Liebes Tagebuch...
Liebes Tagebuch,
muss ich mich entschuldigen, dass ich dir schon so lange nicht mehr geschrieben habe? Oder ist es ein gutes Zeichen?
Es ist so viel passiert. Ich glaube es tut gut, wenn ich endlich mal wieder meine Gedanken loswerde.
Weihnachten war einfach großartig. Wunderschön.
Carlos war da. Er hat Weihnachten mit uns verbracht und außer einigen kleinen Nervenzusammenbrüchen von meiner Seite hatten wir wirklich richtig schöne Weihnachten. Das Essen war lecker. Carlos und Mom haben die englische und spanische Küche kombiniert und das Ergebnis war sooooooo gut. Ja, ich habe sicherlich noch immer meine Probleme mit dem Essen, aber ich habe wirklich gut gegessen. Für meine Verhältnisse.
Ich habe nicht damit gerechnet von Carlos ein Geschenk zu bekommen, da es für mich schon ein Geschenk war, das er bei mir geblieben war. Außerdem waren wir gerade zusammengekommen. Aber natürlich hat dieser unfassbar großartige Mann ein Geschenk für mich gehabt, was mich hat Weinen lassen.
Ein Teddybär.
Ich weiß, was du denkst.
Ein Teddy? Für einen 17-jährigen Teenager? Einen JUNGEN?
Es ist nicht nur ein Teddy. Es ist ein Teddy von Carlos und schon allein das macht es zu einem besonderen Geschenk. Carlos hat den Teddy besprochen. Er hat so liebe Sachen gesprochen. Auf spanisch, aber das macht überhaupt nichts, weil er mir auch deren Bedeutung erklärt hat. Ich habe so Weinen müssen. Dieser Teddy bedeutet mir jetzt schon alles und er wird mich auf meinem langen Weg der Heilung begleiten.
Carlos hat sich auch sehr über sein Armband gefreut. Ich gebe zu, ich war sehr unsicher. So direkt Schmuck schenken ist schon ein Thema für sich, aber ich habe das Armband gesehen und musste direkt daran denken, wie gut es Carlos stehen würde.
Du hättest mal sehen sollen, wie er sich über den Tennisgutschein meiner Eltern gefreut hat. Dad ist die Freude im Halse stecken geblieben, als Carlos verklickert, hat das er Tennis spielen kann und das wohl auf nicht so schlecht XDDDD
Weißt du was noch Außergewöhnliches passiert ist?
Ich selbst hatte Carlos darum gebeten das wir bei seinen Eltern anrufen. Nein, ich kann kein spanisch, aber es war mir so wichtig mich bei den Menschen bedanken zu können, die Carlos das Leben geschenkt haben und ihn zu einem wundervollen Menschen erzogen haben.
Es war seltsam, aber auch nicht. Kaum das Carlos den Videocall gestartet hat, kam natürlich die Unruhe, die Angst, aber die war sofort weggeblasen als Carlos Mama erschien und freudig strahlte. Ich wusste direkt woher Carlos dieses Funkeln in den Augen und das Lächeln hatte.
Seine Eltern sind so nett, so lieb und sie haben die ganze Zeit englisch gesprochen, da sie wussten das ich kein Wort spanisch verstehen würden. Sie haben gefragt, wie es mir geht, wie es meiner Familie geht und ob es bei uns wirklich so viel Schnee liegt oder Carlos die Bilder heimlich bearbeitet hatte.
Die beiden haben mich direkt zu sich nach Spanien eingeladen, kannst du das glauben? Sie kennen mich nicht, haben nur die paar Infos von Carlos und mehr nicht. Und direkt, nachdem wir etwas gesprochen hatten, hat Reyes die Einladung ausgesprochen. Ich könnte auch direkt zu Silvester kommen, wenn ich möchte.
Du kannst dir vorstellen das mir sämtliche Gesichtszüge entglitten sind. Das musste ich erst mal sacken lassen, was auch die anderen gespürt und gesehen haben. Carlos hat noch etwas mit seinen Eltern geredet und danach das Gespräch beendet.
Ich bin ehrlich, auch Tage nach dieser Einladung bin ich immer noch sehr geschockt und überwältigt. Carlos hat lange mit mir geredet, wir haben auch mit Mom und Dad geredet.
So sehr ich diese Einladung schätze und auch wirklich lieb finde, werde ich sie nicht Annehmen. Ich fühle mich nicht dazu bereit Silvester in einem anderen Land zu feiern, dessen Sprache ich nicht kenne. Carlos Eltern sind Fremde für mich und sie würden sicher nicht die einzigen Fremden sein. Ich werde es Carlos und mir nicht antun, dorthin zu Reisen und dann Nervenzusammenbrüche, Panikattacken, Angstzustände und sonstige Probleme zu bekommen. Das habe ich ihm auch genau so erklärt. Ruhig und sachlich.
Und das in meinem Alter XD
Aber wirklich, ich habe Carlos vom Herzen gedankt, das seine Familie und er mich eingeladen haben. Aber ich möchte an mich denken, an meine Genesung. Und solange ich psychisch noch so krank bin, möchte ich das Land nicht verlassen. Ich möchte erst gesund werden, bevor ich Carlos in seine Heimat folge, bevor ich seine Familie kennenlerne. Und ich möchte vorher auch noch versuchen spanisch zu lernen.
Du kannst es dir schon denken, oder?
Carlos hatte Verständnis für meine Entscheidung und würde dieses Unterstützen. Was aber für mich auch bedeutet, dass Carlos bald Abreisen wird. Er will übermorgen, als am 30.12 nach Hause fliegen, um Silvester mit Familie und Freunde zu feiern.
Natürlich struggelt mich das, aber ich versuche stark zu sein. Früher oder später muss ich Anfangen damit klarzukommen, dass Carlos nicht 24/7 bei mir sein kann. Er hat sein eigenes Leben, seine Uni, seine Freunde und seine Heimat. Ich werde für eine lange Zeit in Therapie gehen, welche wirklich unvorhersehbar sein wird. Natürlich setze ich alles dran die Therapie durchzuziehen und erfolgreich beenden zu können, aber es wird so hart werden, nicht nur weil mein Freund und Familie nicht bei mir sein werden.
Fremde Menschen. Fremde Umgebung. Alles Dinge die ich nicht mag, die versuche zu Meiden. Ich will eigentlich nicht mit fremden Menschen über meine Probleme reden, obwohl ich selbst merke das ich es schon getan habe. Mit Carlos, aber auch etwas mit Alex und George. Meine Eltern wissen tatsächlich immer noch nicht viel, nur das aus dem Tagebuch. Es ist leichter mit meinen Freunden zu reden als mit meinen Eltern. Irgendwie komisch, dass ich es heute so sehe und so schreiben kann.
Es hat sich so viel verändert. Manchmal glaube ich, dass es zu schnell ging, aber ich möchte es auch nicht Aufhalten, weil es kleine Erfolge für mich sind. Zwar zweifele ich immer noch sehr stark an mir selbst und manchmal helfen auch Carlos lieben Worte nicht darüber hinweg, aber es wird ganz langsam etwas besser.
Ich versuche jetzt einfach die letzten Tage so gut wie möglich mit Carlos zu verbringen. Und ich muss es schaffen das er wirklich mit guten Gewissen nach Hause fliegt. Er soll endlich wieder nur an sich denken und Silvester in vollen Zügen genießen, aber das wird er nicht, wenn er weiß, dass es mir mit seiner Abreise nicht gut geht.
Ich werde ehrlich zu ihm sein. Das hat er verdient, aber auch ich selbst.
Es tut mir weh das er abreist, aber ich verstehe und respektiere seinen Wunsch, nach Hause fliegen zu wollen. Wir sind ein Paar und man geht Kompromisse ein und trifft Entscheidungen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht für beide Seiten gut sind, aber das große Ganze ist es was zählt. Wenn ich nicht Anfange daran zu arbeiten auch ohne Carlos leben zu müssen, werde ich auch die Therapie nicht packen.
Ich möchte ein Leben ohne psychische Probleme an der Seite von Carlos haben. Ich möchte mit ihm nach Spanien, sein Land kennenlernen, seine Familie und Freunde. Ich selbst möchte meine Träume verwirklichen können, aber dafür muss ich gesund sein.
Und das werde ich werden.
Mit Hilfe meines Freundes, meiner Familie.
Weißt du, was Carlos mir heute morgen gesagt hat? Es war direkt nach dem Aufwachen, noch ganz früh. Wir haben kuschelnd in meinem Bett gelegen.
Wenn ich dir etwas schenken könnte, dann die Fähigkeit, dich selbst so zu sehen, wie ich dich sehe, damit du erkennst, was für ein wunderbarer Mensch du bist.
Danach ging einige Minuten nichts mehr, weil ich mich weinend an Carlos geklammert habe. Sowas hat noch nie jemand zu mir gesagt und Carlos meinte jedes Wort voller Überzeugung und Liebe.
Und als ob das nicht schon krass emotional gewesen war, hat mir Cis, was geschenkt, was mir ein weiteres Mal Tränen in die Augen getrieben hat. Mom und Dad waren heute Mittag bei Freunden. Olli bei seiner Freundin und Flo bei den Pferden. Carlos, Cis und ich waren allein. Als Carlos mit seinen Eltern telefoniert hat, kam Cis zu mir und hat mir Karten geschenkt.
Nicht irgendwelche Karten.
MutMachKarten.
Ich habe geheult wie ein Schlosshund.
Wie außerordentlich kann eine kleine Schwester sein? Ich habe sie nicht Beschützen können, aber Cis hat mir nicht einmal die Schuld gegeben, hat nicht einmal Anmerken lassen das sie mich für einen Schwächling und Feigling hält.
Ich habe dich lieb Lando. Du bist mein großer Bruder und ich werde dich immer lieb haben. Ich möchte das du gesund wirst, dass du endlich das Leben lebst, was du dir erträumst, was du dir wünscht.
Weißt du, offenbar war es dieser Moment, ihre Worte oder die Karten, die den letzten finalen Anstoß gegeben haben.
Ich werde nächstes Jahr in Therapie gehen!
Ich werde wieder gesund!
Ich werde meinen Abschluss machen!
Ich werde ein Graphikstudium anfangen und es beenden!
Ich werde meine eigene kleine Graphikfirma gründen!
Ich werde eine lange, glückliche Beziehung mit Carlos haben.
Ich werde dies alles schaffen, weil ich eins wirklich gelernt habe in den letzten Wochen!
ICH BIN WERTVOLL.
ICH SCHAFFE DAS.
ICH DARF FEHLER MACHEN.
ICH BIN ES WERT;
GELIEBT ZU WERDEN.
ICH BIN STARK.
LIEBENSWERT.
EINZIGARTIG.
ICH BIN WUNDERVOLL.
xxxLando
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