18 [IN ÜBERARBEITUNG]
Natürlich bedeutet die Sache mit Audrey nicht, dass die Party deshalb irgendwie toll ist. Audrey ist nett und ich bin mir sicher, dass wir tolle Freundinnen werden, falls wir das nicht schon sind, aber dieses Hotel und die Leute darin sind grösstenteils verrückt. Die meisten tragen noch immer dieselben eleganten und hübschen, schwarzen Kleidungsstücke von Gestern, gepaart mit Pumps oder Halbschuhen, worauf ich mit meiner Jogginghose und dem Polo Crop Shirt ziemlich abstinke. Geschweige denn mit den Socken, die ich anhabe. Sie sind eigentlich weiss, aber weil der Hotelboden mit einem roten Teppich ausgestattet ist, der ziemlich abfärbt, ist dem wohl nicht mehr so. Ich habe nicht einmal Hotelschlappen an. Ich hoffe, dass es niemand merkt.
Denn ich habe keine Lust, mich länger hier aufzuhalten, als unbedingt nötig ist. Ich habe Audrey zwar gesagt, dass ich vielleicht aufgehalten werden könnte, denn beim letzten Mal als ich etwas habe essen wollen, habe ich es auch nicht direkt auf den Teller serviert gekriegt. Das ist übrigens die Geschichte mit Will und Trisha gewesen, wo Brexon noch nett zu mir gewesen ist. Tja, was hat sich geändert? Er hat herausgefunden, wer ich bin. Oder vielleicht hat sein Spiel schon von Anfang an so glaubwürdig gewirkt.
Aber das ist jetzt egal. Audrey und ich müssen essen. Und dann sehe ich es. Meinen Schatz. Mir klappt der Mund auf und ich bin wahrscheinlich noch nie so schnell um eine Pizza gelaufen. Doch gerade als ich mir sie schnappen will, wird sie mir vor der Nase geklaut - und zwar das ganze Teil - und ich muss mich fest zusammenreissen, um vor Ärger nicht loszubrüllen. Ich drehe meinen Kopf ganz langsam, meine Hände zu Fäusten geballt, während mein Herz vor Wut rast.
Doch natürlich erblicke ich nur Brexon. Gestylt wie eh und je, in seinen kunstvoll zerrissenen dunklen Jeans, mit einem schwarzen Shirt und - wer hätte das denn bitte erwartet? - ohne Lederjacke. Das heisst, ich sehe genau, wie seine Muskeln spielen, während er die Pizza quälend langsam zu seinem Gesicht hebt und genüsslich hereinbeisst. Seine Haare sind mit Gel zurückgekammt, nur eine einzlne Strähne hängt ihm in die Stirn. Wieso sieht er so gut aus, wenn er so grausame Sachen macht?
»Haft fu ein Brob'em?«, fragt er mit vollem Mund, während er seine Augen genüsslich geschlossen hat. Und wie ich ein Problem habe!
»Du hast meine Pizza geklaut!«, knurre ich und sehe dabei sehnsüchtig auf das Teil in seinen Händen. Oh Mann. Ich habe mich verliebt. Hühnchen-BBQ-Pizza in der Pfanne ist das Beste.
»Deine Pizza? Oh bitte, Peanut. Ich habe nicht gewusst, dass dir hier irgendetwas gehört«, spottet Brexon. Ich habe noch nie so einen starken Drang verspürt, jemandem sein Lächeln aus dem Gesicht zu schlagen. Das ist der dümmste Arschloch-Satz gewesen, den er überhaupt hat bringen können.
Natürlich gehört mir hier nichts. Ich habe absolut keine Freiheiten in diesem verdammten Hotel. Ich darf nicht trinken, ich darf nicht laut sein - obwohl die Sache mit dem Schreien von den Alpträumen gar nicht meine Schuld gewesen ist. Ich darf nicht gehen, wann ich mich danach sehne.
Ich fühle mich so, wie ich mich bei meinen Eltern immer gefühlt habe. Ich meine, ich habe tolle Eltern, die mich lieben. Doch ich hatte immer das Gefühl, dass sie mich zu sehr liebten. Lieben. Was auch immer. Aber sie haben immer über jedes Detail in meinem Leben bestimmen müssen. Was ich esse, wie viel ich trinke, wann ich lerne, wann ich dusche, wann ich Freizeit habe und was ich in dieser Freizeit mache. Sie haben sogar bestimmt, welche Freunde ich haben darf und von wem ich mich fernhalten sollte.
Und ich weiss nicht, was es ist, aber diese Gedanken machen mich so traurig, dass ich nun heftig gegen die Tränen blinzeln muss. Ich werde erst in die Realität zurückgeholt, als Brexon sanft meine Arme berührt und mich mit gerunzelter Stirn besorgt beobachtet. Genau das hat mir noch gefehlt.
»Geniess deine Pizza«, murmle ich und drehe mich um, bevor ich mir ein Tablett nehme und mit verschleiertem Blick daraufpacke, was auch immer knusprig, süss oder mozarella-artig aussieht. Dann packe ich noch zwei Flaschen Cola - wie ironisch ist das denn bitte, nachdem ich Audrey gesagt habe, dass das eine schreckliche Idee ist - an den Hälsen und stürme damit aus dem Raum.
Dabei ist es mir total egal, wie geistesgestört ich wirken mag. Hauptsache, ich muss Brexons brennenden Blick in meinem Rücken nicht mehr spüren. Er hat meine Liebe zu verrückten Parties definitiv zerstört und total demoliert. Wie soll ich denn bitte jemals wieder normal feiern, ohne an diese desaströse Ansammlung von reichen und langweiligen Leuten zu denken? Die Gäste, einmal abgesehen mit den wenigen mit denen ich gesprochen habe, sind eine wahrhaftige Null-Nummer.
Als ich durch die Flure irre, fällt mir zum ersten Mal auf, wie viele Leute mit einem Bademantel herumlatschen. Natürlich. Jetzt ist Mittag und somit die wärmste Zeit des Tages. Im Herbst macht das eine Menge aus. Die dürfen sich natürlich Drinks und Cocktails reinschütten und damit sind sie nicht Brexons Aufmerksamkeit ausgestellt. Ehrlich, er soll sich mal um kritischere Fälle kümmern. Wenigstens habe ich jetzt eine klarere Sicht, auch wenn ich mir nicht sicher bin, für wie lange noch. Wahrscheinlich werde ich auf der Matraze kollabieren und eine Runde heulen, wovor ich starke Kopfschmerzen haben werde, sodass ich die Cola richtig gut brauchen werden könne.
Ich habe jetzt schon halb Kopfschmerzen und das ist schon genug schlimm, auch wenn ich mir beinahe sicher bin, dass diese davon kommen, dass ich gestern mit nassen Haaren eine Runde Shots in mich gekippt habe. Gepaart mit einigen Cocktails und ein wenig Whiskey. Aber das ist jetzt egal, denn erstaunlicherweise spüre ich nun nichts mehr vom Whiskey und dem anderen Alkohol, sondern nur von dem Wasser und dem Wind, der um meine Ohren gerauscht hat, während ich krampfhaft versucht habe, ihn zu ignorieren. Oder ich habe ihn ausgeblendet, in der Vorstellung, dass er sowieso keine Rolle spielt.
Als ich schliesslich die Zimmertür mit der Nummer 416 erreiche, kann ich nicht anders, als über meinen Verdienst, nichts auszuleeren oder überschwappen zu lassen, schwach zu grinsen. Audrey wird mir die Füsse küssen.
Das ist ein Doppel-Update, also könnt ihr gleich weiterlesen 😁☺️
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