13 Der König von New York.

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Das Avenue war gut belegt, Donnerstag war für die ganzen hohen Tiere eben schon oft der Beginn eines planvollen Wochenendes. Ich saß, direkt an der Bar und sah auf den Scotch vor mir. Getrunken hatte ich bislang noch nicht einen einzigen Schluck.

Stattdessen kreisten meine Gedanken einzig und alleine um mein Vorhaben.

Hinter mir spielte alte Jazzmusik, ein paar Männer unterhielten sich und der Geruch von teurem Alkohol und Zigarren erfüllte die Luft. Eigentlich war das hier ein Ort zum entspannen, doch ich war alles, nur das nicht.

Ich schob das auf die Anwesenheit von diesem Wichser Malik, der gegenüber an der Bar saß und wahrscheinlich überlegte, wie er sich das letzte bisschen Hirn wegkokste. Der sah auch immer jämmerlicher aus, aber das war die Quittung, wenn man sich mit aller Macht selbst in die Luft zu jagen versuchte.

Genau dasselbe wäre mir auch passiert.

Mein Glück war, dass mein Vater die Notbremse zog und ich Sophia hatte. Es fiel mir nicht einmal schwer das zu zugeben. Sophia hatte meinen Fall gebremst, so als würde sie sich mit aller Kraft dagegen stemmen und den Absturz aufhalten.

Zuerst hasste ich sie dafür, aber jetzt, vor allem heute, wurde mir erst einmal bewusst, wie dankbar ich ihr sein sollte. Wohin ich nach der Bremsung sollte, wusste ich nicht. Ich hatte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was ich wirklich mit meinem Leben anfangen wollte, schließlich gab es für mich nur den Augenblick.

Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann rechnete ich nie damit einmal besonders alt zu werden. Ich hatte mir nie wirklich vorstellen können die dreißig zu erreichen.

Mein Griff um das Glas Scotch wurde fester und ich versuchte mich zu entspannen, doch stattdessen wurde ich wütender und wütender. Und das auch völlig zu recht.

„Loser", wurde ich von einer dunklen Stimme mit britischen Akzent begrüßt und prompt stellten sich sämtliche Nackenhaare bei mir auf. Der Duft von teurem Aftershave wehte zu mir herüber und ganz, wie ich es von ihm gewohnt war, sah David Grant aus, als wäre er aus einer Werbereklame entflohen.

Elegant ließ er sich auf den Platz neben mir fallen und orderte einen Whisky. Er öffnete den Knopf seines dunkelblauen Jacketts und sprach: „Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich anrufen würdest und auf den guten Scotch zurückkommst."

Der gute Scotch verursachte mir Übelkeit. „Ja", antwortete ich langsam und zwang mich nicht von Null auf Hundertachtzig auszuflippen. Stattdessen wandte ich mich ihm gelassen zu und wartete, bis er seinen Whisky hatte, dann stießen wir mit den Gläsern an. Doch statt raus zu trinken, sprach ich: „Ich werde dir die Schallplatten von Bob Dylan nicht geben, aber dafür etwas anderes."

Überrascht hob David eine Augenbraue und ich fragte mich stumm, ob ich auch nur irgendetwas mit meinem Halbbruder gemeinsam hatte. War Sophia irgendetwas aufgefallen? Irgendetwas, was sich zu hassen lohnte?

Ich sah David mit unbewegter Miene an. „Mach dich vom Acker und lass dich hier nie wieder blicken. Das ist mein gut gemeinter Rat für dich."

Zuerst reagierte er nicht, dann huschte den Hauch eines Augenblicks Verwirrung und schließlich Erkenntnis über sein Gesicht. Doch er fühlte sich von mir nicht eingeschüchtert und nahm einen großen Schluck von seinem Whisky.

„Ich meine das Ernst. Verlasse New York, das hier ist eine Nummer zu groß für dich!", ich stütze mich mit den Ellenbogen auf der Theke ab. „Hier bist du auf meinem Territorium und du willst dich ganz sicher nicht mit mir anlegen! Denn ich verspreche dir, dass ich länger brauche, als achtzehn Stunden um mit dir abzurechnen."

Langsam stellte David sein Glas Whisky ab und legte nachdenklich den Kopf in den Nacken, schließlich stellte er fest: „Sieh an, Sophia hat also mit dir drüber gesprochen." Darüber schien er nicht überrascht, eher gleichgültig.

„Mich hätte dein plötzliches Interesse hier aufzutauchen stutzig machen sollen", gab ich zu. „Du bist kein Typ für sentimentalen Scheiß." Die Wut in meinem Inneren wurde immer und immer größer.

„Nein", gab David offen zu und ich setzte nach: „Dafür der Typ, der Frauen kaputtprügelt."

Mein Halbbruder lächelte und zum ersten Mal fand ich es nicht aalglatt, sondern kalt und berechnend. Er schmunzelte: „Ach, so würde ich das nicht sagen. Immerhin geht es deiner Frau doch ganz gut."

„Und das wird auch so bleiben", ließ ich ihn wissen. Ich schwor mir, dass ich aufpasste, so lange David in der Nähe war. Sobald ich hier raus war, würde ich dafür sorgen, dass Sophia keinen Schritt mehr alleine machte.

Mein Halbbruder musterte mich süffisant, er nahm mich nicht für voll und so drohte ich: „Fordere mich nicht heraus." Mir war scheißegal, ob wir aus denselben Kreisen kamen, oder nicht, aber hier würde er definitiv den Kürzeren ziehen.

Knapp machte ich eine Geste Richtung Barkeeper und ließ den Scotch auf meine Rechnung setzten, doch bevor ich ging und diesen stickigen Raum verließ, da sprach David: „Ich habe keine Angst vor dir, Liam. Du magst auf dicke Hose machen, aber letzten Endlich ist mir völlig egal, ob du dich für den König von New York hältst, oder für den Alpha im Hasenparadies."

„Dann lass es drauf ankommen", konterte ich und verzog die Lippen zu einem arroganten und selbstgefälligen Grinsen. „Du wirst dir wünschen, auf deiner Insel geblieben zu sein."

Er würde sich verpissen, da war ich mir ganz sicher. Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, wandte ich mich ab. Es würde das letzte Mal sein, dass ich David begegnet war und je mehr Abstand ich zwischen uns brachte, umso besser fühlte ich mich.

An der Garderobe holte ich meine Jacke und gerade, als ich glaubte, mir könnte niemand mehr den Tag vermiesen, wurde ich eines Besseren belehrt. Zayn fucking Malik erschien in meinem Windschatten. Auch das noch.

„Ich bin überrascht", sprach er und ich ignorierte ihn gefließend. „Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass Blut an die Wände spritzt."

Meine Jacke wurde mir gereicht.

„Scheint, als wärst du alt geworden, Payne", versuchte er mich zu reizen. Doch das prallte an mir ab. Ich reagierte nicht, nahm nur meine Jacke und schlüpfte hinein. Fix wollte ich Basil Bescheid geben, dass er mich abholte. Die Stufen nach draußen zu laufen, beflügelte mich förmlich, doch richtig frei atmen konnte ich erst draußen.

Tief holte ich Luft und blieb einen Augenblick lang stehen. Lärm beschallte mich und ich entsperrte mein Handy, als ich bemerkte, dass Malik mir tatsächlich nach draußen gefolgt war. „Verbiss dich", sprach ich. „Für deinen kindischen Scheiß habe ich keine Zeit."

Meine Familie musste informiert werden und ich wollte schnellstmöglich mit Sophia Sicherheitsvorkehrungen ausmachen. Am Besten ich rief noch im Wagen-

„Hast du Stress mit Grant?", fragte Zayn mich betont desinteressiert und ich antwortete nicht drauf, stattdessen schrieb ich Basel, der in wenigen Minuten da sein wollte.

„Du solltest aufpassen, er ist nicht das, was man einen fairen Spieler nennt", teilte Zayn mir mit und ich sah ihn kurz an: „Du doch auch nicht."

Damit hatte ich den Nagel auf den Kopf getroffen, doch er zuckte knapp mit den Schultern: „Es gibt einen Unterschied zwischen einen Riss im Plätzchen haben oder einen kompletten Dachschaden – und David Grant hat so gut wie kein Dachgeschoss."

Knapp verzog ich das Gesicht: „Du solltest dich an der NYU für einen Literaturkurs anmelden."

„Und du dir ein Hirn leihen", konterte er prompt. „Was ich sagen will ist, pass auf, das du die Stadt nicht aus Versehen wegen Grant nieder brennst." Sieh an, er hatte zugehört, als ich meinem Bruder warnte. Diese Neugier zeigte einmal mehr, dass Malik zu wenig Beschäftigung hatte.

„Ehrlich gesagt wäre mir das egal", gab ich zu. „Wenn David in die falsche Richtung atmet, dann ist er dran."

Jede Diskussion war unnötig.

Basil fuhr den Wagen fort, Malik sagte etwas, aber ich hörte nicht hin, sondern riss die Autotür auf. Ich ließ mich außerhalb von New York hinkutschieren. Somit dauerte es, bis ich das Anwesen meines Vaters erreichte. 

In der Zwischenzeit informierte ich mich über die Firma von diesem Paul Higgins, dessen Crew mich wahrscheinlich immer noch ab und an im Blick hatte.

Dort rief ich an und bekam den völlig verdutzten Chef an die Strippe. Ich fragte, was nötig war, damit er meinen Auftrag annahm und wo seine Preisklasse lag. Eigentlich war das Geld egal, aber es war eine große Motivation für andere Menschen.

Als ich das Anwesen meines Vaters betrat, da teilte mir einer der Butler mit, dass meine Großeltern nicht vor Ort sein. Auch Grace war unterwegs und das passte mir ganz gut in den Kram. 

Ich blieb kurz in der Eingangshalle stehen und sah auf den Seerosenteich von Monet. Automatisch erinnerte ich mich daran, wie sehr Sophia das Bild bei unserem ersten Besuch gefallen hatte. Sie mochte Kunst und unser Geschmack war sich da sehr ähnlich.

Mir wurde bewusst, dass das Penthouse, das wir bewohnten, nicht wirklich ein Zuhause war. Vielleicht sollten wir umziehen, denn ich konnte mir nicht vorstellen dort ein Kind aufzuziehen. Irgendwie kam mir das nicht richtig vor.

Sophia war kaum da und ich ebenfalls, es war, als würden wir beide nicht gerne im Penthouse bleiben. Ganz anders fühlte es sich in unserem Ferienhaus in den Hamptons an. Ob es einzig alleine am Meer lag?

Archimedes, der riesige Hund meines Vaters hechelte mir entgegen und ich kraulte ihn kurz hinter dem Ohr. Dann sprach ich: „Und, führst du mich zum Herr im Haus?" Er hechelte und wedelte mit dem Schwanz. Ich folgte Archie und betrat schließlich das hiesige Wohnzimmer, mit der großen Fensterfront und dem Durchgang zum Wintergarten. Der niedrige Couchtisch war beiseite geräumt worden.

Ich hörte den Fernseher laufen, irgendein Reporter quatschte über Football. Was mich mehr irritierte war die Yogamatte auf dem Boden und meinen Vater, der in Jogginhose dort drauf saß und aussah, als sollte er eigentlich Übungen machen. Stattdessen hielt er die Fernbedienung in der Hand und schien für sich beschlossen zu haben, vom Boden aus die News zu verfolgen.

„Stimmt was mit der Couch nicht?", fragte ich und er wandte sich erschrocken um. Als er erkannte, dass nur ich es war, entspannte er sich sofort wieder. Schwerfällig hielt er mir die Hand hin: „Hilf deinem alten Herrn mal auf."

„Nö", sprach ich und warf mich ins Sitzpolster der Couch. „Du musst beweglich bleiben, also streng dich ruhig ein Bisschen an."

Sichtlich angepisst kämpfte mein Vater sich hoch und stöhnte dabei, als wäre er mittlerweile über achtzig. Geschafft ließ er sich in einen Sessel fallen und ich runzelte belustigt die Stirn: „Entweder hast du dich aus deiner Matte da ausgeturnt oder du bist einfach nur unsportlich."

„Von Beidem etwas", meinte mein Vater und atmete tief durch: „Also, was gibt es, Liam? Bist du hier, um dich dafür zu bedanken, dass ich dir deinen Fond nicht gesperrt habe, obwohl du Zayn Malik Mal wieder nicht einfach ignorieren konntest? Yaser ist mit seiner Geduld bald am Ende und nächstes Mal wird die ganze Angelegenheit vor Gericht enden."

„Der Pisser hatte es verdient", antwortete ich lax. „Ich habe mich nur gewehrt und du weißt, ich bin nicht gut darin, Dinge zu ignorieren."

„Arbeite dran", mein Vater machte eine unwirsche Handbewegung. „Jedenfalls hat dein kleiner Boxkampf nicht dazu geführt, dass mir die Nase danach steht deine 'Babysitter' aus deinem Schatten abzubestellen."

Ich schnaubte und meinte, dass diese Babysitter die Auseinandersetzung nicht hätten verhindern können. Schließlich gab ich zu: „Ich will, dass sie sich an Sophias Fersen heften, so lange David Grant sich in New York aufhält."

Es war das erste Mal, dass ich eine merkwürdige Regung im Gesicht meines Vaters bemerkte. Jeder Funken Ruhe und Gelassenheit verschwand, also wusste er ganz genau was vorgefallen war. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus.

Ich begann mich zu fragen, was mein Vater noch alles wusste. Er hatte seine Fäden makaber und dreist gesponnen, dass mir erst jetzt bewusst wurde, dass er viel abgebrühter war, als ich es ihm je zugetraut hätte.

Immerhin hatte er mir einen Deal angedreht, der dafür sorgte, dass ich ausgerechnet die Frau heiratete, die von meinem Halbbruder fast ins Grab geprügelt worden war.

„Sophia braucht Beobachter im Windschatten dringender als ich. Sobald David weg ist, schick mir die Schoßhunde wieder auf den Hals", sprach ich weiter.

„Ich leite das sofort in die Wege", mein Vater brauchte kein weiteres Wort und ich erklärte knapp, dass ich bereits mehr Geld geboten hatte. Dann warf er ein, dass ich Sophia dazu bringen sollte, diesen Selbstverteidigungskurs verstärkt zu besuchen, den ich ihr einst schenkte.

Nun räusperte ich mich trocken: „Das wird in nächster Zeit nicht möglich sein."

„Geht es ihr nicht gut? Wenn sie Angst hat das Penthouse zu verlassen, dann-"

„Nein", wehrte ich ab. „Sie muss in den nächsten Monaten nur ein paar Gänge zurückschalten."

Schweigend sah mein Vater mich an und ich hielt ebenfalls den Mund. Es dauerte ein wenig, bis bei ihm ein Licht aufging. 

Zuerst zog er nur die Augenbrauen hoch, schlussendlich ging ein breites Lächeln über seine Lippen und das Einzige, was er sagte, war: „Oh." Knapp nickte er: „Das sind zur Abwechslung mal... schöne Nachrichten. Bist du deshalb so ausgeflippt, als du den Boxkampf in der Bar hattest?"

„Das war eine dumme Aktion, kommt nicht wieder vor", da war ich mir selbst ganz sicher. Mir war definitiv die Lust daran vergangen mich mit einem Junkie wie Malik auseinander zu setzten, wenn ich in der anderen Ecke einen Frauenschläger hatte.

„Und, ist deine Panik vor Verantwortung nun weg?"

Die simple Frage meines Vaters brachte mich aus dem Konzept, bis mir einfiel, dass auch er Vater geworden war, ohne es zu wollen. Ich hatte meine Stiefmutter und ihn nach einem anstrengenden zweiten Weihnachtstag in der Nacht darüber sprechen gehört. Wie alt ich gewesen war, wusste ich nicht mehr, nur, dass ich den Klang ihrer Stimmen nie vergessen würden.

Am Ende liebte ich meine Stiefmutter nur noch mehr, denn sie machte zwischen meinen Schwestern und mir niemals einen Unterschied.

Ich wollte ebenfalls nicht, dass mein Kind je das Gefühl bekam, ich hätte es nicht gewollt. Knapp unterbrach ich den Blickkontakt zu meinem Vater und sprach: „Ich werde das schon irgendwie hinkriegen."

„Ja", mein Gegenüber lächelte noch eine Spur breiter. „Davon bin ich überzeugt."

Es war merkwürdig diesen Zuspruch zu erhalten und als ich es ihm sagte, da lachte mein Dad: „Du bist nicht wie ich, ich hatte nie genug Zeit für Grace, Eliza und dich, aber dafür hast du sehr viel mehr von deiner Mom, als du vielleicht glaubst."

Obwohl Diane nicht meine richtige Mutter war, so war sie es doch. Die Tatsache, dass mein Dad es ganz genauso sah, löste ein merkwürdiges Gefühl in meiner Brust aus.

Ich fand keinen Namen dafür.

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