27
Ächzend drehte er sich auf die Seite. Er lag weich, aber sein Körper fühlte sich an wie gerädert. Es war, als sei er aus einem sehr anstrengenden Traum aufgewacht. Sein Rücken war nass geschwitzt und sein Schädel brummte. Carsten rieb sich die Augen, setzte sich im Bett auf und sah sich um. Die Seite von Lisa war leer. Bei dem Anblick schoss ihm die Erinnerung wieder ins Bewusstsein. Lisa war bei Henry.
Carsten betrachtete seinen Körper. Seine Hände. Sie waren wieder echt. Kein Papier. Alles echt. Ein wenig war er erleichtert. Zumindest darüber. Aber dass Lisa weg war, bedrückte ihn sehr. Es fühlte sich alles leer an. Das Haus war leer, die Fensterseite des Bettes war leer, Carstens Inneres war leer. So schön es auch war, wieder hier zu sein, Carsten konnte sich nicht einmal richtig darüber freuen, wenn er Lisa nicht mehr hatte.
Und in dieser Leere keimte das, was sich zu einem Strauß unschöner Gefühle entwickeln würde. Die Enttäuschung über Lisa, die Wut auf Henry. Traurig, wütend, rasend, niedergeschlagen fühlte sich Carsten und konnte sich keinem der Gefühle ganz hingeben und wurde von ihnen zerrissen. Da war zum einen die Tatsache, dass Lisa Carsten für einen Mann wie Henry verlassen hatte. Und zum anderen die Tatsache, dass Carsten nun ganz alleine war.
Luisa. Auch sie war jetzt alleine. Carsten und Luisa, beide alleine, beide für sich. Getrennt waren sie durch eine dünne Schicht Papier, die trotz ihrer Fragilität so undurchdringlich war. Henry hatte mit den Schultern gezuckt, hatte gesagt, Carsten solle doch wieder zu ihr zurück gehen. Den Gedanken ließ Carsten in seinem verknitterten Kopfkissen zurück.
Wie mechanisch stand er auf und ging unter die Dusche. Einen Moment zögerte er, ehe er das Wasser aufdrehte. Aber es passierte nichts. Nur das warme Wasser auf seiner Haut. Nachdem er sich frische Kleidung angezogen hatte, fühlte er sich ein bisschen besser. Er machte sich einen Filterkaffe und aß ein Brötchen. Er schaute durch die Glastür hinaus auf die Terrasse. Was würde er heute tun?
Ihm war danach zumute, einfach nur den ganzen Tag auf der Couch zu liegen und sich das, was passiert war, immer und immer wieder durch den Kopf gehen zu lassen. Das würde aber zu nichts führen. Heute war Dienstag ... oder Mittwoch? Am Freitag war das Manuskript fällig und Carsten war sich sicher, dass er den Roman mit Henry nicht einreichen würde.
Er würde einen anderen Roman schreiben. Er würde sich hinsetzen und und stundenlang nur noch schreiben. Hauptsache, er müsste das elende Manuskript mit seinem neusten Roman nicht mehr in die Hand nehmen. Sollte es in der Schublade verstauben. Nie wieder mehr wollte er es in die Hand nehmen. Er würde andere Geschichten schreiben. Er würde nur noch schreiben, schreiben, schreiben.
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