1
TEIL EINS
1 (Bella Baker)
Wieder einmal musste ich meinen Bruder wecken, weil er vergessen hatte sich einen Wecker zu stellen. Das war auf die Dauer ziemlich lästig, aber was sollte ich tun. Ayden stand noch am Anfang seiner Schauspielkarriere und ich verstand ihn ziemlich gut. Dies wollte er sich nicht vermiesen. Er hatte nicht viele Rollen angeboten bekommen. Dies machte ihn ein wenig wüten. Andauernd versuchte ich ihm zu sagen, dass es schon werden würde, aber dies kaufte er mir nicht ab. Also entriss ich mich meinen Gedanken und öffnete seine Zimmertür. Es war so klar, dass er noch im Bett lag und schlief.
«Ayden!», schrie ich. «Wach verdammt nochmal auf, bevor du zu spät kommst!»
«Lass mich in Ruhe», sagte er und drehte sich um. Es konnte mir Recht sein. Aber wenn er nicht aufwachte, dann würde ich zu spät zur Buchmesse kommen. Ich war ein geladener Gast und konnte mir nicht leisten zu spät aufzutauchen. Also ging ich aus seinem Zimmer, um einen Eimer mit Wasser zu befüllen. Vielleicht würde er ja so aufstehen und sich für sein nächstes Casting vorbereiten. Man sah ihm deutlich an, dass es ihm keinen Spaß mehr machte. Leider konnte man nicht alles im Leben haben.
......
Mit einem befüllten Wassereimer marschierte ich in sein Zimmer und übergoss Ayden damit. Sofort sprang er auf.
«Was fällt dir eigentlich ein», rief er empört und ich wusste, dass ich mein Ziel nicht verfehlt hatte.
«Dein Termin», gab ich von mir und ging unberührt aus seinem Zimmer heraus, um mich anzuziehen und dann das Häuschen zu verlassen. Unseren Eltern gefiel es überhaupt nicht was wir taten. Sie hätten sich gewünscht, dass wir andere Berufe ausgeübt hätten, als Schauspieler oder Autorin zu werden. Aber es war ja nicht die Entscheidung von ihnen gewesen was wir ausübten und was nicht, sondern unsere ganz allein. Daran konnten sie nichts machen. Es war uns allein überlassen was wir machten und was nicht. Wenn sie damit nicht klar kamen, dann war das nicht mein Problem.
......
«Bist du denn mal fertig?», wollte Ayden wissen, als er heftig gegen die Badezimmertür klopfte.
Ich seufzte genervt. «Jaja. Ich mach ja schon.»
Stille trat ein, als ich aus dem Bad kam und er hineinging, um sich fertig zu machen.
«Fährst du mich zur Buchmesse?», fragte ich so unschuldig wie ich nur konnte.
«Dann geh schon mal runter», rief er mir durch die Badezimmertür zu. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich leichtfüßig die Treppen herunter ging und an seinem Auto stehen blieb. Ich sollte mir auch mal einen Führerschein zulegen. Leider war ich noch nicht dazu gekommen mir einen zu machen. Irgendwie hatte ich dies in der ganzen Aufregung vergessen. Aber ich würde ihn machen. Das wusste ich.
......
«Dann noch viel Spaß», wünschte mir mein Bruder, als er mich am Alex herausließ.
«Danke», gab ich von mir. «Holst du mich dann wieder ab?»
«Wann bist du denn fertig?», wollte er wissen und blickte mich mit solch einer Intensität an, dass ich dachte er würde mich gleich vermöbeln, wenn ich mich im Ton vergreifen würde.
«Ich kann dir einfach schreiben, wenn ich fertig bin», gab ich von mir und drehte mich in Richtung des Gebäudes. Er nickte mir zu. Ich winkte Ayden nochmal und flitzte dann los. Sehnsüchtig wurde ich schon von Renate erwartet. Sie war wie eine Mutter für mich geworden. Gemeinsam gingen wir in die Halle und ließen uns auf unsere Plätze fallen. Bald würde auch ich eine Lesung halten und die Zuschauer würden an meinen Lippen kleben. Darauf freute ich mich schon. Das Schreiben eines Romans machte mir viel Freude. Aber ich fokussierte mich eher an Fantasy, denn die anderen Genres waren nicht so für mich. Ich hatte mich im Genre Thriller versucht, es war aber kläglich gescheitert. Dies würde auch bei den anderen Kategorien der Fall sein. Fantasy war mein Spezialgebiet und das wusste Renate. Denn sie kannte mich einfach zu gut, um zu wissen was ich bringen konnte und was nicht.
......
«Welches Büchlein beginnst du nun zu bearbeiten, Bella?»
Sie sah mich fragend an. Ein leises Lachen entwich meiner Kehle.
«Das kann ich dir noch nicht verraten», gab ich von mir und blickte zu Boden.
«Dann willst du auch nicht die guten Neuigkeiten hören, die ich für dich auf Lager habe?»
Das war fies. Renate wusste genau, dass ich eine sehr neugierige Person war und es nicht leiden konnte wenn man mir etwas über mich verschwieg.
«Schieß los!», forderte ich sie auf. «Du weißt wie ich ticke.»
«Dann sag mir an welchem Buch du dich gerade aufhältst.»
«Das kann ich noch nicht.»
«Dann wirst du die Neuigkeiten auch nicht erfahren. Bella.»
«Ok, gut. Ich ergebe mich», kam es von meinen Lippen, als ich es nicht mehr aushielt. «Ich schreibe gerade daran das ich ein Mädchen in einen Vampir verliebt. Aber so gut ist es nicht. Außerdem will ich daraus eine Reihe machen.»
«Perfekt», sagte Renate und blickte sich um. Als hätte sie Angst, dass uns jemand belauschen würde. Die Worte, die sie jetzt sagte, kamen leise über ihre Lippen. «Wir nehmen dich unter Vertrag.»
Das war nicht ihr ernst. Mein Mund klappte auf. Jetzt war ich wirklich baff. Hastig sprang ich auf und umarmte sie.
«Nicht so hastig mein Kind», sprach sie. «Immer mit der Ruhe. Du wirst mir dein Manuskript zukommen lassen. Aber erst einmal werde ich dir eine Autorin vorstellen. Ihr Bereich ist auch Fantasy. Genau wie bei dir.»
Sie winkte einer Person zu, die ich aus dem Gedränge gar nicht so genau sehen konnte. Diese musste Renate erkannt haben, denn sie steuerte direkt auf uns zu. Dann blieb mir endgültig der Atem weg. Renate stellte mir Maria vor. Die Maria, die mehrere Fantasy-Bücher geschrieben hatte. Dass was ich sagen wollte, blieb mir im Hals stecken und ich dachte ich würde gleich versinken. Aber Maria lächelte leicht und gesellte sich zu uns.
«Das ist also die neue Autorin die wir aufnehmen werden?», fragte sie an Renate gerichtet. So langsam kamen meine Sinne und anderen Gefühle wider zu mir.
«Ja, das ist sie», Renate lachte, als sie dies sagte und mich dabei ansah. «Da du dich ja so gut im Fantasy-Bereich auskennst wollte ich euch vorschlagen, dass ihr gemeinsam eine Buchserie schreibt. Wie fändet ihr dies?»
«Ich weiß nicht», gab Maria zu bedenken. An ihrer Stelle hätte ich es bestimmt auch so gemacht. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mich irgendwie nicht ausstehen konnte. Vielleicht täuschte ich mich da ja auch, aber auf meine Intuition konnte ich mich nie verlassen. Das war klar. «Ich habe noch nie ein Buch von Bella gelesen.»
«Sie wird in Kürze ein Buch veröffentlichen», meinte Renate und zwinkerte mir zu. Ich nickte, obwohl ich damit nicht zufrieden war. «Aber wenn ihr es nicht wollt, kann ich es verstehen. Außerdem müsst ihr euch nicht gleich entscheiden.»
Ich nickte. Maria tat es mir gleich. Sie erhob sich und meinte, dass sie jetzt gehen müsse. Renate verabschiedete sie mit einer Umarmung. Auch ich stand auf, um zu gehen, denn ich hatte noch einiges vor. Bestimmt wartete mein Bruder schon auf mich. Ich hoffte inständig, dass er eine Rolle angeboten bekommen hatte. Das würde mich echt glücklich machen. Vor allem würde er sich wie ein Keks darüber freuen. Aber dafür liebte ich meinen Zwillingsbruder ja auch. Wie waren eins. Wir funktionierten gemeinsam viel besser als getrennt. Das war aber nicht immer so. Eigentlich ist es nicht immer so.
......
«Und?», wollte ich wissen. «Hast du eine Rolle bekommen?»
«Ja, das habe ich», meinte er und ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Ich freute mich für ihn. Ayden hatte es verdient. Genau in diesem Moment musste mein Magen angefangen zu knurren. Ayden fing an laut zu lachen und ich boxte ihm spielerisch gegen die Schulter.
«Wohin fahren wir? Das ist nicht die Richtung unseres Hauses», meinte ich und sank in den Autositz zurück.
«Lass dich doch einfach überraschen», sagte er und lenkte das Auto geschickt über die Straßen Berlins.
«Du weißt doch, dass ich neugierig bin und es nicht leiden kann, wenn man mir etwas verschweigt.»
«Tja Bella. Damit musst du jetzt leben.»
«Du bist doof.»
Ich schmollte und verschränkte meine Arme vor der Brust. Dafür konnte ich meinen Bruder echt gegen die Wand klatschen. Warum sagte er mir nicht einfach...
«Verdammt Ayden!», schrie ich panisch und wollte ihm ins Lenkrad greifen. «Pass doch mal auf wo du hinfährst.»
Mein Herz schlug mir bis zur Brust. Wie konnte er dies nur übersehen? Wenn ich ihn nicht gewarnt hätte, wäre bestimmt wer weiß was passiert. Mit zweiundzwanzig will ich auf gar keinen Fall sterben. Ich habe doch noch mein ganzes Leben vor mir. Genau wie Ayden.
«Wir sind da», riss mich mein Bruder aus meinen Gedanken. Ich schnallte mich ab und stieg aus. Was suchten wir hier? Wieso hatte er mich überhaupt hierher gebracht?
......
«Sind Sie Frau Baker?», fragte eine Frau um die fünfzig.
Ich nickte. «Wieso?»
«Hallo», sagte sie und reichte mir ihre Hand, welche ich nahm. Die Frau hatte ihre Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden und strahlte etwas aus, welches mir ein wenig unangenehm war. «Ich bin Janina Groß, aber sie können mich Janina nennen.»
Die Frau, Janina, redete einfach drauf los. Ich kam nicht einmal dazu etwas zu sagen. Ich nahm nur wahr wie mein Bruder den Raum verließ und mich mit ihr alleine ließ.
«Renate hat mir schon viel von dir erzählt. Ich würde Sie gerne einstellen und ein wenig über ihre Ansprüche reden.»
Sie legte eine Mappe auf den Tisch und zog einige Blätter heraus. Meine Augen wanderten über die Buchstaben und wäre mein Bruder jetzt hier, hätte ich ihm die Meinung gesagt. Es konnte doch nicht sein, dass er einfach meine Sachen an einen Verlag schickte ohne mich zu fragen. Ayden würde es erleben, wenn ich ihn in die Finger bekommen würde. Dieser ... Schuft. Wie konnte er nur.
«Sie haben ein gutes Händchen für das Schreiben. Wir würden Sie gerne annehmen und Ihnen einen Vertrag anbieten. Wie wäre es?»
Wenn ich so im Nachhinein darüber nachdenke, war dies eine gute Möglichkeit mein Können zu präsentieren. Also konnte ich meinem Bruder nicht böse sein. Schließlich willigte ich ein.
«Super», kam es freudig von ihren Lippen. Dann reichte Janina mir einen Vertrag, den ich mir durchlas und sogleich unterschrieb. «Dann können wir uns ja duzen, wenn Sie möchten.»
Ich nickte. Wir redeten noch eine Weile, bis ich mich aufmachte und den Raum verließ. Jetzt wusste ich auch, wieso Ayden mir die Augen verbunden hatte. Also ich aus dem Gebäude trat, blitzten mir die Buchstaben „HIMMEL" entgegen. Anscheinend war das der Name dieses Verlags. Ayden wartete schon auf mich und kam mir entgegen, als ich mich von den Buchstaben an der Tür abwandte und auf ihn zulief. Ein Lächeln hatte sich auf meinem Gesicht ausgebreitet, als ich auf ihn zukam und ihn fest an mich drückte.
«Warum so stürmisch Schwesterchen?», wollte er lachend wissen.
«Danke», ich schniefte und drückte ihn noch fester an mich. «Danke dass du mir in den Arsch getreten hast und mein Buch an den Himmel-Verlag geschickt hast. Dafür bin ich dir jede Sekunde dankbar Bruderherz.»
«Für dich tue ich doch alles.»
«Ach wirklich?»
«Ja, wieso fragst du?»
«Nur so», gab ich grinsend von mir und flitzte aufs Auto zu. Ayden kam mir hinterher und schmiss sich ans Steuer und loszufahren. Zwanzig Minuten Später kamen wir zu Hause an und ließen uns mit einer Fertigpizza aufs Sofa fallen. Der Fernseher lief im Hintergrund. Als plötzlich ein gut aussehender Mann eingeblendet wurde, schaltete Ayden ein wenig lauter.
«Der dreiundzwanzigjährige Schauspieler Cem Gül hat sich mal wieder mit einem Mann geschlagen. Er kam mit einem blauen Auge davon und muss und mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen.»
Wie krass war das denn. Solche Leute sollte man gleich wegsperren und nie mehr aus dem Knast lassen. Mein Bruder sah mich nach der Meldung an und ich sah ihm auch ins Gesicht. Plötzlich überkam uns beide ein solcher Lachanfall, sodass wir auf dem Boden lagen und uns vor Lachen kugelten. Später hatten wir uns wieder beruhigt und lagen noch immer am Boden.
......
Die Sonne schien, als ich aufstand und ins Badezimmer ging, um mich zu duschen und um mir die Zähne zu putzen. Auf gar keinen Fall wollte ich zu spät kommen. Außerdem hatte ich noch etwas vor. Melek und ich kannten uns schon seit Kindheitstagen. An ihren Bruder konnte ich mich nicht mehr erinnern, aber das war mir momentan auch egal. Gerade als ich in der Dusche war, klingelte es an der Tür. Super. Wie sollte ich denn jetzt die Tür öffnen? Raus konnte ich auf gar keinen Fall. Ob ich nach meinem Bruder rufen sollte? Erneut klingelte es. Scheiße. Ich wusste jetzt echt nicht mehr was ich tun sollte. Als es zum drittenmal klingelte, rief ich nach meinem Bruder. Endlich hörte es auf zu klingelt. Anscheinend hatte er die Tür geöffnet und die Person hereingebeten. Das Handtuch lag auf einem Wäschekorb. Ich nahm es und trocknete mir die Haare ab. Aufs föhnen hatte ich jetzt echt keine Lust mehr. Trocknen würden sie so oder so. Schnell zog ich mir meine Sachen an und lief aus dem Badezimmer. Melek erwartete mich im Wohnzimmer und umarmte mich, als ich im Türrahmen stand.
«Dein Bruder hat gesagt, dass du im Bad warst.»
«Ach? Sieht man das nicht?»
«Doch, doch. Man sieht es. Wieso hast du deine Haare nicht geföhnt?», fragte sie.
«Darauf hatte ich keine Lust», gab ich von mir und ließ mich auf das Sofa fallen. Melek nickte und sah ein wenig traurig aus. «Alles ok bei dir?»
Sie seufzte. «Willst du es wissen?»
«Schieß los, Melek!», forderte ich sie auf. «Du weißt doch, dass du mir alles erzählen kannst.»
Erneutes Seufzen von ihr. Dann begann sie stockend zu erzählen. Ihr hörte ihr aufmerksam zu.
«... Ich kann nicht bei ihm wohnen. Das macht mein Körper nicht mehr mit.»
«Von wem redest du?», fragte ich.
«Von meinem Bruder, Bella. Hast du nicht zugehört?»
Ihre Stimme klang gebrechlich.
«Was hat er denn angestellt?», fragte ich und streichelte ihr über den Rücken.
«Eine Menge», meinte sie seufzend und rieb sich übers Gesicht. Genau als ich etwas sagen wollte, klopfte es so heftig an der Tür dass ich dachte, sie würde gleich aus den Angeln geklopft werden, wenn der Typ so weiter machte. Neben mir zuckte Melek so heftig zusammen. Ihr Gesicht nahm eine weiße Farbe an und mit fahrigen Bewegungen suchte sie ihre Sachen zusammen. Erst verstand ich nicht.
«Bella! Machst du die Tür auf», rief mein Bruder. Kaum merklich schüttelte Melek den Kopf. Ich stand auf und öffnete.
......
«Wo ist sie?», fragte er wütend und schob mich grob zur Seite, damit er eintreten konnte. Verdammte scheiße. So aggressiv hatte ich ihn nicht mehr in Erinnerung. Außerdem hatte er sich total verändert. «Wo ist sie du blöde Schlampe!»
Ich zuckte zusammen, ließ mir aber nichts anmerken. Sein Gesicht war gezeichnet von Wut und Zorn. Warum schrie er so und wieso wollte er wissen, wo Melek war?
«Wo? Ist? Sie?»
Seine Stimme durchschnitt die Stille. Er klang nun noch wütender und ich bekam Angst vor ihm. Plötzlich tauchte mein Bruder wie aus dem Nichts auf und stellte sich vor mich.
«Lass meine Schwester in Ruhe!», brüllte er und erhob die Hand gegen ihn. Das Zittern, welches durch meinen Körper ging, konnte ich nun nicht mehr unterdrücken. Ayden bemerkte dies und kam ihm bedrohlich näher.
«Wo ist Melek?», fragte Cem und kam ihm ebenfalls näher. In diesem Moment hoffte ich, dass sie sich nicht die Köpfe einschlugen.
«Nicht hier», zischte Ayden wütend. «Jetzt verpiss dich Cem!»
Der Schlag, den mein Bruder von ihm kassiert bekommen hatte, kam so plötzlich das ich aufschrie und an seinem Arm zog. Ayden wehrte mich ab und deutete in die Richtung meines Zimmers. Ich konnte ihn doch nicht einfach allein lassen. Das ging nicht. Sollte ich die Polizei rufen, wenn ich kurz in mein Zimmer ging und dies tat? Nur schwer konnte ich mich überwinden die beiden Männer allein zu lassen, um kurz die Polizei zu rufen.
......
Melek saß auf meinem Bett und schaute mich an, als ich das Zimmer betrat und die Tür hinter mir schloss. Mein Handy hatte ich in der Hand und wählte die Nummer der Polizei. Ich war so sehr in Gedanken vertieft dass nicht bemerkte, wie jemand ran ging und etwas sagte.
«Hallo? Ist da wer?», fragte eine Männerstimme und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen.
«Bitte kommen Sie zur Löwenstraße 6. Schnell. Es ist wichtig. Prügelei. Mein Bruder. Der Bruder einer Freundin. Hilfe.»
«Bitte beruhigen Sie sich. Wie heißen Sie und wo genau ist die Straße?», wollte er wissen.
«Mein Name ist Bella Baker und ich wohne mit meinem Bruder in der Löwenstraße 6», fing ich an ihm zu berichten.
«Gut. Wer schlägt sich?», fragte er.
«Mein Bruder prügelt sich mit dem Bruder einer Freundin von mir, die sich auch im Moment neben mir befindet. Bitte kommen Sie vorbei und trennen die beiden von einander.»
Wenn dies ein Scherz gewesen wäre, hätte ich laut aufgelacht. Aber das war nicht so. Verdammte scheiße. Ich fühlte mich machtlos und auch gleichzeitig hilflos. Ich konnte meinem Bruder nicht zur Seite stehen.
«Ich schicke Ihnen einige Kollegen, die diesen Fall übernehmen werden», sagte er. Ich bedankte mich und legte dann auf. Ich hoffte, dass die Polizei schnell da sein würde.
......
«Polizei! Aufmachen!»
Ich rannte aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Aus dem Augenwinkel konnte ich wahrnehmen, wie sich Cem und Ayden noch immer prügelten. Die Worte, die sie sich an die Köpfe warfen, verstand man deutlich. Als ich die Tür aufriss und die Polizisten an mir vorbeistürmten, war ich erleichtert. Sofort wurden beide getrennt und ihnen wurden Handschellen angelegt.
«Oh Gott. Ayden!», schrie ich und rannte auf ihn zu. Noch immer hatte ihn der Polizist gepackt und versuchte ihn zu beruhigen.
«Was ist hier eigentlich los?», fragte der Polizist, welcher Ayden festhielt. Ayden hatte eine aufgeplatzte Lippe und ein blaues Auge. Cem blutete aus der Nase und hatte ebenfalls ein blaues Auge und eine aufgeplatzte Lippe.
«Du Hurensohn!», schrie er und trat dem Polizisten gegen das Schienbein. Dieser reagierte sofort und warf ihn zu Boden. Ihm wurden die Handschellen angelegt. «Ich bring dich um du Arschloch!»
Angst überkam mich. Mein Atem ging schnell und das Herz schlug mir bis zur Brust. Dann geschah alles auf einmal. Meine Zimmertür öffnete sich, Cem versuchte sich aus dem festen Griff des Polizisten zu winden, der ihn mit Handschellen fixiert hatte, um auf seine Schwester zuzugehen, die am Türrahmen lehnte und alles beobachtete.
«Kann ich Sie loslassen ohne dass Sie jemanden verletzen?», fragte der Polizist, der meinen Bruder festhielt. Dieser nickte nur. Sofort eilte der Polizist auf seinen Kollegen zu, um ihm zu helfen. Ayden kam zu mir und drückte mich an sich. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir Tränen das Gesicht herunter gelaufen waren. Bemerken tat ich es erst, als ich die Nässe auf meinem Gesicht spürte.
«Ich rufe Verstärkung», meinte der Polizist und kam auf uns zu. Der andere hielt noch immer Cem im Griff.
......
«Sie können ruhig sagen was passiert ist», sagte die Polizistin und ging auf Melek zu, die nun am ganzen Körper zitterte und versuchte ihre Beherrschung wieder zu erlangen. «Ihr Bruder wird Ihnen nichts mehr anhaben können.»
«Ich kann nicht», meinte Melek und verbarg ihr Gesicht zwischen ihren Händen. «Er wird immer weiter machen. Ich kann ihn nicht aufhalten.»
«Womit wird er weitermachen, Frau Gül?»
«Mit allem.»
«Wir können eine einstweilige Verfügung gegen ihn einrichten», sagte die Polizistin.
«Das wird nichts bringen», meinte Melek und wich vor ihr zurück. Ich konnte einfach nichts sagen. Konnte mich nicht dazu aufraffen etwas zu sagen. Es klappte einfach nicht. Mein Mund war wie zugeklebt.
«Wenn Sie etwas brauchen oder Ihr Bruder so etwas noch einmal mit Ihnen macht, dann können Sie sich auch an uns wenden», sagte sie und gab ihr eine Visitenkarte mit ihrer Nummer und der E-Mail-Adresse, die auf ihr standen. Melek nahm sie und steckte sie in ihre Hosentasche.
«Vielen Dank», meinte Melek und senkte den Blick.
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