17
17 (Ayden Baker)
Eine ungewöhnliche Stille lag zwischen uns allen, als wir im Krankenhaus ankamen. Es gab so viele Fragen, die ich ihr stellen wollte. Warum hatte sie es gemacht? Wieso hatte sie versucht sich das Leben zu nehmen? Warum hat sie sich die Pulsadern aufgeschlitzt und dann noch Alkohol und dazu noch eine Menge an Schmerztabletten geschluckt? Wollte sie sterben? Aber warum? Was war der Grund für ihr Handeln?
«Ayden? Ich kann hierbleiben, wenn du möchtest», sagte Melek und sah mich besorgt an.
«Ich bleibe solange hier, bis sie wach ist», sagte ich leise und blickte auf meine Schwester, die reglos und blass in dem Krankenhausbett lag.
«Dir geht es nicht gut. Du musst dich ausruhen und schlafen.»
Ich schüttelte den Kopf und schluckte die aufkommenden Tränen herunter. Melek legte mir tröstend einen Arm um die Schultern.
«Sie wird es schaffen», sagte sie leise und hatte eine Hand auf die Klinke gelegt. «Ich gehe Kaffee holen. Willst du auch einen?»
Schwaches nicken meinerseits. Melek verschwand, Maria trat ein. Sie gab mir einen Kuss auf den Mund und setzte sich neben mich. Wir alle waren blass. Wir alle litten unter dieser Situation. Wir alle wollten, dass Bella wieder erwachte und sich am Leben beteiligte. Wir konnten nicht mehr ohne sie. Ich vermisste die Stimme meiner Schwester, vermisste ihr grinsen, wenn sie froh war etwas geschafft zu haben, vermisste einfach alles an ihr.
«Denkst du sie wird wieder?», fragte Maria leise und sah mit geröteten Augen zu mir auf.
«Bestimmt», flüsterte ich leise. «Sie wird es schaffen.»
«Und das Kind?»
Ich sah geschockt zu ihr herüber. Wovon redete sie? Welches Kind meinte sie? War Bella etwa schwanger? Oder Maria? Ich verstand nichts mehr.
«Du wusstest es nicht?», fragte mich meine Verlobte leise.
«Welches Kind? Bist du schwanger?», fragte ich und sah meine blasse Schwester an. Das stetige Piepen der Geräte versetzte einen in Hypnose, wenn man nicht aufpasste. Viele Schläuche waren an ihr angeschlossen. Sie war so dünn. S zerbrechlich.
«Bella hat dir also nichts davon erzählt?», fragte Maria und sah mich lange von der Seite an.
«Was sollte sie mir erzählt haben?», fragte ich und konnte den wütenden Unterton nicht herausfiltern.
«Sie ist schwanger», berichtete Maria und sah zu ihr.
«Schwanger? Wie kann das sein? Er ist im Knast und sie ist hier. Wie kann er sie... Sie haben doch nicht etwa... Nein, nicht im... Ach du heilige Scheiße! Das kann doch nicht wahr sein!»
«Schatz, beruhig dich. Bitte.»
Es brachte nichts. Ich riss mich von ihr los und stürmte auf meine Schwester. Vor ihrem Bett blieb ich stehen. Ich blickte auf ihren Bauch. Eine Wölbung war zu erkennen. Ob es lebte? Oder war es tot? Würden sie es herausholen? Sie konnten doch nicht die Geräte abschalten, wenn sie ein Lebewesen in sich trug. Dann hätten sie ja zwei auf dem Gewissen. Bella und ihr Ungeborenes.
Der Anblick war perfekt. Melek war mit den Tassen Kaffee ins Zimmer gekommen und schaute zu uns herüber. Ich schwieg und legte meine Hand auf Bellas Bauch. Etwas regte sich. Das Wesen in ihr lebte. Sie konnten die Geräte nicht abschalten. Das Kind musste doch noch leben können. Sie durften die Geräte nicht abschalten. Vielleicht würde sie ja aufwachen und sich um ihr Baby kümmern. Wer wohl der Vater war? Oder die beiden hatten im Knast miteinander... Das konnte ich mir aber nicht vorstellen, weil er auf sie losgegangen ist. Bella hatte es mir erzählt gehabt, als ich sie bei unserem Haus besucht hatte. Warum war mir nichts an ihr aufgefallen? Sie hatte sich doch nicht auffällig verhalten gehabt. Nichts Ungewöhnliches war mir an ihr aufgefallen. Bella war wie immer. Nur das sie ein wenig ruhiger war als sonst.
«Ayden?», fragte Melek sachte und riss mich aus den Gedankengängen.
«Wusstest du, dass sie schwanger ist?», fragte ich und drehte meiner Schwester den Rücken zu. Ihre Augen weiteten sich geschockt.
«Was? Wer? Von wem? Ihr bekommt ein Baby?»
«Nein», sagte ich scharf. «Bella ist schwanger!»
Es fiel mir schwer die Worte zu sagen. Sie kamen langsam und gepresst über meine Lippen.
«Aber wie ist sie?»
«Ich weiß es nicht, Melek. Ich weiß es nicht.»
Ich sank zu Boden. Lichter tanzten um mich herum. Die Dunkelheit empfing mich.
......
«Wie geht es dir?», fragte Maria mich besorgt und drückte meine Hand.
«Es geht», antwortete ich leise. «Was ist passiert?»
«Du hattest einen Nervenzusammenbruch», erklärte Maria mit leiser Stimme.
«Wann kann ich zu Bella?», wollte ich wissen. «Sie dürfen die Geräte nicht abschalten. Was ist mit dem Kind? Sie können es doch nicht einfach töten. Das dürfen sie nicht.»
«Sie werden die Geräte nicht abschalten.»
In mir machte sich Erleichterung breit. Ich war froh über diese Nachricht. Ich wollte am liebsten aufstehen und zu meiner Schwester gehen. Ich wollte sie sehen. Wollte wissen, wie es ihr geht. Bella tat mir leid, wie sie da so lag. Reglos, an Schläuchen gekettet, von Überwachungsmonitoren umgeben und nichts ahnend. Ich schloss die Augen. Leises seufzen kam von Maria. Ich öffnete sie wieder und blickte zu ihr.
«Geht es ihr gut?», fragte ich eine Weile später. Maria sah mich lange an, bevor sie sprach.
«Brauchst du irgendwas?»
Ich schüttelte den Kopf. «Nicht nötig. Ich will zu ihr.»
Leises Aufseufzen ihrerseits. «Das geht nicht. Du brauchst jetzt ruhe.»
Ich sah zur Wand und beachtete Maria den restlichen Abend nicht mehr. Ob ich bald entlassen werden würde? Bestimmt. Aber wann? Das hatte mir noch keiner gesagt gehabt. Sollte ich mal nachfragen, wenn eine Krankenschwester mit dem Essen hereinkäme? Oder sollte ich es lassen. Vielleicht sollte ich einen Arzt fragen, falls einer kommen würde um nach mir zu sehen. Oder ich würde es einfach dabei belassen und nichts tun. Das war doch auch ok so oder nicht? Egal. Ich schüttelte die Gedanken ab und griff nach meinem Handy, welches auf dem Nachttisch lag. Ich entsperrte es und sah einige Nachrichten.
......
Von Melek: «Hi Ayden, ich bin's. Melek. Ich habe gehört was mit dir passiert ist. Hoffe dir geht es wieder besser.»
Von Ayden: «Danke für die lieben Worte, Melek. Mir geht es gut. Wie steht es um Bella? Wie geht es ihr? Hat der Arzt gesagt wann sie aufwachen wird?»
Von Melek: «Freue mich, dass es dir wieder besser geht. Nein, der Arzt hat nichts Genaues dazu gesagt. Er weiß nicht, ob sie je wieder aufwachen wird.»
Von Ayden: «Was denkst du darüber? Wird sie aufwachen?»
Von Melek: «Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe überhaupt keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, falls sie denn aufwachen sollte, ob sie wieder ganz die Alte werden wird. Vielleicht trägt sie ja Schäden davon und kann nicht mehr alleine laufen und sprechen. Außerdem mache ich mir Sorgen um das ungeborene Baby, welches in ihrem Bauch ist.»
Von Ayden: «Was ist damit? Geht es ihm oder ihr nicht gut? Wird sie oder er es schaffen?»
Von Melek: «Es ist sehr kritisch. Das kann ich dir gleich sagen. Ob das Kind es schaffen wird, ist noch unklar.»
Von Ayden: «Bitte sag mir, wenn du etwas Neues herausgefunden hast, ja?»
Von Melek: «Ja, das werde ich machen. Jetzt ruh dich aus damit du wieder gesund und munter zu ihr kommen kannst.»
Von Ayden: «Ok, danke. Das werde ich machen. Bin sowieso ein wenig müde. Gute Nacht.»
......
Einige Tage waren vergangen. Ich saß wieder am Bett meiner Schwester. Noch immer hatte sich ihr Zustand nicht geändert. Sie sah so zerbrechlich aus. Wenn ich nur etwas tun könnte.
Dagegen kannst du nichts tun. Das ist nicht möglich. Es wurde noch nichts erfunden womit man Menschen so schnell wie möglich aus dem Koma herausholen kann. Du musst einfach warten und hoffen, dass sie wieder aufwacht. Das ist das Einzige, was du tun kannst.
Das half mir nicht weiter. Ich schwieg und unterdrückte den Drang gegen etwas zu schlagen. Wo die Wut plötzlich herkam, wusste ich selbst nicht. Anscheinend war ich so sehr in meinen Gedanken vertieft, sodass ich nicht merkte wie die Tür aufging und jemand hereinkam.
«Oh Gott», kam es gepresst von der Person. Sofort wirbelte ich herum.
«Mia?»
Es klang nicht nach einer Frage. Es klang eher wütend und abweisend.
«Ayden, ich... es...»
Sie schluckte. Fahrig richtete ich meine Kleidung und verließ den Raum, um mir einen Kaffee zu holen. Ich ließ Mia allein und fragte auch nicht, ob sie einen wollte. Warum musste sie ausgerechnet heute auftauchen? Hätte sie nicht an einem anderen Tag kommen können? Musste es heute sein? Ich schüttelte die Fragen ab und lief langsam auf die Kantine zu, wo ich mir einen Kaffee holte. Als ich endlich an der Reihe war, atmete ich erleichtert auf. Ich gab ihr das Geld und verließ den Raum mit schnellen Schritten.
Vor der Tür blieb ich stehen. Ich atmete einige Male ein und aus, um mich auf das Bevorstehende zu wappnen. Dann drückte ich langsam die Klinke herunter. Ich öffnete sie erst einen winzigen spaltbreit. Nichts war zu erkennen. Vielleicht war sie ja wieder gegangen. Langsam machte ich sie ganz auf und trat ins Zimmer. Leise schloss ich sie hinter mir und setzte mich vorsichtig auf die Bettkannte. Sachte streichelte ich meiner nun blassen Schwester über den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
«Bitte wach auf», flüsterte ich leise und konnte den Kloß im Hals spüren.
«Sie wird schon», kam es plötzlich von der anderen Seite des Zimmers. Sofort schrak ich hoch und hatte dabei einen Schlauch mitgerissen. Die Flüssigkeit tropfte aus dem Loch auf den Boden. Ich nahm den Schlauch und versuchte ich wieder hereinzustecken, was mir nicht so richtig gelang. Und wie aufs Stichwort öffnete sich die Zimmertür und eine Schwester kam herein, um nach dem Rechten zu schauen. Als sie das von mir angerichtete Chaos sah, eilte sie schnell herüber und steckte ihn wieder herein.
«Sie sollten sich ausruhen und ein wenig schlafen», sagte die Krankenschwester und tätschelte mir tröstend den Arm.
«Ich werde solange bei ihr bleiben, bis sie wach ist.»
Sie seufzte leise. «Es ist nur zu ihrem besten, Mister Baker. So können Sie doch auch nicht für ihre Schwester da sein. Gehen Sie nach Hause und legen Sie sich hin. Dann kommen Sie morgen wieder und erzählen ihrer Schwester etwas Schönes.»
«Aber»
Meine Widersprüche halfen nichts. Sie schob mich aus dem Zimmer und manövrierte mich in Richtung Ausgang. Ich musste dies hilflos über mich ergehen lassen.
«Bis morgen», sagte sie und blieb stehen, um mir beim Laufen zuzuschauen. Anscheinend wollte sie sich sicher gehen, dass ich wirklich nach Hause fuhr und nicht hier blieb.
Als ich die Haustür aufschloss, wurde ich von Maria erwartet. Sie sah mich lange an. Fragend schaute ich zu ihr herüber. Nichts ahnend ging ich ins Wohnzimmer und fand sie vor. Wütend blickte ich beide an. Was hatten sie hier zu suchen? Woher wussten sie, dass ich hier wohnte? Warum waren sie hier? Wollten sie mir das Leben jetzt endgültig zur Hölle machen?
«Schön, dass du uns auch mal von deiner Verlobten erzählst», blaffte mich mein Vater an.
«Ihr habt euch doch eh einen Scheiß für uns interessiert!», schrie ich und blickte wütend zu Maria, die mich entschuldigend ansah.
«Ihr hattet es doch immer gut bei uns», meinte meine Mutter und stand auf, damit sie mich besser im Blick haben konnte.
«Entschuldigt mich», meinte Maria. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ das Wohnzimmer. Auf die Gelegenheit hatten sie doch bestimmt gewartet. Sie sahen mich an. Nichts lag in ihren Blicken. Nicht einmal Sorge um mich oder um Bella, die im Koma lag und wahrscheinlich nicht mehr aufwachen würde.
«Was wollt ihr hier?», zischte ich und versuchte mich zu beherrschen.
«Wir brauchen Geld», erklärte meine Mutter. «Wir haben keins mehr und wir sind aus unserem Haus geflogen.»
Das wunderte mich nicht. Jeglichen Kommentar musste ich mir verkneifen. Aber ich würde ihnen kein Geld geben. Das konnten sie vergessen. Sie sollten allein damit zurechtkommen.
«Raus aus meinem Haus», sagte ich so leise wie möglich.
«Du kannst deine eignen Eltern doch nicht einfach herauswerfen, mein Sohn», meinte meine Mutter und sah zu mir auf. Wütend verzog ich das Gesicht.
«Ihr habt euch nie für uns interessiert», sprach ich leise, doch mit fester Stimme. «Jetzt taucht ihr auf einmal auf und möchtet Geld von mir? Nein! Das könnt ihr vergessen! Und ich sage es nicht zum drittenmal, raus. Aus. Meinem. Haus. Oder ich sehe mich gezwungen die Polizei zu rufen.»
«Das kannst du doch nicht tun, mein Junge.»
«Nenn mich nicht dein Junge», zischte ich meinen Vater wütend an. «Ihr verschwindet jetzt oder ich rufe die Polizei.»
«Dazu bist du doch u schwach. Du kannst doch nichts und bist zu nichts zugebrauchen. Deine Verlobte wird dich früher oder später sowieso verlassen.»
So langsam fing an der Geduldsfaden zu reißen. Nur mit großer Mühe bekam ich es hin nicht die ganze Nachbarschaft mit meinem Geschrei auf mich aufmerksam zu machen. Das was jetzt aus meinem Munde kam, musste ich mit Bedacht auswählen und dann raushauen.
«Wirklich?», fragte ich. Kurz danach legte ich eine kleine Pause ein. «Ihr denkt also, dass wir es zu nichts gebracht haben?»
Ich drehte mich von ihnen weg und holte die Erstausgabe von Bellas Buch hervor und die erste DVD wo ich mitgespielt hatte. Beide sahen mich fragend an.
«Was soll das sein?», wollte mein Vater wissen. Mit abfälligem Blick schaute er auf den Buchtitel und den darunter geschriebenen Namen. Sogleich wanderte sein Blick zur DVD wo ich abgebildet war und grinsend in die Kamera schaute. Daneben war eine Frau abgebildet, die sich an mich schmiegte und ebenfalls grinste.
«Das ist doch nichts», brüllte er und riss mir die beiden Stücke aus der Hand, um sie auf den Boden zu pfeffern. «Damit verdient man doch kein Geld!»
«Und warum habt ihr denn keins mehr? Ist eure Anwaltskanzlei etwa pleite gegangen?»
Stille legte sich über uns. Keiner sagte ein Wort. Anscheinend hatte ich ins Schwarze getroffen.
«Ich will euch hier nicht mehr sehen! Verschwindet und lasst euch hier nicht mehr blicken!»
«Willst du deiner jüngeren Schwester keine Zukunft bieten?», fragte meine Mutter und sah mich abschätzend an.
«Sie kann bleiben aber ihr verschwindet und lasst euch hier nicht mehr blicken! Habt ihr das verstanden?»
Geradewegs ging ich auf die Tür zu. Meine Eltern folgten mir mit gesenkten Blicken. Ich schob beide aus der Haustür heraus und knallte diese dann lautstark zu.
Maria schaute mich fragend an, als ich neben sie trat und ihr einen Arm um die Schultern legte.
«Das waren meine Eltern», erklärte ich ihr.
«Und deswegen hast du mir nie von ihnen erzählt?»
Sie klang sauer. Ich atmete aus. Versuchte die Erinnerungen abzuschütteln, die ans Tageslicht kommen wollten. Ich hatte es bis heute geschafft sie glamourös zu verstecken und sie nicht mehr anzurühren. Jetzt waren sie wieder auf dem Weg zu mir und nahmen mich wieder ein. Sie mussten doch immer einen Grund finden, um alles zu zerstören.
«Warum hast du es mir nie gesagt?»
«Was gesagt?»
«Das du vor mir eine Frau hattest, die dich bei der Hochzeit sitzen gelassen hat.»
Ich riss die Augen weit auf, schaute sie entgeistert an.
«Das darf doch nicht wahr sein!»
Ich ließ sie los und lief im Haus um her. Sie hatten das Fass zum überlaufen gebracht. Wie konnten sie nur! Das war doch nicht deren ernst!
«Ich hatte nie eine Frau, die mich sitzen gelassen hat!», schrie ich und schlug gegen einen Holzschrank. Maria zuckte zusammen.
«Und was ist das?»
Sie zog ein Foto hinter ihrem Rücken hervor und hielt es mir vor die Nase. Meine Augen weiteten sich.
«Das kann doch nicht...»
«Was?»
«Ich werde sie...»
«Was?»
«Das werden sie büßen!»
«Was!»
Sie schaute mich an. Etwas lag in ihrem Blick. Ich konnte es nicht deuten.
«Was ist los?», fragte sie laut, sodass ich zusammenzuckte und sie erschrocken anblickte.
«Sie lügt!», schrie ich und schlug erneut gegen den Schrank.
«Sieht aber nicht danach aus», meinte sie und legte das Foto auf den Couchtisch.
«Warum sollte ich dich anlügen?», fragte ich und sah ihr intensiv in die Augen.
«Das weiß ich nicht. Sag du es mir.»
«Ich habe niemanden geheiratet. Ich will nur dich und das bleibt auch so.»
«Das soll ich dir glauben? Dann nenne mir einen Grund warum ich es dir glauben soll.»
«Das ist eine Cousine von mir. Sie hat ihren Freund geheiratet und sonst nichts weiter.»
«Ach und der sieht genauso aus wie du oder was!»
«Du musst mir glauben, Maria. Sie machen es, um uns auseinander zu bringen. Das werde ich nicht zulassen, weil ich dich liebe und ohne dich nicht kann.»
«Dann will ich dir das mal glauben», sagte sie und zerriss das Foto in mehrere Einzelteile, welche sie dann in den Kamin warf, wo sie verbrannten und zu Asche wurden. Langsam schritt sie auf mich zu und blieb vor mir stehen. Ich legte ihr eine Hand um den Hinterkopf und zog sie zu mir heran. Ein sanfter Kuss folgte zugleich. Sie erwiderte ihn und krallte sich an mein Shirt. Grinsend hob ich sie hoch und lief ins Schlafzimmer, wo ich sie vorsichtig aufs Bett legte und ihr die Sachen auszog. Maria seufzte leise auf. Mein Grinsen wurde breiter. Schließlich lagen wir im Bett und ich konnte für kurze Zeit die Sorgen um meine Schwester vergessen. Maria hatte sich an mich geschmiegt und schlief sogleich ein. Doch ich war noch eine Weile wach und schlief erst nach gefühlten drei Stunden ein.
......
Erneut saß ich auf der Bettkannte im Krankenhaus und schaute meine Schwester lange an. Nichts war anders geworden. Nichts würde anders werden. Es würde so bleiben. Sie würde nicht wach werden. Die Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase, als ich sie so sah. Bella war blasser als vorher. Sie war dünner und ich hatte das Gefühl das sie mehr Schläuche an ihren Körper angeschlossen hatten als vor einigen Wochen oder Monaten. Die Zeit strich einfach an mir vorbei. Ich nahm sie nicht mehr so richtig wahr. Alles schien sich zu bewegen nur ich nicht. Ich war gefangen in meiner eignen Welt und kam hier erst heraus, wenn sie erwachte. Falls dies nicht der Fall sein sollte, dann würde ich nie mehr aus dem Loch kommen. Es würde mich gefangen halten und mich Stück für Stück auffressen.
«Dem Kind geht es soweit ganz gut», berichtete ein Arzt, als er das Zimmer betrat und mich besorgt ansah.
Ich nickte. «Und meiner Schwester? Wie geht es ihr?»
«Es ist kritisch. Wir wissen nicht, ob sie es schaffen wird.»
«Das Baby? Was ist damit? Wird es auch sterben?»
«Wir denken, dass es überleben wird, wenn wir es rechtzeitig aus dem Bauch ihrer Schwester entfernen würden», meinte der Arzt und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Dann wandte er sich an Bella und untersuchte sie.
Einige Minuten später kam ein weiterer Arzt herein. Er schmierte etwas auf ihren Bauch. Es war der Gynäkologe, der nach dem Kind schauen sollte.
«Man hört das Herz schlagen», berichtete er. «Es geht ihm gut und die Entwicklung schreitet super voran.»
«Also wird es überleben?», fragte ich leise und schaute zu dem Arzt herüber.
«Ich denke schon», meinte dieser und nickte mir aufmunternd zu. «Wollen Sie wissen was es ist?»
Ich nicke.
«Es werden Zwillinge. Ein Mädchen und ein Junge.»
«Ich dachte, dass es eins sei», sagte ich und blickte entgeistert auf den Arzt.
Kurz schwieg er bevor er sagte: «Bei dem anderen ist es kritisch. Das Herz schlägt nicht. Anscheinend ist es tot. Wir müssen es herausholen.»
«Was ist mit dem anderen Baby? Wird dem nichts passieren?»
Schweigen breitete sich aus.
«Ich kann für nichts garantieren.»
Er nahm seine Utensilien und verließ das Zimmer. Reglos blieb ich auf dem Stuhl sitzen. Ich war einfach zu geschockt um irgendetwas zu sagen, geschweige denn um irgendetwas zu tun. Jetzt würde mir ein Schluck Wein gut tun, aber ich ließ es bleiben.
«Ayden?»
Maria kam ins Zimmer und reichte mir eine Tasse. Als sie mein blasses Gesicht sah, blickte sie mich besorgt an.
«Was ist passiert? Ist was mit Bella?»
«Sie hatte zwei Kinder. Eins ist wahrscheinlich eine Totgeburt.»
Es kam einfach aus mir heraus, ohne dass ich es hätte aufhalten können.
«Oh Gott», meinte sie und nahm mich in die Arme. «Das ist ja schrecklich.»
Ich nickte nur. Mein Mund war wie ausgetrocknet. Ich konnte nichts sagen. Es ging einfach nicht. Der Kloß hatte sich schon wieder eingenistet und wollte heraus. Es half nichts ihn einfach wieder herunterzuschlucken, weil er sich sowieso seinen Weg bahnen würde.
Schließlich kamen sie. Sie flossen einfach aus mir heraus. So oft hatte ich versucht sie aufzuhalten und sie zu verdrängen, doch heute hatten sie es endgültig geschafft mich zu überlisten. Ich war eigentlich immer stark und tat es fast nie. Doch heute tat ich es. Meine Verlobte hielt mich in den Armen und streichelte mir beruhigend über den Rücken. Ich ließ es zu. Wehrte sie nicht ab. Ließ sie an mich heran, so wie ich es bei meiner Schwester getan hatte, die nun im Koma lag und das Baby in ihrem Bauch um das nackte Überleben kämpfte. Irgendwann hatte ich mich wieder beruhigt.
«Soll ich dir was bringen?», fragte Maria und küsste mich auf den Mund. Ich schüttelte den Kopf und stand auf, um nach draußen zu gehen. Dort musste ich erst einmal eine rauchen, damit ich wieder runter kommen konnte.
«Geht's jetzt wieder?», wollte Maria wissen, als ich hereinkam und mich neben sie auf einen weiteren Stuhl setzte.
«Ja, schon gut», meinte ich mit leiser Stimme und blickte zu Bella herüber. Wenn man nicht wusste, dass sie im Koma war, würde man denken, dass sie schlafen würde. Doch dem war nicht so. Jeder von uns wusste es. Und die Hoffnung an ein Erwachen hatten wir alle schon längst verloren. Es schmerzte mich sie so zu sehen. Es schmerzte mich nichts dagegen tun zu können, doch die Ärzte hatten ja angeblich alles unter Kontrolle. Kopfschüttelnd wandte ich mich von meiner Schwester ab und blickte zu Maria herüber, die mich mal wieder mit einem besorgten Blick anschaute. Fragend blickte ich zu ihr.
«Du kannst nicht immer Trübsal blasen», sagte sie schließlich und sah mich trotzdem besorgt an.
«Warum schaust du mich dann so besorgt an?», wollte ich wissen. Sie schwieg. Drehte sich von mir. Ich seufzte leise und richtete mich auf, um auf Maria zuzugehen. Vor ihr blieb ich stehen, blickte sie an, nahm ihr Gesicht in meine Hände und küsste ihre vollen, weichen Lippen. Doch sie schob mich von sich und verließ das Zimmer. Aber bevor sie ging, sah sie mich an und sagte noch etwas. Ich erwiderte nichts. Was sollte ich auch. Ich war ein Frag mit dem sie nichts mehr zu tun haben wollte. Das konnte ich verstehen.
......
(Maria Klein)
Natürlich fand ich es schlimm was mit Bella passiert war, doch Ayden musste sich irgendwann damit abfinden, dass seine Schwester nicht mehr aufwachen würde. Doch er hielt daran fest, dass sie irgendwann erwachte. Er wusste nicht mehr wer er wirklich war und außerdem interessierte sich Ayden überhaupt nicht mehr für mich, was mich schier traurig machte. Wie sollte ich ihm klarmachen, dass er sich jetzt um uns sorgen musste? Ich war schwanger. Hatte seit drei Wochen meine Regel nicht mehr und er interessierte sich nicht. Ob ich mit jemandem darüber reden sollte? Aber es gab ja keinen außer Bella, die nun im Koma lag und nicht mehr erwachen würde. Ob ich mit der Schwester von Cem darüber reden sollte? Aber sie mochte mich nicht. Das konnte ich sehen. Sie zeigte es mir zwar nicht, aber ich merkte es. Ich war ja nicht blöd. Doch ich musste mit jemandem reden und eine andere Möglichkeit gab es nicht. Also stand ich auf und ging aus dem Haus. Ich musste raus. Ich braute Luft. Als ich meine Sachen anhatte und das Haus verließ, kam mir Melek entgegen. Sie sah besorgt aus. Ich blieb stehen und sah sie fragend an.
«Was kann ich für dich tun?», fragte ich und drehte mich wieder zur Tür um.
«Lass uns spazieren gehen. Dann werde ich es dir erzählen», sagte sie und nahm meinen Arm. Ich steckte den Schlüssel wieder in die Handtasche und folgte ihr, nachdem ich ihr meinen Arm entzogen hatte.
«Was gibt es so wichtiges?», wollte ich wissen, als wir auf einer Parkbank saßen und in den Himmel schauten.
«Es geht um meine kleine Schwester», begann sie und schluckte heftig.
«Was ist mit ihr?», fragte ich allarmiert und stand auf, doch Melek drückte mich auf das harte Holz zurück. Sie sah verzweifelt aus.
«Sie will ihn besuchen gehen. Will ihn fragen, warum er das mit ihr gemacht hat. Sie will mit mir zu ihm.»
«Was hast du gesagt?», fragte ich und legte ihr einen Arm um die Schultern. In dem Moment legte sich das Gefühl, dass sie mich nicht leiden konnte ab und ließ einem anderen Gefühl den Platz, welches sich schließlich in mir breit machte und welches in nicht deuten konnte.
«Ich habe gesagt, dass ich nicht kann. Ich kann einfach nicht mit ihm reden. Es geht einfach nicht.»
Melek schluckte erneut und schob meinen Arm von sich. Ich faltete meine Hände in meinem Schoß und blickte auf den Verlobungsring, den ich von Ayden bekommen hatte.
«Was ist dann passiert? Soll ich mal mit ihr reden?»
Melek seufzte. «Das wird nichts bringen. Sie ist einfach stur und bekommt meistens was sie möchte. Dagegen kannst auch du nichts tun.»
Ich schwieg, denn die Übelkeit kam in mir hoch. Hastig stand ich auf und übergab mich im nächstbesten Busch. Als ich schwankend auf die Bank zukam sah Melek mich fragend an.
«Was ist los?», wollte sie wissen. «Bist du krank?»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich bin schwanger. Von Ayden.»
Mit weit aufgerissenen Augen schaute sie mich an.
«Hast du es ihm gesagt?», fragte sie mit heller Aufregung in ihrer Stimme.
«Nein, ich kam nicht dazu.»
«Oder ist es doch von einem anderen?»
Fassungslos blickte ich sie an.
«Willst du mir jetzt unterstellen, dass ich mit einem anderen Mann geschlafen hätte!»
Ich glaube, dass du ein wenig mit deiner Wut übertreibst.
Ach halt' doch deine Klappe! Du nervst mich! Kannst du nicht einfach mal aus meinem inneren Kopf verschwinden und mich in Ruhe lassen? Geht das?
Wer gibt dir denn die Ratschläge, wenn du nicht mehr weiter weißt, hm?
Ich schwieg und gab meiner inneren Stimme keine Antwort.
Das war ja klar. Natürlich leugnest du es. Ich gebe dir die Ratschläge, die du dann ausführst.
Noch immer schwieg ich. Es gab nichts was ich meiner inneren Stimme an ihren unsichtbaren Kopf werfen konnte.
«Maria?», fragte Melek mich besorgt. «Ist alles ok mit dir? Ich... es... das wollte ich nicht. Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht unterstellen, dass du einen anderen hast. Ich weiß nicht, was in mir vorging. Das musst du mir glauben.»
«Schon gut. Ich habe überreagiert. Sorry», meinte ich und atmete tief ein und aus, damit die leichte Übelkeit sich von dannen machte.
«Soll ich es Ayden sagen oder willst du?»
«Wie soll ich es ihm sagen, wenn er nur bei seiner Schwester ist und nicht mehr nach Hause kommt? Bitte sag es mir. Wie soll ich es ihm sagen, wenn er nichts mehr für mich empfindet?»
«Ich kann nicht glauben, dass er dich nicht mehr liebt. Natürlich liebt er dich noch.»
Ich schwieg. Es gab nichts was ich sagen konnte.
«Willst du dich ausruhen?», fragte Melek mich besorgt. Stattdessen nickte ich. Melek zog mich am Arm hoch. Schweigend liefen wir zu dem Haus von mir und meinem Verlobten zu. «Wo ist der Schlüssel?»
Ich zog ihn aus meiner Tasche und reichte ihn Melek, welche die Tür aufschloss und mich aufs Wohnzimmer führte und mich auf die Couch drückte. Ich schloss die Augen und glitt in einen leichten Schlaf.
«Ich gehe in die Küche und machte dir einen Tee», sagte sie und ließ mich im Wohnzimmer allein. Das war das letzte was ich mitbekam und dann in den Schlaf glitt.
«Wach auf», meinte Melek und streichelte mir über den Arm.
«Was ist passiert?», fragte ich und blickte sie fragend an.
«Alles gut», meinte Melek und legte mir eine Hand auf die Schulter. Dann reichte sie mir einen Tee, welchen ich dankend annahm und daran nippte.
«Er ist wieder bei ihr oder?», fragte ich leise in die Stille hinein.
Melek seufzte leise. «Er hängt an ihr.»
«Und was ist mit mir? Liebt er mich nicht mehr?»
Ich sah verzweifelt zu ihr auf. Tränen brannten in meinen Augen. Ich musste schlucken, weil ich einen dicken Kloß im Hals hatte. Die Schwangerschaftshormone machten mich bestimmt so furchtbar sensibel. Melek streichelte mir über den Arm.
«Ich werde mal mit ihm reden», sagte sie und stand auf. «Ich werde ihm sagen, dass du ihn jetzt brauchst, weil du ein Kind von ihm erwartest. Ist das ok für dich?»
Ich nickte und stellte die leere Tasse auf den Couchtisch.
«Wir sehen uns dann morgen, ok?»
«Ok», sagte ich und schloss erneut die Augen, um danach erneut in einen tiefen Schlaf zu gleiten. Ich merkte nicht, wie Melek das Haus verließ und mich allein ließ.
......
Ich saß im Wartezimmer des Frauenarztes und wartete auf meinen Termin. Mal wieder war Ayden bei Bella und ließ mich allein. Es machte mich zu schaffen. Ich konnte nicht mehr, doch für mein ... unser Kind blieb ich stark.
«Frau Klein?», rief eine Schwester und ich stand auf, um in das Zimmer zu gehen.
«Bitte legen Sie sich hin und ziehen Sie das Oberteil aus», meinte die Gynäkologin und wies auf ein kleineres Zimmer. Ich zog meine Sachen aus und legte mich auf den Stuhl. Sie schmierte mir ein kaltes Gel auf den Bauch, damit sie ein Gerät darauflegen konnte um das Kind in ihrem Bauch zu begutachten.
«Man sieht das kleine Herz schlagen», sagte sie. «Wollen Sie es hören?»
Ich nickte fröhlich. Das kleine schlagende Herz hörte man aus dem Lautsprecher und ich musste leicht lächeln. Es schlug wild in dem kleinen Körper. Sie schaltete einige Geräte aus und das Geräusch des Herzens verstummte. Sie wischte mir das Gel vom Bauch ab und meinte, dass ich mich jetzt anziehen könne. Vorsichtig stand ich auf und zog mir die Sachen wieder an. Als ich wieder ins Zimmer kam, sah mich die Frau an.
«Meine Assistentin wird einen Termin mit Ihnen machen. Wir sehen uns dann in einem Monat wieder. Ich gebe Ihnen noch ein Foto mit.»
Dankend nahm ich es an und verließ das Zimmer, um an der Anmeldung einen Termin zu vereinbaren.
«Wie wäre es mit dem 24.02.2017?», fragte sie und sah mich an.
«Ja, das geht. Dann werde ich mir den Termin im Kalender markieren. Danke», meinte ich und fragte: «Genau um dieselbe Uhrzeit?»
Sie nickte und reichte mir zum Abschied die Hand. Ich sah das Foto an und verließ die Praxis, um ins Krankenhaus zu gehen. Ich wollte Bella sehen. Ich musste mit Ayden reden. Ich musste ihm sagen, dass wir ein Kind bekamen.
......
«Es geht ihr immer schlechter», meinte Ayden, als ich das Krankenhaus betrat und ihn vor ihrer Zimmertür sitzen sah. Er hatte gerötete Augen. Schließlich setzte ich mich neben ihn und streichelte ihm über den Rücken. Es gab nichts, was ich noch zu ihm sagen konnte. Ich konnte ihn nicht aufmuntern und das machte mich fertig. Dann sah er auf und blickte mich mit einem merkwürdigen Blick an, den ich nicht deuten konnte.
«Ist was?», fragte ich und sah zu ihm auf.
«Stimmt das?», wollte er wissen.
«Was meinst du?», fragte ich ihn mit Anspannung.
«Bist du schwanger?»
«Es ist dein Kind», sagte ich leise und holte das Foto aus meiner Tasche, um es ihm zu geben. Ayden schaute es sich länger an. Dann grinste er und zog mich in seine Arme.
«Es tut mir leid, mein Schatz», meinte er leise. «Ich hätte mehr für dich da sein müssen. Das wird sich jetzt ändern. Das verspreche ich dir.»
«Und was ist mit Bella?», fragte ich. «Ich weiß doch, dass du dir Sorgen um sie machst.»
Er seufzte leise. «Ich muss mich damit abfinden, obwohl es mir schwer fällt. Aber du und unser Kind braucht mich jetzt. Ich muss für euch da sein und mich um euch kümmern. Denn ich liebe dich und möchte dich fragen, ob du meine Frau sein willst.»
Mir standen Tränen in den Augen. Ich hätte nie gedacht, dass er mir im Krankenhaus einen Antrag stellen würde. Schließlich nickte ich und warf mich in seine Arme. Beruhigend streichelte er mir über den Rücken und steckte mir einen Ring an. Als ich mir den Ring genauer anschaute, sah ich mittendrin einen kleinen Edelstein. Unsere Anfangsbuchstaben waren in ihn hinein geritzt worden. Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Ayden nahm mich in seine Arme und küsste mich auf den Kopf.
Schließlich kam ein Arzt aus dem Zimmer und sah uns lange an.
«wir müssen das Kind aus ihrer Schwester herausholen. Wir wissen nicht, ob sie es überleben wird. Eigentlich hätte es später auf die Welt kommen müssen und nicht jetzt.»
Wir sahen ihn geschockt an. Das konnte nicht wahr sein. Und was, wenn es sterben würde? Doch daran konnte man nichts ändern. Sie schoben Bella aus dem Zimmer und brachten sie in den OP. Ich saß da und schaute apathisch in die Luft. Merkte nicht, wie Ayden mich hoch hob und mit mir in seinen Armen das Krankenhaus verließ.
Als wir schließlich zu Hause ankamen, legte er mich sanft aufs Bett und gab mir einen Kuss auf das Haar. Ich hatte die Augen geschlossen und dachte vor mich hin. Das leise Schließen der Tür nahm ich kaum wahr. Ich war einfach zu müde um noch etwas machen zu können.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich Ayden neben mir schlafen. Die Schatten unter seinen Augen waren noch immer zu sehen, aber sie waren deutlich zurückgegangen. Lange schaute ich meinen zukünftigen Mann beim Schlafen zu. Er war so niedlich, wenn er schlief. Ich könnte ihn immer beim Schlafen zusehen. Schließlich öffnete er seine Augen und sah mich verschlafen an.
«Wie geht es dir?», fragte er mit rauer Stimme.
«Es geht mir gut. Wie geht es dir?», wollte ich wissen und legte ihm einen Arm auf die Brust.
«Mir geht es gut. Wieso fragst du?»
Ein leichtes Lächeln hatte sich auf seine Mundwinkel gelegt.
«Weißt du etwas vom Arzt? Haben sie es beide überlebt?»
«Beide sind noch immer in der OP. Alles verläuft gut. Das war das einzige, was er mir gesagt hat.»
«Wer wird sich um ihr Kind kümmern?», fragte ich und ließ ein betretenes Schweigen im Raum zurück.
«Wahrscheinlich Melek oder wir.»
«Dann soll sich Melek um das Kind kümmern. Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann.»
Ayden streichelte mir über den Arm.
«Du schaffst alles, mein Liebling. Wir werden unser Kind und das von Bella, wenn Melek es nicht macht, aufziehen.»
«Und was willst du dem Kind von Bella sagen, wenn sie nach ihrer Mutter fragt? Willst du ihr sagen, dass sie im Koma liegt und sich nicht um sie kümmern kann?»
«Er oder sie wird es sowieso herausfinden auch wenn wir es nicht sagen. Wir müssen es tun.»
Ich nickte. Konnte nichts sagen, da sich die Übelkeit in mir breit machte. Schnell stand ich auf und hastete ins Bad. Ayden folgte mir und hielt mir die Haare zurück. Ich wollte nicht, dass er mich so sah, doch er bestand darauf sich um mich zu kümmern.
«Möchtest du etwas essen?», wollte er besorgt wissen, doch ich schüttelte den Kopf. Ich weiß nicht woher so plötzlich die Müdigkeit herkam. Nicht das ich jetzt krank wurde. Das konnte doch nicht wahr sein. Wenn ich krank war, dann war das Baby auch krank und dies wollte ich um jeden Preis vermeiden.
«Du glühst ja richtig», bemerkte Ayden und hob mich auf seine Arme, um mich ins Schlafzimmer zu tragen. «Ich mache dir erst einmal einen heißen Pfefferminztee und dann schauen wir mal, ob es besser wird. Wenn nicht, dann gehen wir zum Arzt.»
Schwach nickte ich und kuschelte mich in die Decke, weil mir schlagartig kalt war. Nicht das ich jetzt auch noch Fieber bekam. Das fehlte mir gerade noch.
......
(Ayden Baker)
«Ihrer Verlobten geht es gut. Es war nur ein kleines Fieber, was sie ereilt hat.»
«Und was ist mit unserem Kind? Geht es ihm gut?», fragte ich den Arzt besorgt.
«Ihrem Kind geht es gut. Wir haben ihrer Verlobten ein Medikament gegeben was dem Baby nicht schaden wird. Außerdem hat sie auch noch zu hohen Blutdruck. Dafür haben wir ihr auch ein Medikament gegeben. Natürlich ist es nicht schädlich für das kleine Baby, welches in ihrem Bauch heranwächst.»
«Also kann ich sie jetzt wieder mitnehmen?»
Der Arzt nickte. Ich ging in das Zimmer, wo Maria auf der Bettkannte saß und mich anschaute. Es ging ihr deutlich besser als vor drei Tagen. Sie stand auf und nahm ihre Sachen. Dann schauten wir noch kurz bei meiner Schwester vorbei und verließen das Krankenhaus. Keiner durfte zu ihr, weil sie sonst krank werden würde und dies würde zu ihrem Tod führen. Das wollten wir vermeiden. Das kleine Kind würden wir später besuchen gehen. Vielleicht, wenn es Maria wieder besser ging und sie gesund war. Dann würden wir es in der Frühchenstation besuchen, um nach dem Kind zu schauen. Was wir wussten war, dass es ein kleines Mädchen war. Doch einen Namen gab es noch nicht für die Kleine.
......
«Willst du etwas essen?», fragte ich, als wir in unserem schicken Anwesen ankamen und uns in die Küche begaben.
«Ich habe Hunger auf eine schöne warme Suppe», sagte sie und durchsuchte sie Schränke nach einer Fertigsuppe, welche sie auch fand und in einen Topf gab. Ich half ihr beim Kochen.
Du musst sie jetzt richtig verwöhnen. Wenn Frauen schwanger sind, sind sie meistens sehr launisch.
Als ob ich dies nicht wüsste. So doof war ich auch nicht, um dies nicht mitzubekommen. Unsere Mutter hatte auch üble Launen, als sie mit unserer kleinen Schwester schwanger war. Manchmal war sie scheiße drauf, manchmal war sie gut gelaunt, manchmal weinte sie ohne Grund und sie hatte diese miesen Fressattacken. Dies würde bestimmt auch Maria betreffen, wenn es soweit war. Davor musste ich aufpassen. Außerdem durfte man aufpassen was man zu schwangeren Frauen sagte. Wenn man etwas falsches sagte, dann heulten sie herum, weil die Hormone verrücktspielten.
wir hatten uns mit Tellern an den Küchentisch gesetzt und aßen Tomatensuppe. Es schmeckte himmlisch gut.
«Weißt du welchen Namen Bella für ihr Kind vorgesehen hatte?», kam es aus Marias Mund geschossen. Ich hielt inne. Der Löffel voller Suppe blieb in der Luft stehen. Ich erstarrte in meiner Bewegung.
«Sie hat nie was davon erzählt», sagte ich und schob ihn mir langsam in den Mund. «Außerdem glaube ich, dass sie nicht wusste das sie schwanger war. Sonst hätte sie es uns gesagt oder nicht?»
Maria zuckte ratlos mit den Achseln. «Und wenn sie es verheimlichen wollte?»
Ich blickte vom Teller auf und schaute ihr direkt in die Augen.
«Warum sollte sie es verheimlichen? Dafür gab es doch keinen Grund.»
«Und wenn es doch dafür einen Grund gegeben hatte?»
«Wenn du etwas weißt», begann ich und schob mir einen weiteren vollen Löffel Suppe in den Mund. «Dann sag es mir. Hat sie dir irgendwas erzählt bevor es geschehen ist?»
«Nein, das hat sie nicht», meinte Maria und nahm sich noch Nachschlag von der Suppe. Auch ich nahm mir vier weitere Kellen Suppe zum Nachschlag.
«Keinen Brief?», wollte ich wissen. Ich wusste, dass hier etwas im Busch war aber was es war, konnte ich nicht herausfinden.
«Ich habe nirgendwo einen Brief gesehen. Wieso fragst du?»
«Hier liegt was im Busch und ich kann es spüren. Es wird irgendwann herauskommen aber wann? Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß ist, dass hier etwas gewaltig falsch läuft. Das muss ich herausfinden, bevor es jemand anderes tut und diese Hinweise dann verbrennt.»
«Woher willst du wissen das es gewaltig schief läuft? Was für Hinweise hast du gefunden, um dem nachzugehen?»
Maria sah mich skeptisch an. Wenn sie mir nicht helfen wollte, dann war dies nicht mein Problem. Ich würde es auch allein herausfinden.
«Wenn ich dir einen Hinweis liefere und du mir dann immer noch nicht glaubst, dann werde ich dich damit nicht mehr nerven», sagte ich schließlich und räumte den Teller samt Besteck in die Spülmaschine.
«Dann werde ich auf deinen Hinweis warten. Wenn du keinen windest, dann lasse die Sache einfach auf sich beruhen.»
«Ok, so machen wir es», meinte ich und nahm ihr ihren Teller ab um ihn mit ihrem Besteck ebenfalls in die Spülmaschine zu legen.
«Danke», sagte sie und stand auf. «Ich werde mich jetzt ein wenig auf der Couch hinlegen und ein wenig dösen, weil ich jetzt Ruhe brauche. Ist das ok?»
Ich nickte und verließ die Küche. Maria war auf dem Weg ins Wohnzimmer und ich war auf dem Weg in das leer stehende Zimmer. Ich wollte Maria eine Überraschung machen. Das Geschlecht des Kindes wussten wir zwar noch nicht, aber ich hatte schon einige Möbel gekauft, die ich aufbauen wollte. Das anstreichen der Wände würden wir dann erledigen, wenn das Geschlecht zu erkennen war. Das mit dem aufbauen der Möbel ließ ich dann doch sein und stellte nur die Kartons in das Zimmer, welches ich dann abschloss und den Schlüssel in meine Hosentasche steckte. Danach ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich zu ihr auf die Couch. Ich beobachtete sie beim schlafen. Maria sah so süß aus, wenn sie schlief. Heimlich schoss ich ein Foto mit meinem Handy und machte mir dies als Hintergrundbild.
Ihre Hare lagen verstreut auf dem Kissen und ihr Gesicht hatte eine entspannte Mine aufgesetzt. Ihre schönen braunen Augen waren geschlossen und auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln. Urplötzlich musste ich auch grinsen. Vorsichtig legte ich mich neben sie, ohne Maria zu wecken und schlang einen Arm um sie. Sie schmiegte sich an mich und murmelte etwas Unverständliches im Schlaf.
......
Zum ersten Mal besuchten wir die Frühchenstation. Zum ersten Mal sahen wir das kleine Mädchen im Brutkasten. Sie schlief und sah so niedlich aus. Das war meine kleine Nichte. Ich lächelte und trat näher. Melek war auch da und sah verzückt zu der Kleinen auf.
«Sie ist so niedlich», meinte Maria leise und wagte es nicht die Kleine zu berühren, weil sie Angst hatte das ihr was zustoßen könnte.
«Ja oder?», meinte Melek und sah zu der Kleinen herüber.
«Du weißt auch nicht, wie Bella sie nennen wollte?», fragte ich und grinste ebenfalls.
«Nein, leider nicht. Außerdem glaube ich, dass Bella nichts davon wusste. Wenn, dann hätte sie uns etwas gesagt.»
Ich musste Melek zustimmen und fragte in die Runde: «Dann müssen wir uns also einen Namen für di Kleine ausdenken? Fällt euch etwas ein?»
«Wie wäre es mit Livia?», fragte Melek mit leiser Stimme und berührte die Kleine vorsichtig. Wie auf ein Wunder öffnete sie ihre Augen und begann unwirkliche Laute von sich zugeben.
«Das ist ein schöner Name», sagte ich und wischte mir über die Augen. «So wird sie heißen.»
Nach einigen Stunden verließen wir die Station, weil sie noch etwas Ruhe brauchte. Wir machten uns auf den Weg in Bellas Zimmer. Wir setzten uns auf drei Stühle und schauten sie lange an. Noch immer waren Schläuche an ihrem Körper, doch so blass war sie nicht mehr. Bella hatte ein wenig Farbe in ihrem Gesicht. Wieder hatte ich einen kleinen Hoffnungsschimmer das sie aufwachen würde, doch daran zweifelte ich. Das stetige Piepen umhüllte uns und das zischen der Maschine, welche ihr Sauerstoff zu flößte war zu vernehmen. Ohne diesen notwendigen Sauerstoff würde sie sterben und das wollten wir noch immer nicht.
«Ich glaube es ist an der Zeit etwas zu ihr zu sagen», meinte Melek leise und blickte Bella in die geschlossenen Augen.
«Ob sie uns hören kann?», fragte Maria leise in den Raum hinein.
«Ich glaube schon, dass sie uns hören kann, obwohl sie im Koma liegt.»
«Und was sollen wir sagen?», fragte ich und brachte es nicht über mich meine eigne Schwester anzusehen.
Melek seufzte und begann zu sprechen.
«Hi Bella. Du hörst mich doch oder? Bestimmt gab es Gründe warum du uns nicht gesagt hast was in dir vorgeht. Aber ich möchte dir sagen, dass wenn du aufwachst wir immer für dich da sind. Ich werde dir immer beistehen. Egal wie schwierig es auch ist. Ich möchte dir außerdem noch sagen wie lieb ich dich hab. Bitte wach schnell auf, damit du deine kleine Tochter in die Arme schließen kannst. Bitte. Sie vermisst dich. Die Ärzte mussten sie aus dir herausholen, weil sie sonst gestorben wäre. Aber ihr geht es gut. Wir haben ihr den Namen Livia gegeben. Ich hoffe er gefällt dir. Aber ich denke schon. Dein Bruder und Maria sind auch hier. Wusstest du, dass Ayden ihr einen Antrag im Krankenhaus gestellt hat? Außerdem ist Maria schwanger von ihm. Sie bekommen ein Kind. Was es wird, wissen wir noch nicht. Aber das werden wir dir dann noch sagen.»
Schließlich endete ihre Rede. Es blieb lange still, bis Maria anfing zu sprechen.
«Ich habe deine Bitte befolgt, Bella. Ich habe einfach an dem zweiten Teil deiner Fortsetzung gearbeitet. Du hattest sie zwar zu Ende geschrieben aber ich habe noch einige Sachen korrigiert. Das war bestimmt ok für dich oder? Außerdem habe ich es an Renate geschickt, welche sehr begeistert davon war. Das eingenommene Geld für den zweiten Teil geht an dein Konto. Du hattest mir ja mal das Passwort dafür gegeben und ich war mal so frech und habe nachgeschaut wie viel eingegangen ist. Und ich kann dir sagen, dass dies eine Menge ist. Du bist wohlhabend Bella. Und noch immer verkaufen sich beide Teile wie ein Schlager in den Buchhandlungen. Es werden immer neue Auflagen gedruckt. Die Druckereien können gar nicht aufhören zu drucken, weil sie so schnell aus den Lädchen verschwinden. Du bist sogar berühmter als ich, meine Liebe. Du hast es geschafft. Du bist auf Platz eins der Top-Autoren in iBooks gelandet. Deine Bücher ebenfalls. Das würde dich doch sehr freuen oder? Ich hoffe, dass du bald wach wirst und dir dann selbst ein Bild davon machst. Deine Tochter und wir würden uns sehr darüber freuen, wenn du erwachst.»
Beim reden hatte sie Tränen in den Augen. Maria hörte auf und weinte lautlos. Ich streichelte ihr sanft über den Rücken und versuchte sie so zu beruhigen. Ich wusste, dass ich jetzt etwas sagen musste. Aber was? Was sollte ich meiner Schwester sagen? Es gab so vieles was ich ihr erzählen wollte, doch nichts kam aus meinem Mund. Mehrere Male atmete ich tief ein und aus, um mich zu wappnen. Schließlich sprach ich stockend los.
«Ich vermisse dich, Bella. Jeder hier im Raum vermisst dich. Ich weiß nicht was ich sagen soll, obwohl es so viel gibt, was ich dir erzählen möchte. Hast du es getan, weil du Cem liebst? Wolltest du so seine Aufmerksamkeit haben? Wolltest du, dass er dich rettet? Ich weiß, dass du mir die Fragen nicht beantworten kannst, weil du im Koma liegst und noch nicht aufgewacht bist. Du hättest uns etwas sagen müssen. Wir hätten dir helfen können. Ich gebe mir die Schuld für diesen schrecklichen Unfall. Wann wirst du wieder aufwachen und ... Es tut mir so leid das ich mich nicht mehr um dich gekümmert habe, Schwesterherz. Es tut mir alles so leid. Ich hab dich sehr lieb. Bitte wach auf. Bitte tu es für deine Tochter. Wusstest du, dass Cem entlassen wurde? Ich habe es nur in der Zeitung gelesen. Er hat sich bei keinem gemeldet. Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass ihr beiden zusammen gekommen wärt und geheiratet hättet, doch er war ja so stur und hat dich verletzt. Ich war so blöd und habe es nicht einmal bemerkt und dafür schäme ich mich. Es tut mir alles so leid, Bella. Wirklich. Kannst du mir verzeihen?»
Ich hörte auf, denn die Tränen liefen haltlos über meine Wangen. Ich brachte keinen Ton mehr über meine Lippen. Ich konnte nicht mehr.
Dann wurde das Piepen immer schneller. Schließlich ertönte es ziemlich lang und es war sehr hoch. Ärzte strömten in den Raum und befahlen uns herauszugehen. Jetzt kapierte ich nichts mehr. Was war hier los? Was war mit Bella? Starb sie? Ging es ihr immer schlechter? Wie ein Schleier nahm ich alles wahr. Jemand packte mich am Arm und zog mich aus dem Zimmer. Ich sank draußen zusammen. Jemand packte mich unter den Achseln und drückte mich auf einen Stuhl. Eine weitere Person drückte mir ein Glas mit Wasser in die Hand. Ich starrte in die Flüssigkeit. Konnte mich nicht bewegen. Die Person nahm meine Hand und führte sie an meine Lippen. Das schlucken fiel mir schwer. Nur mit Mühe bekam ich das Wasser herunter. Das Glas wurde mir abgenommen. Schließlich sank ich in mir auf dem Stuhl zusammen und weinte bitterlich. Mir war alles zu viel und ich konnte einfach nicht mehr. Warum kam keiner aus dem Zimmer? Wieso durften wir nicht hinein? Was passierte dort? Es zermürbte mich nicht zu wissen was vor sich ging.
......
(Erzähler)
Die Ärzte hatten sich an dem Bett der Person versammelt und versuchten sie wieder zu beleben.
«Wir brauchen einen Defibrillator! Schnell!», befahl einer der Ärzte. Sofort eilte die Krankenschwester aus dem Raum, um einen Defibrillator zu holen. Der Arzt nahm ihn ihr aus der Hand und schaltete ihn ein. Es geschah in binnen Sekunden. Für kurze Zeit hörte das Herz auf zu schlagen, um dann schneller einzusetzen.
«Der Blutdruck steigt! Wir müssen ihn senken! Sie wird das Bewusstsein verlieren!»
Die Befehle des Oberarztes folgten im Sekundentackt. Seine Assistenten machten sich schnell an die Arbeit. Es dauerte einige Stunden, bis die Geräte wieder normal schlugen und sich beruhigten.
«Sagen Sie den Leuten da draußen, dass sie jetzt nicht mehr kommen können. Das Risiko ist zu groß das noch etwas passieren könnte.»
Nickend verschwand die Schwester aus dem Zimmer um den Verwandten der Person dies mitzuteilen.
......
(Ayden Baker)
«Bitte gehen Sie jetzt nach Hause und kommen Sie morgen wieder», meinte eine Krankenschwester als sie uns erblickte. Ich wurde hochgezogen und aus dem Krankenhaus gezerrt. Ich bekam überhaupt nichts mehr mit. Ich wollte nur noch zu meiner Schwester und schauen, ob es ihr gut ging. Wieso ließen sie uns nicht zu ihr? War etwas geschehen und sie wollten das wir uns von ihr fernhielten? Oder war sie gestorben? Doch dies konnte ich mir nicht vorstellen, denn dann würden sie uns zu ihr lassen.
Als wir zu Hause ankamen, wurde ich auf eine Couch gedrückt. Eine Decke wurde mir über die Schultern gelegt. Ich schloss die Augen und versank in meinen Gedanken.
......
(Erzähler)
Melek und Maria saßen in der Küche. Beide machten sich Sorgen um Ayden. Er verhielt sich so seltsam. Seine Bewegungen erfolgten apathisch. Etwas war mit ihm durchgebrannt. War es die Sorge um seine Schwester? Sie hatten die Küchentür hinter sich geschlossen und saßen auf zwei Barhockern. Maria hatte das Wasser aufgesetzt um für alle einen Tee zu kommen. Melek schaute ihr dabei zu.
«Ich mache mir Sorgen um ihn», meinte Melek leise und zog ihre Nase hoch.
«Ich mir auch», sagte Maria und warf die Übelkeit ab, die sich versuchte in ihr breit zu machen.
«Ist dir wieder übel? Willst du dich ausruhen?»
«Nein, nein. Es geht schon. Ich muss mich ja nicht übergeben.»
Als das Wasser fertig gekocht hatte, goss sie es in drei Tassen und holte drei Teebeutel heraus. Diese ließ die in die Tassen gleiten und stellte sie auf den Tresen, damit sie ziehen konnten. Schließlich setzte sich Maria zu Melek an den Tisch. Beide sahen auf die Tischplatte. Keiner sprach ein Wort. Es gab nichts, was sie sagen konnten. Nach einer Weile nahm Maria ein Tablett und stellte die Tassen darauf. Melek öffnete die Küchentür und folgte Maria ins Wohnzimmer. Ayden saß auf der Couch und sein Kopf war nach vorne gekippt. Anscheinend schlief er. Seine Gesichtszüge waren entspannt und er wirkte sorglos. Melek ließ sich leise auf einen Sessel fallen und blickte ins Leere. Maria setzte sich neben Ayden und nahm ihre Tasse Tee in die Hand, um daran zu nippen. Melek tat es ihr gleich.
«Soll ich hierbleiben?», wollte Melek leise wissen.
«Geht es denn für dich oder musst du auf deine Schwester aufpassen?», fragte Maria ebenfalls leise, um Ayden nicht zu wecken.
«Ich kann gerne hierbleiben, wenn du möchtest. Ist kein Problem für mich. Wirklich.»
Maria nickte schwach mit dem Kopf und stellte die Tasse auf den Tisch. Sie merkte, wie sie die Müdigkeit überkam und schloss die Augen. Dann glitt auch sie in einen Schlaf. Melek stand leise auf und nahm die Tassen, um sie in die Küche zu bringen. Die halbvolle von Maria kippte sie in die Spüle und machte dasselbe mit der vollen. Danach wusch sie die Tassen aus, um sie zu trocknen und in den Schrank zu stellen. Leise begab sie sich wieder ins Wohnzimmer und legte sich auf ein anderes Sofa, um dann müde und erschöpft in den Schlaf zu fallen.
......
(Ayden Baker)
Als ich erwachte, schmerzte alles. Vorsichtig legte ich Maria auf das Sofa und steckte mich im Wohnzimmer. Leise schlich ich ins Bad, um mir eine heiße Dusche zu gönnen, doch ich wurde von Melek erschrocken.
«Maria hat mich gebeten hierzubleiben», sagte sie und lief an mir vorbei. Ich nickte und ging ins Badezimmer, um mir ein heißes Bad einzulassen.
Das hast du dir auch verdient. Außerdem hast du den beiden eine Heiden Angst eingejagt.
Was meinst du damit? Ich war doch ganz normal oder nicht?
Wenn du mit normal apathisch und bewegungsunfähig meinst, dann ja.
Was willst du mir damit sagen?
Das du mehr schlafen sollst und nicht wie ein Nachtwandler durch die Gegend laufen solltest.
Du mich auch. Ich schüttelte den Kopf über meine innere Stimme und stieg ins schäumende Bad. Ich schloss die Augen und versank im warmen Wasser und im weichen Schaum. Für diese Zeit konnte ich alle Sorgen von mir streichen und sie vergessen.
als das Wasser allmählich kalt wurde, wusch ich mich ab und zog den Stöpsel aus der Wanne. Langsam stieg ich aus dem Bad und trocknete mich ab. Ich hatte mir eine Hose und ein Shirt und Unterwäsche herausgesucht, welche ich jetzt anzog. Frisch angezogen trat ich aus dem Badezimmer und ging in die Küche, wo Maria und Melek schon am Tisch saßen. Es roch nach leckerem Spiegelei und gebratenem Speck. Melek hatte sich nur Eier auf den Teller getan, weil sie kein Speck aß. Ich setzte mich ihr gegenüber und aß. Die Blicke der beiden ruhten auf mir. Schließlich legte ich die Gabel weg und sah sie fragend an.
«Wie geht es dir?», fragten beide wie aus einem Munde.
Ich zuckte mit den Schultern. «Geht. Was ist mit Bella?»
«Wir dürfen sie erst in drei Wochen wieder besuchen gehen. So haben es die Ärzte, die für sie zuständig sind, gesagt», berichtete Maria mir und sah mich mitfühlend an.
«Gibt es dafür einen guten Grund?», wollte ich wissen und schob mir eine volle Gabel mit ein und Speck in den Mund. Fragend sah ich beide nacheinander an.
«Anscheinend hat sich ihr Zustand so verschlechtert das keiner zu ihr gehen darf, bis sie sich soweit gebessert hat, dass man zu ihr gehen kann», erklärte Melek und schob sich eine Gabel mit Rührei in den Mund, um genüsslich zu kauen.
«Dann können wir ja ihre Tochter besuchen gehen? Wisst ihr wie es ihr geht?», fragte ich in die kleine Runde, nachdem ich fertig gekaut hatte.
«Sie entwickelt sich prächtig», meinte Melek und ein Lächeln legte sich auf ihre zierlichen Lippen. Ich hoffte für sie, dass sie ihren richtigen auch finden würde.
«Meine kleine Nichte», sagte ich gedankenverloren und lächelte in mich hinein. Ruckartig stand ich auf und nahm die leeren Teller, um sie in die Spülmaschine zu legen.
«Lasst uns noch ein wenig ausruhen und dann können wir uns auf den Weg machen», meinte Maria und stand ebenfalls auf. Melek und ich nickten und folgten ihr ins Wohnzimmer. Dort ließen wir uns auf eine Couch fallen und schalteten den Fernseher ein. Es lief nichts im Fernsehen, woraufhin wir ihn wieder ausschalteten und uns intensiv anschauten. Jeder hing seinen eignen Gedanken nach.
Irgendwann stand jeder nacheinander von uns auf, um sich seine Sachen anzuziehen. Wir verließen das Haus und schlossen die Tür hinter uns ab. Melek und Maria ließen sich auf die hinteren Sitze meines Autos gleiten. Schließlich fuhr ich ins Krankenhaus. Als wir ankamen, wurden wir sofort in die Frühchenstation gelassen. Livia lag im Brutkasten und hatte ihre Augen geöffnet. Sie war so zierlich und klein. Keiner von uns wagte es sie zu berühren, weil wir Angst hatten das sie zerbrechen würde. Ich nahm mein Handy zur Hand und schoss ein Foto von ihr. Lange schauten wir uns an, bis wir den Raum verließen und nach Hause zugehen. Erschöpft und müde fielen wir in die Betten.
......
«Hi Bella», sagte ich, als ich sie endlich wieder besuchen konnte. Nur minimale Veränderungen hatten sich an ihr bemerkbar gemacht. Melek war in der Kantine und holte sich einen Kaffee und Maria war auf dem Klo, um sich zu übergeben. «Kannst du mich überhaupt hören? Verstehst du was wir dir sagen?»
Die Tür flog auf und Melek kam herein. Sie setzte sich auf die Bettkannte und schaute mich an.
«Du solltest nach Maria sehen. Sie übergibt sich noch immer. Außerdem musst du für sie da sein in der schwierigen Zeit», meinte Melek und sah mir lange in die Augen.
«Ich habe Angst», kam es leise über meine Lippen.
«Wovor hast du Angst?»
«Davor das ich kein guter Vater sein werde», sagte ich und senkte den Blick.
«Du wirst ein guter Vater sein, Ayden. Geh du ihr und steh ihr bei. Bella läuft dir nicht davon. Ihr könnt sie ja noch immer besuchen. Aber deine zukünftige Ehefrau und euer Kind steht jetzt an erster Stelle. Geh zu ihr und hilf ihr in dieser schwierigen Zeit.»
Melek hatte recht. Ich nickte, seufzte leise und verließ das Zimmer. Doch bevor ich ging, gab ich Bella noch einen Kuss auf die Wange. Dann schloss ich die Zimmertür leise und machte mich auf die Suche nach Maria, welche ich dann auf dem Klo fand. Sie war blass und übergab sich noch immer. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und hielt ihre Haare zurück. Ich riss mehrere Lagen Klopapier heraus und gab sie Maria, welche sich dann den Mund damit abwischte. Besorgt sah ich sie an.
«Geht es?», wollte ich wissen und nahm sie in meine Arme. Dann drückte ich auf die Spülung und trug sie aus dem Krankenhaus, um mit ihr nach Hause zu fahren. Ich musste sie jetzt verwöhnen und mich um sie kümmern. Ihr Kopf lehnte sich an meine Schulter und ich hörte ihrem gleichmäßigen Atem zu. Vorsichtig ließ ich sie Auf den Beifahrersitz gleiten und schnallte sie an. Dann fuhr ich mit ihr nach Hause.
«Wohin fahren wir?», fragte sie auf halber Strecke und blickte mich von der Seite aus an. Kurz schaute ich zu ihr herüber und lenkte dann meine ganze Aufmerksamkeit auf die Straße, damit kein Unfall geschah.
«Ich bringe dich nach Hause, mein Liebling», antwortete ich und legte ihr die Hand auf den Oberschenkel. Sie nahm meine Hand und küsste meine Finger. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Lippen.
«Was ist mit Bella?»
«Sie werde ich dann besuchen, wenn unser Kind auf der Welt ist und du die schwierigen Zeiten überstanden hast. Du bist mir momentan wichtiger.»
Ich hielt an und öffnete die Fahrertür. Mit großen Schritten ging ich auf die Beifahrerseite zu und half ihr aus dem Auto.
«Du brauchst mich nicht zu tragen», sagte sie lachend. Ich gab ihr keine Antwort und küsste sie stattdessen auf die Lippen. «Ich kann doch alleine Laufen.»
Ich nickte. »Das weiß ich, aber ich liebe es dich zu tragen, Darling.»
Sie lächelte leicht. «Ist das so?»
Ich musste ebenfalls grinsen. «Ich weiß doch, dass es dir gefällt.»
«Das kannst du dir fürs Bett aufheben, mein Lieber.»
«Du machst mich so scharf. Weißt du das eigentlich?»
Maria grinste frech und küsste mich gierig auf den Mund.
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