»46. Kapitel
„Sie ist hübsch, intelligent, lustig, süß und... einfach nur wunderschön. Es gibt kein anderes Wort, um sie zu beschreiben.“
Die braunen Augen sahen mich verträumt an. Ich erwiderte seinen tiefsinnigen Blick für eine Weile und bemerkte dabei nicht, wie die Minuten nur so an uns vorbeizogen. Ich wusste nicht, wie lange wir so verharrten, aber auf jeden Fall kam es mir vor wie Jahre. Sein Ausdruck verriet nicht viel über das, das er gerade dachte. Außer, das er total verliebt zu sein schien. Mit einen kleinen Lächeln auf den Lippen, setzte ich mich behutsam aufrecht hin und legte den Kopf schräg. Interessiert betrachtete ich ihn ausgiebig. Ich konnte mir schon genau denken, wen er meinte.
„Also, Rachel?“
Schmunzelnd hob ich eine Augenbraue in die Höhe und biss mir auf die Unterlippe. Mein bester Freund verfolgte jede meiner Bewegungen genau; nicht einmal für eine Sekunde verließen die schönen Augen meine. Wie in Zeitlupe bewegte er den Kopf auf und ab, woraus sich ein leichtes Nicken entwickelte.
„Rachel Fallon? Die aus der zwölften?“
Das Schmunzeln wurde größer und größer, bis es letztendlich zu einem Grinsen ausartete. Meine Arme schmerzten fürchterlich, als ich sie ausstreckte und sie um den warmen Oberkörper neben mir schlang. Sanft legte ich den Kopf wieder auf seine Brust zurück und sah an die Zimmerdecke.
„Das war doch die, mit der du schon mal eine Nacht verbracht hast, richtig?“
Ohne ihm die Möglichket zu erübrigten, eine Antwort zu geben, sah ich zu ihm hoch und stützte mein Kinn auf seine Schulter. Unsere Augen trafen sich ein zweites Mal, allerdings mit einem Unterschied, der mir sofort auffiel; das braun hatte aufgehört, aufgeregt zu glänzen.
„Uhm...Ja. Ja, genau die.“
kam es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Gickelnd verbarg ich mein Gesicht in seiner Jacke und atmete tief durch. Es gab kein schöneres Gefühl als zu wissen, dass er vielleicht endlich auch glücklich werden würde. Schließlich hatte er schon lange genug eine richtige Freundin gesucht, sie aber nie gefunden. Wenn ich ihm mal ein Date verschafft hatte, dann hatte er sie abgesagt, war nicht hingegangen oder hatte die Verabredungen ruiniert. Während ich versuchte mich daran zu erinnern, wie Rachel aussah, bemerkte ich zuerst nicht, wie sich eine große Hand auf meinen Kopf legte und mir sanft durch die Haare fuhr.
„Was magst du so an ihr?“
erkundigte ich mich, nach einer langen Zeit von Stille, durch den dicken Stoff des Hemdes durch und inhalierte den vertrauten Duft von frischer Wäsche, Rauch und Aftershave ein. Ich spürte, wie Zayn seinen Kopf zu mir herunter neigte. Allerdings war ich zu aufgeregt, um nach oben zu sehen und seinen Blick einzufangen.
„Uhm...Ihre Augen. Ihre Augen...Die sind so schön- braun!“
Die Begeisterung in seiner Stimme war nicht zu überhören (hierbei beachte man bitte den Sarkasmus). Verwundert hob ich letztendlich doch den Kopf und konnte nicht verhindern, dass meine Augenbrauen sich in der Mitte meiner Stirn trafen. Ich fing den matten Blick meines Freundes ein.
„Hat sie nicht blaue Augen?“
fragte ich mit schief gelegtem Kopf und unterdrückte ein aufsteigendes niesen. Als Zayn das Gesicht sah, das ich dabei immer machte, flammte ein kurzes Lächeln auf den Zügen auf. Dann erlosch es wieder und machte dem resignierten Dackelblick wieder Platz. Grummelnd darüber, dass er jedes Mal darüber lachte, machte ich es mir bequem - mit dem Versuch die kalten Lappen an meinen Beinen nicht vom Bett zu schmeißen - und starrte wieder an die kahle Decke über uns, die mich genauso dumm zurück anstarrte.
Dadurch, dass ich mit meinem Ohr auf seiner Brust lag, hätte ich schwören können, dass Zayns Herzschlag für einen Moment aufhörte und dann um einiges schneller als zuvor gegen seinen Brustkorb hämmerte.
„Ja, das meinte ich ja.“
hörte ich ihn abwesend murmeln. Ich konnte nicht anders, als kurz abwegig die Nase zu rümpfen. Irgendetwas an seinem Verhalten sagte mir, das er mir die Wahrheit verschwieg.
„Und was magst du noch so an ihr?“
hakte ich deswegen nach, um mir selbst zu bestätigen, dass ich mit meinem Gefühl auf der richtigen Spur lag. Zayn sog unmerklich mehr Luft ein, als er wirklich benötigte. Ohne mich anzusehen, gab er mir eine Antwort.
„Ihren herzlichen Charakter.“
„Du weißt, dass du das letzte Mal, als du mir etwas über sie erzählt hast, du sie als eine absolute Schlampe bezeichnet hast?“
Sofort erinnerte ich mich an den Moment zurück, an dem er so über Rachel gewütet hatte.
Ich kannte sie zwar nicht persönlich, trotzdem war sie perfekt für meine Ausrede. Zayn, der vor langer Zeit einmal aus purem Frust wegen seiner damaligen Freundin eine Nacht mit ihr verbracht hatte, hatte gemeint, das sie eine totale Schlampe wäre. Von außen mag sie zwar nett aussehen, doch innerlich ist sie so eine Hure, hatte er gewütet, als er mich am Tag darauf von Zuhause abgeholt hatte.
Sie war auch die Rachel gewesen, von der ich Harry erzählt hatte, das er mich verwechselt haben musste, als er den Versuch gestartet hatte, mitten in der Schule mit mir zu schlafen.
Flashback
„Ich dachte wir beide könnten uns ein wenig vergnügen.“
„Oh Gott Harry! Wie kommst du auf die Idee, das ausgerechnet ich mit dir ...“
Schockiert über seine Leichtsinnigkeit schüttelte ich den Kopf. Im Gegensatz zu mir schien der Lockenkopf alles etwas gelassener zu sehen; mit großen Schritten kam er abermals auf mich zugeschritten.
„Nun ja, weißt du ...“
begann er und blieb vor mir stehen. Das Aftershave, das er trug, stieg ich mir in die Nase. Müssen eigentlich alle Jungs dasselbe Zeug benutzen, fragte ich mich, als ich feststellte, dass er das gleiche wie Liam, Zayn und mein Vater benutzte. Um mich selbst zu bestätigen schnupperte ich möglichst unauffällig an meinem Pullover. Verdacht bestätigt.
„Ich habe über ein paar Ecken mitbekommen, das du dich für jemanden an dieser Schuler hier bereit gestellt hast, mit ihm ... Naja, du weißt doch was ich meine, oder?“
Plötzlich kam mir Harry etwas verlegen vor. Mit einer Hand wuschelte er sich kurz durch die dichten Locken, während die andere in die Tiefen seiner Hosentasche sank. In jeder anderen Situation hätte ich mir gedacht wie süß er gerade aussah, doch in diesem Moment flog mir ein einziger Satz in den Kopf.
Willkommen in deiner persönlichen Hölle, Liam.
„Also habe ich mir gedacht, wieso probierst du es nicht auch mal.“
Die raue Stimme riss mich aus den Mordplänen, die sich innerhalb von Sekunden in meinem Kopf gebildet hatten. Mit einem schüchternen Lächeln sahen mich grüne Augen nun aufmerksam an. Der akute Wechsel seines Verhaltens ließ mich darauf schätzen, dass ihm sein Plan nun doch nicht mehr so genial vorkam, wie er es am Anfang gewesen war.
Damit er nicht erriet, dass ich diese Person ganz genau kannte, setzte ich ebenfalls ein halbes Lächeln auf.
„T-Tut mir leid, aber ich bin mir sicher, dass ich damit nicht gemeint bin. Vielleicht hast du mich mit Rachel aus der Zwölften verwechselt.“
Flashback Ende
Es hatte drei Gründe gegeben, weshalb ich sie benutzt hatte; erstens, weil ihr Name mir zuerst eingefallen war, zweitens, um meine kleinen Spielchen mit Liam zu verdecken und drittens, da sie schon wie eine Schlampe aussah. Zayn hatte sie noch nie sonderlich gemocht er hatte sich nur von ihr verführen lassen, um seiner damaligen Freundin eins auszuwischen. Sie passte einfach nicht in seine Vorstellungen von einem Mädchen. Es war so klar zu sehen, dass er mich nach Strich und Faden anlog.
„Du lügst mich an.“
Sicher in meiner Annahme, setzte ich mich aufrecht hin, wobei mir die Tücher, die ich die ganze Zeit auf den Beinen balanciert hatte, herunterfielen und mit einem lauten Klatschen auf den glatten Boden klatschten. Genervt stöhnte ich auf und wollte aufstehen und sie aufheben, was sich jedoch durch die Geräte, mit denen ich durch merkwürdige Schläuche verbunden war, schwieriger herausstellte, als angenommen.
Ich war gerade dabei an die andere Seite der Matratze zu krabbeln, als Zayn mich plötzlich umarmte. Etwas verwirrt hörte ich auf mich fortzubewegen. Was zur Hölle macht er da, fragte ich mich verblüfft, doch diese Frage löste sich wieder auf, als ich merkte, wie er mich behutsam wieder nach hinten drückte und mich besorgt zudeckte.
„Lass mich das machen.“
flüsterte er und schritt einmal herum, um die Lappen wieder an ihre ursprüngliche Position zu bringen. Schnell sammelte er alles wieder auf und bedeckte die verbrannten Stellen an meinen Beinen wieder damit. Während er dies tat, verzog er keine Miene. Und dennoch konnte ich das schmerzhafte Glänzen in den Augen erkennen.
Als er fertig war, kam er wieder zu mir - dem Anschein nach, wagte er es nicht einmal, mir in die Augen zu sehen - mit dem Vorhaben sich wieder neben mich zu legen, doch ich hielt ihn zurück, indem ich meine Hände abwehrend auf seine Brust legte. Ernst musterte ich ihn.
„Du magst sie überhaupt nicht.“
äußerte ich mich mit fester Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust. Mein bester Freund stierte mich schweigend an. Er blinzelte ein paar Mal, bevor er leise aufseufzte und seine Hände knetete.
„Ich lüge dich nicht an. Ich mag sie wirklich.“
brummelte er und kratzte sich abwesend am Kinn. Ich schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. Ich war mir sicher, dass ich richtig lag. Ich kannte ihn schon zu lange, um mich zu täuschen.
„Guck mir in die Augen und sage mir, dass du auf sie stehst.“
Ernst, aber dennoch mit klopfendem Herzen, wartete ich darauf, dass Zayn seinen Kopf hob und es mir direkt in die Augen sagen würde. Und ohne zu zögern, tat er es auch.
*
„Dankeschön.“
Ich schenkte der Krankenschwester ein dankbares Lächeln, nachdem sie den Föhn beiseite gelegt hatte und mich mit dem Rollstuhl aus dem kleinen Badezimmer herausschob.
„Brauchst du noch irgendwas?“
erkundigte sie sich und ich schüttelte verneinend den Kopf. Auf meinen Wunsch verschwand sie anschließend und ließ mich alleine in dem Zimmer zurück. Seufzend strich ich mir durch die frisch gewaschenen Haare und fuhr, auch wenn es ein wenig holprig war, da ich vorher noch nie in einen Rollstuhl gebunden gewesen war, zur Tür, die sie offen gelassen hatte.
Seitdem Zayn es mir ins Gesicht gesagt hatte, das er wirklich auf Rachel stand und ich ihm daraufhin versprochen hatte, ihm zu helfen, sie zu einem Date rumzukriegen, hatte er sich nicht mehr hier blicken lassen. Es waren nun schon ein paar Tage vergangen, doch er hatte weder auf meine Anrufe, noch auf meine Nachrichten reagiert. Ich musste einfach zugeben, dass ich ein wenig enttäuscht war.
Immer noch ein wenig bedrückt über den Jungen, der mir versprochen hatte, jeden Tag zu kommen, rollte ich aus dem stickigen Zimmer auf den stark belebten Flur hinaus. Seit gestern war mir erlaubt worden, in einem Rollstuhl durch das Krankenhaus zu fahren. Meine Wunden hatten sich soweit gebessert, dass ich ohne größere Probleme in so einem Stuhl sitzen konnte. Aber trotzdem schmerzten sie weiterhin fürchterlich.
„Entschuldigen Sie? Könnten Sie vielleicht kurz Platz machen? Wir müssen hier einmal durch.“
Eine ziemlich schrille, aber höfliche, Stimme ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken. Etwas benommen sah ich auf und entdeckte zwei Ärzte, die mit einem Bett links von mir standen und darauf warteten, das ich Platz machen würde, um sie durchzulassen. Entschuldigend rollte ich ein Stück zurück und ließ sie passieren.
„Danke.“
Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen schoben die beiden das Bett mit dem Patienten an mir vorbei. Ich lächelte zurück, doch dies änderte sich schnell, als ich einen Blick auf die Person im Bett erhaschte.
Denn die bewusstlose und mit Brandwunden übersäte Person, war keine andere als Liam.
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