sechszehntes Kapitel: Heimkehr
"Lieber zukünftiger Ehemann,
lieber Unbekannter,
Wir sind also zurück in Rose Village. Zurück Zuhause.
Acht Tage haben wir dort verbracht! Du kannst dir vorstellen, wie wütend, wenn auch glücklich, ich bei der Heimkehr war. Dass wir am Bahnhof herausgekommen sind, scheint die Reise leider noch um einiges verlängert zu haben.
Lucy war begeistert, dass wir angekommen waren, wenn auch ich mich darüber ärgerte, dass wir soweit von Rose Village entfernt waren. Ihr Lächeln war kaum zu übertreffen, weshalb es, wenn auch erst nach einiger Zeit, auf mich überging. Die hängt wohl sehr an ihrem Leben, wie es wirkt.
Während sie noch voller Freude an einem Platz stand, ordnete ich meine Kleider. Ich sah scheußlicher aus, als ich dachte! Mein Kleid ging kaum einmal übers Knie, doch alle Kanten waren vollkommen ausgefranst, so dass ich diese abschnitt. Wenigstens ist meine kleine Handtasche nicht auf dieser Reise verschmutzt worden, so dass ich noch Tagebuch und Messer hatte. Ein Messer mitzunehmen ist nicht die beste Idee, doch was sollte ich machen, falls ich einem Hund oder ähnlichem begegne? Ich meine, diese Viecher sind doch gefährlich!
Ich kam wohl etwas vom Thema ab. Auf jeden Fall wollte ich nicht in Rose Village auftauchen, ohne halbwegs geordnet zu sein. Und doch ließ sich mein blondes Haar nicht halbwegs bändigen, weshalb ich Lucy für ihren Zopf, den sie schon nach dem Fall in den Teich geflochten hatte, beneidete. Ich konnte mich doch nicht so in Rose Village blicken lassen! Sie währenddessen machte sich schon auf den Heimweg, also konnte ich nicht lange stehen bleiben.
Ich weiß, ich bin sehr undankbar, dass ich noch am Leben bin. Allerdings habe ich mir die gesamte Aktion mehr vorgestellt, als würde ich als Heldin in einem wunderschönen Kleid hinausspazieren, dem leider nicht so war. Ich musste fünf Meilen nachhause!
Während unserer Weges schwiegen wir größtenteils. Die Bauern hatten wohl ihren Spaß, wenn die zwei vornehmsten Damen des Ortes in zerrupften Kleidern den ganzen langen Weg entlangspazierten. Aber ich würde nicht fragen, ob ich mitdarf! Niemals!
Meine Füße schmerzten schon und mein Nacken hätte vom Hochstrecken meiner Nase nicht steifer sein können, als wir endlich eine kurze Pause einlegten. Ich frage mich, wie sie es gelernt hat, so viel zu laufen, wenn sie in den Mooren doch kaum einen Schritt vor der anderen setzen konnte.
"Elisabeth?", sie blickte mich dankbar an, bevor sie mich umarmte. Ich weiß nicht, ob sie mir das jemals vergessen würde. Auch wenn ich ihre Sentimentalität manchmal für etwas übertrieben halte, umarmte ich sie auch. Sie war trotz allem schließlich meine beste Freundin.
Die restlichen drei Meilen brachten wir ohne weitere Pausen hinter uns. Der Abkürzung halber nahmen wir den Weg über die Wiesen, auch wenn das hohe Gras fortwährend meine zarten Füße stach. Ich bin einfach nicht fürs Kleinstadtleben gemacht.
Kaum waren wir in Sichtweite trafen uns auch schon die erstaunten Blickte der Stadtbewohner. Miss Foster und der seltsame Freund ihres Vaters erblickten uns als Ersten. Hochnäsig stolzierte ich auf sie zu, den Rücke durchgedrückt und die Nase so hoch, dass ich kaum hätte darüber schauen können, nur um sie von meiner katastrophalen Kleidung abzulenken.
Nur wenige Sekunden später kam Familie Alden aus dem Haus gestürmt. Mister Alden rannte sofort auf seine Frau zu, die trotz, dass er sie indirekt ins Moor verbannt hatte, Tränen vor Freude in den Augen hatte. In diesem Moment wurde mir auch klar, wieso sie ihn nicht einfach aus dem Haus verwies und ihr eigenes Leben führte, wie sie es eigentlich auch konnte. Trotz seines seltsamen Charakters liebte sie ihn noch.
In der Zwischenzeit beobachtete ich den Rest der Familie. Henry, dieser ignorante Mensch schien sich nicht daran zu stören, dass seine Mutter wiederkam. Ein Brötchen in den Mund schiebend verschwand er wieder im Haus, so laut kauend, dass ich ihn bis zu dem Platz, an dem ich stand, hörte.
Die kleine Jenny lief auf ihre Mutter zu, freudestrahlend wie diese. Nur noch ich schien alleine auf der großen Wiese zu stehen, jedenfalls bis ich James erblickte.
Schäumend vor Wut und das Vorgefallene nicht vergessen könnend, schritt ich, bei jedem Absetzen des Fußes fast ein Erdbeben mit sich ziehend, auf ihn zu. Er würde nicht so einfach alles zur Seite schieben können! Dieses Mal würde er meinen Zorn mit gesammelter Kraft zu spüren bekommen! Doch seltsamerweise schien er auf mich zuzugehen.
"Miss Relish, ich...", er begann zu sprechen, doch ich konnte ihn in meiner Wut nicht ausreden lassen.
"Wissen Sie dass sie ein herzloser, skrupelloser, gemeiner und hinterlistiger Mensch sind? Ihrer Mutter den Tod zu wünschen ist einfach nur teuflisch! Sie achten nie darauf, was jemand denkt! Sie sind...", mir fielen keine Worte mehr ein, nachdem alles so haltlos aus mir heraus gesprudelt war. Ich hatte mehr gesagt, als ich sagen wollte.
"Sie haben Recht", damit brachte er mich endgültig aus der Fassung.
"Was?"
"Sie haben Recht. Ich bin herzlos, skrupellos, gemein, hinterlistig und noch viel mehr. Ich achte niemals auf die Menschen. Und genau deshalb bin ich ihnen so ähnlich."
Er hatte es tatsächlich geschafft, mir in einem Satz zuzustimmen und die größte Beleidigung an den Kopf zu werfen, die er nur hätte aussprechen können. Auch wenn er damit nicht ganz unrecht hatte. Skrupellos war ich schon immer. Gemein und hinterlistig gehörte auch zu meinen guten Charakterzügen. Aber herzlos? Damit lag er etwas daneben.
"Herzlos bin ich nicht", keine andere Antwort meinerseits hätte so angemessen und wahr sein können. Sein unverschämtes Grinsen hätte er sich aber lieber verkneifen sollen.
"Dafür aber wunderschön."
Wieso musste er mich immer entweder ärgern oder aus dem Konzept bringen? Ich hasse das! Standen mir die blonden Locken wirklich so gut?
"Ich dachte immer, sie sähen abscheulich aus, wenn man Ihnen die Schminke abwischt. Dem scheint nicht so zu sein. Ist das Kleid neu? Ich dachte, sie kaufen nicht in einem Ankleidungsgeschäft für Bauern?"
Dieser Mann trieb mich noch in den Wahnsinn! Nie konnte er sich zusammenreißen! Beleidigt sah ich zur Seite.
"Es tut mir leid. Das war doch nicht so gemeint. Es steht Ihnen wirklich", offenbar wollte er sich nicht mit mir verfeinden, wozu ich ihm auch dringend raten würde.
"Vielen Dank."
"Ihnen auch."
Wofür?"
Nie sprach er etwas zu Ende aus! Und immer dieser schreckliche Humor, der mich in die Weißglut treibt!
"Vielen Dank, dass Sie trotz ihres oberflächlichen Benehmens mir zu verstehen gegeben haben, dass man zwar gemein aber nicht herzlos sein kann", ich wusste, was er meinte, auch wenn er so unverständlich redete. Mein Blick schweifte zu Lucy. Hoffentlich würde er sie nie wieder hassen, denn sie war wirklich ein wunderbarer Mensch. Wie er eigentlich auch sein könnte, wenn er nicht so gehässig wäre.
"Ich hoffe sehr, Sie bereuen Ihren Wunsch, Lucy möge sterben."
"Das tue ich, Miss Relish. Das tue ich, Elisabeth", er konnte wirklich wunderbar sein, wenn er nicht gerade nach Streit gesinnt war. Dass er mich beim Vornamen nannte, fiel mir erst viel später ein.
"Sie haben ein wunderschönes Lächeln, wenn es nicht gerade dem bösartigen Grinsen weicht", er traf den Punkt genau. Doch ich mochte beides - mein bösartiges Grinsen und mein wahres Lächeln. Doch diesmal antwortete ich nicht.
"Soll ich meiner Mutter sagen, was ich über sie gesagt habe?", er meinte seinen bösartigen Wunsch.
"Nein. Sie hätte solch einen Gedanken nicht von Ihnen erwartet, James, und er würde sie verletzen."
Er ging zu seiner Mutter hinüber und umarmte sie. Sue strahlte voller Freude. Wenn ich diese abrupte Veränderung noch bei Henry bewirken könnte, wäre wirklich ein Wunder geschehen.
Statt James kam nun Mister Alden hinüber.
"Ich wollte Ihnen danken", meinte er. Ich hatte von langen Dankesreden genug, da meine Füße wehtaten, also verkniff ich mir böse Kommentare.
"Ich meine, dass Sie sie wieder hierher geholt haben. Ich wollte wirklich nicht...", er verstummte. Doch auch so wusste ich, was er sagen wollte. Nichts davon war beabsichtigt. Die gesamte Familie konnte ihre Gedanken wohl nicht zurückhalten.
"Sie lieben Sie, also passen Sie darauf auf, sie nicht noch einmal zu verjagen, ich brauche keinen Dank."
"Es scheint manchmal, als würden Die wirklich zur Familie gehören, Elisabeth", meinte er, kurz bevor er zu ihr zurückging. Ja, ich gehörte zur Familie Alden. Und auch wenn wir noch so gemein sein konnten - ich war stolz darauf.
Auf Wiedersehen
In ewiger Liebe
Deine
Elisabeth"
Manchmal können tausend Taten der Scham, Rache und Verbitterung wenige Worte nicht wett machen, die aus Ehrlichkeit gesprochen worden---
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