13
13 (Maria Klein)
Ich saß auf meinem Bett und blickte mich um. Es waren drei Tage vergangen seitdem ich den Antrag von Ayden bekommen hatte. Er war einfach so romantisch und ich liebte ihn. Anscheinend war ich so sehr in meinen Gedanken versunken, sodass ich nicht merkte wie mein Telefon klingelte. Natürlich schrak ich zusammen, als ich es klingeln hörte. Ruckartig stand ich auf und nahm ab. Nichts regte sich am anderen Ende der Leitung. Es war außergewöhnlich still. Nur ein leises Atmen war zu vernehmen. Die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. Ich bekam es mit der Angst zu tun, doch diese ließ ich mir nicht anmerken. Sollte ja keiner wissen. Ob ich etwas sagen sollte? Ich schüttelte meinen Kopf. Das leise Atmen war noch immer furchteinflößend. Es war ein leichtes auf den roten Knopf zu drücken, doch ich konnte nicht. Leise Stimmen drangen an mein Ohr. Ich erstarrte sofort. Mein Atem ging schwer. Was sollte ich jetzt tun? Die Polizei konnte ich nicht anrufen, denn dann wäre ich tot. Das konnte ich nicht zulassen. Ich musste etwas dagegen tun. Aber was? Wie konnte ich ihn aufhalten? Es war mir doch unmöglich. Das Telefon glitt mir aus der Hand und ich sank zu Boden. Eigentlich weinte ich fast nie, doch diesmal schon. Ich bemerkte es erst, als ich die Nässe auf meiner Haut spürte. Mir wurde alles viel zu viel. Aber ich musste stark bleiben. Keiner durfte was davon merken. Ich durfte mir nichts anmerken lassen. Das würde alles zerstören. Schließlich rappelte ich mich auf, atmete tief ein und aus, dann nahm ich das Telefon in die Hand und sprach einige Worte. Ich wusste zwar dass dies nichts helfen würde, aber ein Versuch war es doch Wert oder nicht? Nachdem ich dies erledigt hatte, legte ich auf und hängte es auf die Gabel.
Ich lief im Haus umher und versuchte mich einigermaßen zu beruhigen. Es funktionierte zwar nicht so wie ich es wollte, aber im Nachhinein war es mir letztendlich auch vollkommen egal. Es klingelte an der Tür. Ich öffnete und vor mir stand er. Mein Verlobter. Augenblicklich musste ich lächeln. Fragend blickte dieser mich an.
«Ich liebe dich», sagte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf seine Lippen zu geben. Er erwiderte den Kuss mit voller Leidenschaft. Atemlos lösten wir uns voneinander und blickten uns intensiv in die Augen.
Ich habe noch eine Überraschung», begann er und blickte mich siegessicher an.
«Und was für eine?», wollte ich wissen und sah ihn mit meinem Hundeblick an.
«Das wirst du ja dann sehen.»
Eigentlich konnte dem keiner wiederstehen. Ayden hielt stand und führte mich zum Auto. Er nahm ein Tuch von der Rückbank und legte es mir um die Augen.
«Du brauchst mir die Augen nicht zu verbinden», sagte ich leise und musste mich bemühen nicht gleich an die Decke zu gehen. Ich hatte schon schlechte Erfahrungen mit Augenbinden gehabt. Darüber konnte ich im Moment nicht reden.
«Es wird schon nicht solange dauern, Liebling», versuchte er mich zu beruhigen. «Ich werde sie dir dann auch abmachen, wenn wir da sind. Es soll ja eine Überraschung werden.»
Ich atmete tief ein und wollte gerade etwas sagen, da hatte er die Binde schon um meine Augen gelegt und die Fahrertür hatte sich geschlossen. Schon sprang der Motor an und wir fuhren eine schiere Unendlichkeit durch die Gegend, bis das Auto endlich anhielt und Ayden ausstieg. Dann öffnete er meine Tür und half mir raus. Ich versuchte in der Zeit die hochkommenden Gefühle von früher herunter zu schlucken, damit sie nicht an mein oberstes gekrochen kamen und mich auffraßen. Nach einer gefühlten Stunde nahm er mir die Augenbinde ab und ich staunte nicht schlecht. Mit offenem Mund sah ich ihn an. Weinend fiel ich ihm in die Arme. Er drückte mich an sich und küsste meinen Kopf.
«Und das ist wirklich unser Haus?», fragte ich und sah ihm in sein schönes Gesicht.
«Ja, wieso fragst du?»
«Wie hast du es so schnell geschafft, dass wir hier einziehen können?»
Er grinste mich schief an. «Ich hab da so meine Quellen.»
Er ging ins Haus und ich folgte ihm unsicher. Mein Blick glitt an den Wänden entlang. Es war ein Traum von Haus. Das war einfach der Wahnsinn. Ich folgte Ayden in die riesengroße Küche und mein Mund blieb offen stehen.
«Da staunst du. Was?»
Ich kniff ihn in die Seite woraufhin er mich packte und im Kreis herumwirbelte. Wir kamen im Badezimmer an und ich kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Woher wusste er was ich mochte? Und ging es nicht alles zu schnell? Warum dachte ich über so etwas eigentlich nach? Ich liebte ihn doch. Daran gab es keine Zweifel. Als wir das ganze Haus erkundet hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer und sahen auf den Kamin.
«Was ist mit unseren Sachen?», fragte ich ihn.
«Die habe ich im Kofferraum.»
«Du denkst ja an alles», sagte ich lachend und gab ihm einen Kuss. Er grinste und zog mich an sich.
«Was willst du jetzt machen, meine Schöne?», fragte er mich mit leiser und verführerischer Stimme.
Ich grinste und lehnte mich gegen ihn.
«Weiß ich nicht. Sag du es mir.»
«Ich habe dir vergessen unser Schlafzimmer zu zeigen.»
Ayden hob mich auf seine starken Arme und trug mich in unser Schlafzimmer. Mein Kopf ruhte auf seiner Schulter und ich hatte die Augen geschlossen.
«Schau!», forderte er mich auf und zeichnete kleine Kreise auf meinen Rücken. Ich öffnete die Augen und sah mich im Zimmer um. Dann begann ich zu lachen.
«Das könnte das Kinderzimmer sein, mein Lieber.»
Er lächelte leicht. «Das stimmt.»
«Wo ist das Schlafzimmer?»
«Das hast du schon gesehen.»
Ich schüttelte den Kopf. «Wenn du damit das Zimmer für unsere Kinder meinst, dann ja.»
«Ok, ok», meinte er und gab nach. Er nahm meine Hand und verschränkte unsere Finger ineinander. Wir liefen aus dem Kinderzimmer und geradewegs auf ein angrenzendes Zimmer zu. Ich riss meine Augen weit auf und fiel ihm in die Arme. Ich küsste ihn. Er lief mit mir zum Bett und legte mich aufs weiche Bett. Ich schloss die Augen und fühlte mich gut.
«Na? Schon müde?», fragte er und setzte sich auf die Bettkannte.
«Hm», machte ich und schlief sofort ein. Was Ayden machte, bekam ich nicht mehr mit. Der Schlaf hatte mich vollends eingeholt.
......
Wir hatten beschlossen eine Einweihungsparty zu geben. Jeder war herzlich eingeladen.
«Wie viele kommen jetzt eigentlich?», fragte ich Ayden und zog mir Mütze und Schaal an.
«Es müssen so um die zehn bis zwanzig sein», antwortete er mir und grinste dabei.
«Das wird lustig», begann ich und steckte das Handy in die Tasche. «Ich geh dann mal die Getränke und das Essen holen und du rufst die Leute an, die kommen werden. Sag Bella und Melek bloß nicht, dass Cem auch kommen wird.»
«Warum denn nicht?»
«Hast du vergessen, dass sich die drei nicht leiden können?»
«Bella und Melek sind doch nicht auf Kriegsfuß.»
Ich seufzte leise auf. Manchmal verstand er nicht sofort und dies brachte mich an manchen Tagen zur Palme.
«Melek und Bella können Cem nicht leiden», sagte ich und drehte mich in Richtung Tür, welche ich öffnete und auf den Flur trat. Ayden folgte mir in einem gewissen Abstand.
«Stimmt ja», gab er von sich und senkte den Blick. Ich blieb stehen und schaute ihn lange an. Es tat mir in der Seele weh wie er darunter litt, wenn sich Bella und Cem in die Wolle bekamen. Es hatte sich nicht geändert. Cem behandelte sie wie ein Stück scheiße und Bella warf ihm wieder Sachen an den Kopf, die ihn äußerst wütend machten. Ich sah wie Ayden mit sich rang.
«Wenn ich einen der beiden nicht einlade, dann wird der andere sauer und darauf habe ich keine Lust.»
Anscheinend dachte er laut nach.
«Und wenn ich beide einlade, dann wird die Party im Chaos versinken. Das will ich vermeiden, denn wir beide wissen wie es ausgehen kann. Was meinst du?»
«Ich weiß nicht», gab ich nachdenklich von mir und lief langsam zur Treppe, die ich herunterstieg. Ayden folgte mir.
«Dann muss ich die Party wohl absagen.»
«Wir können die Party doch nicht einfach wegen so einer Sache absagen, Schatz.»
Er seufzte leise auf. «Was willst du stattdessen machen? Einen der beiden einsperren?»
Ich seufzte ebenfalls. «Wir müssen die beiden voneinander fern halten. Das wird doch wohl zu schaffen sein oder nicht?»
Ayden nickte leicht. Ich gab ihm einen Kuss und verschwand im Supermarkt, um die Snacks und die Getränke zu besorgen.
......
«Schön habt ihr es hier», sagte einer von Aydens Kumpeln und blickte sich staunend im Haus um. Bella kam auf mich zu und grinste mich frech an.
«Das hätte ich von ihm nicht erwartet», sagte sie lachend und drückte mich an sich. «Aber trotzdem gut. Ein echt schönes Haus, Maria. Das muss ich euch lassen.»
«Danke, Bella», meinte ich und drückte sie an mich. Dann kam meine Mutter auf mich zu und umarmte mich fest. Ebenfalls umarmte ich meine Mutter und Freudentränen liefen mir über das Gesicht.
«Wunderschön», sagte sie und wischte mir die Tränen von der Wange. «Wo ist denn dein zukünftiger Verlobter? Ich möchte ihn gerne sehen, mein Kind.»
Ich grinste leicht und zeigte auf ihn. Gemeinsam gingen wir zu Ayden herüber der mit einigen seinen Kollegen quatschte. Als er uns bemerkte, kam er auf mich zu und lächelte mich an. Als er meine Mutter sah, blieb er stehen und gab ihr die Hand.
«Sie müssen Frau Klein sein?», meinte er und meine Mutter nickte leicht.
«Aber nennen Sie mich doch bitte Petra.»
«Wie Sie wünschen», sagte er und versteckte seine Nervosität vor meiner Mutter geschickt. Diese grinste mich an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Ayden lächelte verlegen.
«Ein wunderschönes Haus haben Sie.»
Meine Mutter drehte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dann drehte sie sich in Richtung Haustür und verließ unser Anwesen.
«Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass sie kommt», sagte Ayden, nachdem er mich in eine Ecke gezogen hatte.
«Das wusste ich doch auch nicht», gab ich von mir und sah in alle Richtungen. «Jetzt ist sie ja weg. Kein Grund zur Sorge.»
Ayden nickte und verschwand in der Küche. Er kam mit einem Tablett wieder. Darauf standen Sektgläser und etwas zu essen. Ich erblickte Melek mit Bella. Melek schaute in eine Richtung. Ich folgte ihrem Blick und entdeckte Cem mit einem jungen Mädchen am Arm im Getümmel. Seine Schwester sah ihn wütend an. Bella beachtete ihn nicht. Sie schaute gedankenverloren auf den Boden. Jeder bekam ein Glas. Es war still im Wohnzimmer. Ayden und ich standen vor unseren Gästen und blickten in die Runde.
«Willst du anfangen?», fragte ich ihn leise.
Er nickte und räusperte sich. Dann sprach er mit fester Stimme: «Ich danke euch das ihr alle gekommen seid. Es ist uns eine Ehre. Aber wir haben euch noch etwas mitzuteilen.»
Mehrere Augenpaare blickten uns gespannt an.
«Wie einige von euch schon an Heiligabend mitbekommen haben, werde ich mich mit dieser hinreißenden Frau verloben.»
Er legte mir einen Arm um die Schultern und zog mich vor sich, sodass einige Augenpaare an mir hängen blieben. Ich fühlte mich sichtlich unwohl, aber anmerken ließ ich mir dies nicht.
«Die Verlobung wird in wenigen Monaten stattfinden.»
Wir erhoben unsere Gläser uns stießen miteinander an. Ich lächelte und gab Ayden vor allen einen Kuss auf den Mund, welchen er erwiderte und mich näher an sich zog. Ich kuschelte mich in seine Arme und fühlte mich sichtlich wohl darin. Er sollte mich nicht mehr loslassen.
......
Nachdem fast alle gegangen waren, außer Cem, das junge Mädchen, Bella und Melek hörte ich ein Gespräch zwischen Bella und Ayden mit.
«Was willst du ihr sagen, wenn sie nach Mama und Papa fragt?», wollte Bella wissen und klang sichtlich wütend.
«Dann werde ich ihr wohl die Wahrheit erzählen müssen», meinte Ayden und ich konnte seine Gefühlslage nicht heraushören.
«Das wird deinen zukünftigen Verlobten bestimmt erfreuen, wenn ich ihm erzähle, dass du ihn belauscht hast.»
Schnell wirbelte ich herum und blickte in die eiskalten, blauen Augen von Cem, der mich einfach nur kühl anschaute. Ich schwieg. Er verschwand in einem der Zimmer und ich drehte mich um und lief in Richtung Wohnzimmer, wo ich Melek und das Mädchen entdeckte, die mir bekannt vorkam. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuschte, hatte ich sie schon einmal gesehen gehabt. Ich setzte mich zu ihnen und plötzlich verstummte das Gespräch. Fragend sah ich zu Melek herüber. Das Mädchen hatte sich an ihren Arm geklammert und wollte sie nicht mehr loslassen. Melek sagte lautlos, dass sie es mir später sagen würde. Daraufhin nickte ich und schwieg. Cem kam und blickte seine Schwester mit einem durch dringlichen Blick an, der mir eine Gänsehaut verpasste.
«So sieht man sich wieder», sagte er kühl und riss die Hand des Mädchens von Melek los. Diese schrie kurz auf. Ob ich eingreifen sollte? Melek sah mich flehend an. Ich sah zurück und stand langsam auf.
«Lass sie los», zischte ich und kam ihnen näher.
«Sie ist meine Schwester und ich kann mit ihr machen was ich möchte!», kam es bissig von seiner Seite aus zurück.
Ein Telefon unterbrach das Gespräch. Das Mädchen zuckte zusammen. Dann kramte sie in ihrer Tasche rum und holte ein iPhone heraus. Es fing an zu sprechen. Dann wusste ich, woher ich sie kannte. Sie war in einem Schreibkurs mit mir und Bella dabei gewesen. Mit leiser Stimme sprach sie weiter.
«Was hat sie gesagt», schrie er seine Schwester an, welche zusammenschrak und zu Boden blickte. «Was! Hat! Sie! Gesagt!»
«Bring mich nach Hause», flehte sie ihn an. Cem ließ sie los. «Melek Abla?»
Hastig sprang Melek auf und nahm ihre Schwester in ihre Arme.
«Ich verspreche dir, dass er dir nichts mehr antun wird. Du musst nur noch ein wenig warten.»
«Anne und Baba glauben mir nicht», sagte sie weinerlich. Ich schloss die Wohnzimmertür. Bella sah besorgt zu dem Mädchen herüber.
«Ich werde mit ihnen reden. Vielleicht kannst du ja zu mir kommen», versuchte Melek sie zu beruhigen, doch ich sah die Feuchtigkeit in ihren Augen. Bella sah es ebenfalls und kam zu mir. Die Tür sprang auf. Das Mädchen zuckte heftig zusammen. Melek streichelte beruhigend über ihren Rücken.
«Selen!»
Langsam löste sie sich von ihrer Schwester und lief einige Schritte nach vorne.
«Nimm deine Jacke und zieh dich an. Ich fahre dich nach Hause.»
Sie klangen so höflich und besorgt, doch das waren sie nicht. In ihm steckte ein gefühlloser Kerl, der es liebte seine jüngere Schwester leiden zu lassen. Melek hatte es geschafft aus seinen Fängen zu kommen, doch ihre Schwester nicht. Ich war geschockt das ihre Eltern dem Mädchen nicht glaubten. Später fiel die Tür ins Schloss und Melek weinte bitterlich. Bella ging zu ihr herüber und streichelte ihren Rücken. Ayden kam herein und sah zu ihr herüber. Sein Blick änderte sich.
«Hat er was mit dir gemacht?», wollte er besorgt wissen.
«Meine Schwester», sagte Melek leise und musste heftiger schluchzen. Ayden sah geschockt aus.
«Was ist mit ihr?», wollte er wissen.
«Da er sich nicht mehr an mir rächen kann, macht er es mit meiner Schwester.»
«Sie ist fünfzehn!», brüllte er und schlug gegen die Wand. So aufgebracht hatte ich ihn noch nie erlebt.
«Es hat keinen Zweck es unseren Eltern zu erzählen», meinte Melek und sah verzweifelt aus.
«Was ist mit der Polizei?», mischte sich Bella ins Geschehen mit ein.
«Das wird nichts helfen», sagte Melek. «Das wird alles nur noch schlimmer machen und das weiß ich aus eigner Erfahrung.»
«Machen denn eure Eltern nichts dagegen?», wollte ich wissen und verfluchte mich zugleich für diese Frage.
«Sie glauben es nicht», erklärte Melek mit leiser Stimme. «Wie oft habe ich versucht mit ihnen darüber zu reden? Wie oft habe ich ihnen erzählt was sie mit mir machen? Wie oft habe ich dann noch eine Tracht Prügel von ihm kassiert? Zu oft. Meine Schwester wird es bestimmt auch verstanden haben, doch sie erzählt es unseren Eltern trotzdem. Nachdem er sie dann immer vermöbelt hat, ruft sie mich an und weint bitterlich ins Handy. Sie fragt mich wieso er es macht? Sie fragt mich warum er sie nicht leiden kann? Sie gibt ihrer Blindheit die Schuld dafür. Andauernd versuche ich ihr zu erklären, dass es nichts mit ihrer Blindheit zu tun hat. Ich kann ihr aber nicht erzählen das er genau dasselbe mit mir getan hat. Das würde sie nicht verkraften.»
Schweigen breitete sich aus, nachdem Melek alles erzählt hatte. Ich blickte gedankenverloren auf den Boden. Eine Idee schoss mir in den Kopf. Nur doof das ich sie gleich aussprechen musste.
«Habt ihr es mal mit einem Beweisvideo versucht?»
Mich schauten sechs Augenpaare entgeistert an. Beschämt senkte ich den Blick.
«Maria hat recht», stimmte Bella mir zu und umarmte mich leicht. Ayden und Melek sahen skeptisch in die Runde.
«Und wie soll das funktionieren?», wollte Melek wissen. Ich konnte einen Hauch von Hoffnung in ihrem Blick erkennen.
«Da wird uns bestimmt etwas einfallen. Aber Cem darf es nicht bemerken.»
«Du hast doch einen Schlüssel zu deinem Elternhaus oder?», fragte Bella und sah Melek lange und aufmunternd an. Diese nickte. «Dann werden wir unsere Tat wohl in einigen Tagen umsetzen müssen. Wann wird dein Bruder deine Schwester wieder holen kommen?»
«Heute in einer Woche», meinte Melek und wirkte zuversichtlich.
«Dann müssen wir uns morgen mit deiner Schwester treffen», kam es aus meinem Mund und ich konnte mir die Freude nicht austreiben. «Ist das möglich?»
Melek nickte und lächelte leicht. Ich stand auf und ging auf sie zu. Dann nahm ich sie in meine Arme und flüsterte ihr ein «Wir schaffen das schon.» ins Ohr, woraufhin sie nickte und vor Freude kullerten ihr einige Tränen herunter.
......
«Und die denkst, dass dies wirklich eine gute Idee ist?», fragte Ayden mich skeptisch, als die beiden das Haus verließen haben und wir in unserem Bett lagen.
«Es wird bestimmt klappen», sagte ich zuversichtlich.
«Was, wenn es schief läuft und er die kleine Kamera entdeckt?»
«Er wird sie schon nicht entdecken», versicherte ich ihm und küsste ihn fordernd auf den Mund. Ayden lächelte in den Kuss hinein und unser kleiner Streit war vergessen. Ich wollte ihn meinen Eltern vorstellen und ihnen sagen, dass ich ihn in einigen Monaten verloben wollte. Ob er mir auch etwas über seine Eltern erzählen würde? Aber dann kam mir das Gespräch zwischen Ayden und Bella in den Sinn. Was für eine Wahrheit wollte er mir denn sagen, wenn ich ihn nach seinen Eltern fragte? Bella war der Frage immer ausgewichen und schwieg danach bedächtig. Es hatte mir schon Sorgen gemacht, aber ob Ayden auch so wäre?
«Maria? Alles ok bei dir?»
Aydens Stimme riss mich aus meinen Gedankengängen. Ich nickte sofort.
«Wieso fragst du?»
«Ich habe dich was gefragt und keine Antwort von dir erhalten. Wo bist du mit deinen Gedanken?»
«Ich bin mit meinen Gedanken bei unserem Plan», log ich und legte mich auf seinen Schoß. Ich war müde und wollte nur noch ins Bett. Also schloss ich meine Augen und glitt in einen ruhigen Schlaf.
......
Unser Plan konnte beginnen. Wir vier hatten uns zusammen getan und fuhren zum Anwesen der Güls. Ayden fuhr und ich saß neben ihm. Bella und Melek besprachen leise weitere Details unseres Plans, der hoffte ich, gut ausging.
«Wir sind bald da», rief Ayden in Richtung der redenden und suchte nach einem geeigneten Parkplatz für das Auto. Was ich so mitbekommen hatte war, dass Melek sich sehr gut mit ihren Eltern verstand, wenn ihr Bruder nicht dabei war.
«Wer klingelt?», wollte ich wissen.
«Am besten wäre es, wenn Melek klingelt», meinte Bella und schaute in die Runde. Ich öffnete die Autotür und schlug sie hinter mir zu. Ayden machte es mir nach. Bella und Melek stiegen auch aus. Langsam gingen wir zur Tür und ich wappnete mich für den großen Moment. Doch wenn wir gewusst hätten, dass Cem heute kommen würde, dann hätten wir nicht so voreilig gehandelt. Aber naja. Man weiß ja nie. wir schauten alle auf Melek, die langsam auf die Tür zuging und klingelte. Sofort wurde die Tür von einer Frau geöffnet. Fragend schaute sie zu uns herüber.
«Können wir reinkommen, Anne?», fragte sie ihre Mutter auf Türkisch. Ich blickte fragend zu Bella herüber. Schade, dass ich diese Sprache nicht beherrschte.
«Wer sind die?», ihre Mutter sagte etwas, was sich ich leider nicht verstehen konnte.
«Das ist Bella und ihr Bruder. Das da ist die Verlobte von ihrem Bruder.»
Ich hatte nur den Namen von Bella aufschnappen können. Schließlich nickte die Mutter. Melek gab ihr einen Kuss rechts und links auf die Wange und trat ins Haus. Sie winkte uns freudig zu.
«Wo ist Baba?», fragte Melek ihre Butter.
«Arbeiten. Wieso fragst du?»
«Selen? Wo ist sie?»
«Sie ist in ihrem Zimmer und Cem ist bei ihr.»
Bellas Blick veränderte sich. Ich schaute zu meinem Verlobten herüber, der mit einer undurchlässigen Miene auf den Boden schaute, der ziemlich interessant zu sein schien.
«Anne...»
«Cem? Schön, dass du dich auch mal blicken lässt. Was ist los?»
«Sie will nicht.»
Die Frau stand auf und verließ das Wohnzimmer. Cem schaute uns nacheinander an, als sie sie aus dem Zimmer ging. Ich hatte das Gefühl, dass er Bella ein Ticken zu lange anschaute. Diese versuchte ihn mit ihren Blicken zu töten. Ich hielt mich aus der Sache heraus. Ayden stand teilnahmslos an der Tür.
«Dass du dich noch hierher traust, hätte ich nicht gedacht, Melek!», zischte er seine Schwester an.
«Ich darf doch wohl Anne und Baba besuchen kommen oder? Das ist doch nicht verboten.»
«Zügel dein vorlautes Mundwerk!», fauchte er wütend und kam drohend auf sie zu.
«Wenn Anne und Baba nur wüssten!», sagte sie drohend und zeigte mit ihrem Zeigefinger drohend auf seine Brust.
«Cem!»
Wir zuckten zusammen. Was wollte seine Mutter von ihm? Wieso war sie so wütend? In diesem Moment ging die Tür auf und ein älterer Mann, etwa vierzig, schaute uns nacheinander an. Er ging auf seine Tochter zu und drückte sie an sich.
«Schön, dass du uns besuchen kommst.»
Melek lächelte.
«Kemal!»
«Was ist denn Hatice? Ich komme ja schon!»
«Bring Cem mit!»
«Mach ich!»
Er wandte sich an seine Tochter und sah diese fragend an.
«Ich weiß von nichts, Baba.»
«Und ihr seid?», fragte er mit fließendem Deutsch.
«Das sind Bella, Ayden und seine zukünftige Verlobte Maria», stellte Melek uns ihrem Vater auf Deutsch vor.
«Ich geh dann mal», sagte er lachend und sah seinen Sohn an, der ihm missmutig folgte. Geschrei kam von einem der Zimmer zu uns angeflogen. Melek sah fragend durch die Gegend.
«Vielleicht hat sie ja selbst etwas aufgenommen oder ein Video gemacht, um es ihren Eltern zu zeigen», sagte Bella und sah nachdenklich aus.
«Sie ist doch ... blind. Wie soll sie ein Video machen?», fragte ich vorsichtig in die Runde. Bei Gelegenheit musste ich mich mit blinden auseinander setzen, wenn ich nicht unwissend bleiben wollte.
Die Eltern kamen heruntergerannt und sahen Melek fragend an.
«Stimmt das?»
Worte, die ich nicht verstand erfassten meine Ohren.
«Was meinst du Baba?»
«Was hat Cem mit dir gemacht?»
Melek schluckte und sah zu Boden. Bella stellte sich neben sie und legte ihr tröstend einen Arm um die Schultern.
«Was hat er mit dir gemacht!», schrie ihr Vater nun auf Deutsch.
«Baba, ich...»
Er unterbrach sie hastig. «Was hat er gemacht?»
Sie seufzte leise. «Er hat dasselbe mit mir gemacht was er auch mit Selen gemacht hat. Bloß es war schlimmer.»
Die Gesichtszüge von Herr Gül veränderten sich. Er schaut wütend drein und musste sich beherrschen nicht gleich nach oben zu rennen, um seinem Sohn eine heftige Tracht Prügel zu verpassen. Ich schrak zusammen.
«Ist Ihr Sohn allein mit ihrer Tochter?»
Die Frage platzte einfach so aus mir heraus. Der Vater nickte. Ich erblasste genau wie Melek und Ayden. Dem Vater fiel es wie Schuppen von den Augen. Schließlich hörten wir einen spitzen, hellen Schrei. Eilig stürmten wir nach oben.
«Polizei! Polizei!»
«Einer von euch soll die Polizei rufen», übersetzte der Vater und versuchte die Tür des Zimmers zu öffnen, doch vergebens. Melek war wie erstarrt und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ayden stand nur so herum und blickte ins Leere. Bella tat es ihm gleich. Ich war die einzige, die nicht so herumstand. Also nahm ich mein Handy in die Hand und wählte die eins, eins, null.
«Guten Tag? Hier ist die Polizei. Was kann ich für Sie tun?»
Schnell schilderte ich dem Polizisten am anderen Ende die Situation.
«Beruhigen Sie sich und versuchen Sie den Mann aus dem Zimmer zu holen, damit er das Mädchen nicht weiter gefährden kann. Wir sind unterwegs.»
Das Handy verstaute ich in meiner Tasche und stellte mich zu den Eltern, die wie wild auf ihn einredeten. Ob Bella es versuchen sollte? Oder sollte ich es versuchen?
«Mach die Tür auf!», rief ich haltlos und könnte mich sogleich dafür Ohrfeigen. Ich sollte mich nicht in Angelegenheiten der anderen einmischen.
«Hilfe», drang es an meine Ohren und ich wusste, dass es das Mädchen war.
«Halt deine verfickte Fresse du kleine Hure!», schrie Cem laut und ein Geräusch wie klatschen hallte aus dem Raum zu uns heraus.
«Cem!», rief der Vater und sah nicht gerade fröhlich aus. «Mach! Die! Tür! Auf!»
Ob er immer deutsch redete, wenn er wütend war?
«Cem es bringt nix sich zu verstecken», rief Ayden und stand jetzt ebenfalls an der Tür. Auch Melek und Bella kamen zu uns herüber. Nun wurde es langsam ziemlich eng hier. Das Klingeln der Tür riss uns aus unseren Gedanken. Der Vater wandte sich ab und ging nach unten, um die Tür zu öffnen. Einige Minuten später kam er mit der Polizei wieder. Wir traten von der Tür zurück und Melek nahm ihre Mutter in die Arme. Sie versuchte stark zu sein, um nicht selbst in Tränen auszubrechen. Sie tat es ihrer Mutter zu liebe.
«Polizei! Aufmachen!»
«Hilfe!»
«Lassen Sie das Mädchen los!»
«Und wenn nicht? Was dann? Wollen Sie die verfickte Tür aufbrechen?»
Mit geschickter Präzision brachen die Polizisten die Zimmertür auf. Der Anblick schockierte uns alle. Einer der Polizisten packte Cem und zerrte ihn von seiner Schwester weg. Diese glitt kraftlos zu Boden und Tränen flossen ihr die über die Wangen. Handschellen wurden ihm angelegt. Cem schaute teilnahmslos zu Melek herüber.
«Du kleine Hure!», schrie er und wollte auf sie losgehen, doch die Polizisten und die Handschellen hinderten ihn daran. «Ich werde dich umbringen! Hast du die Bullen gerufen? Hast du mich verpfiffen?»
«Sie haben das Recht zu Schweigen», begann der Polizist und Cem spuckte auf den Teppichboden. «Wenn Sie sich äußern möchten, können Sie dies gerne tun oder sie nehmen sich einen Anwalt.»
«Cem Gül!», rief der andere Polizist und schaute ihn an. «Sie sind vorläufig festgenommen. Es besteht der Verdacht, dass sie ihre Schwestern körperlich missbraucht haben und ihnen psychischen Schaden zugefügt haben. Alles Weitere klären wir auf der Wache.»
......
Als wir auf der Wache ankommen, wird Melek gleich von einer Polizistin mitgenommen. Doch bevor sie gehen, fragte Bella, ob wir denn nicht mit dabei sei könnten.
«Das geht leider nicht», sagte sie und wollte gerade mit ihr gehen, da stellte sich Ayden ihr in den Weg.
«Wir werden auch schweigen», versuchte er sie umzustimmen, doch es klappte nicht. Sie verschwanden in einem Raum und wir saßen hier und warteten, bis sie wieder kommen würde.
«Was denkt ihr wie lange dies noch dauern wird?», fragte Bella in die Runde.
Ich seufzte auf. «Weiß nicht. Vielleicht Stunden oder so.»
«Jahre», meinte Ayden und sank in den Stuhl zurück. Schließlich kam sie mit der Polizistin aus dem Raum und wir sprangen von unseren Stühlen auf. Kurz sprachen wir mit der Polizistin und verließen danach das Präsidium. Wir fuhren mit Melek zu uns nach Hause und redeten über ihre Befragung.
......
«Was wollte sie wissen?», wollte ich wissen und blickte in die Runde. Vor uns standen Gläser mit Prosecco. Wir schwiegen bedächtig und blickten uns an. Ab und zu nahmen wir einen Schluck von unseren Gläsern, die vor uns standen.
«Was wird jetzt eigentlich mit ihm passieren?», durchbrach Bella die Stille und stellte ihr Glas auf den Couchtisch.
«Weiß nicht», meinte Melek und schaute zu Boden.
«Du hast ausgesagt?», wollte Ayden wissen und legte ihr tröstlich einen Arm um die Schulter.
«Ich habe ihr gesagt, dass ich später vorbei komme», meinte sie tonlos.
«Hat sie dich gezwungen?», fragte Bella und legte ihr ebenfalls einen Arm um die andere Schulter.
«Ich habe es ihr dann doch erzählt», gab Melek von sich. «Ist einfach aus mir herausgebrochen. Ich konnte einfach nicht mehr.»
«Wird es einen Prozess geben?», fragte ich vorsichtig.
«Bestimmt», meine Melek und zog ihre Schultern nach oben. Ich sah wie sie schluckte und versuchte ihre Verzweiflung vor uns zu verbergen. «Ich sollte jetzt zu meinen Eltern und meiner Schwester beistehen. Das wäre das Beste für uns alle.»
«Sollen wir dich begleiten?», fragte ich leise, doch sie schüttelte ihren Kopf und schob die Arme von meinem Verlobten und Bella zur Seite. Dann stand sie langsam auf und lief schwankend auf ihre Sachen zu. Die Jacke zog sie sich über und nahm ihre Tasche. Danach ging sie zur Tür und ließ sie leise ins Schloss fallen. Wir sahen ihr vom Fenster aus zu. Als sie nicht mehr zu sehen war, lag eine bedrückendere Stimmung zwischen uns dreien. Keiner von uns wusste was er sagen sollte. Es war ein Schock für uns gewesen. So hatten wir sie noch nie gesehen. Ich nahm immer an, dass Melek sehr stark war und nicht in Tränen aufgelöst war wie ich es bin. Doch dem war nicht so. Sie hatte zwar versucht stark zu sein aber dies ist kläglich gescheitert. Sie hatte jemanden gebraucht mit dem sie darüber reden konnte, doch keiner wollte ihr zuhören. Niemand wollte mit ihr reden.
«Wollt ihr noch etwas trinken?», fragte ich in die spärliche Runde.
«Nein danke», sagten die Geschwister gemeinsam.
«Ich mache mir Sorgen um Melek», flüsterte Bella und schluckte heftig. Ich hatte mich neben sie gesetzt und legte ihr nun einen Arm um die Schultern. Ayden schaute in die Dunkelheit und sagte nichts.
«Ich mir auch», sagte ich und streichelte ihren Rücken.
«Danke, dass du da bist und mir immer in den Arsch trittst, wenn ich mal schlechte Laune habe. Das sollte ich auch mit Melek tun, aber ich habe es nie gemacht. Vielleicht mag sie mich ja nicht mehr. Was meinst du? Ist sie sauer, weil ich ihr nicht sofort davon erzählt habe?»
«Sie wird bestimmt nicht sauer sein», versuchte ich sie aufzumuntern.
«Ich sollte für sie da sein.»
«Lass ihr ihre Zeit. Sie wird sie brauchen müssen. Es ist bestimmt hart für sie gewesen ihren eignen Zwillingsbruder anzuzeigen. Das muss sie erst einmal verkraften.»
«Maria hat recht Bella», stimmte mir Ayden zu und setzte sich neben seine Schwester. «Gib ihr die nötige Zeit, die sie braucht.»
«Und wenn sie gar nicht mehr mit mir redet?»
«Das wird nicht passieren.»
«Das hoffe ich», sagte Bella und eine Träne rollte ihr über die Wange. «Kann ich heute bei euch schlafen?»
«Du bist immer willkommen hier. Bleib solange du möchtest, Schwesterherz», meinte Ayden und gab ihr einen Kuss auf die Wange. «Komm! Ich zeige dir das Gästezimmer, damit du dich hinlegen und ausruhen kannst.»
Sie standen auf und verließen das Wohnzimmer. Ich räumte in der Zwischenzeit die Gläser weg und legte mich dann in unser gemeinsames Bett. Ich hörte nur noch, wie Ayden die Tür öffnete und ins Zimmer trat. Dann war ich schon im Reich der Träume.
......
(Melek Gül)
Ich wachte in aller Früh auf. Ich lag in meinem alten Kinderzimmer und schaute an die Decke. Es sah hier noch aus wie früher. Ich konnte einfach nicht schlafen. Außerdem fühlte ich mich schlecht. Sollte ich nicht eigentlich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich meinen Bruder angezeigt hatte und weil wegen mir wahrscheinlich ein Prozess auf die Beine gestellt werden würde? Sollte ich mich nicht dafür schämen? Warum tat ich es nicht? Ich fühlte mich doch ziemlich schlecht. Plötzlich ging meine Zimmertür auf. Ich erschrak heftig. Wer das wohl war?
«Abla? Kann ich zu dir kommen?», fragte mich meine Schwester mit leiser Stimme.
«Komm her», sagte ich und schnipste, damit sie mich finden würde. Zaghaft legte sie sich zu mir ins Bett.
«Warum schläfst du nicht Abla?»
«Ich kann nicht», antwortete ich und streichelte ihr über den Kopf. «Bedrückt sich etwas?»
«Habe ich das richtige getan? Abi wird jetzt im Gefängnis wegen mir sitzen. Das wollte ich doch nicht. Aber er hat mich...»
«Schon gut», unterbrach ich Selen und drückte ihren dünnen Körper fest an mich. «Sag mir wann er damit angefangen hat. Ich muss es einfach wissen ok?»
«Ich glaube ich war da so zehn oder neun. Aber wieso willst du das wissen?»
«Es ist nichts Schlimmes. Ich wollte es einfach nur wissen», meinte ich und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. «Aber er wird dir nichts mehr antun können. Das verspreche ich dir. Dort wo er jetzt ist, kommt er nicht mehr heraus. Jetzt versuche zu schlafen ok? Ich bin hier und pass auf dich auf. Versprochen.»
«Wie lang bleibst du?»
«Solange, bis es dir wieder besser geht, mein Liebling.»
Dann schloss sie ihre Augen und ich blieb die restliche Nacht über wach. Unsere Mutter hatte uns zum Frühstück gerufen. Wie froh war ich in dem Moment, als meine Schwester die verweinten Augen unserer Mutter nicht sehen konnte.
«Anne? Hast du geweint?», fragte Selen meine Mama auf Türkisch.
«Nein, habe ich nicht. Wieso?»
«Nur so.»
Nach dem kurzen Gespräch war es still. Wir aßen und schwiegen. Das Telefon klingelte. Ich stand auf und nahm ab.
«Guten Tag hier ist Melek Gül. Mit wem spreche ich?», wollte ich wissen. Es rauschte am anderen Ende der Leitung.
«Hallo Frau Gül, wir wollten Ihnen nur sagen, dass der Prozess in wenigen Monaten stattfinden wird.»
«Danke, dass Sie es mir gesagt haben. Ich werde es gleich meinen Eltern sagen. Bis dem nächst.»
Ich ging in die Küche und fing an zu berichten.
«Ein Datum weißt du zufällig nicht?», fragte mich Papa auf Deutsch. Ich schüttelte den Kopf. «Bestimmt werden sie dann noch einmal anrufen oder so.»
«Bestimmt werden sie das.»
Ich stand auf und half meiner Mutter beim abräumen des Tisches. Papa kümmerte sich um meine Schwester. Nachdem wir fertig waren, gingen wir ins Wohnzimmer.
«Ich muss mal mit dir sprechen, Melek», sagte mein Vater und nahm mich bei Seite. Wir gingen in mein Zimmer, damit wir ungestört sein konnten.
«Was ist denn?», fragte ich auf Deutsch.
Er holte Luft. «Wir haben uns entschieden Selen zu einer Psychologin zu schicken. Bestimmt wird sie so ihr Trauma verkraften und überwinden.»
«Hältst du das für eine gute Idee?», fragte ich mit Skepsis in der Stimme.
«Ich kann nicht mit ansehen wie sie darunter leidet.»
«Warum hast du früher nichts dagegen unternommen!», schrie ich ihn an und könnte mich dafür ohrfeigen. Es rutschte einfach so aus mir heraus. «Dann wäre es nicht soweit gekommen das es dasselbe mit Selen macht!»
«glaubst du ich habe nicht versucht ihn daran zu hindern? Glaubst du ich habe nicht versucht dich und Selen von ihm fern zu halten? Weißt du wie oft dies gescheitert ist?»
Ich blickte ihn mit offenem Mund an.
«Ich habe schon früher gemerkt das mit ihm etwas nicht stimmt. Ihr zwei seid zwar Zwillinge aber er hat dich immer unterdrückt. Das habe ich schon mitbekommen. Es wurde schlimmer als deine Schwester auf die Welt kam.»
Darauf konnte ich nichts sagen.
«Jetzt ist er ja in Untersuchungshaft und wird so schnell nicht entlassen, denn bald findet der Prozess gegen ihn statt.»
Ich nickte. Wir verließen nach einer halben Stunde das Zimmer und kehrten ins Wohnzimmer zurück. Wir saßen auf der Couch und hingen unseren Gedanken nach. Keiner wagte es die Stille zu unterbrechen.
......
(Maria Klein)
«Bald ist der Prozess von Cem», berichtete ich, als wir beim Frühstück saßen. Bella war noch immer bei uns.
«Woher weißt du es?», fragte Bella und hörte auf an ihrem Brot zu knabbern.
«Melek hat angerufen, als ihr in den Bädern wart um zu duschen. Sie hat es mir erzählt.»
«Hat sie gesagt wann der Prozess stattfinden wird?», fragte Ayden und nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse.
«Das wissen sie auch noch nicht. Wenn, dann sagt sie Bescheid.»
«Hat sie auch noch etwas anderes erzählt?», fragte Bella und blickte mich an.
«Nein, sie hat nichts weiter erzählt.»
Beide nickten und dann verfielen wir in Schweigen. Dies ging seit gestern so. Ich hoffte, dass sich dies wieder legen würde. Es würde seine Zeit brauchen, bis alles so werden würde, wie vor einigen Tagen, aber es würde sich bestimmt lohnen.
«Habt ihr schon was vor?», fragte Ayden uns am Frühstückstisch und versuchte geschickt das Thema auf etwas anderes zu lenken. Er war ziemlich gut darin die Gefühle zu verbergen, doch ich kannte meinen Verlobten allmählich und wusste das dem nicht so war. Warum ich mitspielte, wusste ich selbst nicht so recht.
«Nein, eigentlich nicht. Wieso fragst du?»
Ich schaute zu Boden, als ich diese Frage in den Raum warf. Mir war nicht danach ihn anzuschauen. Ob jetzt alles in die Brüche ging? Wir redeten kaum miteinander. Wir taten es nur, wenn es nötig war. So wie jetzt.
«Wir könnten ja raus gehen und frische Luft schnappen», schlug er vor und schaute ebenfalls auf den Boden.
Bella lachte hysterisch auf. «Damit die Presse uns befragen kann, wieso er denn eine Gerichtsverhandlung hat? Nein, danke! Wenn du den Gefahren dort ausgesetzt werden möchtest, dann mach es aber ich bleibe hier!»
Ihr könnt euch doch nicht ewig im Haus verbarrikadieren und auf traurig tun.
Meine innere Stimme ging mir total auf den Sack. Wieso meldete sie sich erst jetzt und nicht vorher?
Ihr müsst euch dem stellen.
Ich konnte nur den Kopf über diese Worte schütteln. Wir sollten uns dem stellen? Ja klar! Als ob das was bringen würde. Das ich nicht lachte! Es würde nichts bringen! Überhaupt nichts! Aber es kam doch immer alles anders. Warum denn nicht jetzt auch?
«Wir können doch nicht immer auf der Hut von der Presse sein», sagte Ayden und blickte zum ersten Mal in unsere Augen. Etwas lag darin, aber was es war, konnte ich nicht wissen.
«Und warum geht das nicht?», fragte Bella und schaute ihren Bruder wütend an.
«So oder so werden sie uns fragen, wenn wir beim Prozess gegen ihn erscheinen.»
Das hatte gesessen. In dem Moment wusste ich, dass Ayden recht hatte. Ich stand auf und räumte die Teller in die Spüle. Dann ging ich ohne etwas zu sagen in unser Schlafzimmer und zog mir etwas Schickes an. Ich musste jetzt in einen Club, bevor ich durchdrehte. Ob die beiden mitkommen würden war fraglich.
«Wo willst du denn mit dem Aufzug hin?», fragte Ayden und blickte mich von oben bis unten an. Ich grinste verschmitzt.
«Kommt ihr mit oder wollt ihr hier einfach nur so rumsitzen?», fragte ich und grinste beide an. Bella blickte zu Boden und schüttelte ihren Kopf. Ayden nickte und verschwand im Schlafzimmer um sich umzuziehen.
«Du willst in dieser schwierigen Zeit feiern gehen?»
Ich zuckte mit den Schultern. Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Ayden kam und legte mir einen Arm um die Schultern. Fragend sah er seine Schwester an. Diese schüttelte mit dem Kopf. Schweigend verließen wir die Küche und stiegen ins Auto.
......
Wir kamen wenige Stunden später wieder nach Hause und setzten uns auf die Couch. Bella war nirgends zu sehen. Bestimmt schlief sie. Ich merkte, wie mich ebenfalls die Müdigkeit übermannte. Also stand ich auf und lief in unser Schlafzimmer. Ayden folgte mir. Ich kuschelte mich an ihn und schloss die Augen. Dann glitt ich in einen unruhigen Schlaf. Immerzu wachte ich auf und schaute mich um. Ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden, doch dem war nicht so. Vielleicht wurde ich ja wahnsinnig oder so. Immer wieder versuchte ich einzuschlafen was mir für kurze Zeit gelang, bis ich dann erneut wach wurde. Als ich wieder wach wurde, schaute ich zu Ayden herüber der ruhig schlief. Wie ich ihn darum beneidete, weil er ruhig schlafen konnte. Ich rutschte näher an ihn heran und legte meinen Kopf auf seine Brust. Seine Arme schlangen sich sofort um mich. Ich schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Diesmal gelang es mir wenigstens und darüber war ich froh.
......
Liebe Bella,
ich schreibe dir hiermit, weil ich finde, dass du es wissen solltest. Bitte gebe den anderen auch Bescheid, wenn du ihn gelesen hast. Ich werde mit meinen Eltern und meiner Schwester für einige Monate oder Jahre in die Türkei fliegen. Aber erst nach dem Prozess meines Bruder, der wie ich jetzt weiß, in sechs Monaten stattfinden soll. Ich hoffe, dass du es verstehen wirst. Ich brauche einfach Zeit für mich und ich möchte jetzt bei meinen Eltern und meiner Schwester sein.
Es ist einfach zu viel in dieser Zeit passiert und das muss ich erst einmal verarbeiten. Wir werden uns bestimmt wiedersehen. Aber das wird bestimmt noch eine Weile dauern. Sei mir nicht böse. Ich hab dich trotzdem noch lieb. Du bist wie eine Schwester für mich und wirst es auch immer bleiben. Wir werden uns dann beim Prozess sehen.
Deine Melek.
......
In den letzten Wochen war nicht viel passiert. Außer das Bella einen Brief von Melek erhalten hatte und erst einmal sehr geschockt darauf reagierte. Sofort hatte sie Melek angerufen, doch diese war nicht an ihr Handy gegangen. Bella verstand die Welt nicht mehr. Ayden und ich versuchten sie vergebens zu beruhigen. Leider wollte es nicht klappen. Ich hatte die Monate bis zum Prozess gezählt. Es würden nur noch fast zwei Monate übrig bleiben, bis der Prozess gegen ihn laufen würde. Natürlich würden wir alle dorthin gehen, um Melek und ihrer Familie beizustehen. Das war doch unsere Pflicht.
«Was jetzt?», fragte Ayden und sah mich an. «Meine Schwester verbarrikadiert sich im Gästezimmer und will nicht raus.»
Ich seufzte und blickte ihn an.
«Lassen wir ihr einfach die Zeit, die sie benötigt.»
Ayden nickte und kam auf mich zu. Ein grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Es war wie vor einigen Monaten. Darüber war ich froh. Bella würde auch darüber hinweg kommen, obwohl sie ihn noch liebte. Als ich Aydens Lippen auf meinem Hals spürte, kam ich in die Realität zurück. Leise seufzte ich auf und spürte wie er in den Kuss hinein lächelte.
«Gefällt dir. Was?», fragte er atemlos und hob mich hoch. Automatisch schlang ich meine Beine um seine Hüften. Sein verschmitztes Grinsen sah ich schon von weitem. Ayden hatte mich gegen eine Wand gedrückt und küsste mich fordernd. Ich erwiderte den Kuss und spürte die Feuchtigkeit dort unten. Ich wollte ihn hier und jetzt.
«Ayden», kam es leise von meinen Lippen, als er sich daran zu schaffen machte mich weiter zu quälen. «Bitte.»
Seine Hand streichelte zart meinen Hals. Ich klammerte mich an ihn, als wäre ich ertrunken oder hätte vor etwas Angst.
«Oh Ayden. Bitte», hauchte ich mit leiser Stimme und zog seinen Kopf zu mir herauf um ihn leidenschaftlich zu küssen. Wir liefen in das Schlafzimmer und sanft legte er mich aufs Bett. Dann schloss er die Tür und kam zu mir zurück.
«Gefällt es dir?», fragte er mit seiner verführerischsten Stimme in mein Ohr. Augenblicklich richteten sich meine Härchen auf und ich seufzte leise auf.
«Ayden», rief ich leise und beugte mich ihm entgegen.
«Lust auf ein paar Spielchen?»
Seine Stimme machte mich wahnsinnig. Wieso musste er mich nur so in den Bann ziehen? Ich spürte wie seine Hand mir das Shirt auszog und über meine Brust streichelte. Augenblicklich wurde diese hart. Natürlich konnte er es nicht lassen daran zu saugen. Das machte mich schier verrückt.
«Ayden! Bitte!», rief ich und konnte das zittern nicht unterdrücken. Wenn es so weitergehen würde, wäre ich da bevor wir uns verschmolzen hatten.
«Warte hier», sagte er leise und küsste meinen Hals. Ich seufzte leise und zufrieden auf. «Bin gleich wieder da.»
Ich schloss die Augen und hörte wie er die Tür öffnete und aus dem Raum ging. Hinter ihm hatte sich die Tür wieder geschlossen. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als sich die Tür erneut öffnete und schloss. Ich merkte, dass es Ayden war. Vorsichtig nahm er mein Handgelenk und band es an den Bettpfosten. Dasselbe machte er mit dem anderen.
Nun lag ich da. An jedem der Bettpfosten waren ein Arm und ein Bein angebunden. Bewegen konnte ich mich nicht. Die Sachen waren schon längst ausgezogen. Ich blickte auf seinen gut aussehenden Körper und sehnte mich nach ihm. Wieso machte er es nur so quälend?
«Ayden», meinte ich leise und versuchte das Stöhnen zu unterdrücken. Gelingen tat es mir nicht. Sein raues Lachen drang zu mir durch.
«Sag es», kam es von ihm und langsam wanderte er an meinem Körper auf und ab.
«Bitte», flehte ich ihn an. «Quäle mich nicht.»
Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich hart und gierig auf den Mund. Ich erwiderte den Kuss. Schließlich drang sein Stück in mich und wir verschmolzen miteinander.
......
«Man hat euch bis ins Gästezimmer gehört», sagte Bella als wir beim Abendessen am Tisch saßen. Peinlich berührt senkte ich den Blick und errötete. «Wenn das noch einmal passiert, sagt es mir damit ich mich in einem Hotel verschanzen kann. Ich möchte nicht hören wie ihr miteinander schlaft.»
«Kommt nicht mehr vor», sagte Ayden und blickte mich grinsend an. Ich nickte hastig.
«Möchtest du noch etwas essen?», fragte ich um das Gespräch auf eine andere Richtung zu lenken.
«Nein, danke. Ich bin satt.»
Bella stand auf und verließ die Küche.
«Willst du noch etwas essen?», fragte Ayden mich und blickte auf den Verlobungsring, der an meinem Finger steckte. Ich schüttelte den Kopf und fing an die Teller und Gläser in die Spülmaschine zu räumen. Ayden kam mir zur Hilfe. Danach gingen wir ins Wohnzimmer und setzten uns zu Bella auf die Couch.
«Im Fernsehen reden sie schon darüber», sagte sie leise und senkte den Blick. Tröstend legte ihr Ayden eine Hand auf die Schulter.
«Kann man leider nicht ändern.»
«Vielleicht hat er das ja wirklich verdient», meinte Bella und sah uns beide nach einander an. «Und was, wenn er für unzurechnungsfähig plädiert wird?»
«Dann wird er in eine Psychiatrie eingewiesen», sagte ich und blickte sie mitfühlend an.
«Ist das normal, dass ich ein schlechtes Gewissen deswegen habe?», wollte sie wissen und Tränen glänzten in ihren Augen. Ich nahm sie in die Arme und streichelte ihr beruhigend über den Rücken.
«Du brauchst kein schlechtes Gewissen deswegen zu haben», sagte ich leise. «Es ist nicht deine Schuld. Wenn er dies mit seinen Schwestern nicht gemacht hätte, wäre es dazu gar nicht gekommen.»
«Dann hätte er jemand anderen fertig gemacht.»
Ich schwieg. ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Mir feilen keine tröstlichen Worte ein, die sie hätten beruhigen können. Ich war einfach am Ende meiner Kräfte. Ich hoffte nur, dass Bella wieder werden würde. Sie sollte sich nicht schuldig deswegen fühlen. Es war nicht ihre Schuld.
......
(Bella Baker)
Wie schnell die Zeit doch verging. Der Prozess war in wenigen Tagen. Ich musste einfach dort hin um Melek noch einmal zu sehen, bevor sie in die Türkei fliegen würde. Vielleicht war das ja besser so. Vielleicht sollte ich ja auch nach New York und mich mit meinen Eltern absprechen. Aber ich wusste, dass sie uns nicht ins Haus lassen würden. Wie gern ich meine kleine Schwester sehen wollte. Leider war dies meinem Bruder und mir verwehrt geblieben. Doch war ich erstaunt, als ich sie sah. Nicht meine Schwester, sondern meine Mutter. Wieso war sie hier? Was suchte sie denn hier? Wollte sie sich für alles entschuldigen oder was war der Grund dafür, dass sie hier erschien? Bestimmt war es wegen dem Prozess. Das konnte nur das einzige sein. So saßen wir auf den Bänken und schauten nach vorne. Maria saß neben mir und Ayden saß auf der anderen Seite von ihr. Kurz blickte ich ihn an. Anscheinend hatte er sie auch gesehen.
«Hat der Angeklagte dem etwas hinzuzufügen?», fragte der Richter.
«Mein Mandant bleibt bei seiner Aussage», sprang der Anwalt für ihn in die Presche.
«Meine Mandantin...»
Ich hörte meiner Mutter gar nicht mehr zu. Meine Gedanken schweiften ab. Schon früher konnte sie uns nicht leiden. Sie wollten beide, dass wir mal genauso berühmte Anwälte wie sie wurden. Doch wir wollten es nicht. Mein Traum war es einmal Schriftstellerin zu werden, den ich mir vor einigen Monaten erfüllt hatte. Ayden wollte Schauspieler werden, welchen er sich früher als ich erfüllt hatte. Seitdem wir es ihnen gesagt hatten, wurden wir nicht mehr von ihnen beachtet. Sie warfen uns hochkant heraus. Wir mussten irgendwie auf eignen Beinen zu recht kommen. Wie wir dies geschafft haben, weiß ich nicht mehr. Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
«Der Angeklagte wird zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und anschließend in eine geschlossene Anstalt verwiesen!»
Der Hammer des Richters holte mich in die Wirklichkeit zurück. Ich sprang auf. Ayden zog mich wieder zurück. Ich sah Cems Blick, als er an uns vorbeigeführt wurde. Seine Augen schauten mich eiskalt an. Ich blickte beschämt zu Boden. Ayden hatte mich losgelassen und ich ging geradewegs auf Melek zu, welche ich in die Arme nahm. Den Gerichtssaal hatten wir verlassen. Melek und ich verabschiedeten uns von einander. Tränen rollten mir über die Wangen. Maria hatte Ayden etwas zugeflüstert und war dann gegangen. Nun standen wir da. Unsere Mutter blickte uns nicht einmal an. Sie redete mit den Eltern von Melek.
«Ich fasse es nicht», zischte Ayden leise.
«Da gebe ich dir recht Brüderchen.»
«Wie kann sie es wagen einfach hier aufzutauchen!»
Ich zuckte ratlos mit den Schultern. Die Eltern wandten sich von ihr ab und verschwanden. Ich blickte hinterher.
«So sieht man sich wieder.»
Unsere Mutter taxierte uns von oben bis unten.
«Was willst du hier?», fragte Ayden kühl.
«Wie ihr seht war ich die Anwältin von den Güls.»
«Schön für dich», zischte ich wütend und wandte mich von ihr ab. «Du hast dich eh einen scheiß für uns interessiert also kannst du auch gleich gehen! Wir brauchen euch nicht! Wir kommen auch so zu recht!»
Ich blickte wieder zu meiner Mutter, welche versuchte ihren Blick aufrecht zu erhalten. Gelingen tat es ihr nicht.
«Wenn du glaubst, dass wir wieder zurückkommen, dann hast du dich geschnitten! Wir leben hier und werden es auch für immer bleiben!»
«Eure Schwester vermisst euch.»
«Das kommt aber früh», fauchte ich sie an und drehte mich weg.
«Es tut mir leid», sagte sie leise. Ich lachte laut auf und schüttelte den Kopf. Ayden war in Richtung Auto gelaufen. Ich folgte ihm und ließ sie einfach stehen.
«Glaubst du ihr den Schwachsinn?», fragte ich als wir auf dem Weg zu ihnen nach Hause waren.
«Nein, das tue ich nicht. Sie will doch nur das wir zurückkommen.»
«Ich geh ganz bestimmt nicht zurück zu ihnen.»
«Da stimme ich dir zu.»
Ich lächelte leicht. Ayden parkte das Auto und wir stiegen aus.
......
(Maria Klein)
Ich hörte wie Ayden die Tür aufschloss und mit Bella hereintrat. Schnell stand ich auf und ging in die Küche um einen Kaffee für die beiden zu kochen. Wir setzten uns auf die Couch und tranken gemeinsam einen Kaffee.
«Es ist doch super gelaufen oder?», wollte Ayden wissen.
«Du hast recht», sagte ich. «Er hat es verdient.»
Bella schwieg und war in ihren eignen Gedanken versunken. Ayden nahm sich die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein.
«Der junge Schauspieler Cem Gül wurde gestern zu vier Jahren Haft verurteilt», berichtete ein Reporter.
«Schon wieder so eine Meldung?»
Bella und ich nickten. Ich nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Dann saßen wir so da und blickten ins Leere. Wir schwiegen und hingen unseren eignen Gedanken nach.
«Ich gehe ins Bett», sagte Bella und stand leicht wankend auf. Ayden nickte. Bella verschwand im Gästezimmer und wir saßen auf der Couch. Still, schweigend.
«Ayden?», fragte ich leise.
«Ja?», wollte er wissen und kam näher zu mir.
«Glaubst du, dass sie ihn in seiner Zelle besuchen geht?»
Ayden schüttelte den Kopf. «Lass uns nicht darüber reden. Lass uns stattdessen...»
Er beendete seinen Satz nicht, sonder küsste mich einfach fordernd und gierig auf den Mund.
«Du bist wie eine Droge für mich», sagte er zwischen zwei Küssen. Prompt errötete ich. Er hob meinen Kopf an und blickte mir fest in die Augen. «Ich liebe es, wenn du rot wirst.»
«Wirklich?», fragte ich ihn und setzte mich auf seinen Schoß. Wir küssten uns weiter.
«Schlafzimmer oder Wohnzimmer?», fragte er verführerisch.
«Schlafzimmer», antwortete ich ihm mit leiser Stimme. Ayden nickte und hob mich hoch. Dann liefen wir küssend ins Schlafzimmer, wo er mich aufs Bett legte und zu mir kam. Wir lagen da und küssten uns. Meine Hand krallte sich in seine Haare und zog daran. Er hatte es schon wieder geschafft mich zum Höhepunkt zu bringen, bevor wir miteinander verschmolzen. Jetzt musste ich handanlegen. Ich rollte mich unter ihm hervor und stützte mich auf seine muskulöse Brust. Fragend schaute er mich an. Langsam fuhr meine Hand zu seinem Prachtstück herunter. Er hielt inne und blickte erwartungsvoll.
Ich verteilte kleine Küsse auf seinem Oberkörper und er genoss es sichtlich. Schließlich kamen wir gemeinsam bei unserem Höhepunkt an. Wir lagen aneinander gekuschelt im Bett. Unsere Herzen rasten wild. Ayden mahlte kleine Kreise auf meinen Handrücken. Mein Kopf lag auf seiner Brust und hörte seinem wild pochenden Herzen zu. Sie schlugen fast im Gleichtakt. Seins war ein wenig schneller als meins.
«Ich liebe dich», flüsterte er mit leiser Stimme.
«Ich dich auch Ayden», antwortete ich ihm und schloss die Augen für einen winzigen Moment.
......
«Ich glaube ich sollte wieder zu mir nach Hause gehen», sagte Bella am nächsten Morgen, als ich die Küche betrat und das Frühstück vorbereitete.
«Wieso willst du gehen?», wollte ich wissen.
«Ich möchte euch bei eurem Liebesglück nicht im Wege stehen. Deswegen werde ich heute meine Sachen zusammenpacken und gehen.»
Das war eine schlichte und knappe Antwort auf meine Frage.
«Du störst doch gar nicht», sagte ich und legte die Teller auf den Tisch.
«Ich weiß aber trotzdem. Ich kann ja nicht ewig bei euch bleiben. Außerdem hat mir Ayden das Haus überlassen.»
Ich nickte. «Und was ist mit der Serie, die wir schreiben wollten?»
«Das können wir ja immer noch machen. Das erste Kapitel steht bereits. Ich werde es dir schicken. Dann kannst du dich an das zweite setzen und mir schicken.»
«Du bist dir sicher, dass du gehen möchtest?»
«Ich bin mir vollkommen sicher, Maria. Mir geht es wieder besser und ihr braucht euch um mich keine Sorgen mehr zu machen. Wirklich.»
«Morgen ihr beiden.»
Ayden betrat die Küche. Wir verstummten in unserem Gespräch.
«Morgen», rief Bella und blickte zu Boden.
«Gut geschlafen?», fragte Ayden und sah seine Schwester an.
«Ja, das habe ich. Und ihr wohl auch, nehme ich an.»
Ayden nickte und setzte sich an den Tisch. Bella hatte gegenüber von ihm platzgenommen und ich setzte mich neben Bella. Schweigend aßen wir das Frühstück. Keiner sagte etwas. Später räumte ich das Geschirr in die Spülmaschine und ging ins Gästezimmer, wo ich Bella beim Packen zusah. Als sie mich bemerkte, hielt sie inne und blickte mich an. Die Tür hatte ich hinter mir geschlossen, damit keiner das Gespräch verfolgte.
«Es tut mir leid Bella, wenn wir dich nicht...»
«Schon gut. Ich bin ja schon weg. Dann habt ihr eure Ruhe», unterbrach sie mich hastig.
«Bella. Das habe ich doch nicht so gemeint», sagte ich verzweifelt und blickte sie an. «Bitte bleib hier. Wir wollen doch nicht, dass du gehst.»
Sie schwieg und packte weiter. Die Tür öffnete sich. Ayden schaute seine Schwester fragend an. Ich stand auf und verließ das Zimmer. Wollte die beiden nicht stören. Geschwister mussten unter sich bleiben, wenn sie redeten. Dabei wollte ich nicht stören. Deshalb ließ ich mich auf den Sessel im Wohnzimmer fallen und schaute mir die Programme im Fernsehen an, doch es lief nichts Gutes. Deswegen schaltete ich ihn wieder aus und legte die Fernbedienung auf den Couchtisch. Ich schloss die Augen und machte es mir im Sessel bequem. Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf. Ich bemerkte nicht einmal wie Ayden ins Wohnzimmer trat und sich auf den gegenüberliegenden Sessel fallen ließ.
«Maria? Wo bist du denn mit deinen Gedanken?», fragte er und riss mich somit aus meinem Gedankengängen heraus. augenblicklich sprang ich auf, weil ich mich ziemlich erschrocken hatte. «Ich bin's doch nur.»
Ich setzte mich wieder auf den Sessel und atmete erst einmal in Ruhe ein.
«Sorry. War anscheinend zu sehr in Gedanken vertieft gewesen», gab ich von mir und blickte zu Boden. Ayden hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und musterte mich skeptisch.
«Das habe ich bemerkt.»
Ich nestelte mit meinen Fingern herum und blickte noch immer zu Boden, weil dieser mir in dem Moment sehr interessant zu sein schien. Außerdem musste ich den Teppich noch säubern, denn ein Fleck war zu erkennen.
«Was schaust du so auf den Boden? Ist der etwa interessant geworden?»
Ich blickte auf. «Da ist ein Fleck. Der muss weg.»
Er lachte leise. «Du bist mir ja eine.»
«Also ist Bella doch gegangen?», fragte ich schließlich und blickte in sein schönes Gesicht.
«Ja, sie ist gegangen.»
«Was hat sie gesagt?»
«Nicht viel. Sie meinte nur, dass sie dir etwas schicken wird.»
«Ach so.»
«Was schickt sie dir denn?»
«Das erste Kapitel zu unserer Buchserie, die wir gemeinsam schreiben wollen.»
«Und jeder von euch schreibt immer ein Kapitel. Richtig?»
«Blitzmerker.»
«Hey. Das nimmst du zurück.»
Lachend warf er ein Kissen nach mir, welches ich geschickt auffing und ihm zurück warf. So ging es eine ganze Weile lang, bis wir uns geschlagen gaben.
«Ich leg es ja schon weg», meinte er und legte das Kissen zur Seite.
«Wehe du wirfst», mahnte ich ihn mit bösen Blicken. Das Lachen konnte ich trotzdem nicht unterdrücken. Leider. So kam es doch noch zu einer Kissenschlacht, die ich gewann, weil ich den Anschein hatte das er mich gewinnen ließ. Das würde er noch büßen. Blitzschnell versteckte ich mich unter dem Tisch und wartete auf seine nächste Reaktion ab. Als Ayden am Tisch vorbei kam, schoss meine Hand nach vorne und packte sein Knöchel. Er zuckte zusammen. Das konnte ich sehen. Ich zog mich an seinem Bein nach draußen und warf mich auf ihn.
«Du kleines Biest», rief er und begann mich durch zu kitzeln.
«Hör auf», meinte ich lachend. «Ich bekomme keine Luft mehr. Ayden bitte hör auf.»
«Sag mir warum ich aufhören sollte dich zu kitzeln.»
«Weil du mich liebst und nicht möchtest das ich gleich an meinem eignen Lachen ersticke. Also hör bitte auf damit.»
«Und wenn ich es nicht tun werde?»
«Ich tue alles was du möchtest nur hör auf mich zu kitzeln.»
Für einen kurzen Moment konnte ich durchatmen, doch dann ging es weiter.
«Was wirst du für mich tun?»
«Alles.»
«Hm», fing er an und hörte wieder auf bis es weiter ging. «Ich werde mir was überlegen. Bleib hier. Bin gleich wieder da.»
Ich befolgte seine Befehle und blieb still auf dem Teppich liegen.
......
Ayden kam geschlagene dreißig Minuten später wieder. Er hatte ein Glas Wein in der einen Hand und in der anderen hatte er eine Packung Eis. Was hatte er damit vor? Wollte er genau dasselbe machen was Christian mit Ana bei Shades Of Grey gemacht hatte? Ich mache doch keine SM-Spielchen mit ihm. Obwohl... Ich warf den Gedanken weg. Nein, so etwas würde ich nicht machen. Nie im Leben.
«Was hast du damit vor?», fragte ich leise und blickte auf das Glas in seiner rechten Hand. Langsam schweiften meine Augen zur Packung Eis, die er in der Linken hielt.
«Das wirst du gleich sehen», meinte er und öffnete die Packung. Das Glas hatte er auf den Tisch gestellt und stocherte mit einem Löffel in dem Eis herum. Ich ahnte schlimmes auf mich zukommen.
«Du willst doch nicht», kam es von meinen Lippen. «Doch nicht was Ana und Christian»
Er grinste süffisant und nickte. Jetzt war mein Ende gekommen. Er verlangte doch nicht von mir, dass ich bei seinem SM-Abend mit dabei sein würde.
«Du hast doch gesagt, dass du alles für mich tun wirst», sagte er und kam mir näher. Das Eis begann auf dem Löffel zu schmelzen.
«Aber es war nicht die Rede von SM», sagte ich leise und wollte aufstehen, doch er drückte mich mit der freien Hand auf den Boden zurück.
«Lass den Spaß beginnen.»
......
«Hat es dir gefallen?», fragte er nachdem wir alles sauber gemacht hatten und im Bett lagen. Eigentlich sollte ich den Kopf schütteln und ihn dafür ohrfeigen, doch das tat ich nicht.
«Es war amüsant», gab ich grinsend von mir und hätte mir ohrfeigen können. Wieso fand ich SM amüsant? War ich etwa verrückt! Oder wurde mein Verlobter geradewegs zum zweiten Christian Grey? Oh je.
«Ich weiß doch, dass es dir gefallen hat. Das hat man an deinem Gesicht gemerkt, meine Liebe. Von mir aus können wir es öfter machen.»
Ich sprang aus dem Bett und schüttelte heftig den Kopf.
«Ich werde nie mehr SM-Spielchen mit dir betreiben», zischte ich wütend. «Damit du das nachts nicht mit mir machst, werde ich heute auf der Couch schlafen.»
«Ayden hör bitte auf damit. Ich tue auch alles was du willst», zitierte er mich. Wütend schaute ich ihn an und drehte mich von ihm weg. Bestimmt war dies unser aller erster Streit.
«Kommt nicht in Frage», knurrte ich bissig und knallte die Zimmertür heftig zu. Als ich es mir auf der Couch bequem gemacht hatte, schloss ich die Augen und glitt in einen traumlosen Schlaf.
......
Am nächsten Morgen wurde ich von dem Duft nach Kaffee geweckt. Müde streckte ich mich. Der Rücken tat mir weh. Ich bereute es jetzt nicht im Schlafzimmer geschlafen zu haben. Als ich in die Küche kam, war ein gedeckter Tisch vor mir. Auf ihm lag ein Zettel, welchen ich nahm und mir durchlas.
„Musste zum Set. Ist wichtig. Tut mir leid wegen gestern, mein Liebling. Ich habe dir das Frühstück schon vorbereitet. Außerdem habe ich dir schwarzen Kaffee gemacht, weil ich weiß, dass du ihn liebst. Wir sehen uns dann heute Abend. Ich liebe dich, mein Engel."
Ich grinste und legte den Zettel bei Seite. Er war einfach zu süß und wusste was ich mochte. Wie konnte man da noch böse sein. Ich nahm den Kaffee und das Brot. Dann aß ich alles auf und räumte es in die Spüle. Es klingelte an der Tür. Ich öffnete und vor mir stand Bella. Fragend schaute ich sie an.
«Lass uns weiterschreiben», sagte sie und trat ein. Ich schloss hinter ihr die Tür und begab mich mit ihr ins Wohnzimmer. Schnell holte ich meinen Mac aus unserem Schlafzimmer. Bella hatte ihren ebenfalls dabei.
«An dem Buch?», fragte ich sie.
«Woran denn sonst.»
«Weißt du schon was im dritten Kapitel vorkommen soll?»
«Dafür muss ich doch erst einmal wissen was du für das zweite geplant hast.»
Ich öffnete die Datei, die Bella mir geschickt hatte und scrollte zum zweiten Kapitel, welches mir nicht so gut gelungen war wie das erste von Bella.
«Du bist darin besser als ich», sagte ich und wollte es gerade löschen.
«Lösch es bloß nicht», meinte Bella und zog mir den Mac weg.
«Es ist aber schlecht geschrieben», schmollte ich. «Du kannst es besser.»
«Die Bücher, die du vor meinem einsteigen in die Branche geschrieben hast findest du also auch schlecht?», fragte Bella und sah mich an.
«Nein, aber ich habe einfach eine Blockade. Ich kann einfach nicht mehr schreiben. Es geht einfach nicht mehr.»
«Und warum geht es nicht mehr?»
«Ich weiß es doch auch nicht. Du musst mir helfen.»
Bella seufzte und grinste mich an. Dann sagte sie: «Dann lass uns mal loslegen.»
Ich war froh, dass sie wieder ganz die alte Bella war. Melek würde es bestimmt auch erfreuen.
«Wie willst du die Blockade von mir lösen?», fragte ich mit skeptischem Blick auf die geschriebenen Worte, die ich eigentlich vernichten wollte. Sie schwieg und stand einfach auf.
«Mein Bruder wird erst heute Abend hier sein. Richtig?»
Ich nickte. «Wieso? Was hast du vor?»
«Das wirst du dann sehen, wenn es so weit ist, meine liebe.»
......
«wie fandest du es im Dunkelrestaurant?», fragte Bella aufgeregt, als wir zu Hause ankamen.
«Das war super und spannend zugleich», antwortete ich und schaute auf den Mac.
«Und? Hast du jetzt Ideen?»
Ich nickte und grinste leicht.
«Na dann fang mal an. In der Zeit beschäftige ich mich mit einem anderen Buch. Ist das in Ordnung für dich?»
Meine Finger flogen über die Tasten. Zum Glück waren wir Frauen Multitasking fähig. Das war das einzig Gute daran.
«An welchem Buch schreibst du denn, wenn ich mal fragen darf?», fragte ich an Bella gerichtet und schrieb den nächsten Satz.
«Das wird die Fortsetzung zum ersten Teil. Von dem ersten Teil habe ich schon einmal vorgelesen. Kannst du dich daran erinnern?»
Sie schrieb mit genauer Präzision an ihren Büchern. Mein Blick glitt manchmal zu ihr, wenn sie schrieb. Das Schreiben mit zehn Fingern hatte ich mir angewohnt und schrieb sozusagen ohne auf die Tasten zu schauen.
«Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Sie wollten ja alle das du eine Fortsetzung schreibst», meinte ich. «Also wirst du deinen Fans den Wunsch wohl erfüllen was?»
Bella lachte. «Glaube schon. Das wird sie bestimmt erfreuen.»
Ich nickte. «Hast du vor sie irgendwo als Rohfassung auszulegen?»
«Ja, auf einer Plattform. Wieso fragst du? willst du das etwa auch machen?»
«Das hatte ich auch mal vor. Deswegen frage ich.»
«Ich werde sie auf Wattpad veröffentlichen.»
«Die App hatte ich auch mal. Habe sie dann aber gelöscht, weil es mir zu viel wurde.»
«Ich habe sie erst vorgestern heruntergeladen. Aber einen Account habe ich mir noch nicht erstellt», meinte sie und steckte sich. «Ich würde es gerne jetzt machen. Soll ich meinen echten Namen nehmen oder einen Künstlernamen?»
«Nimm lieber deinen echten Namen. So würden sie dich eh nicht erkennen.»
Dankend nickte sie mir zu und zückte ihr Handy.
«Lade sie dir doch auch herunter. Dann kannst du da die Rohfassung deiner neuen Bücher veröffentlichen. Außerdem können wir auch ein gemeinsames Profil machen, wo wir unsere Serien hereinstellen. Natürlich nur die unbearbeiteten Versionen. Außerdem können wir so unsere Fans auf dem Laufenden halten.»
«Das ist eine super Idee. Dann mache ich das gleich auch mal.»
Als ich dies erledigt hatte, überlegten wir einige Namen für unser gemeinsames Profil. Letztendlich einigten wir uns darauf unsere Vornamen zu nehmen. Schon bald veröffentlichten wir das erste Kapitel unserer Buchserie. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten Leser aufmerksam darauf wurden und dies lasen.
......
«Was habt ihr so gemacht?», fragte Ayden als der das Haus betrat und seine Sachen ablegte. Bella war vor einigen Minuten gegangen, weil sie noch einiges zu erledigen hatte.
«Wir haben rumgesessen und an unseren Büchern weiter gemacht.»
Ayden nickte und ging geradewegs in die Küche zu. Wahrscheinlich wollte er etwas trinken oder so. Oder er hatte einfach nur Hunger. Es konnte ja alles möglich sein.
«Und was machen wir zwei jetzt mit der restlichen Zeit?», fragte er, als ich die Küche betrat und mich auf einen Barhocker fallen ließ.
Ich zuckte mit den Achseln. «Kein SM.»
Er lachte laut auf. «Schon gut. Ich habe das eigentlich nicht gemeint, aber wenn du darauf bestehst.»
«Ayden», tadelte ich ihn.
«Ok, ok», schmollte er und senkte den Blick zu Boden. «Aber ich kann doch nichts dafür, wenn du mich wahnsinnig machst.»
«Darauf werde ich nicht eingehen», sagte ich und drehte mich auf dem Stuhl herum. Irgendwie war mir langweilig.
«Leider», seufzte er und stand auf, um herumzulaufen.
«Haben deine Kollegen dich ausgefragt?», wollte ich nach einer Weile wissen.
«Sie haben am Anfang gefragt dann nicht mehr. Wieso?»
«Dann ist doch gut. Habt ihr jetzt eigentlich eine Besetzung für ihn gefunden?»
«Nein, noch nicht. Aber bestimmt bald.»
«Wird deine Schwester nur mitmachen oder nicht?»
«Die hat abgelehnt. Willst du?»
«Du willst, dass ich bei einem deiner Filme mitmache?»
Ich sah ihn mit großen Augen an.
«Du wärst zwar nur Komparsin aber ja ich möchte, dass du dabei bist.»
Lange blickte ich ihn an. Ich rang mit mir. Sollte ich mitmachen oder sollte ich nicht?
Du solltest es tun.
Meine innere Stimme versuchte mir Mut zu machen, doch es klappte nicht.
Und wenn sie mich scheiße finden?
Als Komparse musst du nicht viel machen. Du läufst nur rum oder sitzt einfach da. Das ist alles.
Das klang ja spannend.
Du wolltest ja mitmachen und nicht ich.
Ich streckte meiner inneren Stimme die Zunge heraus und befahl ihr, dass sie sich wieder in ihr eignes Loch verziehen sollte. Zum Glück redete sie mir auch nicht mehr dazwischen. Darüber war ich froh.
«Machst du nun mit oder nicht?», fragte Ayden und riss mich aus meinen Grübeleien.
«Ok, ok. Ich mache ja mit», sagte ich und konnte sein wunderschönes Lächeln auf seinem Gesicht sehen. Er stand auf und gab mir einen Kuss auf den Mund, welchen ich erwiderte.
......
«Wann ist eure Verlobung nochmal?», fragte mich meine Mutter, als ich ans Telefon ging. Kein hallo oder guten Tag? Und kein wie geht es dir mein Kind? Nur die Frage wann denn die Verlobung sei schoss aus ihrem Mund, als ich sie begrüßte und ihr sagte wie sehr ich sie und meinen Vater vermisste.
«Die Verlobung ist nächstes Jahr oder so», gab ich von mir. «So genau wissen wir es jetzt auch nicht mehr. Eigentlich hatten wir sie für nächsten Monat geplant, doch das ging ja nicht mehr.»
«Dann nächstes Jahr im Sommer», schlug meine Mutter vor.
«Ja, das wäre eine gute Idee.»
«Wie geht es dir eigentlich, mein Kind?»
Die Frage kam echt spät.
«Mir geht es gut. Und wie geht es dir und Papa?»
«Uns geht es auch gut. Wann stellst du ihn uns mal richtig vor?»
«Wir können ja in zwei Wochen zu euch kommen, wenn du möchtest.»
«Das ist eine gute Idee. Dann bis in zwei Wochen, mein Kind.»
«Und erzähle bloß keine peinlichen Kindergeschichten von mir, wenn ich ihn mitbringe», mahnte ich sie.
«Ich werde mich bemühen», sagte sie lachend und wir verabschiedeten uns voneinander.
«Was wollte deine Mutter denn von dir?», fragte Ayden, der hinter mir stand und mich beim telefonieren beobachtete.
«Sie hat gefragt wann denn unsere Verlobung stattfinden würde», antwortete ich und drehte mich zu ihm.
«Was hast du gesagt?»
«Dass wir sie nächstes Jahr machen würden, anstatt nächsten Monat.»
«War sie sauer?»
Ich schüttelte den Kopf. «Sie will uns in zwei Wochen bei sich haben. Ich möchte dich ihnen jetzt richtig vorstellen.»
«Ich bin schon gespannt darauf.»
«Das glaube ich dir. Wann werde ich deine Eltern kennenlernen?»
Ayden gefror das Lächeln im Gesicht. Ob ich einen wunden Punkt getroffen hatte? Waren seine Eltern verstorben oder wieso reagierte er so?
Erinnerst du dich an die Frau im Gerichtssaal?
Ja, wieso fragst du? Warum fragte mich meine innere Stimme diesen Mist eigentlich.
Das ist bestimmt seine und Bellas Mutter.
«Ayden?», fragte ich vorsichtig. «Es tut mir leid.»
«Ich muss dir was erzählen. Aber dafür musst du dich hinsetzen und mir versprechen nicht gleich abzuhauen. Versprichst du mir das?»
Ich nickte. «Dann fang mal an. Ich höre.»
Ayden holte tief Luft und begann: «...Sie wollten das wir Anwälte werden genau wie sie. Ich wollte das nicht und Bella ebenfalls. Dann warfen sie uns hochkant aus der Bude. Wir mussten uns alleine durch die Welt schlagen. Irgendwie hatte uns jemand gefunden und nach Deutschland gebracht. Nun leben wir hier und ich habe es irgendwie geschafft Schauspieler zu werden. Die Frau, die du im Gerichtssaal gesehen hast, war unsere Mutter.»
«Es tut mir leid für euch», sage ich schließlich und nah ihn in meine Arme. «Ich hätte nicht nachfragen dürfen.»
«Das konntest du ja nicht wissen.»
Um ihn abzulenken gab ich ihm einen Kuss auf den Mund. Diesen erwiderte er sofort. Wir hatten uns erneut ins Schlafzimmer verdrückt um es miteinander zu tun.
Es war himmlisch gut gewesen. Nun lagen wir unter der Decke und sahen nach oben. Ich lag mit meinem Kopf auf seiner Brust und lauschte seinem schnellen Herzen.
«Sie schlagen genau gleich», sagte ich und nahm seine Hand, welche ich zu meinem Herzen führte.
«Du hast recht», meinte er mit rauer Stimme und nahm meine Hand. Diese führte er zu seinem Mund und küsste sie.
«Ayden? Ich liebe dich», flüsterte ich leise in sein Ohr und schloss die Augen.
«Ich dich auch», flüsterte er zurück. «Lass uns ganz viele Kinder machen und in der Welt herumreisen.»
Ich grinste. «Was ist mit deinem Job?»
«Das wird schon gut gehen. Ich mache dann einfach eine Pause wenn die Kinder da sind.»
«Das ist ja lieb von dir», schmunzelte ich und küsste seine Brust.
«Lass das», sagte er und spielte mit meinen Haaren. «Das macht mich ganz verrückt.»
Ich seufzte leise auf und öffnete meine Augen einen spaltbreit. Ayden war eingeschlafen und ich schoss ein Foto von ihm. Danach beobachtete ich ihn für eine Weile beim schlafen, bis mir die Augen ebenfalls zufielen und ich selbst einschlief.
......
«Ich liebe es dich beim schlafen zu beobachten», sagte er zwei Tage später am Frühstückstisch zu mir. Beschämt senkte ich den Blick auf den Teller. «Du brauchst dich nicht zu schämen, mein Lieblich. Ich werde dich bei jeder Gelegenheit beim schlafen beobachten.»
«Das glaube ich dir. Hab ich übrigens auch gemacht. Du bist einfach nur sexy wenn du schläfst.»
Er grinste mich breit an. Fragend schaute ich zu ihm hoch.
«Erfreut mich das von dir zu hören.»
Ich errötete augenblicklich bei seinen Worten.
«Wann gehen wir zu deinen Eltern?»
«In zwölf Tagen, mein Lieber», sagte ich und räumte das Besteck in die Spülmaschine. Ayden nickte und half mir dabei. Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns auf die Couch. «Bist du etwa aufgeregt?»
«Aber so was von.»
«Sie werden schon nicht beißen. Das tun sie nur, wenn sie Hunger haben.»
Ich entlockte ihm ein Grinsen.
«Das habe ich ja nochmal Glück gehabt.»
«Warum das denn? Führst du etwas im Schilde?»
«Nein, aber ich habe eine Überraschung für deine Eltern.»
«Und was für eine Überraschung hast du für sie?»
«Das wirst du ja dann sehen, wenn wir bei ihnen sind.»
«Kannst du es mir nicht einfach schon sagen?»
«Nein, kann ich leider nicht, meine Liebste. Denn das würde die ganze Überraschung verderben.»
«Ich sage es auch keinem weiter», flehte ich ihn an.
«Sorry. Ich kann es leider nicht sagen.»
«Du bist doof», schmollte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
«Das habe ich so an mir.»
«Leider.»
......
Von Bella: «Maria? Bist du da? Antworte doch mal.»
Von Maria: «Was ist passiert?»
Von Bella: «Hast du schon das neuste erfahren?»
Von Maria: «Was meinst du? Ist Cem etwa ausgebrochen?»
von Bella: «Nein, aber gut das du auf ihn kommst.»
Von Maria: «Span mich doch nicht so auf die Folter. Sag es doch einfach.»
Von Bella: «Schau es dir einfach mal an.»
Von Maria: «Ach du heilige Scheiße. Was ist das denn?»
Von Bella: «Krass oder? Das hat mir Melek geschickt. Anscheinend sind die Taten ihres Bruders aufgedeckt worden. Er bekommt jetzt noch länger Strafe.»
Von Maria: «wie lange muss er denn jetzt im Knast sitzen?»
«Zwölf Jahre plus Schmerzensgeld an seine Schwestern muss er noch dazu zahlen.»
Von Maria: «Das muss doch ein gewaltiger Schock für seine Eltern gewesen sein oder nicht?»
Von Bella: «Schon. Sie haben sich der Presse aber nicht geäußert.»
Von Maria: «Weißt du inzwischen wie es Melek geht?»
Von Bella: «Es geht. Ist zwar nicht wie vorher aber es wird schon.»
Von Maria: «Und wie gehst du mit der Situation um?»
Von Bella: «Ich versuche mich damit abzufinden. Es hätte mit ihm ja eh nichts werden können. Also muss ich wohl oder übel damit klarkommen.»
Von Maria: «Soll ich vorbeikommen?»
Von Bella: «Nein, nein. Das brauchst du nicht. Ich komme schon allein klar.»
Von Maria: «Wir sehen uns dann nächste Woche.»
Von Bella: «Dann tschüss.»
Von Maria: «bis dem nächst.»
......
«Was hast du mit ihr besprochen?», wollte Ayden wissen, als ich das Handy weglegte und mich neben ihn auf die Couch fallen ließ.
«Nicht viel. Wieso fragst du?»
«Nur so. Hast du Lust einen Film zu schauen?»
«Ja, welchen willst du sehen?»
«Weiß ich nicht. Du?»
«Ist mir vollkommen egal. Such du einen aus.»
«Wie wäre es mit einem Horrorfilm?»
«Du weißt, dass ich solche Filme nicht leiden kann.»
«Dann ein Actionfilm?»
«So was kann ich auch nicht leiden. Ich hasse das ganze schießen mit den Waffen in den Filmen.»
«Dann musst du einen aussuchen.»
«Dann schauen wir Titanic.»
«Wieso das denn? Nie im Leben schaue ich diesen Film. Nur über meine Leiche.»
«Du hast es so gewollt.»
«Aber doch nicht so einen Film. Dachte du kommst mit etwas spannenderem.»
«Dann lass uns mit verbundenen Augen einen Film aussuchen. Jeder einen. Diese schauen wir dann auch gleich hinter einander. Ist das ok?»
«Abgemacht. So machen wir es. Dann los.»
«Wer fängt an?»
«Du fängst an», sagte Ayden und stand auf um die DVDs zu holen, die wir besaßen.
«Meinetwegen», sagte ich und schloss meine Augen. Er reichte mir den Stapel und ich zog mir eine heraus.
«Och nö», schmollte er. «Nicht jetzt.»
«Welcher ist es denn?», wollte ich wissen und schlug meine Augen auf um den Film in seinen Händen zu betrachten. Dann musste ich grinsen. Ich hatte doch irgendwie geahnt, dass ich den Film Titanic aussuchen würde. «Ich kann meine Auswahl nicht rückgängig machen. Das geht nicht. Sorry. Aber wir werden diesen Film sehen. Dann bist du dran dir einen auszusuchen.»
Ayden legte die DVD in den Rekorder und drückte auf „Film starten" und einige Sekunden später begann der Film.
......
Es war klar, dass ich am Ende wieder weinen musste. Der Film ist immer wieder schön. Ich könnte ihn andauernd schauen.
«Jetzt bin ich dran», sagte Ayden und ich brachte ihm den DVD-Stapel. Er schloss die Augen und pickte sich eine DVD heraus. Ich verzog das Gesicht. Saw wollte ich eigentlich nicht schauen, aber naja. Ich tat es Ayden zu liebe. Also legte ich die DVD ein und kuschelte mich an Ayden.
«Hast du Angst?», wollte er wissen und schaute noch immer auf den Bildschirm.
«Nein, habe ich nicht aber ich mag solche Filme nicht.»
Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter und schaute gedankenverloren auf den Bildschirm.
«Hast du Angst?», fragte er erneut und ich blickte zu ihm auf.
«Nein, das habe ich dir schon einmal gesagt oder nicht?»
«Ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht eingeschlafen bist und Albträume von dem Film bekommst.»
«Das werde ich garantiert bekommen», sagte ich und gähnte laut.
«Ist da schon jemand müde?», neckte mich Ayden.
«Ich bin nicht müde, sonder habe lediglich nur Sauerstoffmangel.»
«Dann werde ich mal das Fenster öffnen.»
«Mach das. Dann ist es hier nicht mehr so warm drin. Vertreibt den Mangel an geringer Luft bestimmt.»
«Das werden wir ja sehen, wenn es erst einmal offen ist.»
Ich nickte und versuchte mich nicht bei dem widerlichen Anblick zu übergeben. Deswegen schaute ich Horrorfilme grundsätzlich nicht. Sie waren mir einfach zu blutig. Ziemlich widerlich. Sehr furchtbar. Ayden kam zu mir und setzte sich neben mich auf die Couch. Er legte mir einen Arm um die Schultern und schaute den Film weiter.
......
Wir saßen im Auto und waren auf dem Weg zu meinen Eltern. Ich war nervös und konnte es nicht verstecken.
«Warum bist du eigentlich nervös? Ich müsste es doch eigentlich sein und nicht du», fragte Ayden und blickte auf die Straße. Wenn dieser Stau so weiter gehen würde, wären wir endgültig zu spät bei meinen Eltern und das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Langsam fuhr er weiter.
«Was, wenn wir zu spät kommen?», fragte ich und wurde wahnsinnig. Wieso staute es sich hier nur so auf? Ich hasste Berlin. Es war einfach zu überfüllt hier. Warum war ich hier nur geboren? Ayden bog geradewegs auf die Geradestraße ein. Bald würden wir das kleine Anwesen meiner Eltern erreichen.
«Es ist ja nicht mehr lange, dann sind wir ja da.»
«Das dauert doch bestimmt noch eine halbe Ewigkeit», jammerte ich ihn voll.
«Sie werden uns schon nicht den Kopf abreißen, wenn wir einige Minuten zu spät kommen.»
«Du kennst sie nicht. Sie legen großen Wert auf Pünktlichkeit.»
«Wir sind ja gleich da», versuchte er mich zu beruhigen. Das Auto hielt an. Ich war erleichtert. «Steig du schon mal aus, während ich nach einem Parkplatz suche.»
«Ich warte hier auf dich», sagte ich und stieg aus dem Auto aus. Ayden kam wenige Minuten später zu mir und wir gingen gemeinsam zum Anwesen meiner Eltern. Der Garten war noch immer so gepflegt wie immer. Ayden hatte den Präsentkorb in der Hand.
«Jetzt war es so weit», meinte er. «Soll ich klingeln oder machst du es?»
«Ich mach schon.»
Dann drückte ich auf die Klingel. Ich sah Ayden von der Seite aus an. Er war nun ziemlich nervös. Sogar noch nervöser als ich.
«Jetzt bist du nervös.»
Bevor Ayden noch etwas sagen konnte, wurde die Tür von meiner Mutter geöffnet, welche mich in ihre Arme nahm und uns dann herein bat.
«Schatz! Wir haben Besuch von Maria und ihrem Verlobten», rief sie Papa zu, der bestimmt im Wohnzimmer saß und Zeitung las.
«Dann bitte sie doch ins Wohnzimmer, Liebling», meinte er. Meine Mutter nickte mir zu und ging ins Wohnzimmer. Wir folgten ihr.
«Sie müssen Ayden sein?», fragte mein Vater und beobachtete ihn kritisch. Ayden reichte ihm die Hand und stellte sich vor. «Und Sie werden mir Enkelkinder schenken?»
«Papa. Das wird noch eine Weile dauern. Aber wir sagen dir Bescheid, wenn wir welche haben.»
Ich lächelte leicht.
«Wollt ihr etwas essen?», lenkte meine Mutter geschickt von diesem Thema ab. Ayden nickte.
«Soll ich Ihnen dabei helfen, Frau Klein?»
«Nein, nein. Schon gut. Bleiben Sie ruhig sitzen.»
«Wann verloben Sie sich?», fragte mein Vater und sah uns beide an.
«Nächstes Jahr», gab ich ihm als Antwort.
«Soll ich Ihnen ein paar Fotos meiner Tochter zeigen, als sie klein war?»
«Papa, bitte lass es einfach», sagte ich. «Das ist peinlich.»
«Sie können mich ruhig duzen», sagte Ayden. Mein Vater lächelte.
Später kam meine Mutter mit dem Essen in das Wohnzimmer herein. Sie stellte uns die Teller vor die Nase und wir fingen an zu essen.
«Das war sehr lecker», sagte Ayden und schaute meine Mutter herzlich an.
«Danke schön», sagte diese und grinste mich vielsagend an.
«Wir müssen dann mal gehen», sagte ich und stand auf, um meine Eltern zu umarmen.
«Dann sehen wir uns dem nächst auf deiner Verlobungsfeier, mein Kind», meinte mein Papa und umarmte mich fest. Meine Mama umarmte mich ebenfalls. Ayden gaben sie die Hand. Wir gaben ihnen noch den Korb und verließen das Haus. Das letzte was ich hörte war, wie meine Mama zu meinem Papa sagte, dass sie uns beide ziemlich niedlich fände und dass sie sich viele Enkelkinder von uns wünschen würde. Diesen Wunsch würden wir ihnen ganz bestimmt erfüllen. Das wusste ich.
......
«Das war wundervoll mit deinen Eltern.»
«Fandest du?»
«Ja, das fand ich. Sie sind doch nicht so furchtbar wie du mir gesagt hast.»
«Sie mögen dich ja auch sehr.»
«Das habe ich auch schon bemerkt.»
«Ach wirklich? Das wusste ich nicht.»
Wir saßen auf der Couch und redeten miteinander.
«Sie haben mir eine Menge über dich erzählt», sagte er und grinste verschwörerisch.
«Und was haben sie erzählt?», wollte ich wissen.
«Du willst das bestimmt nicht wissen.»
«Da hast du recht. Sag es mir nicht. Ich will es nicht wissen.»
Ich weiß, dass du es von ihm wissen möchtest.
Ach halt die Klappe und verziehe dich dahin wo du hergekommen bist innere Stimme!
Warum denn? Ich bin doch schon da, wo ich sein sollte.
Warum kannst du nicht einfach aus meinem Kopf verschwinden? Das wäre besser. Außerdem würdest du mich nicht mehr nerven.
Ich nerve dich doch gar nicht. Außerdem weiß ich, dass du auf die SM-Abende mit Ayden stehst.
Das stimmt doch gar nicht.
Es hat dir sehr gefallen.
Ich hasse dich.
Warum sagst du ihm nicht, dass du es gerne machen möchtest?
Verzieh dich aus meinem Kopf!
«Maria? Wo bist du?»
Ayden stand vor mir und wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.
«Sorry. Ich hatte gerade einen Konflikt mit meiner...»
«Deiner inneren Stimme? Das kenne ich zu gut. Das habe ich auch öfter.»
«Da haben wir ja eine Menge gemeinsam, mein Schatz», sagte ich und küsste ihn auf den Mund.
«Du machst mich wirklich verrückt», sagte er und küsste mich hart zurück.
«Ich weiß», sagte ich seufzend und zog ihm das Shirt aus.
«So, so. Du willst es also hier mit mir treiben?»
Die Frage schwebte in der Luft herum. Ich antwortete nicht darauf, sondern küsste ihn einfach weiter.
«Dann lass uns anfangen», meinte er zwischen zwei Küssen und zog mir das T-Shirt vom Kopf. Die restlichen Sachen folgten zugleich. Auch ich hatte ihm die Hosen herunter gezogen. Nun lagen wir so da. Ohne Kleidung. Ich hoffte nur, dass uns niemand bei unserem Liebesnest stören würde. Ob ich mein Handy vorher ausschalten sollte? Jetzt konnte ich nicht mehr, denn Ayden hatte mich wieder in seinen Bann gezogen und küsste meinen ganzen Körper. Ich beugte mich ihm entgegen und wurde immer ungeduldiger.
«Bitte mach es nicht so spannend. Ich werde sonst noch irre.»
Er lachte leise und küsste mich weiter.
«Dann muss ich wohl damit zurechtkommen das du irre wirst.»
doch er erlöste mich von meinen Qualen. Nun lagen wir auf dem Teppich und sahen an die Decke. Und ich wusste, dass ich den Teppich entsorgen musste, wenn wir Besuch bekämen. Wir hatten hier schon das zweite Mal miteinander geschlafen und bestimmt waren irgendwelche Spuren zu finden. Das wollte ich verhindern. Wir mussten einen neuen Teppich kaufen. Ob ich ihm das sagen sollte? Vielleicht ging ich lieber allein in einen Teppichladen und besorgte einen fürs Wohnzimmer.
......
«Schön dich zu sehen, Bella», sagte ich und umarmte sie fest.
«Was hast du vor?», wollte sie wissen und schaute mich fragend an.
«Wir müssen einen neuen Teppich kaufen und ich brauche deine Hilfe dabei.»
«Warum das denn? Kann Ayden dir nicht dabei helfen?»
«Nein, das muss man unter Frauen erledigen.»
«Warum gehen wir eigentlich nicht ins Wohnzimmer?», fragte Bella und schaute mich von oben bis unten an. Ich wusste, dass sie die Frage stellen würde. Was sollte ich denn jetzt sagen?
Du kannst ihr auf gar keinen Fall die Wahrheit sagen. Dann würde sie schreiend davon laufen.
Ach wirklich? Das ist mir nicht aufgefallen. Das weiß ich auch. Meine innere Stimme schwieg, nachdem ich die Worte zu ihr gesagt hatte.
«Alles gut bei dir?», fragte Bella. «Wo bist du denn mit deinen Gedanken?»
«Alles super», antwortete ich. «War nur abwesend. Sorry. Lass uns jetzt einen neuen Teppich kaufen.»
«Wie du meinst. Dann lass uns los, bevor der Laden schließt.»
ich nickte. Dann zogen wir uns an und machten uns auf den Weg.
......
«Was für einen Teppich sucht ihr denn?», fragte die Verkäuferin, als wir den Laden betraten und uns hilflos umsahen.
«Einen schlichten fürs Wohnzimmer», sprang Bella für mich ein.
«Dann folgen Sie mir bitte», sagte die Frau und lief weiter. Wir kamen bei den teuren Teppichen an. Ich staunte nicht schlecht. «Wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin an der Kasse und stehe Ihnen gerne zur Verfügung.»
Wir nickten. Die Verkäuferin verschwand. Bella schaute mich fragend an.
«Welcher gefällt dir am besten?», fragte Bella und zeigte auf einen Teppich und danach auf einen anderen.»
«Ich würde am liebsten alle beide kaufen wollen», meinte ich und sah beide bewundernd an.
«Das glaube ich dir aufs Wort. Warum machst du das denn nicht?»
«Das wird doch zu teuer. Meinst du nicht?»
«Ayden wird dir das bestimmt von seiner Kreditkarte ermöglichen», sagte sie und grinste breit. Ich sah geschockt zu ihr herüber. «Doch, ich habe sie ihm aus dem Porte-Monet genommen. Und jetzt lass uns diese beiden Teppiche kaufen, bevor sie ausverkauft sind.»
Bella rief nach der Verkäuferin. Beide besprachen sich. Ich konnte nur stumm da stehen und sie dabei beobachten.
«Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag», meinte sie und wir gingen heraus.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top