19 Spuren aus Blut.
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❰ L I A M ❱
„Gut, ich werde den Aufenthalt überprüfen lassen", sprach Paul Higgins und ich unterschrieb den neuen Auftrag, dann besiegelten wir den Deal mit einen Handschlag. Als ich die Büroräume des Schnüfflerunternehmens verließ, da begann ich im Auto die Einkäufe online zu tätigen. Ich hasste es durch einen Supermarkt zu müssen.
Basil wollte eine Abkürzung nehmen, aber heute war New York wieder besonders voll, also saßen wir im Stau. Demnach streckte ich die Beine aus und gähnte. Ohne Absicht nickte ich kurz weg.
Erst das Klingeln meines Handys holte mich aus dem Schlaf. Zuerst musste ich mich orientieren und roch Pfeifentabak. Ungehemmt vertrieb Basil sich auf dem Fahrersitz seine Zeit und ich verzichtete darauf einen dummen Spruch abzulassen. Schließlich wusste nur er selbst, wie viel Zeit er schon damit verplemperte auf mich am Arsch der Welt zu warten.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und blickte auf eine unbekannte Nummer. Wer war das jetzt? Ich hasste es, nicht zu wissen, was mich erwartete.
„Ja, wer ist da?"
»Hier spricht Louis Tomlinson«, vernahm ich die ungewöhnliche Stimme von Sophias 750.000 Dollar-Deal. Er klang so monoton und ruhig wie immer. Viel zu irritiert war ich darüber, dass er meine Handynummer hatte. Doch bevor ich ihn fragen konnte, da sorgte er für ein Erdbeben.
»Sie müssen sofort ins Presbyterian Hospital kommen.«
Prompt blinzelte ich und setzte mich aufrecht hin: „Wieso, was ist passiert?"
Statt mir zu antworten wiederholte er nur: »Presbyterian Hospital, so schnell wie möglich. Ich kann Sie hier nicht auf dem Laufenden halten, weil ich keine Befugnis bezüglich Informationen habe.«
Mein Herz begann augenblicklich zu rasen und ich änderte sofort bei Basil die Adresse, doch er brummte nur: „Wir kommen hier sowieso vorschnell nicht weg."
Sophia wollte sich mit Louis treffen. Wieso war er nicht bei ihr? Mein Hals wurde Staubtrocken, ich hustete: „Sagen Sie mir sofort was los ist!"
Ich hörte Louis Tomlinson am anderen Ende tief durchatmen: »Das weiß ich selbst nicht. Ich war wie verabredet im Penthouse und mir hat niemand aufgemacht. Der Portier hat nach meinem Terror die Wohnungstür aufgeschlossen. Es war nur Chaos zu sehen. Hören Sie, das ist nichts für's Telefon. Sophia ist nach Presbyterian eingeliefert worden und ich weiß nicht, wie lange das hier noch dauert, denn mir sagt niemand etwas!«
Zum Ende hin wurde seine Stimme ungewohnt laut, frustriert und wütend. Vor meinen Augen formte sich ein Bild, dessen Erkenntnis mir einen Schauer über den Rücken rieseln ließ.
Sophia war etwas zugestoßen und die Tatsache, dass sie Louis nicht einmal die Tür geöffnet hatte, ließ eine schreckliche Vorahnung in mir aufsteigen.
„Ich bin so schnell wie möglich da", beendete ich das Gespräch, sah nach draußen und sprach: „Fahren Sie den Wagen zum Presbyterian, ich nehme die Abkürzung."
Und damit sprang ich aus dem Auto.
Basil rief mir etwas nach, aber das verstand ich nicht mehr. Geschickt schob ich mich an den parkenden Fahrzeugen vorbei und rannte los. Der Weg zog sich ewig, dabei waren es nur drei Blocks. Mir war danach diese Eleanor anzurufen oder meine Familie, aber zuerst musste ich wissen, wie Sophias Gesundheitszustand aussah.
Nachher hatte sie nur einen verstauchten Knöcheln und ich war die neue Dramaqueen. Das es nicht um einen verstauchten Knöchel ging, brüllte mir mein Unterbewusstsein in Sekundentakt an. Die Vorahnung wurde unerträglich und als ich das Presbyterian Hospital erreichte, da bemerkte ich nicht einmal mehr, dass ich außer Atem war.
In der Eingangshalle sah ich mich hastig um und entdeckte den Goldjungen als er telefonierte. Er legte sofort auf und kam auf mich zu: „Sophia wird zur Zeit operiert."
Das war alles, dann eilte er durch die Flure und ich folgte ihm. Dabei fiel mir Blut an Louis' Shirt und Hose auf und Übelkeit machte sich in mir breit.
Meine Gedanken begannen zu rasen.
Wir kamen nicht weit. Vor einer geschlossenen Tür mussten wir warten, eine rote Lampe leuchtete direkt über der Tür und eine Schwester trat uns in den Weg. Breit und hochgewachsen wollte sie wissen, was wir hier taten.
Dieser ganze bürokratische Kram zerrte an meine Nerven. Ich musste mich ausweisen und als wäre das noch nicht genug, erschienen zwei Polizisten und ich wusste immer noch nicht, was genau meiner Frau passiert war oder wie es ihr ging.
Die zwei Polizisten erklärten mir, dass ich für eine Befragung bereitstehen müsste, da es im Penthouse zu einem Überfall gekommen war. Mein Zuhause war nun ein Tatort und ich sollte dort erst am nächsten Tag auftauchen. Zahlreiche Informationen, die absolut unwichtig waren, prasselten auf mich herein. Mein Gehirn filterte all dies kaum, denn sie sagten mir nicht das, was wirklich wichtig war.
Und mit einem Mal wusste ich ganz genau, was passiert war. Man musste mir rein gar nichts erklären.
David.
Er war in New York.
Wie betäubt nahm ich die Kontaktvisitenkarten der Polizisten entgegen. Normalerweise wusste ich, was zu tun war, aber jetzt stand ich nur regungslos dar und sah ihnen nach.
Großer Gott, was passierte hier gerade?
„Das Penthouse ist eine Spur der Verwüstung und...", Louis unterbrach sich selbst, dann gestand er: „Ich habe Sophia im abgeschlossenen Bad gefunden. Die Tür war so stabil, sie ließ sich nicht eintreten, aber weil überall Blut war, habe ich..."
„Mir ist es egal, wen du gerufen hast", sprach ich und ignorierte meine eigene Unhöflichkeit. „War sie ansprechbar als sie ins Krankenhaus kam?"
Louis machte mir nichts vor: „Nein."
Ich ging durch die Hölle. Ganze zwei Stunden.
Das rote Lämpchen über der geschlossenen Tür machte mich wahnsinnig. Betäubt starrte ich drauf und merkte nicht, was um mich herum passierte. Mir brannten die Augen, Louis verschwand für mehrere Telefonate, aber das war mir gleichgültig.
Erschrocken zuckte ich zusammen als ich nach einer Ewigkeit eine Hand spürte, die meinen Oberarm berührte. Blass wie die Wand und durcheinander sah Eleanor mich an. Hinter ihr befand sich Taylor, die Milchtüte.
Es war mir egal.
Fragen ohne Ende kamen von ihnen, aber auf keiner hatte ich eine Antwort. Erst, als sich die Tür, die mir wie eine Grenze in ein anderes Land vorkam, öffnete und ein ergrauter und erschöpfter Arzt nach draußen trat, dicht gefolgt von zwei Schwestern, da wurde mir eiskalt.
„Mr Payne?", sprach er müde und nahm eine Akte von einer kleinen Schwester entgegen. „Mein Name ist Dr Rollins. Ich würde Sie bitten mit mir zu kommen."
Hinter mir mischte sich Eleanor ein, doch ich ignorierte sie und versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen. Meine Handflächen waren nass vor Angst und in einem leeren Behandlungszimmer bat der Arzt, dass ich mich hinsetzte. Mit steifen Gliedern ließ ich mich langsam auf einem Hocker nieder und rieb meine Hände an der Jeanshose ab.
Dr Rollins schlug die Akte auf: „Ihre Frau ist Opfer eines Überfalls geworden. Das erklärt ihre Verletzungen."
Er machte eine Pause und ich war fast dabei aufzuspringen, als er die Akte wieder schloss und mich musterte, dann sprach er ruhig: „Mrs Payne war nicht ansprechbar als sie eingeliefert wurde, ihre linke Schulter war ausgekugelt, sie hat eine leichte Kopfverletzung."
„Das ist alles?"
„Nein", Dr Rollins holte tief Luft. „Wir mussten ihr die Milz entfernen und mehrere Blutgefäße sind durch den Einfluss von Gewalt geplatzt."
Nun rauschte es in meinen Ohren.
„Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir es nicht geschafft haben die Fehlgeburt zu verhindern."
Seine Worte hallten wie ein Echo.
„Ihre Frau hat das Kind verloren. Wir konnten nichts mehr tun, der Blutverlust war zu-"
Nein... man hatte es aus ihr raus geprügelt.
„Die Polizei wird auf Grund..."
Das Baby... es war einfach weg.
„... Mr Payne?"
Es war tot.
Der Arzt versuchte meine Aufmerksamkeit zu bekommen und irgendwann blinzelte ich. Ich hatte das Gefühl, als würde man mir die Luft abdrücken. Das ganze Glück zerbrach unter meinen Händen und zurück blieben Scherben, Schmerzen und Blut.
„K-Kann ich zu meiner Frau?", sprach ich beherrscht und Dr Rollins erhob sich: „Ich werde eine Schwester bitten Sie zu begleiten. Bitte vermeiden Sie Panik und Lärm. Ihre Frau braucht Ruhe. Ein psychologischer Berater wird Ihnen zur Verfügung gestellt."
Sophia hasste Psychologen.
Statt auf den Flur zurück zu Eleanor, Taylor und Louis zu kehren, lief ich mit einer Krankenhausschwester diese unendlichen Gänge entlang. Schließlich blieb sie vor einem Zimmer stehen und ließ mich wissen, dass ich mich melden sollte, wenn irgendetwas war.
Dann stand ich alleine vor der imaginären Wand.
Was sollte ich jetzt tun?
Was erwartete man von mir?
Die folgenden Schritte zu tun war so schwer, als würde man mit Blei an den Beinen versuchen zu gehen. Irgendwie schaffte ich es und betrat das Einzelzimmer, in das man Sophia verlegte. Lautlos schloss ich die Tür hinter mir und sah auf die Infusionen und Überwachungsgeräte.
Ich sollte mich nicht erschrecken, doch trotzdem tat ich es. Was ich erwartet hatte, wusste ich nicht, doch ich erinnerte mich daran, was sie mir einst in den Hamptons erzählte. Nämlich das ihr Kiefer mit Draht fixiert gewesen war, nachdem mein Halbbruder seinen Frust an ihr ausließ.
Regungslos stand ich vor dem Bett und sah auf sie herunter. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf, ihr Arm war geschient und mein Blick glitt über die Decke. Die Narkose hielt Sophia davon ab in die Realität zurück zu kommen und das war das Beste, was ihr im Moment passieren konnte.
Wie in Zeitlupe setzte ich mich auf den Besucherstuhl und hörte nur das Surren der Geräte. Automatisch griff meine Hand nach Sophias und die Kälte ihrer Haut erschreckte mich. Louis' Stimme hallte in meinen Ohren wieder: „Überall war Blut."
Das Baby war tot.
All die Pläne, die Erwartungen und diese fremde Vorfreude waren fort.
Meine Finger strichen über Sophias Handflächen und alles, was ich tun konnte war einfach nur da zu sitzen und zu warten. Zu warten auf einen Moment, wo all das, was passiert war, nur zu einem bösen Traum wurde.
Doch das geschah nicht. Stattdessen wurde die Realität von Minute zu Minute und Stunde für Stunde schlimmer. Ich wusste nicht wohin mit all dem, was der Gefühlscocktail so hergab. Mein Handy klingelte immer wieder, doch ich ging nicht dran.
Ab und an kam eine Schwester rein, einmal Dr Rollins, doch ich hörte nicht richtig zu. Das Zimmer wurde dunkel, die Sonne verschwand und spiegelte innerlich meinen Gemütszustand wieder. Das Licht anzumachen fühlte sich falsch an.
Irgendwann spürte ich, wie leichter Druck den Griff meiner Hand erwiderte und schnappte nach Luft als würde ich ertrinken. Orientierungslos sah Sophia sich um, sie konnte kaum den Kopf richtig bewegen und ich hörte sie keuchend. Erst als sie mich erkannte beruhigte sich ihre Atmung wieder.
„Du bist im Krankenhaus", sprach ich belegt. Meine Stimme klang so furchtbar fremd und nicht so, als würde sie zu mir gehören. Sophia ließ meine Hand los und ich wusste genau, was sie nun tun würde. Ich hielt sie nicht auf und als die Erkenntnis in ihren Augen einschlug, fühlte ich mich so hilflos, wie noch nie in meinem Leben.
Ich wartete darauf, dass sie einen Gefühlsausbruch hatte. Doch sie reagierte körperlich überhaupt nicht. Lediglich ihre Hand blieb auf ihrem Bauch liegen. Es dauerte, bis ich begriff, dass sie sich zwang ruhig zu atmen. Ihr Blick ging zur Decke und der Ausdruck ihrer Augen wurde leer und stumpf.
„Man hat dir die Milz entfernt", erzählte ich ihr, obwohl wir beide wussten, dass dies nicht wichtig war. „Deine Schulter ist ausgerenkt und da waren noch andere Verletzungen."
Meine Hand legte sich sanft auf ihre.
„Es... ist weg...", hörte ich Sophia leise sagen. Hart schluckte ich: „Ja. Die Ärzte haben es nicht retten können."
Wir sprachen vom 'Es' als würde es das weniger schlimm machen.
Der Gefühlsausbruch, den ich nicht mehr erwartet hatte, überwältigte Sophia so plötzlich, dass ich im ersten Moment keine Ahnung hatte, was ich tun sollte. Tränen, Wut und ein gequälter Schrei entwich ihr.
Ich wollte ihr helfen, aber stattdessen konnte ich rein gar nichts tun.
„Es ist meine Schuld."
„Nein!", sprach ich sofort und beugte mich vor.
„Doch", behauptete sie. „Ich habe ihn nicht aufhalten können."
Meine Hand zitterte kaum merklich, als ich sanft eine Haarsträhne aus ihrer Stirn strich. Leicht wandte sie sich mehr in meine Richtung und ein Kloß im Hals ließ da dieses kleine Quäntchen Glück in mir aufkeimen, dass sie ein Stück Nähe zu mir nicht abwehrte.
Doch das Glück platzte genauso schnell, wie es gekommen ließ und hinterließ einen riesigen Einschlagkrater. Ich ließ Sophia weinen und wischte gar nicht erst die Tränen fort, es hatte keinen Sinn. Überhaupt nichts mehr erschien sinnvoll.
„Sophia...", ich hasste mich das zu fragen, aber ich musste es wissen. „Wer war das?"
Sie brauchte mich nur ansehen und das war Bestätigung genug.
„Ich dachte... er ist weg."
Das war er nicht, ich hatte David unterschätzt und das war der Preis, den ich dafür zu zahlen hatte. Ekel, Hass und unglaubliche Wut erschütterten mich. Nicht nur auf meinen Halbbruder, sondern auch auf mich selbst.
Wie konnte er ihr so nahe kommen? Wie war er nur ins Penthouse gekommen, wer hatte ihn reingelassen und wie konnte er so etwas tun? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort hatte.
Stattdessen blieb diese fürchterliche Ohnmacht.
Ich glaubte nicht, dass es noch schlimmer kommen könnte. Doch als ich am nächsten Morgen das Penthouse betrat, da wurde mein Leben zu einem Albtraum. Man hatte den Tatort freigegeben und gesäubert. Der Geruch von starker Bleiche schlug mir entgegen. Niemand hatte sich um die Unordnung gekümmert. Alles wirkte so durcheinander und machte überhaupt keinen Sinn.
Schubladen waren herausgerissen, Porzellan zerbrochen und Bilder an den Wänden zerschnitten. Wie betäubt ging ich von einem Raum zum anderen und erinnerte mich daran, was Louis gesagt hatte.
Man fand Sophia im Bad. Also ging ich die Stufen nach oben hoch. Der Geruch der Bleiche wurde stärker und stärker. Dann sah ich die aufgebrochene Tür zum Bad und blieb direkt im Türrahmen stehen.
Mir war übel und ich unterdrückte den Reiz zu kotzen. Obwohl kein Tropfen Blut mehr da war, so war mir doch als würde ich die Blutspur vor mir sehen.
„Liam?"
Ich erschreckte mich nicht einmal mehr, geschweige denn hatte ich gehört, wie Niall ebenfalls das Penthouse betrat. Mein bester Freund blieb im Flur stehen, er war nachlässig gekleidet, wirkte übermüdet und beklemmt: „Es gibt da etwas, was du wissen solltest. Vor einer Stunde hat die Polizei mich auf dem Laufenden gebracht."
„Ich muss eine neue Tür kaufen?", riet ich trocken, doch Nialls Lippen zuckten nicht einmal: „Die Spurensicherung hat keine brauchbaren Beweise sichern können. Und heute Morgen war die Polizei für eine Aussage von Sophia im Krankenhaus."
„Lass mich weiter raten", sprach ich und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass es weh tat. „Man kann David nicht festnehmen."
„Er hat ein Alibi. Die Polizei hat es sofort gründlich überprüft."
Natürlich hatte er ein Alibi.
Mein Bruder kam schon wieder davon.
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Wünsche euch einen schönen Advent :)
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