#164
Mit langsamen, präzisen Bewegungen nahm ich meine Waffen auseinander und reinigte sie. Besonders meine neue Pistole brauchte viel Aufmerksamkeit, der Vorbesitzer hatte offenbar keine Ahnung von Schusswaffen gehabt. Die schwarze lag bereits gereinigt und wieder zusammengebaut auf dem Tisch, daneben das Magazin. An der Akademie hatte es viele gegeben, die vergessen hatten auch das Magazin zu säubern, aber hier ging es um das Ende der Welt, da konnte ich nicht gründlich genug sein. Mit einer Zahnbürste, Wattestäbchen und Waffenöl reinigte ich die silberne M1911, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss. Diese Pistolen waren ein Traum, freiwillig würde ich mich nicht davon trennen. Da war es etwas lieblos, sie die "silberne und die schwarze" zu nennen. Während ich meinen neuen Schatz zusammensetzte, veranstaltete ich ein Brainstorming mit mir selbst. Die ersten Namen die mir einfielen, waren Chucky und Tiffany. Moment, woher kannte ich die überhaupt? Dann erinnerte ich mich an einen Filmeabend mit Leonie, vor etwa zwei Jahren. Chucky die Mörderpuppe. Und Tiffany war seine Freundin gewesen. Meine Waffen nach einem fiktiven Mörderpärchen zu benennen wäre vielleicht ein wenig unpassend. Als die Waffen schließlich gereinigt und zusammengebaut vor mir auf dem Küchentisch lagen, hatte ich etwa ein Dutzend Namen verworfen, darunter auch Herbert und Mr. Boomy. Ich betrachtete die Magazine, die ich zum reinigen entladen hatte und in die ich nun wieder langsam die Patronen schob. Ich wollte schon aufstehen um ein wenig Weihwasser zu holen, als mir eine Idee kam. Nachdenklich hob ich eine der Patronen hoch und betrachte sie. Es gab nur eins, dass gegen Dämonen effektiver war als Weihwasser und das war... Ich konzentrierte mich, versuchte mich auf mein Innerstes zu konzentrieren, auf die Kräfte die in mir schlummerten, die ich aber kaum bändigen konnte und zwang sie mit aller Macht zu kanalisieren. Es dauerte einige Minuten, ich war kurz davor aufzugeben, als es mir endlich gelang. Die Kugel wurde ein klein wenig wärmer und schien von innen heraus in einem reinen, weißen Licht zu strahlen. Jetzt musste ich nur noch bis Halloween lernen es zu kontrollieren, dann konnte ich meine Projektile mit heiligem Licht verstärken. Ein triumphales Lächeln stahl sich auf meine Lippen, während ich die restlichen Patronen in die Magazine schob und sie anschließend die Pistolen lud.
Ich sah die beiden Waffen an, ähnlich und doch so verschieden, fast wie Schwestern. Versonnen streichelte ich über die Griffschalen, dann kam mir ein Gedanke. "Na ihr Hübschen?", fragte ich. "Was haltet ihr von Gladys&Betsy?" Die beiden schienen nichts dagegen zu haben, also würde es wohl dabei bleiben. "Ernsthaft?", erklang Emilias Stimme hinter mir, und etwas, das eindeutig nach einem unterdrückten Lachen klang. Emilia umarmte mich von hinten und küsste mich auf die Wange. "Hast du deinen Pistolen gerade wirklich Namen gegeben?" "Na und?", protestierte ich. "Wer hat denn auf seine Flinte 'Emilia's Boomstick' graviert?" Sie wollte etwas erwidern, als das Geräusch von Motoren erklang, dem Klang nach zwei Wagen. Ich stand auf, wobei ich Emilia kurz über die Wange streichelte, dann schob ich Gladys, die schwarze M1911 in das Oberschenkelholster und Betsy, die silberne, in mein Schulterholster. "Das muss Perry sein", sagte ich. "Er wollte kurz nach Sonnenuntergang die Waffen holen." Gemeinsam gingen wir auf die Veranda, wo Jack mit seinem Granatwerfer saß und wieder und wieder das Nachladen übte, was ich ihm gut zehnmal gezeigt hatte. Ich hatte mit deutlich mehr gerechnet, aber offenbar lernte Jack schneller, wenn er mit dem Wissen Leute umbringen konnte. Aus dem Waffenkeller hatte ich ungefähr fünfzig 40mm Granaten mitnehmen können, die jetzt aufgereiht neben dem Dämon standen, allesamt verziert. Ich musste grinsen, als ich sah, dass Jack auf die Spitze jeder einzelnen Granate einen Sticker geklebt hatte, auf die eine Hälfte Mittelfinger, auf die andere den Scheißhaufen-Emoji. "Hey, Jack.", sagte ich. "Wie kommst du damit klar?" Das Grinsen des Dämone reichte von einem Ohr zum anderen. "M32A1 mit verstellbarer Schulterstütze. Funktioniert nach dem Revolverprinzip, muss aber beim Nachladen wieder aufgezogen werden. Mit den Hellhound-Granaten hat das Ding eine Reichweite von knapp achthundert Metern." "Und was ist die erste Regel beim Abfeuern von dem Ding?", fragte ich, während ich die beiden schwarzen Landrover Defender beobachtete, die sich der Villa näherten. "Nur wenn du es sagst.", antwortete Jack gelangweilt. Die SUV's hielten und vier Leute stiegen aus. Aus dem linken Perry und Taio, der Erdmagier, aus dem rechten Mel, die Werkatze und ein großer, muskulöser Typ mit Vollbart und Tattoos. "Kleiner", rief Perry schon von weitem. "Hast du das Zeug?" Ich ging auf meine neuen Kameraden zu, klopfte dem Kampfmagier auf die Schulter und packte Taios Unterarm. Dann deutete ich auf das dutzend Waffensäcke und die beiden großen Kanister Weihwasser, die vor der Veranda gestapelt waren. "Die sind für euch, sollte mehr als genug sein.", sagte ich und führte sie zur Villa, wobei ich den bärtigen Typ musterte, der dicht neben Mel lief. "Interesant.", meinte ich schließlich und taufte den Kerl in Gedanken Beorn. "Ich dachte die meisten Theriantropen lassen sich nur auf Artgenossen ein. Aber eine Werkatze und ein Werbär?" Beorn zuckte zusammen und starrte mich an, aber Mel legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. "Entspann dich. Ich weiß, das ist echt irritierend, es ist so könne er einem alles von der Nase ablesen." "Fast.", erwiderte ich mit einem Grinsen und machte mich an einem der Säcke zu schaffen. "Er ist ziemlich groß, seine Haare sind zu grob und stark für einen Menschen. Mein erster Verdacht war Werwolf, allerdings riecht er nicht nach nassem Hund." Beorn lachte und sagte: "Alles klar, jetzt verstehe ich was ihr an dem Kleinen findet." Warum mussten mich eigentlich alle immer Kleiner nennen? So langsam müsste ich mir doch einen Ruf erarbeitet haben. Beorn trat neben mich und nahm eine Waffe aus dem Sack. Beeindruckt pfiff er durch die Zähne. "Nicht übel. M16A2, solche Waffen benutzen unter anderem die Navy SEALS." Auf meinen fragenden Blick erwiderte er: "Ich habe früher bei den SEALS gedient, bis... ich mich das erste Mal verwandelt habe. Hab mich aus dem Lager geschlichen, selbst als Bär hatte ich noch genug Kontrolle um meine Kameraden nicht anzugreifen. Aber ich habe damals ein kleines Dorf angegriffen. Danach bin ich abgehauen, bis Mel mich fand und nach Havanna brachte." Ich ließ mir das durch den Kopf gehen, dann sagte ich: "Ich muss dir nächstes mal jemanden vorstellen. Einen Freund von mir, war Scharfschütze beim SAS. Kann sein, dass ich euch bei der Planung brauche." Beorn nickte lediglich, packte das Sturmgewehr weg und begann mit Taio zusammen die Waffensäcke und die Seesäcke mit Munition in die SUV's zu laden. "Noch drei Tage.", stellte Emilia fest, die nun neben mich trat. "Wie weit seid ihr mit euren Vorbereitungen?" Perry kratzte sich am Kopf und begann dann an seinem Bart zu nesteln. "Soweit gut, wir haben viele Freiwillige. Vampire und Oger. Es haben sich sogar Kitsune gemeldet. Ein paar Theriantropen, wobei wir nur die mitnehmen, die ihre Verwandlung kontrollieren können. Und einige Magier, allerdings sind die meisten sind sonderlich mächtig." "Dafür habt ihr ja die Knarren.", scherzte ich. "Perry, welche Rolle du und deine Leute spielen, erzähle ich dir noch. Aber ich werde versuchen euch aus dem Gröbsten rauszuhalten." Der Kampfmagier nickte knapp. "Na gut. Junge, du hast hast keine Ahnung, was du bewirkt hast. SOL ist am Ende, viele glauben, dass es vorbei ist mit dem ewigen Verstecken. Die meisten Kreaturen werden mutiger, sie brennen darauf zu kämpfen, mehr als je zuvor. Eins noch: Ich habe mit Haytham gesprochen. Er ist nach wie vor bereit uns aufs Festland zu teleportieren, aber er schlägt vor, dass wir das getrennt tun. Jack kann ebenfalls teleportieren und du kannst durch die Schatten reisen. Würden wir alle gleichzeitig und zusammen teleportieren, wären wir leicht aufzuspüren." Verdammt, da war tatsächlich etwas dran. "Außerdem", fuhr Perry fort. "Wird der Hexer sich nicht an den Kämpfen beteiligen. Stattdessen wird er, und ich zitiere: 'Sich ein Bad einlassen, ein gutes Buch lesen und den Engel mit den schwarzen Flügel sein Schicksal erfüllen lassen.' Er meinte du wüsstest was gemeint wäre." Innerlich fluchte ich so derb, dass Jack, hätte er mich gehört, vor Stolz Tränen in die Augen getreten wären. Ich hatte mich darauf verlassen, dass Haytham dabei sein würde, seine Macht wäre eine große Hilfe gewesen. "Wir schaffen das auch ohne ihn.", sagte ich zuversichtlicher als ich war. Bei meinem Kampf gegen Leviathan hatte ich pures Glück gehabt, dass sie mich nur dazu verleiten wollte das Ankh zu entfernen. In Disneyworld würde sie mit aller Verbissenheit kämpfen und eine kleine Armee um sich haben. Ich musste mir dringend etwas einfallen lassen, besonders da ich immer noch keine Kontrolle über meine Kräfte hatte. "Also gut", setzte ich an und sah Perry und Mel an. "Morgen Abend sehen wir uns wieder, seid pünktlich, die Apokalypse wartet nicht."
Ich sah den Autos noch einen Moment lang hinterher, dann sah ich zu Jack, der gerade Granaten in einen Patronengurt schob. Jasmin und Nero waren oben, suchten nach Informationen, die wichtig sein könnten und nach Wegen das Tor zur Hölle zu schließen, falls Leviathan doch Erfolg haben sollte. Marcus und Kiara waren vermutlich auf ihrem Zimmer und turtelten rum, während Leonie sich im Wohnzimmer irgendeinen Film ansah. Ich nahm Emilias Hand und zog sie an mich. Die Cambion küsste mich und sagte: "Das wird unsere letzte Nacht in der Villa." Sie warf einen wehmütigen auf das alte Gebäude, dann lächelte sie schelmisch und zog mich Richtung Tür. "Komm schon, morgen Abend sind wir hier weg, wir sollten die letzte Nacht in einem Bett ausnutzen." Ich fing an zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd, schob alle Gedanken an Disneyworld, Leviathan und das drohende Ende der Welt beiseite und ließ mich von der Cambion auf mein Zimmer ziehen. Diese Nacht würde das alles egal sein, alles was zählte waren Emilia, ich und ein großes, bequemes Bett. Mit einem leisen Knall fiel die schwere Tür ins Schloss während wir bereits eng umschlungen richtung Bett stolperten.
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