Crossover: #3

NATH

"Ich dachte du seist… größer.", meinte Hel nach einigen Sekunden unangenehmer Stille. Ich unterdrückte ein Lachen und nahm einen Bissen von der Waffel, die mir Bree, die Feuermagierin, spendiert hatte. "Größer?", hakte ich nach. "Ich meine Isis hat so einen Wirbel um dich gemacht. 'Luzifers Sohn, der sich Leviathan entgegen stellt'. Und kaum war das vorüber, hat man nichts mehr von dir gehört. Wie ein strahlender Held, der verschwindet sobald seine Pflicht getan ist. Stattdessen siehst du aus wie… ein versoffener Student, der dringend seinen Lebensstil ändern sollte." Auf dem Stuhl neben mir prustete Nero leise los, wobei ihm Irish Coffee aus den Nasenlöchern schoss. Seit gut einer halben Stunde saßen wir nun in diesem Café, wo mich Hel mit Fragen gelöchert hatte, während die Feuermagierin dreinschaute, als wolle sie es nicht nur bei dieser Metapher belassen. Ammit schien eine echte Bedrohung zu sein, und da ich nicht davon ausging, dass dieser zusammengewürfelte Trupp sich zurück halten würde, hatte ich schweren Herzens erzählt, wer und was ich war. Die verschiedenfarbigen Augen von Steve, dem Kiffer, waren zu Schlitzen geworden und er musterte mich immer noch eindringlich, ebenso wie Bree und Casey, die mir die Sache in der Gasse wohl noch nicht vergeben hatten. Nero hingegen schielte rüber zum Teller des Vampirs, auf dem sich Würstchen und Speck stapelten. Casey aß zwar nichts, aber die Bedienung war ziemlich aufdringlich gewesen, bis er schließlich auch etwas bestellt hatte. "Hey, Blutsauger. Schieb mal deinen Teller rüber." Der Vampir bleckte kurz die Zähne, während ich einen großen Schluck Kaffee trank, um mein Grinsen zu verbergen. "Nenn mich noch mal so, Fellknäuel und ich gebe dich im nächsten Tierheim ab." Nun war Nero daran die Zähne zu blecken, als er knurrte: "Pass auf was du sagst. Ich habe Zugriff auf Betäubungsmittel." Ein tiefes Seufzen entwich mir. "Er meint mich.", erklärte ich. "Den Spruch bringt er seit fast drei Wochen." Hel kicherte, was etwas untypisch für sie wirkte und auch Bree konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Lediglich Steve starrte mich immer noch an. Casey verzog die Lippen missmutig und sagte: "Leute, die Sonne geht in etwas mehr als einer Stunde auf, also entweder brechen wir bald mal auf, oder ihr geht ohne mich und ich schnappe mir eine Kellnerin." Ich konnte mir schon denken, was er damit meinte, also schob ich meinen Teller von mir weg, trank meinen Kaffee aus und stand auf, wobei ich mir meine Umhängetache über die Schulter schwang. "Bree zahlt.", meinte ich grinsend, während ich nach meinen Zigaretten kramte. Missmutig kramte die Magierin nach ihrer Geldbörse, ließ einen Schein auf den Tisch fallen und folgte uns nach draußen. "Wir sollten zurück zu dieser Gasse.", sagte ich und zündete mir eine Kippe an. "Wieso?", fragte Hel verwirrt. "Um nach Spuren zu suchen.", antwortete Nero. "Ammit jagt Menschen und futtert Herzen. Das fällt irgenwann auf und glaub mir, die wenigsten Menschen kommen mit so einem Scheiß klar." Hel lachte bitter. "Kam ich auch nicht, aber man muss sich damit abfinden." Ich konnte mir gut vorstellen, was sie damit meinte und ich beschloss, vor meiner Abreise noch mal mit ihr zu reden. Mit großen Schritten ging ich voran, die ganze Sache stank bis zum Himmel, eine wilde Göttin wie Ammit würde sich von einer Großstadt normalerweise fern halten, also musste sie jemand hergebracht haben. Wir waren nur wenige Meter weit gekommen, als Bree zu mir aufholte. "Könnte ich auch eine haben?", fragte sie und deutete auf die Zigarette in meiner Hand. Als sie den Glimmstängel mit einem Fingerschnippen angezündet hatte, nahm sie einen tiefen Zug und musterte mich fast schon nervös. "Darf ich dich etwas fragen?", murmelte sie schließlich. "SOL. Du meintest vorhin, dass sie viele deiner Freunde getötet haben und du dich dafür... gerächt hast." Ich nickte knapp. "Du sagtest, du seist ziemlich gründlich gewesen, hättest ihr Hauptquatier zerstört und die Organisation sei zerfallen." Wieder nickte ich. "SOL war schon lange nicht mehr so mächtig wie einst. Ich habe in der… in den letzten zwei Monaten ein wenig nachgeforscht. Fast ein Jahrzehnt lang waren die Oberhäupter beeinflusst worden, SOL war bereits dabei zu zerfallen, ich habe ihnen lediglich den Gnadenstoß verpasst. Es dürfte nur noch eine Handvoll Jäger geben, vermutlich haben sie sich in den Vatikan zurück gezogen." Bree sah mich aus großen Augen an, ich spürte einen tiefen Schmerz, den sie tief in sich vergraben hatte. Auch sie hatte jemanden durch SOL verloren. "Also ist SOL… vernichtet?" "Ja", erwiderte ich. "Und ich glaube kaum, dass sie sich jemals davon erholen werden." Die Magierin schwieg einige Sekunden lang, dann flüsterte sie: "Danke." Überrascht sah ich sie an. "Hast du dich gerade ernsthaft bedankt?" Bree warf einen kurzen Blick nach hinten, um sich zu vergewissern, dass ihre Freunde nichts mitbekommen hatten, dann zischte sie: "Wehe du sagst den anderen etwas! Ich habe mich immer noch nicht entschieden, ob ich dich flach-, oder umlegen soll." Nero wollte irgendwas einwerfen, aber mit einem warnenden Blick brachte ich ihn zum Schweigen. "Wir sind da.", sagte ich und betrachtete die beiden Polizeiautos und den schwarzen Van, die vor der Gasse parkten. "Überlass das einfach mir.", fügte ich hinzu, als Steve sich zwischen zwei Autos durchquetschen wollte. "Ich kann recht überzeugend sein.", meinte er grinsend, doch abermals hielt ich ihn zurück. Ich zupfte meinen Mantel zurecht, trommelte ein wenig auf meiner Umhängetasche herum und näherte mich mit selbstbewussten Schritten den Beamten, die den Bereich bereits mit schwarz-gelbem Band abgesperrt hatten. "Entschuldigen Sie.", setzte ich an und tauchte in den Strom der Magie ein. "Meine Freunde und ich sind Reporter für eine Schülerzeitung. Wir sollen über den Mord hier berichten, also wären sie so freundlich ihre Kollegen zurück zu pfeifen und uns durchzulassen? Wir brauchen nur etwa zwanzig Minuten und an der nächsten Straßenecke ist ein Dunkin Donuts." Im Normalfall hätten die Polizisten gelacht oder mich einweisen lassen, aber da ich gleichzeitig einen ziemlich starken Zauber gewirkt hatte, wurden ihre Augen glasig und kurz darauf winken sie ihre Kollegen zu sich und liefen etwas tapsig in Richtung des Restaurants. Ich hob das schwarz-gelbe Band an, gab den anderen ein Zeichen und sie eilten herbei, wobei Steve, der in seiner Tasche kramte, das Schlusslicht bildete. "Das war gar nicht mal so übel.", gab Casey zu. "Den Trick musst du mir beibringen." "Schritt eins: Luzifer hätte deine Mutter flachlegen sollen.", antwortete Nero an meiner Stelle und begann an der Leiche zu schnuppern. "Hey, Nath. Das Herz fehlt. Außerdem riecht das ganze ziemlich… komisch." Hel war ein wenig grün um die Nasenspitze und auch Bree schien der halbe, zerfetzte Leichnam Unbehagen zu bereiten. Steve und Casey schien das kalt zu lassen und ich sah nun, wonach der junge Mann eben noch gesucht hatte. Während der neugierig und aufmerksam die Leiche musterte, drehte er mit beeindruckender Leichtigkeit einen Joint, steckte ihn sich ihn den Mundwinkel und zündete ihn mit einem Einwegfeuerzeug an. "Also immerhin kann ihm niemand mehr das Herz brechen.", kommentierte Steve trocken, nahm einen tiefen Zug und blies den süßlich-beißenden Rauch in meine Richtung. "Auch einen Zug?", fragte er anschließend und hielt mir den Joint hin. Schulterzuckend nahm ich ebenfalls einen Zug, in der Hölle hatte ich schlimmeres geraucht. "Darf ich auch mal?", fragte Nero und stubste mich an. "So einen Kater muss ich mir auch zulegen.", meinte Steve lachend. "Ernsthaft?!", kam es von Hel. "Der Kater redet nicht nur, er säuft und kifft auch noch? Und überhaupt, wir versuchen hier eine durchgeknallte Göttin zu finden und ihr raucht erst mal einen Joint?" "Entspann dich.", erwiderte ich und kniete mich neben die Leiche. "Es geht ja nur um eine magische Spur, dass ist wie bei Brotkrumen. Nur dass keine Vögel sie essen können. Oder der Wind sie verwehen kann… Weißt du was, eigentlich ist es eher wie ein Drahtseil. Wie auch immer, das lässt sich mühelos nachverfolgen." Ich schloss meine Augen, legte eine Hand auf den Boden und konzentrierte mich. Ich brauchte nur wenige Sekunden, dann spürte ich die Überbleibsel von Ammits Aura. "Da lang.", sagte ich, zeigte auf das Ende der Gasse und stand auf. Mühelos sprang ich über den zwei Meter hohen Zaun und mit einem eleganten Satz folgte Nero mir. Bree kletterte geübt drüber und kurz darauf auch Steve, immer noch mit dem Joint im Mundwinkel. "Ähm, Leute?", ertönte Hels Stimme von der anderen Seite, dicht gefolgt von einem leisen Seufzen von Casey. Einen Augenblick später sprang der Vampir über den Zaun, die Unsterbliche wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter geworfen. Sie protestierte und warf dem Vampir einen angepissten Blick zu, als dieser sie wieder absetzte. Ich wandte mich wieder um und ging weiter. "Kommt schon. Hier stimmt etwas nicht." Ammit war Richtung Manhattan verschwunden, aber während die ganze Stadt von Leben erfüllt war, waren die Straßen vor uns wie ausgestorben. Wir liefen gut zwanzig Minuten kreuz und quer durch die Straßen New Yorks, ehe wir vor einer Treppe standen, die hinabführte zur U-Bahn. Erneut legte ich eine Hand auf den Boden und mir wurde klar, was mir so merkwürdig vorgekommen war. Alarmiert sah ich mich um, während die anderen mir fragende Blicke zuwarfen. "Das war nicht nur Ammits Spur.", murmelte ich und schob meine Hand langsam in Richtung Gladys. "Wie meinst du das?", fragte Hel, während Bree ihre Hände in Flammen aufgehen ließ und Steve eine Pistole zog. "Ammit war nicht alleine. Und wir sind es auch nicht." Ein helles Lachen erklang. "Der Herr der Wüsten hat nicht zu viel versprochen. Ein mächtiges und schlaues Bürschchen, wenn du Leviathan bezwingen konntest. Wäre deine bloße Existenz nicht ein solches Schandmal, wäre dir ein Platz in unseren Hallen gewiss." Drei Gestalten kamen um die Ecke, in graue Kutten gekleidet und die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Dennoch spürte ich, dass sie eindeutig weiblich und eindeutig nicht menschlich waren. Die vorderste hob einen Arm, eine schlanke Hand schob sich durch den Stoff und malte eine Rune in die Luft. Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Weiße Lichter funkelten über den vermummten Frauen auf, materialisierten sich zu einem Dutzend Speeren und schossen auf uns zu. Im selben Moment schleuderte ich Hel und die anderen mit einem Windstoß beiseite und wurde von drei der Speere durchbohrt und an eine Hauswand genagelt. Ich hörte Bree aufkeuchen und einen Feuerball auf unsere Gegner schleudern und sah aus dem Augenwinkel, wie Casey vorschoss, um anzugreifen. Er streckte gerade seine Hand nach der Kehle der einen aus, als diese einen Schritt zurück machte. In ihrer Hand erschien ein hölzerner Rundschild mit Buckel, auf dem ein Tier mit einer langen, gebogenen Schnauze und aufrecht stehenden, oben eckig beschnittenen Ohren zu sehen war. Den Bruchteil einer Sekunde später rammte die Gestalt dem Vampir den Schild mit voller Wucht gegen den Schädel, woraufhin Casey zu Boden ging und ein gutes Stück zurück rutschte und blockte den Feuerball ab, der einfach verpuffte. "Jetzt reicht es!", knurrte ich und mein eigener Speer erschien nun in meiner Hand. "Ich habe einen ziemlich engen Zeitplan." Der Speer verkürzte sich und mit einer fließenden Bewegung durchtrennte ich die Schäfte der Speere. Die anderen blickten mich fassungslos an. "Bist du… unsterblich?", fragte Hel. "Nicht ganz.", erwiderte ich und ließ mein Schwert kreisen. "Aber noch immer ziemlich nah dran. Wie wäre es wenn ihr schon mal vorgeht, ich kümmere mich um unsere neuen Freunde. Der Vampir sollte sie dort unten wittern können." Hel schien einen Moment zu zögern, doch dann warf sie einen Blick auf mein Schwert und die bereits verheilten Wunden und griff nach Steves Arm. Dieser schüttelte den Kopf, zog einen der Speere aus dem Boden und stellte sich neben mich. "Schnapp dir Bree und Casey.", sagte er. "Und verpass Ammit eine Kugel von mir." "Spinnst Du, Peters?", rief die Pyrokinetikerin, die einen Feuerball nach dem anderem schleuderte, auch wenn es wohl wirkungsvoller gewesen wäre mit Wattebäuschen zu werfen. "Was willst du denn schon groß ausrichten?" Steve lächelte grimmig und antwortete: "Mehr als du denkst. Glaub mir, mit denen werden wir schon fertig. Außerdem sollte jemand den Satansbraten hier beaufsichtigen, sonst zerstört er nur wieder irgendwas. Und Unschuldige wie Mike müssen sterben. Also los, verschwindet." Die drei warfen uns  einen langen Blick zu, doch als die drei Gestalten näher kamen, nickten sie und rannten die Treppe hinunter. "Also gut, Nathaniel Black.", sagte Steve mit einem breiten Grinsen und ließ seinen Joint fallen. "Dann lass mal sehen, ob die Geschichten über dich stimmen." Die Vermummten blieben nun stehen, alle drei trugen sie nun Schilde, doch während zwei von ihnen Breitschwerter beschworen, erschien in der Hand der vordersten ein hellgoldener Speer, der eine eindrucksvolle Aura ausstrahlte. "Wer seid ihr? Und was ist das für eine Waffe?", fragte ich und bereitete mich drauf vor, mich in meine Rüstung zu hüllen. Die Vermummten warfen die Kutten von sich und zum Vorschein kamen drei bildhübsche Frauen, die in prunkvolle Schuppenrüstungen gehüllt waren. Aus ihren Rücken sprossen gesprenkelte Flügel und ihre ganze Haltung drückte Kampfesmut und Geschick aus. "Wir", sprach die Frau mit dem Speer. "Sind Sigrún, Kára und Brynhildr, ehemals Schildjungfern des Allvaters und Wächterinnen von Wallhal. In seinem Namen führe ich seinen Speer, Gungnir. Er vertraute ihn mir an, ehe er dem Wahnsinn der Hölle verfiel, auf das wir das Zeitalter der Götter wieder einläuten mögen! Beugt das Knie und der Herr der Wüsten wird euch einen schnellen Tod gewähren!" Hel würde mir nachher einiges erklären müssen. Eigentlich hatte ich ihr nur dabei helfen wollen eine herzenfressende Göttin zu erledigen und jetzt musste ich mich mit durchgeknallten, größenwahnsinnigen Walküren rumschlagen, die für einen 'Herr der Wüsten' die Drecksarbeit erledigten. Und als wäre das nicht schon nervig genug, würde ich den verdammten Ohrwurm von Wagner vermutlich tagelang nicht loswerden.

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