zweites Kapitel: Wiedersehen

"Mein lieber zukünftiger Ehemann, 

lieber Unbekannter, 

nun ist es morgen früh, ich fand wieder Zeit zum Schreiben. 

Im Moment bin ich beim Essen, leider ist es nur Brot mit etwas Käse geworden, da ich beim besten Willen nicht in der Lage bin, jegliches Essen zu kochen. Vielleicht sollte ich ein Hausmädchen einstellen, denn putzen werde ich ebenfalls nicht, aber dies ist auf jeden Fall nötig. 

Nun, eigentlich wollte ich Dir erzählen, wie der Tag gestern weiterging. Bevor ich derartig vom eigentlichen Thema abkomme, beginne ich am besten jetzt damit. 

Der große Mann, im rosafarbenen Hemd, ich finde, dies ist eine Farbe, welche sich für Männer nicht ziemt, hatte ebenfalls ein schlecht rasiertes Kinn, abgenutzte Schuhe, einen breiten Mund, welcher auf hohe Dummheit weißt, und ein ausgeleierte Hose. Er sah nicht weniger entsetzt aus, als ich, aber das zurecht, wie ich finde. 

Auch wenn ich ihn nicht auf den ersten Blick erkennte, sondern erst nach wenigen Sekunden, wurde mir eindeutig klar, wer er war. 

Der freundliche Mann auf dem Wagen, welcher sich, zusammen mit seinem Kumpel, über mich lustig machte und, dieses kleine bedeutende Detail habe ich vergessen, fast eine halbe Stunde vom Wagen aus verfolgte und fast von der Straße schubste, während er lachte, ich dagegen damit beschäftigt war, unter der Last der Koffer nicht zusammenzubrechen. 

Ich habe wirklich nichts gegen Bauern, aber sein Anblick brachte mich derart zur Empörung, dass ich kurz davor war, ihm meinen Koffer an den Kopf zu schleudern. 

Mrs Alden, diese furchtbar nette und freundliche Frau, merkte schlechthin nicht, dass jegliche Spannungen zwischen mit und diesem Bauerntölpel existierten und stellte mich höflich vor. 

"John, das ist Miss Relish, unsere wunderbare neue Nachbarin, deren Haus sie momentan vorbereiten.", ich lächelte ihr zu, doch in Wahrheit war mir zum Weinen zumute, ihm zum Glück nicht weniger. 

Dieser Mensch, für welchen ich noch nicht einmal das passende Wort fand, sollte mein Haus bauen? Das konnte noch heiter werden! Dieser Mensch sollte jegliche Arbeit gut erledigen? Vermutlich war er nicht fertig, ja, damit würde ich ihm die Suppe noch gehörig versalzen. 

Er und sein Kumpel waren die Leute, welche ich am wenigsten hoffte wiederzusehen. Jetzt musste och mit ihnen auskommen, da er noch dazu mein Nachbar ist. Wenn alle Leute so sind wie er, wird Mrs Alden wirklich meine einzige gute Bekannte bleiben, denn mit diesem Abschaum gebe ich mich erst ab, wenn die Hölle einfriert. 

"Miss Relish, dies ist John, der Arbeiter", sie zog bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch und ich konnte mir ein Seufzen nicht verkneifen Mein einziges Glück war, dass sie ihn ebenfalls nicht sonderlich mochte, dank mir ihn ebenfalls anfing zu hasse. 

"Ich glaube, Mister John, oder wie auch immer sie heißen mögen, dass wir uns schon kennen." 

Er schluckte und ich genoss seine Unsicherheit wie einen saftigen Braten. 

"Ich glaube auch. Es tut mir wirklich leid, dass....aber Sie müssen zugeben, auf dem Weg zu Fuß zum Dorf mit ihren drei Koffern sahen Sie wirklich lustig aus!", er begann zu lachen, um seinen Fehler zu vertuschen und um mich abzulenken, doch weder ich, noch Mrs Alden lachten mit. 

"Ich für meinen Teil würde dies nicht als lustig empfinden", vermutlich hatte sie damit recht, denn schließlich hätte es sie auch treffen können. Wir Damen von Rose Village hielten zusammen, was ihm noch große Sorgen bereiten würde. 

Doch da ich nicht lange dastehen und stur nach vorne starren wollte, fragte ich, ob das Haus schon fertig sei. Ich rechnete damit, dass er verneinen würde. Ich hoffte es sogar, selbst wenn ich in einer Baracke sitzen müsste. 

"Sie haben doch bis achtzehn Uhr gesagt? Ich dachte, niemand würde so spät am Abend kommen, deshalb hätte ich noch bis morgen früh Zeit. Bitte, ich brauche nur noch wenige Stunden.", nun war er nicht mehr so fröhlich, aber Mrs Alden lachte. Mein triumphierendes Grinsen würde nicht den größten Schmach bringen, im Gegensatz zu der Aussage, welche ich danach vorbrachte. 

"Sie und die anderen Arbeiter haben für ihre dreimonatige Arbeit jeweils zweihundert Dollar erhalten, mussten jedoch nur acht Stunden am Tag arbeiten, die Sonntage frei. Und dann erlauben Sie sich, sich zu verspäten? Lachen ihre Arbeitgeberin, die Spendabelste, welche Sie jemals hatten auf ihrem Weg zum Dorf aus? Statt zu arbeiten, fahren Sie in der Gegend herum? Und Sie wollen einen Aufschub der Zeit?" 

"Ja, aber ich habe es Ihnen doch erklärt...." 

Dieser Mensch ist meiner Meinung nach vollkommen unhöflich, am liebsten hätte ich ihm keinen Penny gegeben, doch meine Korrektheit konnte auch nicht durch diesen Hohn zerstört werden. Er wusste, was ihm drohte, ich würde es bloß konsequent durchsetzen. 

"Und ich habe Ihnen mehrfach geschrieben, dass jede einzelne Stunde, welche sie außerhalb ihres Vertrages nutzen, fünf Dollar Abzug bedeutet. Sie hatten genug Zeit." 

Fassungslos starrte er mich an. Sollte ich mich etwa schuldig fühlen? Wieso? Es würde nicht meine Schuld sein, wenn er und sein lächerlicher Kumpel, welcher eher einem Boxer ähnelt einige Dollar weniger bekommen würden. oder was denkst Du? Mir bringt es jedenfalls ausschließlich Genugtuung, schließlich hatte er genug Zeit, um alles fertigzustellen. 

"Und nun, gehen Sie an die Arbeit." 

Es mag vielleicht sein, dass mein Ton etwas schärfer und bitterer geworden ist, doch dieser sollte dieser Gestalt nur sagen, dass sie ihre Arbeit umgehen erledigen sollte. Niemand sollte ungestraft über mich lachen, selbst wenn ich deshalb als boshaft gewertet wurde. Es machte mir nichts, im Gegenteil, ich freute mich schon sehr, Ihnen zu beweisen, dass ich es nicht bin. 

"Ich würde vorher noch gerne einkaufen.", seine blauen Augen wollten meinen grauen einfach nicht nachgeben. Wie stur können manche Menschen sein! Ich vermute, ich habe mir von exakt diesem Moment an meinen neuen größten Feind ausgesucht, welcher mit fortan nur Schwierigkeiten bereiten würde. 

"Wir haben geschlossen.", Mrs Alden sah ihn ebenso böse an wie ich. Fassungslos starrte dieser unhöfliche Mister John, oder wie er auch immer hieß, uns beide abwechselnd an und verschwand wieder. Wir warteten noch einige Minuten ab, bis wir zu sprechen begannen. Währenddessen hing sie das kleine Schild, auf dem in großen Buchstaben "geschlossen" stand, an die Tür. 

Ich wusste von Anfang an, dass ich mich voll und ganz auf sie verlassen konnte, so ähnlich wie wir sind. Auch wenn sie ebenfalls nicht gerade als beliebt heraussticht, wenn man sie im Umgang mit diesen Bauerntölpeln beobachtet, welche leider die Mehrheit der Bevölkerung bilden. 

"Miss Relish, es tut mir vielmals leid, dass dies geschehen ist, ich meine, dass dieser Trottel", sie warf einen vielsagenden Blick in Richtung Tür, "ihr Haus bauen muss und ausgerechnet bei ihrer ersten Begegnung derartige Manieren an den Tag legt.  Leider kann man ihn nicht ändern, zu allem Unglück wird er auch noch vom Dorf unterstützt, insbesondere seinem Nachbarn, welcher..."

Ihr Pause war ein Hinweis darauf, dass sie gleich anfangen würde, mir von allen Geschehnissen im Dorf zu erzählen, von Gerüchten, wie weit diese wahr sein könnten und so weiter. Ich weiß nicht, was Du davon hältst, schließlich mögen viele Menschen keinen Tratsch, allerdings nach diesem Skandal, wie man es nennen könnte, hatte ich einige meiner guten Vorsätze eliminiert. Man kann schließlich nicht alles haben. Eine gute Freundin, Mitstreiterin im Kampf gegen schlechte Menschen und noch dazu perfekt sein, das ist ein wenig zu viel für mich. 

"Und weiter?" 

"Also, sein Nachbar kam vor wenigen Jahren ins Dorf, damals wurde er gerade wegen einem Jagdunfall freigesprochen. Er hat seinen Sohn umgebracht!" 

Ich atmete, teils schockiert, teils nur so tuend, tief ein und blickte sie schockiert an, während sich in ihrem Gesicht Freude über meine Begeisterung für ihre Erzählungen breitmachte. 

Mr. Johns Nachbar hatte also seinen Sohn erschossen! Das überall herumzuerzählen würde wahnsinnigen Spaß machen, weil er vermutlich auch der fette, bärtige Mann neben Mister John war. 

Und durch die Erzählungen, welche sie vorbrachte und die Begeisterung, welche ich dafür entwickelte führten wir ein fast einstündiges Gespräch über alle Bewohner in diesem Dorf, auch wenn ich mir kaum die Hälfte merken konnte. Richard, ihr Mann, lief währenddessen mehrmals die Treppe hoch und wieder hinunter, durch den Laden in die Küche und schüttelte seinen Kopf, während er unserem kleinen Gespräch lauschte, welches ihn leider nicht sonderlich zu interessieren schien. 

Sie hatte so viel zu erzählen, doch weiß ich nicht, ob es das richtige ist, in einem Brief an Dich alles niederzuschreiben, schließlich könntest du auch von dem Gerede betroffen sein. 

Alles was sie erzählte glaubte ich zwar nicht, aber besonders ihre erste und auch ihre letzte Geschichte, zu welcher wir nun kommen, waren faszinierend. 

"Und der Mann gerade eben, John Foster,",  ich wusste doch, dass John nicht sein Nachname sei konnte, wenigstens erfuhr ich seinen richtigen von ihr, bevor ich mich vor dem Dorf blamierte, "er brachte sein jüngstes Kind um!" 

Mir schienen hier sehr viele Väter ihre Kinder zu ermorden, vielleicht sollte ich ihr erklären, dass der Tod bei einem Kind auch ohne Schuld der Eltern herbeigerufen werden kann, aber diese Geschichte war wirklich sehr interessant, vor allem, weil ich nun etwas gegen ihn in der Hand hatte. 

"Und wie?", ich denke, meine Frage war etwas überflüssig, denn sie hätte auch so weitererzählt, aber mein immer wieder gezeigtes Interesse lies sie immer breiter lächeln. Vom Fenster aus konnten wir vielleicht wie zwei Verschwörerinnen wirken, erst recht mit denselben Kleider, allerdings war das für mich nicht von Belang und sicherlich kannte man ihre Freude über "Erzählungen" schon überall im Dorf. 

"Er lies das kleine Kind, sein Sohn war damals gerade drei Jahre alt, allein auf dem Brunnen spielen, während er mit seiner älteren Tochter sprach, man sagt aber, das Kind sei nicht von alleine hereingefallen, was schon schlimm genug sei, sondern er sei von hinten an ihn gestoßen und deshalb sei es gefallen." 

Das ist vermutlich die erste Geschichte, welche ich von Beginn an glaubte. Vielleicht, weil ich sie glauben wollte, ich weiß nicht, ob das wirklich gut war, oder weil ich wusste, dass ich sie noch gegen ihn verwenden würde. 

Lange habe ich niemanden mit dieser Wut gehasst, ich wollte es nie. Wie lange war meine letzte Wut her? Exakt zehn Jahre, aber das ist nun auch wieder egal. Ich kann nicht ausschließlich an der Vergangenheit hängen und ei Wolken beobachten. Eine sinnlose Beschäftigung, außer mir gab es schließlich nur einen Menschen, welcher das jemals so ausführlich tat wie ich und sein Leben darauf basierte und dieser ist tot. 

Die Welt besteht aus Hass. Ich sollte mich lieber schon daran anpassen. Daran wird sich nämlich niemals etwas ändern, nicht, wenn man so unbedeutend ist wie ich. Es ist einfach Zeit auszugeben. 

Aber vielleicht sollte ich nun mit meinen düsteren Gedanken aufhören, und Dir weiter berichten, was geschehen ist, anstatt dieses Gesülze von mir zu geben. ich klinge fast wie ein kleines Kind, so dass es mir fast in der Seele weh tut, was ich fabriziere. Was ich denken geht schließlich niemanden etwas an, es sei denn, ich beginne wieder mit meinen sinnlosen Ausschweifungen über den Sinn der Wolken, wie Eleonore es immer tat. 

Also, nach unserem Gespräch, ich meine das mit Mrs Alden, machten wir uns auf den Weg zu meinem neuen Haus. Über allem muss ich wohl etwas die Zeit vergessen haben, denn es war schon kurz vor achtzehn Uhr, als wir ankamen. 

Und dort stand das Haus. Ein brauner Zaun um das Grundstück herum, die Farbe kaum getrocknet, ein rosafarbenes Haus ohne Tür, welche noch am Boden lag, Fenster mit purpurnen Rahmen, das Dach mit wenigen Schindeln, sondern mehr Balken besetzt und drei Männer, die darauf saßen und bitterböse zu mir herunterstarrten. 

"Es gibt fünf Dollar Abzug für jede angefangene Stunde!", meinen gehässigen Kommentar konnte ich nicht verkneifen. Dabei würde jede Stunde, welche sie länger arbeiteten, für mich bedeuten würde, dass ich mich nach der langen Reise nicht hinlegen konnte. 

Doch im Großen und Ganzen war das Haus wunderschön, auch wenn die Farbe sicherlich nicht jedem gefiel, war Mrs Alden entzückt. Demnach waren alle vernünftigen Bewohner dieser Stadt entzückt, was ein echtes Kompliment für meinen Geschmack war. 

"Was beabsichtigen Sie nun zu tun, Elisabeth?", diese Frage konnte ich nicht auf Anhieb beantworten, doch auf Anhieb fiel mir auf, dass sie mich Elisabeth nannte. Eigentlich hätte ich mich beschweren können, doch insgeheim hoffte ich schon lange, dass sie mich beim Vornamen nannte, schließlich musste ich mich dann nicht weiter mit meiner Namenslüge abquälen. 

Nach wenigen Minuten antwortete ich, doch dies werde ich dir hier nicht schildern, da ich durch meine Ausschweifungen schon lange Zeit beschäftigt war und es Zeit ist, hinauszugehen. 

Ich weiß, ich plante niemals, so viele Briefe über einen Tag zu verfassen, doch vielleicht hätte ich weitergeschrieben, wenn meine Wut nicht wäre. Aber damit muss ich mich selbst befassen. Es gibt noch sehr viel mit mir selbst auszutragen, daran wirst selbst Du niemals etwas ändern können. 

Allerdings wünsche ich Dir noch einen schönen Tag! 

Auf Wiedersehen 

Deine Elisabeth" 

Elisabeth lies die Augen von dem Papier und die Finger vom Stift gleiten. 

Ja, es gab noch viel, was sie noch überdenken musste. Es gab noch vieles, was ihr erst beim Niederschreiben aufgefallen war. Doch einiges versuchte sie aufzuschieben. 

Doch die Zeit holt einen immer ein---

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top