"Hallo liebes Tagebuch..."

08.12.

Hallo liebes Tagebuch,

entschuldige, dass ich länger nichts von mir habe hören lassen. Aber es ist wieder viel passiert und ich bin noch dabei alles irgendwie zu Verarbeiten.

Wo fange ich am besten an?

Carlos ist noch immer da. In etwas mehr als 2 Wochen ist Weihnachten und er ist tatsächlich noch hier. Und da haben wir schon das erste Dilemma.

Du kennst meinen Kopf. Der kann nicht verstehen, wieso Carlos noch immer freiwillig seine Zeit mit mir verbringt. Auch wenn ich über Google erfahren habe, das man in Spanien wohl erst am 6.1 Bescherung hat, möchte Carlos doch sicher zu den Weihnachtstagen zu Hause sein. Hinzu kommt, dass ich sicher bin, dass er abreisen will. Schon deswegen, damit er uns als Familie nicht mehr länger zur Last fällt und weil Weihnachten eben ein Familienfest ist.

Geäußert hat er sich diesbezüglich noch nicht, aber ich schätze ihn schon so ein. Ein klein wenig bilde ich mir ein, dass ich ihn einschätzen kann. Auch wenn das vielleicht großspurig klingt.

Mein Herz freut sich wie ein kleiner Flummi das Carlos noch da ist. Manchmal habe ich Angst, dass es mich verraten kann, insbesondere wenn Carlos in meiner Nähe ist, poltert es ganz schön heftig. Aber auch hier hat Carlos noch nichts gesagt. Entweder weil er es nicht bemerkt oder weil er mir nicht zu Nahe treten will, da er ja um meine Unsicherheiten weiß >. <

Aber wegen meinen Gefühlen bin ich irgendwie immer noch nicht schlauer. Ich habe keinen Vergleich, kann so also nicht sagen, ob ich nun verliebt bin oder ob es einfach Dankbarkeit und schwärmen ist. Das ist echt ätzend. Aber ich war noch nie verliebt, weiß von all den Gefühlen und Emotionen ja nur aus dem Internet und von George und Alex. Und das, was Carlos bei mir bewirkt, kommt schon irgendwie dem Verliebtsein nah. Aber ich glaube da stehe ich mir selbst wieder im Weg.

Ich kann und darf mich einfach nicht in Carlos verlieben. Nicht nur, weil er Älter ist. Er lebt in einem anderen Land, hat einen ganz anderen Feedback und Freundeskreis. Ja, das mit der schlechten Erfahrung durch Mobben ist ein Punkt, der uns verbindet. Und dass wir beide schwul sind. Aber mehr ist da nicht. Carlos wird nicht mehr als einen Freund in mir sehen, maximal einen kleinen Bruder. Weil ich nicht mal sicher bin, ob wir uns nach so kurzer Zeit schon Freunde nennen dürfen.

Wenn ich daran denke, was Carlos seit seinem Aufenthalt hier bei uns schon alles für mich getan hat, möchte ich einfach glauben, dass er es tut, weil er mich mag, nicht weil er sich genötigt fühlt.

Alex und George waren ja hier. Und es ist wirklich schlecht gelaufen. Wenigstens mit George. Es wurden Dinge gesagt, die mir sehr wehgetan haben und ich weiß nicht, ob ich weiterhin mit George befreundet sein möchte. Ich bin hin und her gerissen. Auf der einen Seite ist da George, den ich seit der Krabbelstunde kenne und der auch viel für mich getan hat. Aber auf der anderen Seite ist da ein Typ, den ich so nicht kenne, der niederträchtige und wirklich gemeine Dinge bezüglich des Mobbens und meinen psychischen Erkrankungen gesagt hat. Aber kann ich es mir überhaupt erlauben die Freundschaft zu George zu beenden?

Was ist mit Alex? Die beiden sind zusammen und mit Alex habe ich ja keine Probleme. Ich möchte nicht, dass er sich zwischen George und mir Entscheiden muss. Aber ich habe eben auch nur George und Alex als Freunde. Geht es noch armseliger? Wenn ich George jetzt die Freundschaft kündige, bleibt mir vielleicht nur noch Alex und ganz vielleicht auch Carlos. Das ist schon erbärmlich für einen Teenager, oder?

Carlos hat versucht mit mir über George und sein Verhalten zu reden, aber ich muss gestehen das ich bisschen stur war und nicht wirklich zuhören wollte. Natürlich hat Carlos dafür Verständnis gehabt. Wie auch nicht? Er hat bis jetzt immer die richtigen Worte gefunden.

Dank Carlos habe ich es sogar geschafft richtig gut zu Essen. 😊

Nachdem George und Alex gegangen waren, sind wir zum Essen runter. Ich wollte nicht, aber der Spanier hat mich dann doch überzeugt und ich habe die ganze Zeit am Tisch neben ihm gesessen. Die Stimmung war seltsam, da Mom und ich noch immer unsere Probleme haben. Wobei...es wohl meine Schuld ist. Sie will mit mir reden. Mom will sich Entschuldigen und versucht es wieder gut zu machen, aber ich bin eben noch immer sauer das sie gefühlt jeden von meinem Tagebucheinträgen erzählt hat. Wundert mich ja, dass Carlos nicht weiß, dass ich für ihn schwärme.

Aber Mom ist jetzt nicht das Thema.

Carlos hat mir etwas auf den Teller getan. Es gab Braten, Kartoffeln, Gemüse und Sauce. Schon beim Anblick habe ich Panik bekommen, weil es so viel aussah. Scheinbar hat Carlos das gespürt. Er hat meine Hand genommen, mich angeschaut und erklärt das ich nur das Essen solle, was ging.

Selbst das war schwierig. Aber da habe ich meine Rechnung ohne Carlos gemacht. Der hat einen gemeinen, aber schon alten Trick angewendet, wie es Mom und Dad damals schon gemacht haben, als wir als Kinder den Brokkoli nicht probieren wollten.

=D

Carlos hat so geschwärmt, hat voller Wonne und Genuss das Essen zu sich genommen, dass ich irgendwie...neugierig? Neidisch?

Ich weiß nicht, was es war, aber ich wollte das auch mit einem Mal haben. Das Strahlen in den Augen, die Begeisterung beim Kauen und schmecken.

Tja. Und dann war mein Teller leer, ohne dass ich es bewusst wahrgenommen hatte. Und mir ging es gut. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, kein übertriebenes Völlegefühl. Was sicher an Carlos lag, der mir gar nicht die Chance gab mich Unwohl zu fühlen.

Oh Tagebuch, du hättest sein Gesicht sehen sollen. Seine Augen haben so gestrahlt und immer wieder hat er gesagt, wie stolz er auf mich ist und wie großartig ich das gemacht habe.

Das hat mich selbst so gefreut, dass ich sogar ein klein wenig Nachtisch geschafft hatte. Danach war ich aber wirklich satt. Aber die Freude und Erleichterung am Tisch war allen anzumerken. Ich weiß das es meine Familie gerade nicht einfach mit mir hat umso schöner, dass ich ihnen mit einem leeren Teller solch eine Freude machen konnte.

Nach dem Essen hat Carlos noch in der Küche geholfen. Danach hat er mit Cis, Flo und mir einige Gesellschaftsspiele gespielt. Mom und Dad sind später noch dazu gestoßen. Ollie hatte leider keine Zeit. Der war mit Savannah im Kino.

Das war ein schöner Abend.

Auch die zwei Tage danach waren schön. Ich war mit Carlos draußen. Zwar nur etwas im Garten und etwas in unserer Straße, aber immerhin habe ich das Haus verlassen, was auf Krücken im Schnee wirklich beschissen ist. Ich konnte meine Angst zwar nicht ganz verbergen, aber Carlos stand immer schützend an meiner Seite.

Weil...ich soll wohl noch vor Weihnachten eine weitere Aussage bei der Polizei machen. Das hat mir heute Morgen doch etwas den Boden unter den Füßen weggerissen und ich war danach erstmal ein paar Stunden nicht zu gebrauchen. Ich habe mein Zimmer nicht verlassen und selbst Carlos hatte seine Schwierigkeiten irgendwas bei mir zu Entlocken.

Aber wieso auch noch vor Weihnachten? Und dann wollte der scheiß Pierre auch noch ein Gespräch mit mir Führen. Ein Opfer-Täter-Gespräch!

FUCK OFF!

Der kann mir gestohlen bleiben. Ich will mit keinen der Arschlöcher noch irgendwas zu tun haben. Die sollen ihre Strafe bekommen und fertig. Schlimm genug das ich nochmal Aussagen muss. Und selbst das wird andere Opfer auch nicht vor Mobben Schützen. Es gibt so viele Pierres, Lewis, Kevins und Nicos. Und es gibt viele Landos die das mit sich machen lassen werden.

Eigentlich wollte Carlos heute mit mir etwas durch Bristol. Über den Weihnachtsmarkt. Und der Gedanken ist schon schön.

Aber...du kennst es?

Mein Kopf.

Die Krücken wären vielleicht nicht das größte Problem oder meine eingeschränkten Bewegungen. Es tut nicht mehr so weh, nur wenn ich mich ungünstig bewege. Carlos hat Angeboten mich zu Stützen oder zu Tragen >//////<

Ich will nicht, dass wir eine schöne Zeit haben. Ich habe als Kind den Weihnachtsmarkt geliebt, aber über die Jahre hat das immer mehr nachgelassen, weil ich ja kaum noch raus gegangen bin, außer mal mit George und Alex.

Was soll ich den machen, wenn wir einen schönen Nachmittag haben? Wenn ich, was für Carlos sehe? Kann ich das Kaufen? Ist das aufdringlich? Soll der Abschied noch schmerzhafter werden?

Mein Gedankenkarussell ist da wieder aktiv.

Und dann eben die Aussage bei der Polizei. Unser Anwalt prüft, ob es reicht, wenn ich die Aussage schriftlich mache, ansonsten muss ich in 3 Tagen da antanzen.

Selbst zur Polizei würde Carlos mich Begleiten.

Und was mache ich? Ich habe mich mal wieder in meinem Zimmer eingeschlossen, weil mir alles zu viel wurde. Da dachte ich mir, dass ich dir ja lange nicht geschrieben habe.

Und dann bekommst du heute gleich die volle Breitseite.

Aktuell ist eine Achterbahn nichts gegen meine Gefühle und Gedanken. Ich weiß nicht, was ich machen soll.

Wird das mit George wieder was?

Bin ich in Carlos verliebt? Wenn ja. Was dann?

Muss ich zur Polizei? Will ich mit Pierre reden? Will ich mir überhaupt anhören, was er zu sagen hat?

Was ist mit Mom und mir? Ich vermisse sie. Wir hatten sonst immer ein gutes Verhältnis.

Bekomme ich neben meinen schon aktiven psychischen Problemen jetzt noch Angstzustände bezüglich raus gehen? Noch mehr Knackse? Kann ich das noch verarbeiten?

Sollte ich nicht lieber nach einer Therapie suchen?

Da ist so viel los in meinem Kopf. Es summt und brummt. Ich will gerade nur die Decke über den Kopf ziehen und nichts mehr hören und sehen. Aber Carlos hat schon mehrmals geklopft und Nachrichten geschickt.

Er ist besorgt.

Tagebuch...ich weiß einfach nicht, was ich machen soll...

XXX Lando

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