Crossover: #4
‡Hel‡
"Also los, verschwindet."
In einem schlechten Film wäre das jetzt die Stelle gewesen, wo die Protagonistin dem besten Freund, der immer für sie da war, es aber irgendwie nie aus der Friendzone raus geschafft hat, ihre unsterbliche Liebe gesteht, sie sich küssen, die Bösen besiegen und alles super wird. Aber wir waren nicht in einem schlechten Film. Und ich hatte Steve schon geküsst. Er war, was das anging, ein bisschen unsicher unterwegs. Nicht, dass ich schon großartig Erfahrung im Küssen gehabt hätte... Und Steve schmeckte nach Gras und Zigaretten. Also auch nichts das, was man sich unter dem Knutsch-Moment in einem Liebesfilm vorstellt. Und das alles gut werden würde, hatte ich mir in dem Moment abgeschminkt, in dem ich auf dem Bürgersteig mit dem Ankh auf der Brust aufgewacht war. Also blieb mir nur noch zu tun, was er sagte und zu hoffen, dass er nicht drauf ging. Denn das würde ich mir nie verzeihen. Obwohl die Chancen, dass Steve am Leben blieb, eher schlecht standen, in Anbetracht der Gestalten auf der Straße, an denen Brees Feuerbälle abgeprallt waren als wären es Schaumstoffgeschosse.
Aus meinen Gedanken riss mich schließlich Casey, der mich am Arm packte und die Treppe hinab zur U-Bahn zog. Widerwillig setzte ich also meine Beine in Bewegung und stolperte mehr, als dass ich ging, die grauen Stufen hinab in den Untergrund.
Bree, die vor Casey und mir ging, hatte eine winzige Flamme auf ihrer Hand entzündet, offenbar in der Erwartung, auf Dunkelheit oder Feinde zu stoßen. Oder Feinde in der Dunkelheit, je nachdem. Doch anstatt Ammit oder anderen Monstern, fanden wir, am Ende der Treppe angekommen, nur eine verlassene U-Bahn-Station vor. Das Licht an der Decke brannte noch und ein paar Waggons standen menschenleer vor der Haltestelle, mit geöffneten Türen und einigen zurück gelassenen Gegenständen. Der Boden hier war staubig, der sanfte Wind, der durch die Tunnel und von draußen herein wehte, wirbelte ein paar Flugblätter durch die Luft und die Leere jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Es war unheimlich an einem Ort zu sein, der in dieser Stadt und auch schon zu dieser Uhrzeit von Menschen erfüllt hätte sein müssen.
Die Flamme auf Brees Hand erlosch und der Vampir rechts neben mir ließ langsam meine Hand los und musterte mit seinen roten, hinter der Sonnenbrille verborgenen Augen die beunruhigend stille Umgebung.
"Was ist das?", wisperte Bree und sah sich um. "Wo sind die Leute?" Ich schüttelte den Kopf, ich hatte genauso wenig Ahnung wie sie.
"Magie", murmelte Casey und nahm seine Sonnenbrille ab, während er auf die leeren U-Bahn Waggons zuging. "Ich habe keine Ahnung, was für eine Magie, wie sie funktioniert oder was genau sie anrichtet, aber es ist Magie." Vorsichtig tastete er die Außenwände eines Waggons ab, warf einen Blick durch die Fenster hinein und und rümpfte dann ganz plötzlich die Nase. Verwirrt sahen Bree und ich ihn an. Was tat er da?
Casey atmete mehrmals hintereinander ein, schnupperte. Dieses Schnuppern und seine raubtierhafte Gangart, machten ihn in meinen Gedanken zu dem blutdrünstigen Killer, der er tatsächlich sein konnte und augenblicklich stellten sich meine Härchen wieder auf.
Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an noch mehr Blut und Tod zu vertreiben und konzentrierte mich auf Casey, der nun hinter den Waggons auf die Schienen sprang, dem Anschein nach einem Geruch folgend.
"Hey Blutsauger, was machst du da?", wollte Bree wissen, kletterte zu ihm auf die Schienen und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Du spürst es doch auch, oder nicht?", flüsterte der Vampir. "Das hier etwas faul ist? Ja." Casey schnaubte. "Das meine ich nicht."
Ich hatte eine ungute Vorahnung, was er meinte.
"Lass mich raten: Wir müssen jetzt den gruseligen, dunklen U-Bahn Tunnel entlang gehen, bis wie auf das gruselige Monster treffen, das unsere Herzen fressen will", gab ich zerknirscht von mir. Der Vampir grinste mich an. "Nur die Herzen der Sünder, Hel, das weißt du doch." Ich schnaubte und trat an den Rand des Bahnsteiges. "Dann müsstest du doch als erstes um dein Herz fürchten, oder nicht?", stichelte ich. Das Grinsen auf Caseys Gesicht wurde noch breiter und seine spitzen, weißen Zähne blitzten mir herausfordernd entgegen. "Falls Monstergöttinnen auf untote Herzen stehen." "Ach stimmt ja", nuschelte ich und sprang zu Bree und Casey auf die Schienen. "Du riechst ja nicht nur wie ne Leiche, du bist ja auch eine." "Freundlich wie immer", lächelte Casey und deutete dann in die Finsternis des U-Bahn Tunnels. "Also... Wer geht vor? Wie wär's mit dir, Johnny Storm?"
Bree spuckte aus und gab ein kaum verständliches Knurren von sich, das vermutlich eine Beleidigung war, sich aber nur schwerlich als solche zu identifizieren ließ.
Ich räusperte mich leise. "Die Nerd-Witze sind mein Ding." Der Vampir lachte. "Kommt jetzt... Es stinkt hier nach Herzen fressender Monstergöttin." "Na da bin ich aber beruhigt", meinte Bree mit vor Sarkasmus triefender Stimme und eine Flamme loderte auf ihrer rechten Handfleche empor. "Also kommt, Pfadfinder, folgt mir."
Der Schein der Flamme sorgte für ein unheimliches Schattenspiel, als er auf die dunklen Wände des Tunnels traf, doch ich war froh, dass wir Bree dabei hatten. Ohne sie, wäre ich in der Dunkelheit verloren gewesen. Casey vermutlich weniger, denn immerhin war er eine Kreatur der Nacht, aber ich war ohne das rettende Licht völlig schutz- und orientierungslos. Und das gefiel mir ganz und gar nicht.
"Also", begann ich, um die unangenehm bedrückende Stille, die hier unten herrschte, zu durchbrechen. "Wonach riecht Ammit?" Wir folgten den Schienen, die leicht nach rechts abbogen und die Flammen vollführten flackernde Tänze an den Wänden. Es war schön und furchterregend zugleich.
"Nach Leichen und Blut und Tod und einer widerlichen Mischung aus Reptil, Katze und noch etwas... Wie ein schlecht geführter Zoo." "Lecker", kommentierte ich und betrachtete die Schienen, die sich plötzlich spalteten und in zwei verschiedene Richtungen fortführten.
"Wo müssen wir lang?", fragte ich Bree, die mit ihrem Feuer auf der Hand direkt neben mir stand. Der Vampir hingegen war schon vorgegangen und hatte den rechten Tunnel gewählt. Er war es, der mir nun eine Antwort gab.
"Ich würde sagen... Hier lang", sein Tonfall vermittelte Schock und Casey konnte das Zittern in seiner Stimme nicht vollständig verbergen. Vielleicht hatte er ja doch Angst, dass Ammit sein Herz fraß...
Schnell setzte ich mich in Bewegung und stand nur wenige Sekunden später direkt neben Casey, der etwas anstarrte, das meinen Augen durch die vorherrschende Dunkelheit verborgen blieb. Erst als Bree sich näherte und die schmutzigen, mit Graffiti bedeckten Wände beleuchtete, erkannte ich, was der Vampir da betrachtet hatte.
Ein Loch. An die drei Meter hoch und mindestens genauso breit. Etwas sehr Großes und sehr Starkes musste mit voller Wucht durch die Backsteine geprescht sein. Also gab es wohl keine Tunnel in Ammit-Größe. Gut zu wissen.
"Da hinter ist die Kanalisation, oder?", murmelte ich und sog den widerlichen Gestank ein, der mir aus dem Loch in der Wand entgegen wehte. "Ja", antwortete Casey. "Eine Bestie, die zum Teil Krokodil ist, fühlt sich in den Abwässern bestimmt pudelwohl." "Na super", knurrte Bree. "Ich wate nicht durch die Scheiße anderer Leute." Der Vampir lachte leise. "Das ist unsere geringste Sorge." Ich hob eine Augenbraue. "Warum?" "Ich hab Geschichten gehört", erklärte Casey. "In der Kanalisation von New York treiben sich viele Dinge herum. Dinge, die dort nicht unbedingt hingehören. Und wer weiß, auf wessen Seite sie stehen..."
Die Flamme auf Brees Hand loderte auf und in ihrer Stimme schwang Zorn mit, als sie sprach. "Soll heißen, wir stecken nicht nur buchstäblich in der Scheiße, sondern da unten lauern auch noch andere Viecher als Ammit?!" Der Vampir nickte, warf dem Loch in der Wand noch einen misstrauischen Blick zu uns sah uns dann erwartungsvoll an.
"Na schön... Wer will zuerst?"
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