Kapitel 3 - Libertas
Als Kiana an diesem Nachmittag das Atrium betrat, legte sich ein leises Raunen wie ein sanfter Schleier über die Anwesenden. Rebekka hatte ihre Haare zu einem kunstvollen Muster aus Zöpfen verwoben, die wie ein filigranes Kunstwerk auf ihrem Haupt ruhte. Der teure Haarschmuck, den ihre Freundin meisterhaft eingearbeitet hatte, bestand aus goldenen Fäden und kleinen Perlen, die anmutig in Kianas honigblondem Haar verschwanden. Mit ihren geschickten Händen hatte Rebekka zudem Kianas Augen so betont, dass sie gleichzeitig elegant und verführerisch wirkten. Ihre Lippen waren in einem betörenden Rotton gehalten und die Delfinkette, die sie einst von Marcus in Gallien geschenkt bekommen hatte, zierte stolz ihren Hals. Die goldenen Armbänder, die stilvoll an ihrem Handgelenk glänzten, vervollständigten ihre gesamte Erscheinung perfekt.
Kianas tiefblaues Kleid, aus kostbarer Seide gefertigt, betonte zudem nicht nur ihre Augen, sondern auch ihren gerundeten Bauch. Die Farbe des Gewandes harmonierte meisterhaft mit ihrem Teint und verströmte eine Aura aus Anmut und Eleganz. Als sie auf Marcus zutrat, schritt sie nicht wie eine einfache Sklavin, sondern wie eine Frau, die in ihrer Pracht einer römischen Matrona glich.
«Du übertreibst heute maßlos, weißt du das?», neckte Kiana ihren Geliebten, während sie die Hand ergriff, die er ihr entgegen streckte. «Du hättest mir kein so teures Kleid schenken müssen.»
Aber Marcus lachte nur, küsste zärtlich ihren Handrücken und entgegnete: «Doch Liebste, das war nötig. Du wirst schon sehen.»
Ein Lächeln umspielte Kianas Mundwinkel. Marcus hatte noch nie gegeizt, wenn es um schöne Geschenke ging, allerdings übertraf das Kleid alles, was er ihr bisher geschenkt hatte. Selbst in ihrem früheren Leben in Gallien hatte sie nie so teure Kleidung getragen. Ihr Stamm war zwar nicht arm, doch Marcus' Reichtum nach seinem Sieg gegen Sextus Pompeius war wahrlich beeindruckend.
«Du siehst wunderschön aus», setzte Marcus noch nach. «Wie die Göttin Aphrodite selbst.» Kiana lachte und erwiderte, dass er beten sollte, dass die Göttin das nicht gehört habe.
Galant führte Marcus Kiana in den Hof, wo bereits seine prächtige Sänfte erwartungsvoll bereitstand. Die Sänfte selbst war ein wahres Kunstwerk. Ihr hölzerner Rahmen war mit vergoldeten Verzierungen geschmückt, die im Sonnenlicht funkelten.
Marcus half Kiana behutsam beim Einsteigen, bevor er sich neben sie in die weichen, gepolsterten Kissen legte, die mit kostbaren Stoffen bezogen waren und die in lebendigen Farben schimmerten.
Mit einer eleganten Geste gab Marcus den Trägern das Signal und augenblicklich setzte sich die Sänfte in Bewegung. Die Träger bewegten sich synchron und trugen die Sänfte mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit durch den Hof.
Während die Sklaven sie so durch die römischen Straßen trugen und zur Villa der Livia am äußersten Stadtrand Roms, der Prima Porta, ansteuerten, spürte Kiana die sanften Erschütterungen. Durch die dichten Vorhänge wagte sie immer wieder einen Blick nach draußen. Die Nachmittagssonne warf schräg ihr warmes, goldenes Licht durch die vielen Bogengänge der insulae, während sich der Himmel in einem klaren Blau präsentierte. Das Murmeln der Menschenmengen, das Klappern von Sandalen auf dem Steinpflaster und das ferne Rauschen von Fontänen in den Innenhöfen durchdrangen die Luft. Die meisten Geschäfte der Stadt waren zu dieser Tageszeit bereits geschlossen.
Am Ende des Bogengangs konnte im grellen Gegenlicht der Sonne Kiana die feinen Umrisse einer Gruppe von Menschen ausmachen. Es handelte sich offenbar um einen dominus mit seiner Gattin und ein paar Sklaven. Gerade den dominus konnte Kiana leicht an seiner weiten Toga erkennen. Ein Vorrecht, dass nur freien römischen Bürgern zustand. Im Gegensatz zu Marcus und ihr stiegen der Mann und die Frau in getrennte Sänften ein. Die palla, die den Kopf der Frau bedeckte, wirkte im Sonnenlicht fast durchsichtig. Dazu blitzte eine Brosche auf. Kiana vermutete, dass auch sie sich auf den Weg zu einem der vielen Abendessen machten, die ihre soziale Stellung in der Stadt mit sich brachten. Sie konnte noch sehen, wie die Sklaven, bis auf einen, der sich mit einer Lampe auf den Bürgersteig setzte, zurück in das große Wohnhaus gingen, ehe ihre eigenen Träger in eine neue Seitenstraße einbogen. Der schwere Geruch von Rauch lag in der Luft, ein sicheres Anzeichen dafür, dass überall Holzkohlebecken angezündet wurden, um das Abendessen vorzubereiten. Dazwischen mischten sich die Aromen von den Gewürzen von den nahegelegenen Marktständen. Auch die Menschenmassen in der Stadt waren so dicht, dass ihre Träger nur schwer vorankamen. Kiana schloss die Vorhänge wieder, da durch den Rauchschleier ihre Augen zu Tränen begonnen hatten und ein Hustenreiz sie durchzuckte.
Als die Sänfte schließlich zum Stillstand kam, empfand Kiana eine tiefe Erleichterung über das Ende ihrer Reise. Der Weg durch die Stadt wurde durch ihre fortschreitende Schwangerschaft immer beschwerlicher und das Geschaukel verschärfte ihre Unannehmlichkeiten noch zusätzlich. Die Sklaven, die ihre Ankunft schon erwartet hatten, hatten bereits den Ausstieg für sie vorbereitet, in dem sie ein Schemelchen mit einem kleinen Teppich für die Füße vor die Sänfte gestellt hatten. Marcus stieg, wie es sich für seinen Rang als Senator gehörte, mit würdevoller Langsamkeit aus der Sänfte aus und reckte erstmal seine Glieder, ehe er Kiana seine Hand reichte, um ihr ebenfalls aus der Sänfte zu helfen. Mit einem warmen Lächeln auf den Lippen nahm sie seine Hilfe dankend an. Die Sklaven hatten sie geschickt über einen der Hintereingänge geführt, um neugierige Blicke zu vermeiden, die beobachteten, wie ein Herr seiner Sklavin aus der Sänfte half.
Kianas Augen schweiften über die imposante Umgebung und ihr Staunen über die alles in den Schatten stellende Pracht konnte sie nicht verbergen. Die Villa erstreckte sich gebieterisch vor ihnen, ein architektonisches Meisterwerk aus Säulen und Marmorterassen. Von der Fassade bis zu dem Garten des Anwesens zeugte alles von unbegreiflichem Wohlstand. Die Villa übertraf selbst das Haus des Caesars oder die Statthaltervilla in Gallien. Marcus schien ihre Gedanken zu erraten und erklärte ihr, dass Livia Drusilla aus einer der ältesten Patrizierfamilien Roms stammte und der Reichtum ihrer Vorfahren schier unermesslich war. Gerade im Frühjahr und im Sommer war der Garten ein beeindruckendes Arrangement aus verschiedenen exotischen Pflanzen, die den Garten in allen Farben des Regenbogens erblühen ließen. Zudem zäumten ihn zahlreichen Wasserspiele. Kiana konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Blütenpracht im Sommer ihre Sinne betören würde. Schon immer hatte sie diese Jahreszeit am meisten geliebt.
«Wollte dein Freund sie deswegen heiraten?» Kiana dachte nicht groß über die Frage nach oder wie sie auf Marcus wirken mochte, doch ihr Geliebter lachte nur.
«Livias Name hat sicher wesentlich dazu beigetragen, dass er sie so schnell zur Frau nehmen wollte. Ihre Familie ist weitaus bedeutender als seine. Dennoch glaube ich, Amors Pfeil hat sein Übriges getan. Er ist genauso verzaubert von ihr wie ich von dir, Liebste.» Behutsam legte Marcus einen Arm um ihre Taille und drückte Kiana an sich. Wie ein williges Kätzchen schmiegte sie sich an ihren Geliebten, froh über die Privatsphäre, die ihr die hohen Mauern des Anwesens vergönnten. Sie hasste es, ihn nur im Schatten lieben zu können.
«Dich hat also Amors Pfeil getroffen?», neckte sie ihn.
«In der Sekunde, als ich dich das erste Mal in meinen Armen gehalten habe», bestätigte Marcus mit einem Grinsen und küsste ihre Nasenspitze. Kiana runzelte die Stirn und überlegte, wann das war. Er hatte sich solange zurückgehalten und sie nicht angerührt, bis sie dazu bereit war. Auch wenn sie längst vermutet hatte, dass er sich schon viel früher in sie verliebt war als vor dieser ersten gemeinsamen Nacht.
«Als ich dich dem Sklavenhändler abgenommen habe», half Marcus ihr bei ihrem ratlosen Gesichtsausdruck auf die Sprünge. Und da fiel es Kiana wieder ein. Der Sklavenhändler hatte sie Marcus in die Arme gestoßen, sie war gestolpert und er hatte sie aufgefangen. Sie hatte seine körperliche Reaktion gespürt und war ängstlich vor ihm zurückgewichen. In dem Moment hatte sie befürchtet, dass er noch an Ort und Stelle vor all den herumtreibenden Menschen über sie herfiel. Das entsetzliche Grauen der Erinnerungen, die sie zu ihm geführt hatte, musste sich ebenfalls in ihrem Gesicht abgezeichnet haben, denn behutsam nahm Marcus sie in den Arm und flüsterte ihr sanft zu: «In dem Moment wusste ich, dass ich dich lieben und beschützen werde. Obwohl ich dich nicht kannte, wollte ich nur, dass du bei mir in Sicherheit bist. Ich konnte ja nicht ahnen, wie glücklich du mich machst, aber ich wusste in dem Moment, dass ich dich brauche.»
Kiana seufzte und vergrub ihren Kopf an seiner Brust. Sie selbst hatte länger gebraucht, um diese Gefühle in sich zu erkennen. Zwar fühlte sie sich von Anfang an zu ihm hingezogen, doch sich das einzugestehen, war deutlich schwieriger gewesen.
«Wie bei Psyche ist auch meine Liebe zu dir nicht durch die Verwundung von Amors Pfeil entstanden. Sie ist durch die Zeit, die ich bei dir verbracht hatte, gewachsen, bis sie so unerschütterlich stark wurde, dass egal vor welche Prüfungen man mich stellt, sie nicht vergeht.»
Marcus drückte sie an sich und küsste ihr Haar, ehe er sie wieder losließ, ihre Hand nahm und sie gemeinsam den herrlichen Garten betraten. Plätscherndes Wasser säumte ihren Weg, ehe sie das Wintertriclinium erreichten, das im Westen des Anwesens lag.
Vor der prächtigen Tür erwartete Xenia sie bereits und winkte ihnen entgegen allen römischen Sitten zu, bevor sie Kiana stürmisch umarmte.
«Wieso hat das so lange gedauert?», tadelte ihre Freundin und warf Marcus dabei einen vorwurfsvollen Blick zu. Dieser räusperte sich und entschuldigte sich in aller Form für die Verspätung. Kurz erklärte er Xenia, dass er sich noch einer Angelegenheit, die Sophia betraf, annehmen musste. Xenia runzelte die Stirn und richtete ihren Blick auf Kiana, die ihren Kiefer zusammenpresste.
«Ich hoffe, nichts Ernstes?», fragte Xenia besorgt nach.
«Serafina, das Kindermädchen, vergisst des Öfteren, dass Sophia auch seine Tochter ist», antwortete Kiana spitz.
«Um ihren Willen hoffe ich, dass sie es kein weiteres Mal vergisst», erwiderte Marcus und legte beruhigend eine Hand auf Kianas Rücken. Kurz erklärte er Xenia, was zuvor in seinem Haus passiert war und dass Serafina nicht noch einmal so glimpflich davon kommen würde, wenn sie es wieder wagen sollte, Hand an seine Tochter zu legen. Xenia betrachtete Marcus eingehend, ehe ihr Blick zu Kiana schweifte, die ihren Mund zu einer dünnen Linie zusammengekniffen hatte. Ganz hatte sie wohl ihre Skepsis Marcus gegenüber nicht abgelegt, doch es beruhigte sie sichtlich, dass Marcus nicht zuließ, dass jemand seinem Kind Schaden zufügte.
Wieder fragte sich Kiana, was ihr Vater ihr als Kind angetan hatte? Xenia sprach nie über den Mann, der sie gezeugt hatte. Sie wusste nur, dass er ihr ebenfalls erlaubt hatte, in seinem Haus aufzuwachsen und dass sie bei ihm eine gute Bildung genossen hatte. Doch das alles konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ihre Mutter und sie auf so schändliche Art und Weise verraten hatte. In den zwei Jahren, in denen sie während Marcus' Illyrienfeldzug bei Xenia und Livia gelebt hatte, hatte sie die äußerlichen und innerlichen Narben von Xenia gesehen, die entstanden waren, nachdem ihr Vater sie einem Freund übergab. Sie bewunderte jeden Tag aufs Neue, wie Xenia es geschafft hatte, die dunklen Tage hinter sich zu lassen, die sie durch den Weiterverkauf von eben jenem Freund erlitten hatte. Sie wusste nicht, ob sie es geschafft hätte, wenn Marcus nicht der Mann gewesen wäre, der er war, sondern sich als grauenhaftes Monster entpuppt hätte. Wenn Sophia nicht aus ihrer Liebe zueinander entstanden wäre. Jetzt, wo sie Xenias kritischen Blick selbst reflektierte, entspannte sich ihr Körper wieder. Marcus' Hand auf ihrem Rücken und seine Worte zeigten ihr, dass er nie zulassen würde, dass jemand ihrer Tochter schadete.
Mit einer einladenden Geste forderte Xenia sie schlussendlich auf, mit ihr das triclinium zu betreten und geleitete sie durch den prächtigen Eingang, über dem ein Windspiel mit einem Phallus hing, ein Symbol, des Glücks und der Fruchtbarkeit. Der Speisesaal erstrahlte im warmen Licht zahlreicher Öllampen und Fackeln, die an den Wänden hingen. Die übrigen Gäste waren bereits versammelt und lagen hufeisenförmig um den Tisch herum. Dieser war ein Meisterwerk aus feinstem Marmor, kunstvoll verziert mit römischen Ornamenten. Neben Gaius und Livia waren nur Maecenas mit seiner Gemahlin Terentia anwesend und unterhielten sich ausgelassen. Da es Xenias Geburtstag war, war ihr Platz auf der mittleren Liege, zu deren Rechten und Linken bereits Livia und Gaius Platz genommen hatten. Rechts davon lag Maecenas zusammen mit Terentia, während die linke Speiseliege für Marcus und Kiana reserviert war. Inmitten der angeregten Gespräche entging Kiana der subtile Blick, den Maecenas Xenia zuwarf, nicht. Während Gaius und Livia immer wieder liebevolle Zärtlichkeiten austauschten, lag Maecenas nur steif neben seiner Gattin. Nicht die Spur von körperlicher oder emotionaler Zuwendung war zwischen den Eheleuten zu erkennen. Für einen flüchtigen Moment trafen sich die Blicke der beiden, als Kiana mit Marcus den Speiseraum betrat.
Sofort eilten zwei blutjunge Sklavinnen herbei und baten die neu angekommenen Gäste sich zu setzen. Dann zogen sie ihnen die Schuhe aus und wuschen ihnen die Füße. Kianas Blick war mitleidig auf das Mädchen gerichtet, welche noch nicht ganz zur Frau gereift war. Sie war sehr dünn und hatte die blonden Haare zu einem einfachen Knoten gebunden, damit sie ihr nicht im Weg waren, während sie die Herrschaften bediente. Ahnte sie, dass Kiana einst an ihrer Stelle gewesen war? Zu Beginn ihrer Versklavung musste auch sie Marcus und seinen Gästen die Füße waschen und noch heute fühlte sie die Erniedrigung, die sie dabei empfand. Ängstlich huschten die Augen des Mädchens zu ihr und erst jetzt bemerkte Kiana, dass sie ihren Körper angespannt hatte.
«Du machst das wunderbar», flüsterte Kiana ihr zu und schenkte ihr ein Lächeln, durch das das Mädchen sich sichtlich entspannte. Kiana ließ ihren Blick durch den beeindruckenden Speisesaal der Villa gleiten. An den Wänden erblühte ein üppiger Garten, der sorgfältig und lebensecht gestaltet war. Zwischen den verschiedenen Vogel- und Pflanzenarten, darunter Iris, Veilchen, Mohn, Chrysanthemen, Rosen, Oleander, Myrte, erstreckte sich ein Rasen, der regelmäßig von Sträuchern durchsetzt wurde, und lud zum Spaziergang ein. Die Natur erschien greifbar nah, unterstützt von Vögeln, die munter umher schwirrten und Ästen, die sich sanft im Wind zu beugen schienen. Sie lenkten den Blick hinauf zum türkisfarbenen Himmel und Kiana hatte beinahe das Gefühl, das echte Firmament über sich zu erkennen.
Im scharfen Gegensatz dazu präsentierte sich das Mosaik auf dem Fußboden. Fischgräten, Langustenschalen, Muscheln und abgenagte Knochen schmückten den Untergrund und schufen dadurch einen reizvollen Kontrast zum paradiesischen Garten an den Wänden.
Nach der Fußwaschung legten sich Marcus und Kiana auf die ihnen zugewiesenen Plätze und die beiden Sklavinnen begannen sofort auch ihre Hände mit parfümiertem Wasser voller Rosenblüten zu waschen, ehe sie sie mit einem dezent bestickten Leinentuch abtrockneten. Im Hintergrund mischten sich die Töne von Flöten, Leier und Tamburine auf Zeichen des nomenclators zu einer angenehmen triumphalen Melodie und untermalten die Unterhaltungen der Gäste, während die Sklavinnen ihnen kleine Schreibtäfelchen überreichten, auf denen die heute gereichten Speisen aufgelistet waren. Ein fein gekleideter Sklave mit grauem Spitzbart eröffnete feierlich den Abend, indem er griechische und lateinische Verse rezitierte. Dabei gab er den anderen Sklaven ein Zeichen, mit der Vorspeise, dem gustus, zu beginnen. Kiana war dankbar für ihren Griechischunterricht und genoss es, dem Gedicht des Mannes so gut folgen zu können. Ein Ziehen in der Magengegend durchzog sie erneut und sie legte beschützend eine Hand auf ihren Bauch. Sie wollte sich den Abend nicht von Unwohlsein verderben lassen – wahrscheinlich nur eine weitere Begleiterscheinung ihrer Schwangerschaft. Freudig bemerkte sie, dass keiner der Anwesenden Anstoß an ihrer Gegenwart nahm.
«Du hast dich wahrlich selbst übertroffen», raunte Kiana ehrfurchtsvoll, als sie die Speisen durchging.
«Heute ist ja auch ein besonderer Tag», erwiderte Xenia vergnügt und zwinkerte ihr zu. Irritiert blickte sie ihre Freundin an, doch diese ging nicht weiter darauf ein, sondern notierte ihre Bestellung. Neue Sklaven, diesmal Jünglinge, betraten mit dampfenden, großen, bauchigen Schüsseln, die wie kleine Vulkane aussahen, das triclinium. Der für das Servieren zuständige Sklave erhob die Stimme und verkündete Stolz, dass es sich um mit Seeigeln gefüllte Sauzitzen handele. Zustimmendes Gemurmel erfüllte die Luft. Offenbar hatten weder Xenia noch Livia Drusilla für diesen Abend weder Kosten noch Mühen gescheut. Die ministratores stellten Teller und Becher auf den Tisch. Während sich die Gäste an den Spezialitäten gütlich taten, näherten sich andere Sklaven und füllten ihre Becher mit honiggemischten Wein. Sowohl Kiana als auch Gaius lehnte dankend ab. Kiana selbst vertrug durch ihre Schwangerschaft keinen Alkohol mehr. Allein der Geruch bereitete ihr Übelkeit und sie wollte nicht riskieren, den Abend vorzeitig beenden zu müssen. Schließlich kam es selten genug vor, dass sie einmal mit Marcus zu einer solchen Feierlichkeit gehen durfte. Deswegen biss sie die Zähne zusammen und stützte ihren linken Ellenbogen auf dem Kissen ab, während sie mit der linken Hand den Teller hielt und mit der rechten aß. So taten es auch die übrigen Gäste. Dicht an dicht lagen sie alle zusammen um den Tisch, während ein Gang nach dem nächsten auf dem dazugehörenden Silbergeschirr serviert wurde. Die weiblichen Sklavinnen, die nicht die schweren Platten hereintragen mussten, füllten immer wieder die Becher mit Wein nach, oder wuschen den Gästen die Finger, ehe sie sie ihnen blitzschnell abtrockneten. Die festliche Atmosphäre wirkte wie ein Balsam für die Sinne.
Während die Gäste sich in angeregten Gesprächen über die fein angerichteten Speisen verloren, nahm Marcus die Gelegenheit wahr, um seinen Freund zu fragen, was ihm denn so die Stimmung vermiest habe, während er eine Hand besitzergreifend auf Kianas Rücken legte. Diese fühlte sich sichtlich unwohl in der Gegenwart des Caesars. Immer wieder erinnerte sie sich daran, dass er Marcus' bester Freund war, und dass er, solange ihr Geliebter an ihrer Seite war, ihr nichts tun würde. Immerhin, so sagte sie sich, hatte er ihr Kommen zugelassen und nicht darauf bestanden, dass Caecilia ihn begleitete. Auch wenn es natürlich Xenias Geburtstag war und sie vor allem deswegen hier war. Streng genommen war Marcus ihre Begleitung und sie nicht die seine.
«Antonius, dieser elende Heuchler», knurrte Gaius und sein Blick verfinsterte sich allein bei der Erwähnung dieses Namens. Kiana überlegte kurz, wer Antonius noch gleich war. Der Name sagte ihr etwas, aber sie kam nicht darauf.
«Nicht nur, hat er meine arme Schwester erniedrigt, indem er sie in Athen zurückgewiesen hat. Nein, dieser Mistkerl hat in Alexandria einen Triumphzug abgehalten und nicht nur Kleopatra die Königin der Könige genannt, sondern auch Caesarion zum König der Könige erklärt. Und als ob das noch nicht genug wäre, hat er ihn als Caesars leiblichen Sohn und damit seinen wahren Erben anerkannt!» Seine Worte schnitten wie eisiger Wind durch die festliche Szenerie und Kianas Blick wanderte zwischen den Gästen hin und her, während die schwere Bedeutung der Enthüllung in der Luft hing. Ihre Hand ruhte schützend auf ihrem Bauch, der sich bei den verstörenden Neuigkeiten zusammenzog.
«Caesar hatte einen leiblichen Sohn?», fragte Kiana überrascht und verstummte, als Gaius seinen Blick auf sie richtete. Sie rechnete instinktiv damit, dass der junge Caesar ihr keine Stimme an Tisch zugestand und sie dafür rügte, dass sie als Sklavin überhaupt die Dreistigkeit besaß, das Wort zu erheben, doch er musterte sie nur kurz, ehe er antwortete: «Das behauptet jedenfalls Kleopatra. Ich persönlich bin mir da nicht so sicher. Die Kleopatra, an die ich mich erinnere, würde alles für ihren Machterhalt tun.»
«Caesar hat ihr erlaubt, den Jungen Caesarion zu nennen», gab Marcus zu bedenken. «Ich bezweifle, dass er das zugelassen hätte, wenn er nicht selbst an die Vaterschaft geglaubt hätte.»
«Es ist mir egal, ob er sein Sohn ist oder nicht. Allein, dass Antonius seine Stellung legitimiert, schwächt meinen Anspruch auf mein Erbe! Und dieser elende Säufer weiß das. Er hat sich in Ägypten als Dionysos und Osiris feiern lassen, während seine königliche Geliebte als neue Iris auftrat.» Gaius' Worte schnitten wie ein scharfes Schwert durch die Luft. Kiana konnte den Unmut und die Anspannung der Anwesenden förmlich greifen, während die düstere Enthüllung die Atmosphäre durchdrang.
«Von den Briefen, die er dir hat zukommen lassen, einmal ganz zu schweigen», murrte Livia an seiner Seite und ihre Augen funkelten vor Wut. Kiana verspürte einen Anflug von Mut in sich aufsteigen und fragte unerwartet direkt, um was für Briefe es sich dabei handelte.
«Oh, mein Favorit ist der, in dem Antonius ihm vorwirft, von Caesar nur adoptiert worden zu sein, weil er als Knabe seine Hure gewesen war», lachte Maecenas, doch seine Stimme war mit einem Hauch Zynismus durchzogen.
«Ich persönlich bevorzugte den Brief, in dem er akribisch auflistete, mit welchen Frauen mein Gemahl intim ist», knurrte Livia. «Bedauerlicherweise blieb in dem Schreiben im Dunklen, ob das in unseren ehelichen Gemächern geschah oder ob er sogar annahm, ich wäre Zeugin dieser Intimitäten geworden.»
Kiana bemerkte, wie Gaius' Blick zu seiner Gattin huschte und spürte die unterschwellige Spannung, die zwischen ihnen lag.
«Du weißt, dass ich seit unserer Vermählung mit keiner dieser Frauen mehr geschlafen habe. Die Frauen, die Antonius aufzählt, sind Namen, die alle vor deiner Zeit waren. Damals war ich zuerst mit seiner Stieftochter und dann mit Scribonia verheiratet. Im Gegensatz zu dir habe ich keine von ihnen wirklich geliebt.»
Livia biss die Zähne zusammen und antwortete äußerlich ruhig, dass das wohl zeige, dass Antonius Quellen nicht mehr auf dem Laufenden waren, doch Kiana spürte die brodelnde Unzufriedenheit in ihr. Antonius' Vorwürfe hatten offensichtlich mehr als nur oberflächliche Wunden hinterlassen.
Gaius seufzte schwer und wandte seinen Blick von seiner Frau ab, um ihn auf Marcus und Maecenas zu lenken. Maecenas ließ sich indessen seinen Becher Wein nachschenken, während sich die gerade noch heitere Stimmung zu einer finsteren Atmosphäre verdichtete. Gaius nahm seinen ursprünglichen Gedanken wieder auf und fuhr fort: «Zwar läuft die Befugnis des Triumvirats Ende des Jahres aus und ich werde es ganz gewiss nicht von der Volksversammlung für weitere fünf Jahre verlängern lassen, aber dadurch bin ich Antonius noch nicht los. Er will seine Macht im Osten ausbauen und wenn ihm das gelingt, kann er Anspruch auf Italien erheben. Doch einen erneuten Bürgerkrieg kann ich mir nicht leisten. Besonders nicht, nachdem ich die Bürgerkriege offiziell für beendet erklärt habe.»
Ein bejahendes Nicken durchzog die Runde, während die Bedeutung dieser Worte wie ein Schatten über den Tisch fiel.
«Das stimmt», bestätigte auch Marcus. «Wir können nur deine Position in Rom stärken. Doch ein erneuter Bürgerkrieg würde alles was wir erreicht haben, wieder zerstören.»
Kiana, die bislang schweigend zugehört hatte, wagte einen vorsichtigen Einwurf: «Wieso dreht Ihr den Spieß nicht einfach um?»
Die Köpfe der Anwesenden richteten sich augenblicklich auf sie und Kiana spürte die Aufmerksamkeit auf sich, während sie weitersprach: «So, wie ich das verstanden habe, versucht Antonius seine Machtbasis im Osten auszubauen. Warum nutzen wir das nicht gegen ihn? Er kann sich nicht auf Rom und den Osten gleichzeitig konzentrieren, dadurch können wir seine Position in der Stadt schwächen.»
«Wir?», fragte Gaius ironisch nach und sein Blick wanderte zu Marcus. «Seit wann ist deine ... Geliebte ein Teil unseres inneren Kreises?»
Es war nicht Marcus, sondern überraschenderweise Livia, die Partei für Kiana ergriff. Sie erklärte, dass es sich durchaus lohnen würde, Kiana in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Die Zeit, die sie mit ihr verbracht hatte, hatte ihr gezeigt, über welchen scharfen politischen Verstand Kiana verfügte.
Nachdenklich betrachtete Gaius Kiana, doch offensichtlich suchte er keinen weiteren Streit mit seiner Frau. Er wies sie daher an, weiterzusprechen und ihre Idee zu erklären.
«Wenn Euch dieser Antonius in eine Ecke treiben will, dann müsst Ihr ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Antonius wirft Euch vor, Ehebruch begannen zu haben, ohne einen direkten Beweis dafür zu haben. Doch ist er in irgendeiner Form besser? Begeht er nicht ebenfalls offen Ehebruch? Ich nehme an, dass es sich bei Euren Geliebten allesamt um Frauen des römischen Adels handeln, sonst würden die Vorwürfe Eure Frau nicht so stark verletzten. Diese Namen wird er hervorgeholt haben, um die Väter und Ehemänner dieser Frauen gegen Euch aufzuhetzen. Aber dieser Antonius hat offiziell eine Affäre mit einer ausländischen Königin. Gibt es in Rom einen schlimmeren Vorwurf - abgesehen von dem des Strebens nach einer römischen Königskrone?»
«Meine Schwester weigert sich, sich in die Sache hineinziehen zu lassen», erwiderte Gaius kühl. «Sie ist nach wie vor seine treue Ehefrau. Sie empfängt schön brav seine Klienten und zieht seine Kinder auf. Sie hat mir verboten, sein Zusammenleben mit Kleopatra für mein politisches Kapital zu nutzen. Solange er sich nicht scheiden lässt, sind mir die Hände gebunden.»
«Es muss etwas geben, was ihn zerstören kann», überlegte Kiana laut, auch wenn ihr Magen immer deutlicher rebellierte. Doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sicher hatte sie nur zu viel gegessen. «Wenn mich mein Vater eines gelehrt hat, dann, dass jeder irgendwo eine Schwachstelle hat. Diesen einen Punkt, der ihn wirklich und wahrhaft verwundbar macht, den müssen wir finden.»
Abschätzig musterte Gaius sie. Nach einer kurzen Pause antwortete er überraschend freundlich: «Du könntest recht haben, Kiana. Aber bislang haben wir gegen Antonius nichts in der Hand. Sein Zusammenleben mit Kleopatra ist bekannt und solange er sich nicht von meiner Schwester scheiden lässt, können wir das nicht gegen ihn verwenden.»
«Wenn es nicht seine Beziehung zur Königin ist, dann gibt es sicher etwas anderes in Ägypten, was man ihm anlasten kann. Oder ihr bringt ihn dazu, mit seiner römischen Ehefrau endgültig zu brechen. Wenn er sich scheiden lässt, kann Eure Schwester ihn nicht länger vor Euch beschützen», erwiderte Kiana ruhig. Nun schloss sich auch Marcus wieder dem Gespräch an.
«Vielleicht könnten wir ihm das genau vorwerfen», erklärte er, während er gedankenverloren über Kianas Rücken streichelte.
«Wie meinst du das?», wollte Gaius sofort wissen und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen besten Freund.
«Wir können ihn beschuldigen, dass er sich nicht mehr wie ein Römer verhält, sondern dass er sich immer mehr dem Osten zuwendet und dort mit seiner Königin in luxuriöser Maßlosigkeit verliert. Das wäre auch etwas, was die Bürger Roms mit Leichtigkeit glauben werden. Er war stets für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannt.»
Gaius grübelte über diese Idee nach, ehe er einen neuen Gedanken ins Spiel brachte. An Marcus gewand fragte er: «Hatte er nicht eine Beziehung zu der Schwester deiner langjährigen Geliebten?»
«Cytheris? Ja, mit ihr lebte er sogar in seinem Haus, dass er damals nach dem Tod von Pompeius für sich beansprucht hatte, offen zusammen», erwiderte Marcus nach kurzem Nachdenken.
«Andromedas große Schwester», fügte er nach einem fragenden Blick von Kiana hinzu. «Antonius hat die Beziehung zu ihr beendet, nachdem er Fulvia geheiratet hat.»
«Ich wusste nicht, dass Andromeda eine Schwester hat», erwiderte Kiana überrascht. «Aber wenn sie eine Beziehung zu Antonius hatte, dann kennt sie seine Schwächen, was seinen luxuriösen Lebensstil betrifft, sicher zu Genüge. Vielleicht könnt ihr sie fragen, ob sie euch hilft.»
Marcus seufzte leicht. «Das bedeutet wohl, dass ich Andromeda eine Nachricht zukommen lassen soll, mit der Bitte ein Treffen mit ihrer Schwester zu arrangieren?»
«Du hattest mir ohnehin versprochen, dass wir eine ihrer Aufführungen ansehen würden. Ich würde mich freuen, Andromeda wieder zu sehen», erwiderte Kiana.
«Du vielleicht. Aber Caecilia reißt mir den Kopf ab, wenn ich meine ehemalige Geliebte in mein Haus einlade. Und mein Schwiegervater gleich mit.»
«Dann laden wir sie in mein Haus ein. Wir sind zu sehr auf Atticus finanzielle Unterstützung angewiesen, als dass wir uns das leisten könnten», bot Gaius ohne Umschweif an. Enttäuschung breitete sich in Kiana aus, nachdem sie gehofft hatte, auch sie könnte so Andromeda wiedersehen. Seit ihrer ersten Begegnung waren mittlerweile fünf Jahre vergangen und bis auf die wenigen Bruchstücke von Marcus hatte sie keine Ahnung, was aus ihrer einstigen Freundin geworden war.
Die Gespräche zogen sich über Stunden in die Länge. Man diskutierte verschiedene Möglichkeiten, wie man Antonius in der Öffentlichkeit für seinen Lebensstil brüskieren konnte. Maecenas bot an, dies auch in Gedichten festzuhalten und öffentlich zu machen. Diverse Gänge wurden aufgetischt und Wein wurde regelmäßig nachgeschenkt, bis Marcus sich plötzlich, bevor der Nachtisch serviert wurde, erhob. Irritiert blickte Kiana, die gerade noch in eine angeregte Unterhaltung mit Xenia vertieft war, ihrem Geliebten nach. Wollte er so früh schon gehen?
Augenblicklich verstummten alle Anwesenden und ihre Blicke ruhten auf Marcus, der in die Mitte des Raumes trat. Feierlich streckte er seine Hände nach seiner Geliebten aus und bat sich, sich zu ihm zu gesellen. Die Verwirrung war Kiana deutlich ins Gesicht geschrieben, als sie seiner Bitte nachkam und sich erhob. Sie streckte ihm ihre Hände entgegen und Marcus umschloss sie sanft mit seinen eigenen warmen Fingern.
«Marcus...?», begann Kiana verunsichert, doch er brach sie mit einem Kuss zum Schweigen. Sie spürte, dass nun auch alle Augen auf ihr lagen und sie hatte das Gefühl, dass alle wussten, was gleich kommen würde. Ihre Augen fanden Xenia, die ihr nur ermutigend zu lächelte und sich etwas aufrechter auf ihre Speiseliege legte. Marcus winkte eine der Sklavinnen herbei, die einen kleinen Filzhut in der Hand hielt und dem Herrn präsentierte.
«Marcus...», begann Kiana erneut, doch ihr blieben die Worte weg, als sie die ganze Bedeutung des Hutes begriff. Unsicher huschten ihre Augen zu ihrem Herrn und Geliebten. Ihr Herz raste vor Aufregung. Konnte es wirklich sein? Nein. Marcus hatte sich stets geweigert, ihr diesen einen, diesen sehnlichsten Wunsch ihres Herzens zu erfüllen. Sie hatte sich damit abgefunden. Ihre Liebe zu ihm hatte nichts mit ihrer Versklavung zu tun. Doch allein der Gedanke, mit ihm zusammen sein zu können, ohne die grausamen Ketten der Sklaverei, waren eine heiße Verlockung für sie. Mit seiner tiefen, ruhigen Stimme rief Marcus ihren Namen und Kiana sah erwartungsvoll zu ihm auf. Seine Augen glitzerten und sprühten vor Freude Funken, als er ihren irritierten und gleichzeitig hoffnungsvollen Gesichtsausdruck sah. Ihre Hände fingen an zu schwitzen. Immer schneller raste ihr Herz, als er sie so anlächelte. Ihre Knie wurden weich und sie klammerte sich an ihn, wie eine Ertrinkende an ein Rettungsseil. Liebevoll blickte er sie an, ehe er feierlich zu sprechen begann: «Seit fünf Jahren begleitest du nun schon meinen Weg und erhellst mein Leben jeden Tag aufs Neue. Ich hätte nie für möglich gehalten, jemanden einmal so sehr zu lieben, wie ich dich liebe. Du warst mir stets eine treue Gefährtin und hast mir eine wunderschöne Tochter geschenkt. Nun ist es an der Zeit, die Ketten der Sklaverei zu durchbrechen, die dich an mich gebunden haben.»
Seine Worte hallten durch den Raum und Kiana konnte kaum fassen, was sie hörte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihr Herzschlag galoppierte davon, als sie realisierte, dass diese Worte nicht nur ein Produkt ihrer Fantasie, sondern der Realität waren.
«Ab diesem Tag», fuhr Marcus fort, sein Blick voller Entschlossenheit, «Sollst du nicht mehr als meine Sklavin, sondern als meine Geliebte an meiner Seite sein. Ich verkünde vor all diesen Zeugen, dass du von nun an frei bist.»
Kianas Atem stockte, als die Bedeutung seiner Worte sie endlich erreichte. Eine Flut von Emotionen überwältigte sie und sie fiel Marcus voller Dankbarkeit und grenzenloser Liebe um den Hals.
«Danke», flüsterte sie unter Tränen, unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen. «Ich danke dir aus tiefstem Herzen.»
Lächelnd legte Marcus eine Hand auf ihren Bauch und streichelte liebevoll über die Wölbung.
«Das bedeutet, dass auch unser Kind in Freiheit geboren wird, und morgen werde ich dich vor den Prätor bringen, damit du die vollen Bürgerrechte erhältst. Von da an bist du eine freie Bürgerin Roms mit allen Rechten und Privilegien.»
Kianas Herz explodierte vor Glück und Erleichterung, Tränen der Freude und Dankbarkeit strömten über ihre Wangen. Als auch Xenia aufsprang und ihre Freundin voller Begeisterung umarmte, spürte Kiana, wie ihre ganze Welt in diesem Moment zu strahlen schien. Doch plötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, durchzuckte ein schneidender Schmerz ihren Bauch, so, als würde ein glühendes Messer sie zerreißen. Ein Schrei des Entsetzens erstickte ihr in der Kehle, während ihre Sinne sich zu vernebeln begannen und die Welt um sie herum in ein undurchdringliches Grau tauchte. Sie fühlte, wie ihre Kraft schwand, und ein unbändiger Sog zog sie in Marcus' Arme. Doch bevor sie sich darin verlieren konnte, übermannte sie erneut der Schmerz, ein wildes Feuer, das ihre Seele zu verzehren schien. Verzweifelt klammerte sie sich an den letzten Funken ihres Bewusstseins, während die Dunkelheit unaufhaltsam näher rückte. In einem letzten Aufbäumen gegen das unausweichliche Schicksal kämpfte sie, doch es war vergeblich. Das schwarze Nichts verschlang sie, und sie versank in einer Welt voller Schmerz und Angst.
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