Da es jetzt still ist, einmal abgesehen von meinem Herzschlag, der vor Wut praktisch in meinem Kopf dröhnt, nehme ich an, dass Brexon Gitarre gespielt hat. Auch wenn ich weit und breit keine Anlage erkennen kann.
Der Rockstar starrt mir so unvermittelt entgegen, dass ich beinahe schlucken muss. Doch diesmal entscheide ich mich dagegen, zu ihm zu gehen. Wenn er reden will, soll er zu mir kommen. Wenn nicht, soll er aufhören zu starren und sich ein verdammtes Leben besorgen. Denn so kann ihn ganz bestimmt nicht einmal ein Mensch, der voll zugedröhnt ist, brauchen.
Ich drehe mich so um, dass seine Augen sich nun nicht mehr in meine bohren, sondern in meinen Rücken. Ich kann nichts dafür, wenn dieser hübsch ist. Aber ganz ehrlich, was will Brexon? Erst tut er so, als wäre es interessiert, dann tanzen wir und ich geniesse das sogar, danach sagt er mir, dass ich eine gerissene Journalistin bin und jetzt zieht er wieder die Nummer Starren-macht-mich-anziehend ab. Nicht. Mit. Mir.
Da ich meine Aufmerksamkeit nicht mit Alkohol herunterspülen kann, weil ich keinen bestellt habe, was ich übrigens bereue, starre ich meine Nägel an, als wären sie das Spannendste auf der ganzen Welt. Nach dieser Party brauche ich definitiv eine neue Farbe. Vielleicht Rosa? Das passt zu der meisten Herbstkleidung, die ich besitze.
Ein Räuspern reisst mich einmal mehr aus meinen Gedanken. Wie macht das Brexon jedes Mal und wie zur Hölle ist er denn bitte so schnell zu mir gekommen? Nicht, dass es sich schnell angefühlt hätte, weil ich nichts Kluges zum Tun habe, aber trotzdem. Ich bin nicht einmal zu einer zweiten möglichen Farbe gekommen.
»Was machst du noch hier?«
Seine Stimme klingt definitiv rauer als vorher, wahrscheinlich hat er eine Runde den Kettenraucher gespielt. Aber trotzdem wage ich es nicht, einen Seitenblick zu wagen. Soll er sich doch zur Hölle scheren.
»Habe ich etwa deine Abschiedsrede verpasst? Darf ich endlich verschwinden? Oder hältst du deine Gäste noch weiter in diesem Hotel fest, nur um deinen Spass haben zu können?«
Nicht, dass ich glaube, dass er ziemlich viel Spass gehabt hätte. Brexon lacht das unechteste Lachen, welches ich jemals gehört habe, was mich schnauben lässt. Was für eine Witzfigur. Wieso lieben ihn so viele Leute wieder? Ah, genau. Das weiss niemand, weil es so verdammt unerklärlich ist.
»Du hast den Teil verpasst, wo sich alle auf das Dach oder in ihre Zimmer verzogen haben.«
»Und du hast den Teil verpasst, wo mir vollkommen egal ist, was du denkst, was ich verpasst habe«, knirsche ich zurück und drehe mich so ruckartig zu Brexon um, dass er regelrecht zusammenzuckt. Sein Gesicht ist vielleicht zwanzig Zentimeter von meinem entfernt, aber selbst von hier rieche ich, dass sein eigentlich guter Geruch vom Gestank von Rauch und Alkohol überbrückt ist. Und ich brauche eine Menge Selbstberherrschung, um nicht auf Ort und Stelle zusammenzuzucken. Er stinkt.
»Ich bin der Boss hier, Page the Petite. Ist mir scheissegal, was du denkst. Du solltest dich nicht mehr hier aufhalten und nur um das klar zu machen, denke ich, dass du dich in dein Zimmer verziehen solltest, damit ich nicht mehr deinen Babysitter spielen muss.«
Wie hat er mich bitte gerade gennant?
Na schön, Brexon. Leg dich mit mir an und du hast schon verloren.
»Du bist nicht mein Babysitter, genau genommen denke ich nämlich, dass du nicht einmal in der Lage bist, auf dich selbst aufzupassen, Brexonkitten.«
Brexon ist zwar kein Kätzchen, aber ich weiss ganz genau, dass es ihn anpisst, wenn er nich so toll und stark und sexy dargestellt wird, wie er sich selbst sieht. Das zeigt sich auch an seinen blähenden Nasenflügeln und die Tatsache, dass seine Augen funkeln, wie wenn er mir am liebsten meinen Kopf abreissen würde, bringt mich beinahe zum lachen. Volltreffer.
Ich winke mit meiner Hand in seine Richtung, als müsste ich eine lästige Fliege vertreiben. Gewissermassen ist Brexon ja eine lästige Fliege. Nur lässt er sich nicht so einfach von mir vertreiben.
Stattdessen packt er sanft meine Handgelenke und zieht mich näher an sich heran, sodass sein heisser Atem, der durch die leicht geöffneten Lippen dringt, meine Nase kitzelt. Ich habe ehrlich Mühe, nicht zu niesen.
Doch ich verliere mich viel zu schnell in den goldenen Sprenkeln, als dass ich etwas anderes wahrnehmen könnte. Sie leuchten in seinen jetzt dunkeln Augen so hell, dass ich eine Weile brauche, um zu realisieren, was ich da gerade tue.
Ich bewundere die Augen des Feindes. Als ich wieder in der Lage bin, in sein ganzes Gesicht zu starren, leuchten mir nicht mehr die Sprenkel, sondern sein nervtötendes Grinsen entgegen.
Er hat mein Starren bemerkt. Scheisse.
»Ich sag's nur noch ein Mal, Peanut. Das hier« - er deutet auf den Raum - »ist ein Ort, wo du dich momentan nicht aufhalten solltest. Nicht nur wegen mir, sondern auch wegen der Leute, die hier arbeiten. Ich weiss nämlich ganz genau, dass diese dir weniger egal sind. Geh zur Rezeption und hol deinen Zimmerschlüssel ab. Mach einfach irgendetwas anderes. Kann doch nicht so schwer sein für ein Mädchen wie dich.«
Okay. Von dem netten Brexon ist definitiv nichts mehr übrig. Erstens. Er hat mir schon einen Spitznamen verpasst, niemand hat ihm das Recht für einen zweiten gegeben. Oder überhaupt erst für den ersten. Zweitens. Für Mädchen wie mich? Was bin ich denn für ein Mädchen und was ist er denn bitte für ein arrogantes Arschloch?
Ich entreisse ihm meine Handgelenke so kraftvoll, dass er samt seinem Stuhl ins Wanken kommt und sich verzweifelt an der Bar vor ihm festhalten muss, um nicht umzukippen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ist dabei eine solch tolle Mischung aus Überraschung, Perplexität und Mörderblick, dass ich nicht anders kann, als zufrieden mit mir selbst zu Grinsen.
In your face.
»Ich gehe jetzt«, informiere ich Brexon mit einer so kalten und gefühlslosen Stimme, dass ich selbst halb zusammengezuckt wäre, wenn ich mich innerlich nicht gewappnet hätte. »Aber nicht, weil du es willst, sondern weil ich deine Visage heute echt nicht mehr ertragen kann.«
Und damit stiefle ich davon, was nur halb so cool rüberkommt, weil ich einmal über so dumme Kabel stolpere, einfach weil ich mein Kinn gereckt habe und nicht auf meine Gegend achte, und ins Straucheln komme. Aber ich falle nicht hin, sondern beschleunige meine Schritte einfach.
Ist Pages Reaktion übertrieben oder hättet ihr auch so reagiert?
Und welchen Spitznamen findet ihr bisher den Besten? Page the Petite, Brexonkitten oder Peanut?
Ich wünsche euch noch einen schönen Nachmittag. Passt auf euch auf und bleibt gesund!
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