VI
Ein Jahr später...
Elizabeth erkämpfte sich ihren Weg durch die Menschenmassen und rümpfte die Nase.
Nachdem sie damals zu ihrer Cousine Maria zurückgekehrt war und diese ihr schluchzend in die Arme gefallen war, zog Elizabeth in eine, um einiges größere Stadt und fand bald eine neue Anstellung, welche um einiges besser bezahlt wurde.
Leicht zitternd zog Elizabeth ihren Fellmantel enger um sich. Es war Winter und die gute Bezahlung war ihr da nur Recht.
Doch diese Woche wollte sie Maria besuchen und hatte sich freigenommen - und wünschte sich zutiefst, auf ein Treffen mit Nathan verzichten zu können.
Elizabeth öffnete die Tür ihres kleinen Hauses und trat ein. Sie hatte sich bereits eine Kutsche bestellt, die gegen Abend eintreffen sollte.
Sie lief in die Hinterräume des behaglichen Hauses und fing geschwind damit an, ihre Sachen zu packen.
Tatsächlich war sie pünktlich bereit und kam fast zeitgleich mit der Kutsche vor dem Häuschen an.
Elizabeth kannte den Fahrer bereits eine ganze Weile, weshalb es für ihn eine Selbstverständlichkeit war, Elizabeth in ihre Heimatstadt zu kutschieren.
"Danke, dass du mir diesen Gefallen tust, Anthony!", begrüßte sie den, in die Jahre gekommenen Mann, mit einem Lächeln.
"Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Steig' ein, die Fahrt dauert ihre Zeit." Elizabeth nickte dankend und kletterte ins Innere der bedachten Kutsche.
Nach einigen Stunden, bereits in der tiefen Nacht hielt der Wagen vor dem kleinen Hause Maria's und das junge Mädchen stürmte sofort auf die Straße.
Elizabeth sprang aus der Kutsche und reichte Anthony einige Münzen, ihr Gepäck bereits bei sich tragend.
Lächelnd begrüßte sie ihre Cousine, die vor Freude fast in Tränen ausbrach. "Wie schön, dass du endlich wieder kommst! Du warst lange fort und es hat sich viel verändert!"
Maria bat Elizabeth herein und brachte ihr strahlend ein heißes Getränk. "Stell dir nur vor, ich werde bald heiraten!"
Überrascht nahm Elizabeth die den Becher an und verfolgte Maria's Handlungen mit aufmerksamen Augen.
"Ein lieber Junge ist das! Ein Knecht der hier arbeitet, weißt du? Anfangs sorgte er sich, er sei nicht gut genug für mich, doch mir ist es lieber, aus Liebe zu heiraten, nicht um Standes Willen.", plauderte Maria drauflos und Elizabeth bemerkte die unverkennbare Jugend ihrer Cousine.
Ihre gold-blonden, welligen Haare umspielten Maria's markantes Gesicht und endeten auf dem Saum der Schultern ihres schlichten Kleides. Die grünen Augen blitzten interessiert als sie Elizabeth zuhörte.
"Ich arbeite inzwischen in einer Bibliothek. Ich werde dort gut bezahlt und manchmal erscheine ich mir selbst wie einen feine Dame.", lächelte Elizabeth verlegen und blickte gen Boden.
"Das bist du auch, Elizabeth!", meinte Maria überzeugt. "Doch genug geredet. Wir sollten zu Bett gehen, morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Oder bist du anderer Meinung?"
Elizabeth schüttelte den Kopf und ließ sich in ein heimeliges Gästezimmer führen. Doch brannte ihr noch eine Frage auf der Zunge, den Mut zu fragen brachte sie nicht auf und fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf.
Gegen Mittagszeit des nächsten Tages spazierte Elizabeth durch das lichte Wäldchen nahe des Dorfes.
Ihre schlanken Hände waren in Handschuhe der selben Farbe wie ihr edles Kleid, ein sanftes mindfarben, gehüllt und ein Hut verhinderte zu viel Licht auf ihrem hübschen Gesicht, als sie einen alten Bekannten wiedersah.
Nathan bog geradewegs in Richtung des kleinen Friedhofes, ohne Elizabeth zu bemerken.
Und auch, wenn es Elizabeth zutiefst widerstrebte, gab sie dem Gefühl nach und folgte dem Baron. Schon lange plagte sie ihr Gewissen, so voreilig verschwunden zu sein, ohne noch einmal vernünftig mit ihm zu reden.
Am Friedhof angekommen, nur von sanftem Vogelgezwitscher umgeben, sah sie Nathan vor einem Grab knien. Verwundert war sie, denn soweit sie wusste -und Elizabeth hatte hier früher viele Spaziergänge unternommen- war dass das Grab einer früh verstorbenen Frau, die nur eine einfache Magd gewesen war.
Vorsichtig, darauf bedacht ihn nicht zu erschrecken, näherte Elizabeth sich ihm. "Denkst du, ich würde dich nicht bemerken?"
Nervös klammerte sich Elizabeth an ihr Kleid, so krampfhaft, dass ihre Knöchel bereits weiß wurden. "Nun, falls das Mädchen mit der scharfen Zunge immer noch so vorlaut ist, muss ich mich leider entschuldigen. Ich bin heute nicht gerade guter Laune."
Mit diesen Worten und ohne Elizabeth auch nur eines Blickes zu würdigen, verließ Nathan den Friedhof und ließ sie noch elender als zuvor zurück.
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