18 Sonnenstillstand.
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❰ S O P H I A ❱
Der Morgen begann, weil ich spürte, wie sich die Matratze bewegte. Automatisch schlug ich die Augen auf und sah, wie Liam mir den Rücken zu wandte und auf dem Rand des Bettes saß. Müde strich er sich durch das zerzauste Haar und als er aufstand, da ließ ich den Blick genießend über den nackten Anblick wandern.
Noch immer fühlte ich mich merkwürdig aufgeheizt von der Nacht. Ich hätte nicht mit Liam schlafen sollen, nicht, nachdem wir gerade erst wieder auf eine grünen Zweig gekommen waren. Trotzdem hatte ich nicht widerstehen können.
Er sorgte regelmäßig dafür, dass ich mich gut fühlte, egal, wie oft ich davor an die Decke gehen könnte. Nur, dass so etwas bei Liam nichts brachte. Ihn anzubrüllen war schwierig, ohne, dass er kopflos abhaute.
„Stell den Spannerblick ab, Sweets", sprach Liam und ich hob leicht den Kopf: „Keine Chance."
„Gleiches Recht für alle", hörte ich ihn sagen, doch ich winkte ab: „Du hast gestern genug gesehen."
Er schlüpfte in eine frische Boxershorts und zog dann an der Bettdecke. Den Kampf verlor er jedoch und kletterte zurück ins Bett. Seine Hände schoben sich unter die Decke und Sekunden später glitten sie von meinen Oberschenkeln hoch zu meinem Bauch. Es war nur eine simple Geste, aber sie ließ mich erschaudern.
„Ich würde ja wirklich gerne mit dir so liegen bleiben, aber meine Blase meldet sich", zerstörte ich den Moment. Seit der Schwangerschaft musste ich gefühlt alle zwanzig Minuten am Morgen pinkeln und hatte ständig Sodbrennen. Meine Füße taten oft weh und ich war merkwürdig vergesslich geworden.
Ein Grund, warum ich heute zu Hause bleiben würde. Anweisung von Louis. Ich sollte mich auf Rückenschmerzen einstellen und Migräne. Innerlich konnte ich drauf verzichten. Genauso wie auf Blähungen, Beinkrämpfe und Schwangerschaftsstreifen. Letztes würde allerdings kaum ausbleiben.
Liam kletterte aus dem Bett und wandte sich seinem begehbaren Schrank zu: „Ich fahre gleich zu diesem Schnüffler namens Paul und bestelle deine Schatten ab."
„Endlich", entfuhr es mir. Nicht, dass die Schnüffler nicht diskret gewesen waren, aber es fühlte sich merkwürdig an, wenn man wusste, dass man verfolgt wurde. Außerdem war fast immer Basil bei mir gewesen, sobald ich irgendein Gebäude verließ.
Ich verstand, dass sie alleine wegen David ständig hinter der nächsten Ecke lauerten, aber das Gefühl von Sicherheit stellte sich immer nur ein, wenn ich unter Leuten war, die ich kannte.
Im Bad zog ich mir eine Yogahose an und betrieb Katzenwäsche. Dabei fiel mein Blick in den Spiegel. Ich konnte es immer noch schwer fassen, aber mit jeden weiteren Tag wurde ich dicker. Und zwar auf die gute Art.
In manche Kleider kam ich noch rein, aber ich hatte keine Geduld dafür mich in Strumpfhosen zu kämpfen. Längere Strümpfe hatte ich ebenfalls aufgegeben. Sie waren unbequem und unpraktisch. Gleiches konnte ich von vielen meiner Schuhe behaupten. Meine Füße waren dicker geworden und schwollen zu schnell an. Ich hasste das und lief am liebsten nur noch barfuß.
„Wenn du hier bleibst, soll ich dann für später etwas zu Essen besorgen?", fragte Liam nachdem er das Bad übernahm und ich die Betten aufschlug.
„Du könntest selbst kochen und dieses Mal gleich etwas mehr, weil Louis später vorbeikommen will", meinte ich, doch Liam schnaubte nur und ich hörte etwas davon, dass er nicht hauptberuflich Koch wäre. Trotzdem würde ich immer Liams Essen einem Restaurant vorziehen.
Er verabschiedete sich schließlich und ich schleppte mein Zeichenmaterial ins Wohnzimmer. „Bevor ich verschwinde, Sweets, irgendwelche Wünsche?", horchte er. Ich hob die Augenbrauen: „Ja, du sollst kochen und ich hätte nichts gegen Fußmassagen oder direkt eine Maniküre, und wenn du-"
„Okaaaay", unterbrach Liam mich und schnappte sich die Autoschlüssel. „Bin in vier Stunden wieder da und bringe die Nummer von Pizzaservice mit. Sag deinem Goldjungen, dass er hier nicht zu viel ernste Laune verbreiten soll."
Na gut, da hatte Liam vielleicht nicht so unrecht. Louis versprühte nicht gerade Optimismus und rosa Einhornluft. Vielleicht lag das auch einfach daran, dass er gedanklich drei Listen abarbeitete. Nur einmal würde ich mir wünschen, dass er nicht auf Hochtouren lief. Ich wollte ihm im neuen Jahr mehr Geld zahlen, aber ich würde all das erst mit Geoff bereden müssen. Denn er verdiente jetzt schon mehr, als jeder andere Chefdesigner, den Geoff je eingestellt hatte.
Ich machte Musik an, schrieb mit meiner Schwester, die ein paar Babyupdates haben wollte und breitete im Wohnzimmer schließlich alle Unterlagen aus, welche ich noch einmal durchgehen wollte.
Die Abfolge der Präsentation musste geklärt werden. Manche Entwürfe schnitten sich aneinander und ich fluchte darüber, dass ich ständig pinkeln musste. Von Tee hatte ich schnell die Nase voll und alleine beim Gedanke von einem guten Glas Rotwein lief mir das Wasser im Mund zusammen.
Unruhig tiegerte ich vor dem Weinschrank auf und ab und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Das ist doch total bescheuert", sprach ich mit mir selbst und erinnerte mich daran, wie schwer es mir im Rainbow Room gefallen war, nicht einfach in ein altes Muster zu fallen. Sollte es nicht problematischer für mich sein auf so etwas wie Sushi zu verzichten?
Taylor erlöste mich von zu vielen Gedanken. Sie rief an, weil sie meine Meinung zu einem Modeljob haben wollte. Victoria's Secret ließ sie abblitzen, sie wehrte sich gegen dieses verachtende Frauenbild.
»Die Frauen sehen alle gleich aus und was für eine Botschaft vermittelt diese Show? Bist du nicht unterernährt, groß und langhaarig, dann bist du nicht schön?«
Sie klang merkwürdig empört am Telefon und ich verkniff es mir, dass die Show einen Kultstatus besaß und deshalb so geliebt war „Was ist nun der Job, bei dem du unsicher bist?"
»Die Vogue würde gerne ein Cover haben und ein Interview, aber ich möchte mich wirklich ungern ausziehen. Es wäre abgrundtief peinlich, wenn ganz Amerika wüsste, wie ich nackt aussehe.«
Ich hockte auf dem Sofa und rieb mir über die Stirn: „Das ist ist durchaus... etwas fraglich. Hast du versucht mit dem Zuständigen dort zu reden? Ich meine, es lässt sich doch bestimmt auch ein anderes Konzept finden."
»Genau das habe ich versucht, aber mir wurde nur von einem fragwürdig gekleideten Herrn entgegen gekreischt, dass ich meine Diva in den Urlaub schicken soll«, kam es verzweifelt von Taylor.
Wenn sie eines nicht war, dann eine Diva. Jean Delgado war ein super Fotograf, der für die Vogue arbeitete. Nur leider hielt er sich auch für den Nabel der Welt.
Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, Taylor glaubte, sie würde jeder Zeit wieder zurück in ihren Job als Sekretärin zurückpurzeln. Doch die Nachfrage nach ihr war erstaunlich groß und ich war mir sicher, dass sie die nächsten fünf Jahre gut beschäftigt sein sollte.
„Okay... wie wäre es, wenn ich jemanden ganz subtil mit ihm reden lasse?", schlug ich vor und prompt atmete Taylor erleichtert aus: »Sag Eleanor, sie soll Jean leben lassen.«
„Du kannst sie auch gleich selbst fragen, ob sie Jean mal ordentlich den Kopf wäscht", meinte ich und grinste bei der Vorstellung, mit wem Jean zu tun bekommen würde. „Und wo wir schon dabei sind, wie sieht es mit einer weiteren Verabredung aus?"
»Mit wem?«
Kurz rollte ich mit den Augen: „Mit Harold Styles, ich dachte, dass... nun ja, du hast fallen gelassen, dass du seine höfliche Art magst."
Nun schnaubte Taylor so laut, als hätte ich ein Pferd neben mir stehen und gerade rechtzeitig hielt ich das Handy vom Ohr weg. Klang ganz nach danach, dass Liams Kumpel es mächtig versalzt hatte.
»Dieser Snob und Playboy ist sich zu gut dafür sich etwas mehr Mühe zu geben. Scheinbar erwartet er für ein bisschen Einsatz, dass Frau es ihm dankt, indem sie sich auszieht«, empörte sie sich. »Ich bin mehr als froh, dass ich meine Kleidung anbehalten habe und keine der Kerben in seinem Bettpfosten bin! Er ist selbst ein Pfosten!«
Hm... wahrscheinlich bereute sie es, dass sie so stark geblieben war, statt einfach einmal einen Martini zu viel zu trinken und den Lauf der Dinge eine Chance zu geben. „Weißt du was, du solltest ausgehen! Ich werde Eleanor sagen, dass du ganz dringend einen kleinen Absturz brauchst."
Zu meiner Überraschung widersprach Taylor nicht. Stattdessen hielt sie es für eine ganz passable Idee.
Verdammt, endlich gab es die Gelegenheit Taylor abzufüllen und ich konnte ihr dabei keine Unterstützung sein.
So bestärkte ich Taylor mit Worten und als sie aufgelegt hatte, da stand ich auf, um den Drang nach Wein mit Kakao zu bekämpfen. Sobald ich die Marshmallows ertränkt hatte, würde ich Eleanor anklingeln und legte vorab das Handy auf einer Kommode ab. Es hatte geschellt, Louis war also schon da. Dieser Mann war aber auch immer verdammt überpünktlich. Keine Ahnung, wie er das machte.
Schwungvoll öffnete ich die Tür: „Nur herein spaziert und wehe dem, du hast heute auch nur irgendetwas zu nörgeln. Ich werde nicht schon wieder irgendwelche Stoffe aus-"
Mir blieben die Worte im Hals stecken.
Ich sollte reagieren. Sofort!
Doch stattdessen war ich wie erstarrt und die Sekunden zogen sich wie Minuten. Mein Herzschlag begann zu rasen und eine unsichtbare Hand legte sich um meinen Hals und drückte zu.
Es war nicht Louis, der zu früh war.
Mit einem aalglatten Lächeln, eiskalten Augen und einer Haltung, die vor Selbstbewusstsein und Arroganz nur so trotze, begrüßte mich Davids Visage.
Als wäre mein Körper aus Blei, setzte er sich endlich in Bewegung. Mit aller Kraft versuchte ich die Tür zu zuwerfen, doch ich war zu langsam. In einer unnachgiebigen Wucht hielt er die Tür auf und machte den ersten Schritt in das Penthouse.
„Das war nicht die feine englische Art, Liebling", hörte ich ihn, als würde ein Echo von ganz weit weg zu mir herüberwehen. Automatisch wich ich zurück und ich fühlte mich brutal in die Vergangenheit zurückversetzt.
Mit aller Kraft versuchte ich ein heftiges Zittern zu unterdrücken, doch ich dachte nur an die verfluchten achtzehn Stunden, die ich schon einmal mit unglaublicher Angst verbracht hatte. Verzweifelt versuchte ich mich an alle Lehreinheiten des Jiu Jitsu-Kurses zu erinnern, aber alles war wie weggeblasen.
Sechs Wochen war mein Kiefer mit Draht fixiert, ich hatte eine Gehirnerschütterung und zwei gebrochene Rippen nachdem David mit mir fertig war. Von den anderen Hämatomen ganz zu schweigen.
Doch am Schlimmsten war das, was er mit meinem Selbstbewusstsein und meiner Psyche gemacht hatte. Sie war zerbrochen wie Glas, das in tausend Teile splittete.
„Bleib wo du bist", sprach ich belegt, doch das Grinsen auf Davids Lippen wurde eine Spur breiter: „Sonst was?" Als würde er meine Gedanken lesen sprach er: „Liam ist nicht da und wir haben Zeit, bis dein eigentlicher Besuch kommt, nicht wahr?"
Ich musste zu meinem Handy, hektisch ließ ich den Blick durch den Raum fahren, doch kaum hatte ich es ausgemacht, da lief eine Gänsehaut über meinen Rücken. Denn David begriff genau, was ich vor hatte.
Ganz plötzlich setzte sich mein Körper in Bewegung und ich stürzte los, doch David war schnell. Noch bevor ich durch den Türrahmen war, da griff eine Hand zum Saum meines Shirts und zog mich brutal zurück. Ich stolperte und konnte nicht mehr klar denken. Gerade rechtzeitig fing ich den Sturz ab und riss mich von ihm los.
Er blieb unglaublich gelassen. Ich brachte kaum drei Meter zwischen uns und statt gehetzt zu wirken, schmunzelte David und dann fiel es mir zum ersten Mal auf.
Diese Aktion war geplant, denn David trug Handschuhe. Er würde keinerlei Spuren hinterlassen, es sei denn ich kam in direkten Kontakt mit ihm und es gelang mir ihn zu kratzen oder ihn zu schlagen.
Für ihn war das alles hier ein Spiel und als er sich bewegte, da wurde mir klar, dass er mir den Weg zur Küche abschnitt. Zuerst hörte ich nur mein pumpendes Herz, aber dadurch, dass er die Küche im Rücken hatte, kamen die Küchenmesser für mich als Waffe nicht mehr in Frage. Auch würde er die Wohnungstür viel eher erreichen als ich.
In meinen Ohren rauschte es.
Angst kroch unaufhörlich durch meinen Körper.
„Du lässt dich gehen, Darling", sprach er als würden wir uns bei einer Tasse Tee unterhalten. „Komm, ich werde dir ein wenig unter die Arme greifen und dir helfen wieder in die richtige Spur zu gelangen."
„Du wirst gar nichts!", spukte ich ihm entgegen und warf eine der großen Vasen im Flur um und dann rannte ich um mein Leben. Direkt auf die Treppen zu ins obere Stockwerk. Doch David war großer als ich, nahm mehrere Stufen auf einmal und eine Hand umfasste grob meinen rechten Knöchel.
Ich stürzte hart.
Ungelenkt fing ich mich ab, ich wurde herumgedreht und dann wich alle Luft aus meinem Körper. Mich traf ein brutaler Schlag in den Bauch. Schock und Schmerzen lähmten mich. Davids ekelhafter Atem wehte mir ins Gesicht, sein Aftershave betäubte mich zusätzlich und Tränen schossen mir in die Augen.
Das Material seiner Handschuhe spürte ich auf meiner Wange, mit den Zeigefinger strich er zärtlich über meine Haut und sah mich belehrend an: „Ach Liebling, bist du immer noch so unendlich dumm?" Sein Lächeln verzerrte sich und ich wollte ihn von mir stoßen, doch er griff fix nach meinen Händen und drehte sie.
Etwas knackte, meine Schulter gab nach und ich konnte den linken Arm nicht mehr bewegen. Mit der anderen Hand wollte ich ihm ins Gesicht schlagen, aber David fing sie ab und dann schlug er erneut zu, wieder in meinen Bauch.
Entsetzten fraß sich durch meinen Verstand als ich begriff, was er vor hatte.
„Nein!", keuchte ich unter wahnsinnigen Schmerzen. „Hör auf!"
„Niemals", antwortete er rau und strich nun paradox über jene Stelle, auf die er zuvor einprügelte. „Das hier... macht dich schmutzig."
Und dann schlug er wieder zu.
Und wieder... und wieder... er hörte einfach nicht auf.
Es war, als würde er mich erneut brechen wollen und ich konnte gar nichts dagegen tun. Zu schwach musste ich das über mich ergehen lassen.
„Viel zu lange bist du vor mir davon gelaufen", seine Stimme nahm ich kaum war, mit aller Kraft versuchte ich mich unter ihm auf der Treppe zu wehren, doch die Stufen gruben sich hart in meinen Rücken. Der Schmerz ließ die Sicht vor meinen Augen flackern.
Nein, nein, nein!
Mir war als würde ich versuchen eine Naturgewalt abzuwehren. Völlig hoffnungslos und überflüssig. Meine eigenen Schreie hallten in meinen Ohren wieder, Übelkeit stieg in mir auf. Niemand würde mich hören oder mir helfen. Die Erkenntnis war brutale Realität.
Mein Baby... er würde...
„Ich werde dich wieder rein machen, frei von diesem Schmutz und dann bist du völlig mein."
Ich spürte etwas zwischen meinen Beinen, es war warm, flüssig und schmerzvoll. Innerlich zerriss es mich, ich wollte über meinen Bauch tasten, doch ich konnte nicht. Ich wagte es kaum noch zu atmen.
Zufrieden und ohne Mitgefühl sah er mir ins Gesicht. „Wir werden das wieder hinbekommen, Liebling. Du und ich, das hört niemals auf."
In diesem Augenblick nahm ich alle Kraft zusammen und bäumte mich ein letztes Mal auf.
Ein aller letztes Mal.
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