"Wichtige Gespräche und Pläne."
„Alles in Ordnung?"
„Ja. Nein? Keine Ahnung."
Behutsam wurden Arme um seinen Rücken gelegt und er an die doch schon so vertraute Brust gezogen. Sofort herrschte Ruhe in seinen aufgebrachten, wilden Gedanken und er konnte sich ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen.
„Ist alles noch bisschen viel, oder?"
„Irgendwie schon."
„Du weißt das du über alles mit mir reden kannst? Ich möchte nicht das du dich zu etwas gedrängt fühlst, nur weil du der Meinung bist, ich erwarte das."
Dieser Mann war unglaublich. Aber das hatte Lando in den letzten Wochen des Öfteren feststellen können.
„Ich habe bisschen in mein Tagebuch geschrieben, als du eben Duschen warst. Ich musste irgendwem meine Gedanken und Gefühle anvertrauen."
Nickend dirigierte Carlos sie beide zur Couch, zog Lando dabei direkt auf seinen Schoss, nachdem er sich selbst gesetzt hatte. Schon als er das Zimmer des Jüngeren verlassen hatte, um Duschen zu gehen, hatte er mit so einer Reaktion seines Freundes gerechnet. Die letzten Minuten waren zwar nicht nur für Lando sehr ereignisreich, aber für diesen waren die Empfindungen, Gefühle und Emotionen um einiges intensiver als für ihn selbst.
„Ich wollte dich nicht unter Druck setzten, bevor ich Duschen gegangen bin. Von mir aus, darf und kann jeder wissen, dass du mein Freund bist, dass du mein Herz gestohlen hast. Ich weiß aber, dass es für dich alles neu ist und dass du in Bezug auf Gefühle und Vertrauen sehr unsicher und zurückhaltend agierst. Lando mir ist wirklich wichtig, dass du alles so machst wie du dich wohl damit fühlst."
Sanft ließ Carlos seine Finger in den Nacken gleiten und kraulte lächelte das feine, kleine Löcken, während er einen kleinen Kuss auf die Haare setzte.
Die Beziehung mit Lando würde so anders werden als all die Beziehung, die er davor gehabt hatte. Keiner seiner Partner war so schüchtern, ängstlich, unsicher, sensibel, scheu gewesen wie sein kleiner Brite. Auch hatte keiner seiner Ex Partner erhebliche Probleme mit der Wahrnehmung seines Körpers gehabt.
„Nachdem du zum Duschen gegangen bist, war mein erster Impuls Alex und George zu schreiben. Sie sind meine besten Freunde und ich wollte mit ihnen mein großes Glück feiern. Und sie hätten mir vielleicht auch bisschen helfen können, bezüglich Tipps und Ratschläge. Beide waren, bevor sie zusammengekommen sind, auch noch nie mit dem gleichen Geschlecht zusammen. Und der zweite Impuls war es, dass ich es meinen Eltern erzähle. Sie waren immer für mich da, haben meine Geschwister und mich immer unterstützt. Aber ich war mir selbst wieder im Wege."
„Glaubst du, dass die Sache zwischen George und dir nicht mehr gekippt werden kann?"
„Ich weiß nicht. Es tut immer noch weh, wie er mich behandelt hat. Aber Georgie war immer wie ein weiterer Bruder für mich und er hat mich wirklich oft verteidigt und sich sogar mal eine blutige Nase geholt, weil er sich mit einem großen Jungen angelegt hatte, der mich auf dem Spielplatz geschubst hatte. Alex und George sind mir wirklich wichtig, aber selbst ihnen habe ich nicht zu 100% alles erzählt, weil ich sie eben nicht belästigen wollte. Immer wenn es besonders schlimm mit den Anfeindungen war, wollte ich mit den beiden reden, aber mein Kopf hat immer einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht."
Das kleine Häufchen Elend auf seinen Schoss war kaum ertragbar. Es brach Carlos nicht nur das Herz, dieses schmerzte qualvoll, wenn er nur daran dachte, wie hilflos und allein sich sein Freund gefühlt hatte und wahrscheinlich auch noch fühlte und alles nur, weil die eigenen Gedanken gegen einen selbst waren.
Schützend schlang er die Arme fester um den zierlichen Körper, hauchte immer wieder flüchtige Küsse auf das Haar und die Schläfe des Brünetten.
„Deine Eltern werden nichts gegen unsere Beziehung haben. Ich bin jetzt schon einige Tage hier und ich habe beide als wirklich sehr liebevolle, beschützende und offene Menschen kennengelernt. Du fühlst dich bezüglich deines Tagebuches noch immer hintergangen und das kann ich vollkommen Nachvollziehen, nichtsdestotrotz muss ich wohl hier Partei für deine Eltern ergreifen, da ich glaube das meine Eltern auch so gehandelt hätten. Es war nicht richtig das sie in deinen privatesten Gedanken gelesen haben, aber sie wussten sich nicht anders zu helfen. Ihr Sohn, ihr Fleisch und Blut lag im Krankenhaus, nachdem sie diesen bewusstlos vorgefunden hatten. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich in ihrer Situation gewesen wäre. Wahrscheinlich hätte ich auch alles unternommen, um rauszufinden wieso mein Sohn so viele Tabletten genommen hat. Das es dafür offensichtlich einen Grund geben musste, erklärt sich von selbst. Aber weißt du was Lando? Du darfst niemals vergessen das deine Eltern dich über alles Lieben und das sie immer das Wohl ihres Kindes an erster Stelle stellen werden, egal wie sehr sie dieses dabei vielleicht verletzten werden. Du magst vielleicht noch länger nicht gut auf deine Mom zu sprechen sein werden, was auch in Ordnung ist. Du bist Teenager und willst eben nicht alles mit deiner Mom besprechen und teilen, aber vergiss bitte nicht, dass sie dich geboren hat. Sie liebt dich wirklich, wie eine Mutter ihren Sohn nur lieben kann. Deine Eltern machen sich selbst die schwersten Vorwürfe, weil sie glauben, versagt zu haben. Was hatten sie übersehen? Warum hast du ihnen nicht vertraut? Alles Fragen die ihnen seit der Erkenntnis was vorgefallen ist durch den Kopf gehen. Auch meine Eltern haben sich damals diese Fragen gestellt. Mi Amor, was ich mit all dem sagen möchte, du wirst geliebt von so vielen Menschen. Du bist so ein wichtiger Mensch in unserer Mitte."
Das Carlos oft die richtigen Worte fand, hatte er mehrmals zu hören bekommen und jedes Mal gingen ihn die Worte des Älteren sehr ans Herz, auch diesmal. Lando wusste nicht, wie Carlos es schaffte und ob es daran lag das dieser ähnlichen Erfahrungen gemacht hatte, aber er spürte regelrecht wie die Wut und Enttäuschung auf George und seine Eltern etwas mehr verblasste und er sich wünschte sich diesen anzuvertrauen. Stattdessen vergrub er vorerst sein Gesicht an der Brust Carlos und schluchzte leise. Kein Wort was seine Lippen hätte verlassen können, wäre ansatzweise an das herangekommen, was er wirklich empfand.
Es bedarf keiner weiteren Worte.
Inständig hoffte Carlos das er mit seinen Worten etwas mehr an Lando herankommen konnte, um diesen zu zeigen, wie wichtig er war, wie sehr er geliebt und geschätzt wurde. Oft – so wusste er- waren es im Grunde nur Momentaufnahmen in denen Lando diese Wertschätzung wirklich akzeptiert und wahrnahm, aber diese Momente waren verdammt wichtig und konnte Helfen Lando zu stärken.
Minutenlang hielt er seinen Freund fest an sich gedrückt, murmelte dabei immer wieder leise spanisches sing sang.
Selbst das leise Klopfen an der Tür bekam der Jüngere nicht mit, aber er dafür. Lächelnd, aber schon etwas Ertappte blickte er Adam an, der seinen Kopf in das Zimmer gesteckt hatte. Mit einem leichten Nicken signalisierte er dem Dad seines Freundes, das alles in Ordnung sei.
„Ich weiß einfach nicht, wie ich weiter machen soll. Hier zu Hause fühle ich mich halbwegs sicher, auch wegen dir. Aber ich bin nicht blöd Carlos. Du wirst bald zurück nach Spanien fliegen und ich habe absolut keine Ahnung wie ich damit umgehen soll. Aber was wird sein, wenn ich wieder zur Schule gehe? Ich bin schon geächtet, wegen Lewis und den anderen. Was ist, wenn jemand rausbekommt das ich schwul bin? Ich will nicht wieder verprügelt und gemobbt werden. Ich habe nicht den Mut in der Öffentlichkeit dazu zu stehen, aber das sollte ich! Es ist nichts schlimmes, wenn man als Junge einen anderen Jungs mag oder liebt. Aber es gibt noch so viel Homophobie und Intoleranz, die mir Angst macht. Auf meiner Schule gibt es auch einige Jungs, die mit Homosexuellen nichts zu tun haben, wollen, die wirklich widerlich Reden und handgreiflich werden. Aber viel schlimmer ist der Gedanke das ich quasi nicht zu dir stehen kann. Ich weiß nicht mal, ob ich es außerhalb meines Zimmers kann und hier wäre ja nur meine Familie, keine Fremden. Ich will aber zu dir stehen, ich will mit dir angeben und jedem unter die Nase reiben das du mein Freund bist."
Das Lando und er nicht direkt fröhlich draußen herum Spazieren würden war Carlos klar in dem Moment, als ihm bewusstwurde, dass er sich in den Jüngeren verliebt hatte. Und nach den Jahrelangen Übergriffen und Mobben hatte Carlos auch nicht erwartet das Lando sich mit einem Schild in der Schule hinstellen würde, um zu verkünden das er schwul sei. Aber wie genau er seinem Freund bezüglich der Schule helfen konnte wusste er auch nicht. Er konnte Lando schlecht begleiten und jeden böse anstarren, welcher seinem Freund auch nur ansatzweise schlechtes wollte.
„Du hast auch nicht wirklich eine Lösung, oder?"
„Leider nicht. Ich kann dich in der Schule nicht begleiten. Und im Grunde ist die Schule dafür verantwortlich ihre Schüler zu Schützen. Wenn du homophobe Mitschüler hast, muss die Schule eingreifen."
„Ist ja nur noch ein Jahr. Das schaffe ich schon."
„Nein Lando. Du sollst das nicht irgendwie schaffen. Du bist jahrelang mit Angst vor deinen Mobbern zur Schule gegangen. Jetzt sind die weg und es kommen die nächsten Arschlöcher, die dir das Leben schwer machen könnten. Wenigstens ein Jahr sollte doch möglich sein, wo du nicht ständig Angst haben musst."
Ob ein Jahr so ausschlaggebend war, um die letzten Jahre davor zu vergessen? Irgendwie bezweifelte Lando dies doch sehr. Aber es müsste in der Schule eben auch niemand von Carlos erfahren. Immerhin hatte er in seiner Schule keine Freunde, niemand der ihn zu Hause besuchen kam oder sich nach seinem Wohlbefinden erkundete. Niemand von denen kannte Carlos. Nur seine Familie, Alex und George. Also würde niemand rausbekommen das er auf Jungs stand und einen Freund hatte.
Das viele Nachdenken ließ seinen Kopf brummen, weswegen er sich leise grummelnd am liebsten unter Carlos Hoodie versteckt hatte. So aber begnügte er sich damit, die Finger in den Hoodie zu krallen und sich stattdessen an den warmen Hals zu schmiegen.
„In deinem Kopf ist ziemlich viel los? Hast du das schon immer gehabt?"
„Ich glaube schon. Schon früh habe ich vieles hinterfragt. Ich war nie so offen wie meine Geschwister, oder wie George und Alex. Die beiden sind damals auf mich zugekommen. Ich war die erste Zeit in der Kita meistens allein in einer Ecke, auch wenn die Erzieherinnen wirklich lieb waren und alles versucht, haben um mich hervor zu Locken."
War er jemals von sich aus auf eine andere Person zugegangen? Viele Situationen überforderten Lando buchstäblich und er hatte eigentlich immer alles nur getan, weil er der Meinung war man würde es von ihm erwarten. Ob es sich dabei um Gespräche mit Lehrern handelte oder Telefonate bezüglich eines Praktikums. Immer hatte er sich selbst gezwungen, weil er niemanden enttäuschen wollte und weil er eben der Meinung war, er müsse es machen.
„Carlos? Was glaubst du, wie unsere Beziehung verlaufen wird? Wirst du schnell die Schnauze von mir voll haben? Du merkst doch selbst wie schwierig ich bin und das nicht erst seit du mir vorhin gestanden hast in mich verliebt zu sein."
Auch wenn er das Kuscheln mit dem Jüngeren sehr genoss, musste er Lando etwas von sich schieben, um Augenkontakt zu diesem herzustellen. Bei den nächsten Worten musste er dem Brünetten einfach angucken.
„Ich weiß das es nicht einfach werden wird. Du hast sehr viele kleine Päckchen zu tragen die dich belasten. Es wird sicherlich Momente geben, wo du mich auch ausschließen wirst, nicht mit Absicht, aber du wirst es machen, weil es einfach in dir verankert ist und ein Teil deiner Erkrankungen widerspiegelt. Ich habe keine Ahnung wie ich dir versichern kann, dass ich es wirklich ernst mit dir meine und nicht nur mit dir Spiele. Genauso wenig weiß ich, wie ich es schaffen soll das du mir zu 100% vertraust das du keine Angst haben musst, dass ich dich in Spanien betrüge oder mit meinen Freunden über dich Lache. Das Einzige, was ich dir wirklich sicher sagen kann, dass ich schon über verliebt sein hinaus bin. Die Gefühle sind so viel Stärker als nur verliebt sein. Ich verlange viel von dir, das ist mir bewusst, aber ich bitte dich nicht aufzugeben, sondern zu Kämpfen. Nicht für mich, nicht für unsere Beziehung. Okay, vielleicht ein bisschen. Aber hauptsächlich für dich und deine Gesundheit. Lando du bist erst 17 Jahre und hast das ganze Leben noch vor dir. Lass es dir nicht von mentalen Erkrankungen bestimmen lassen. Entscheide selbst für dich."
+
„Hier bist du."
„Ich wollte nur ein paar Bilder für meine Familie machen. Die glauben mir nicht, was für Schnee hier liegt."
Lange hatte Carlos noch mit Lando gesprochen, diesem immer wieder klar gemacht, dass er an dessen Seite bleiben würde, egal wie schwer es werden würde und was noch auf sie zukam. Es war seinem kleinen Briten anzumerken das dieser ihm gerne glauben würde und dies irgendwie auch tat. Aber die Zweifel und Unsicherheiten die Lando über Jahre angesammelt hatten, ließen sich nicht so einfach wegzaubern.
„In Spanien schneit es nicht oft?"
„Hin und wieder schon. Aber nicht so viel wie hier in England. Ich glaube so viel Schnee haben weder meine Eltern noch meine Schwestern jemals gesehen und wir sind alle schon um die Welt gekommen."
„Was sagen deine Eltern eigentlich, dass du hier in England bist? Bei Fremden?"
Schmunzelnd richtete Carlos seinen Blick auf Adam, der dick eingepackt zu ihm in den Garten gekommen war.
„Ich bin Erwachsen und kann tun und machen, was ich möchte."
„Das bist du wohl. Aber es macht sie nicht skeptisch?"
„Am Anfang schon. Immerhin hatte ich nichts von Lando erwähnt, als ich bei Nando Urlaub gemacht habe. Ich habe ihnen aber alles erklärt, nachdem Lando aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Natürlich habe ich ihnen nichts erzählt, was Lando unangenehm sein könnte, nur das es ihm nicht gut geht und dass wir beide das gleiche Schicksal teilen."
„Du bist wirklich ein unglaublicher junger Mann. Ich bin immer noch erstaunt, dass du einfach hierher geflogen bist, nachdem ich dich angerufen hatte. Es ist so beeindruckend, was du in der Zeit hier alles erreicht hast. Ich erkenne meinen Jungen kaum wieder. Ja, wir wissen das Lando krank ist und Hilfe braucht und dass wir dies erst richtig durch den Vertrauensbruch herausbekommen haben, ist traurig. Cisca und ich hoffen, dass unser Junge uns das irgendwann Verzeihen kann."
„Ich habe nicht viel getan."
„Doch Carlos, das hast du. Ich weiß das du mir nichts zu dem sagen wirst, was ich gesehen habe, aber ich hoffe so sehr, dass es Lando zusätzlich stärken wird. Lando ist dir gegenüber offener und zutraulicher als jeder anderen Person, die es in seinem Leben gibt. Als Vater möchte ich das es meinen Kindern gut geht, dass es ihnen an nichts fehlt. Und ich dachte lange das ich alles richtig gemacht habe. Cisca und ich sind einfach nicht an Lando rangekommen, als wir bemerkt haben das, was nicht stimmt. Er hat immer abgeblockt und gemeint es wäre alles in Ordnung. Wir hätten vielleicht hartnäckiger sein müssen, aber wir wollten Lando auch nicht noch weiter in die Ecke drängen, von uns weg."
„Adam ihr könnt nichts dafür. Lando kann nichts dafür. Seine Depressionen, aber auch die anderen psychischen Erkrankungen lassen Lando so handeln. Als ich damals in der Schule den Ärger hatte, habe ich auch alles versucht um es vor meinen Eltern zu verheimlichen. Eigentlich blöd, weil wir ein super Verhältnis zueinander haben. Aber ich wollte meine Eltern einfach nicht belasten, wollte nicht, dass sie sich Sorgen machen oder denken ich würde meine Probleme nicht allein regeln können."
Da es draußen nun langsam richtig kalt wurde, zogen sie sich in den Wintergarten zurück, in welchem es mollig warm war. Rasch schälten sie sich aus den dicken Winterjacken und setzten sich gegenüber.
Man konnte Adam ansehen, dass dieser sich Vorwürfe machte, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, in was für Schwierigkeiten sein Sohn sich befand. Aber was hätten Cisca und er ändern können, außer das Lando sich vielleicht noch unwohler in der Schule gefühlt hätte, wenn seine Eltern da plötzlich aufgetaucht wären.
„Du bist aus diesem Teufelskreis herausgekommen. Meinst du, das Lando das auch schaffen kann?"
„Ich hatte nicht diese wirren Gedanken und Depressionen die Lando hat. Aber mir ging es durch das Mobben natürlich auch nicht gut und es hat erst ein Gespräch mit dem Vertrauenslehrer, Rektor und Nando gebraucht und später meinen Eltern, damit ich da rauskomme. Und seitdem setzte ich mich gegen das Mobben ein, wann immer ich es sehe oder bemerke."
„Wie bei Lando?"
„Genau. All die Menschen drum herum haben einen scheiß darauf gegeben, was man mit Lando offensichtlich machte. Aber ich wollte und konnte das nicht ignorieren."
„Zum Glück."
Ja, das hatte Carlos in den letzten Wochen auch öfters gedacht. Zum Glück hatte er Lando nicht wie all die anderen ignoriert. Was für ein bezaubernder Mensch wäre ihm da entgangen? Lando war in all seinen Facetten einzigartig, auch wenn sein junger Freund dies noch lange nicht so sah.
„Was wird sein, wenn du zurück nach Spanien fliegst?"
„Das wird schwer."
„Für euch beide?"
„Si."
„Lando würde dich nie Abhalten, das weißt du?"
Seufzend nickte Carlos. Eher würde Lando sich die Zunge Abbeißen als ihn von seiner Familie fernzuhalten, von seinem Studium und Heimat.
„Darf ich dich was persönliches fragen?"
„Sicher."
„Ist dir das mit Lando ernst? Du bist fünf Jahre älter, lebst in einem anderen Land und hast wahrscheinlich einige Erfahrungen gesammelt. Dieses 'Wenn du meinem Sohn weh tust' Gespräch ist wahrscheinlich zu früh. Aber ich möchte nicht das Lando sich falsche Hoffnungen macht, wo gerade alles so zerbrechlich und fragil ist."
In seinen Augen gab es keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt, um so ein Gespräch anzuschneiden. Sicherlich gab es Eltern deren das Wohl ihrer Kinder egal war, aber nicht bei Adam und Cisca.
„Ich meine es sehr ernst."
„Gut. Mehr muss ich nicht wissen. Vorerst. Ich sehe das du Lando gut tust und ich habe dich in den letzten Wochen kennenlernen dürfen. Es wäre schön, wenn sich mein Bauchgefühl und meine Menschenkenntnis nicht in dir Täuschen würden."
„Werden sie nicht."
„Dann haben wir nur noch ein Problem?"
„Hm?"
„Was passiert, wenn du zurückfliegst?"
„Darüber haben Lando und ich auch schon gesprochen, aber ich hielt es für besser erst einmal dafür zu Sorgen das Lando sich beruhigt. Sein Kopf war wieder mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt und das tut ihm nicht gut. Ich hoffe der Schlaf hat bisschen helfen können."
„In seinem Zimmer war alles ruhig, als ich eben vorbei gegangen bin."
„Dann sollten wir ihn auch erst Wecken, wenn es Abendbrot gibt. Die Ereignisse von heute waren echt viel. Ich hätte Lando gerne nach diesen Pierre gefragt, aber ich wollte ihn nicht Stressen."
„Ich habe mit unserem Anwalt geredet. Wir wollen nicht das Lando noch vor Weihnachten eine weitere Aussage machen muss. Unseren Jungen geht es aktuell schlecht, da müssen die eben auch mal Rücksicht nehmen. Außerdem hat er schon eine erste Aussage gemacht. Alles weitere wird nach den Feiertagen stattfinden."
Carlos spürte richtig wie ihn diese Worte erleichterten und ein wenig Sorge nahmen. Lando erweckte zwar den Anschein das es ihm halbwegs gut ging, gerade wenn sie zusammen waren. Aber so wirklich überzeugt war er davon nicht. Und nach dem Auftritt von diesem Pierre hatte Carlos das Gefühl, das es Lando wieder aufgewühlt hatte. Da musste eine zusätzliche Aussage vor den Feiertagen nicht sein.
„Ich würde dich gerne noch was fragen."
„Jederzeit."
„Es soll nicht unverschämt klingen. Auch ist mir bewusst, dass du deine Familie und Freunde hast, dein Studium. Aber als Vater muss ich einfach gerade so egoistisch sein. Wobei ich hauptsächlich für Lando frage, weil ich weiß, dass er es nicht machen würde. Würdest du Weihnachten vielleicht gerne hier bei uns feiern? In Spanien feiert ihr später, nicht wahr?"
„Wir haben auch den Heiligabend und die Weihnachtsfeiertage. Viel hat der Einfluss der mitteleuropäischen Traditionen damit zu tun. Kinder in Spanien bekommen Geschenke am 6 Januar. Aber an Heiligabend ist es traditionell das man ein Abendessen in den Familienkreisen macht. Und der 25 und 26 werden immer mit einem Mittagessen im Familienkreis begonnen. Und dann hätten wir am 28 noch einen Brauch – das Fest der unschuldigen Kinder."
Adam wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzten, als Carlos ihm dazwischenkam.
„Ich würde gerne hierbleiben. Ohne mich zu brüsten oder Angeben zu wollen, weiß ich das es Lando guttun würde. Und bevor du glaubst das meine Eltern enttäuscht sein werden oder was dagegen haben, kann ich dich beruhigen. Wie gesagt, ich habe ihnen die Lage hier erklärt und sie haben sehr gut verstanden wie wichtig Lando mir ist. Wir müssen nur Lando davon Überzeugen das ich wirklich gerne mit euch feiern würde, freiwillig. Und das niemand deswegen böse sein wird."
„Du würdest das wirklich wollen?"
„Ja, sehr gerne. Lando ist mir wichtig, ich denke das weißt du und das hast du gesehen. Aber ich mag auch euch richtig gerne. Ihr habt mich hier alle so herzlich und liebevoll aufgenommen. Ich bewege mich wie selbstverständlich durch das Haus und über das Anwesen, als würde ich schon lange hierhergehören. Ich hätte nur eine kleine Bedingung."
„Die wäre?"
„Ich möchte was beisteuern. Oder helfen. Ich möchte mich keineswegs in eure Tradition einmischen, aber vielleicht könnte ich was typisch Spanisches dazu steuern. Ich weiß wir haben nicht mehr viel Zeit. In vier Tagen ist Heiligabend, aber ich würde mich wohler fühlen, wenn ich irgendwas mit einbringen dürfte."
„Das sollten wir hinbekommen. Cisca ist immer sehr offen gegenüber neuen Kocherfahrungen. Vielleicht tut ihr beide euch zusammen und wir fahren später noch Einkaufen, wenn du noch was brauchst."
„So machen wir das."
Jetzt stand er schon davor sein erstes Weihnachten in der Heimat und bei der Familie seines Freundes zu verbringen.
Wer hätte mit diesem Ausgang auch nur ansatzweise rechnen können, als er dem scheuen Teenager seine Hilfe angeboten hatte?
TBC...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top