&M's da?", oder: „Hast du noch Cola?"
Es war zum verrückt werden und ich musste den Drang unterdrücken tief durchzuatmen. Stattdessen spielte ich den Gentleman und ich hatte einen verfluchten Oscar für diese Darstellung verdient.
Langsam wurde Audrey Hepburn unerträglich. Ich konnte ihre Stimme kaum noch ertragen. Am liebsten hätte ich das beendet, aber ich konnte nicht. Nicht, nachdem ich hier so viel Aufwand auf mich genommen hatte. Ich musste nur das richtige Timing abwarten.
Als Ein Herz und eine Krone begann musste ich mit Entsetzen feststellen, dass ich diese furchtbare Audrey Hepburn einfach nicht los wurde und der Film an Kitsch nicht zu überbieten war.
Ich schloss die Augen und versuchte diesen Mist zu verdrängen, bevor ich anfing das auch noch gut zu finden. Leider verdrängte ich so gut, dass ich irgendwann in einer völlig fatalen Haltung einschlief und gar nichts mehr mitbekam.
So etwas war mir noch nie passiert.
Ich lag dermaßen im Koma, dass ich überhaupt nichts mehr raffte. Vielleicht war der Drang zur Verdrängung auch einfach zu stark. Bleibende Schäden wollte ich nicht bekommen.
Was mich weckte?
Schwere Schritte und der Duft von Kaffee.
Träge öffnete ich die Augen und sah auf einen Starbucks-Becher. Mehrmals blinzelte ich. Licht flutete langsam durch die Glasdecke und total verwirrt sah ich meinen Fahrer Mick an. Dieser schob sich die alberne Mütze zurück, die er als Fahrer tragen musste und grinste sichtlich belustigt.
Sofort scannte ich den Raum nach Taylor ab und er erklärte: „Die Dame hab' ich nach dem Abspann brav nach Hause gebracht."
Umständlich strampelte ich eine Decke von mir und er fuhr fort: „Sie bat mich, dass ich Ihnen den gerechten Schlaf lasse und erst am Morgen noch einmal zurück komme."
Ich stöhnte frustriert. Das durfte doch nicht wahr sein! Der Kaffee belebte meine Geister nicht neu und ich sah, dass Taylor alles ordentlich verlassen hatte. Die Süßigkeiten waren zusammen gelegt, die Lampen aus und nichts deutete daraufhin, dass sie tatsächlich hier gewesen war.
„Meine Fresse", brummte ich und Mick war so höflich und entfernte sich. Ich wusste ganz genau, wie das hier aussah. Wie ein Anfänger hatte ich Taylor zu einem netten Abend verholfen, ohne, dass etwas für mich herausgesprungen war.
Der große Harry Styles machte keine Anfängerfehler und ich musste zusehen, dass niemand es Liam auf die Nase band, sonst war ich der Witz für die nächsten Wochen. Frustriert rieb ich mir über das Gesicht und strich mir dann die Haare nach hinten.
Sah so aus, als müsste ich meine Taktik noch einmal überdenken. Wieso ich mir überhaupt die Mühe machte, wusste ich selbst nicht so genau. Aber es wummte mich und einen Sieg konnte man nach ein bisschen Arbeit sowieso mehr genießen.
Also, auf ein Neues.
Irgendwann gab jeder nach und die Beute saß in der Falle.
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