»43. Kapitel

Hitze. Schreie. Schmerz.

Der Druck, der auf meinem gesamten Körper lag, verschwand. Ich versuchte nach Luft zu schnappen, jedoch war da keine, die ich einatmen konnte. Sie war weg. Und trotzdem öffnete ich meinen Mund, um etwas Sauerstoff in mir aufzunehmen. Anstatt des erfrischenden Gefühls, schmeckte ich nur widerwärtiges Pulver, welches wie Ruß roch. Meine Kehle schnürte sich langsam aber sicher zu.

Panik. Angst. Verzweiflung.

Mein Kopf begann zu schmerzen. Ein unangenehmes, nein, ein nicht mehr auszuhaltendes Stechen durchfuhr jede Zelle meines Körpers und brachte mich dazu, mich zu krümmen. Ich wollte, dass es aufhörte, doch ich konnte nicht dagegen ankämpfen. Dafür war es zu stark.

Rauch. Feuer. Flammen.

Obwohl ich es nicht sehen konnte, wusste ich, dass das lodernde Meer aus Flammen einen immer enger werdenden Kreis um uns herum bildete. Ich befand mich in einem schwarzen Loch, doch mein Unterbewusstsein verriet mir etwas anderes. Die brennende Hitze nahm mich komplett ein. Es wurde heiß. Zu heiß.

Stimmen. Schritte. Hoffnung.

Mehrere Rufe durchbrachen das erschreckend nahe Knistern des Feuers. Es vergingen nur ein paar Sekunden, bis sie mich erreichten. Ich fing an, zu halluzinieren. Wirre Stimmen hallten durch meinen Kopf, eiskalte Hände berührten und zogen an meinen Sachen. Bunte, schillernde Farben und hohe, zischende Töne verdrehten mir die Augen, sodass mir ganz schwindelig davon wurde. Mein Kopf drohte von dem Druck zu zerplatzen.

Stille.

Ich hörte auf, nach Luft zu ringen. Mein Körper fiel auf etwas Weiches. Der Druck war verschwunden. Die Farben und Töne, die mich verwirrt hatten, verblassten wie in Zeitlupe.

Und dann, dann sah ich es.

Flashback

„Hey, Liam."

Etwas überrascht, schenkte ich meinem Gegenüber ein kleines Lächeln. Liam war in meiner Kindergartengruppe und unsere Eltern waren miteinander befreundet.

„Hi Rachel."

antwortete er leise und drehte eine Blume zwischen seinen kleinen Fingern hin und her. Für wen die Blume wohl ist, fragte ich mich im Stillen und rieb mir kurz über die Augen. Dann drückte ich meine Puppe Betty näher an mich heran und sah ihn fragend an. Liam und ich spielten ab und zu mal zusammen, sonst hatten wir aber nicht sonderlich viel miteinander zu tun. Während er nach den richtigen Worten zu suchen schien, beobachtete ich ihn kurz. Die braunen kurzen Haare hatte er ausnahmsweise mal ordentlich gekämmt, sein weißes Hemd strahlte schien sorgfältig gebügelt worden zu sein. Irgendwie sah er heute anders aus.

„Was ist los?"

Liam trat von einem Fuß auf den anderen. Dann hielt er, ohne etwas zu sagen, mir die Blume hin. Es war eine rote Rose, eine meiner Lieblingsblumen. Das hatte ich ihm letztens erzählt, als ich zusammen mit ihm eine verletzte Hummel aufgepäppelt hatte.

„Du hast mir erzählt, das du Rosen magst, also...hier."

flüsterte er sichtlich nervös und hielt sie mir unter die Nase. Meine Wangen verfärbten sich in ein helles rosa, als ich sie freudig annahm.

„Dankeschön!"

Lächelnd beugte ich mich zu ihm rüber und presste ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Genau an der Stelle wo ich ihn geküsst hatte, wurde seine Haut rot. Langsam stieg die Röte in sein ganzes Gesicht, was ihn ziemlich süß aussehen ließ. Sein Blick wanderte zur Seite. Er warf seiner Mutter einen unsicheren Blick zu, die etwas weiter entfernt von uns auf einer Bank saß. Sie nickte ihm ermutigend zu und lächelte ihn an. Dann wandte sie sich wieder an meinen Vater, der neben ihr saß und ihr etwas erzählte. Liam drehte sich nun sichtlich mutiger als gerade wieder zu mir und nahm meine Hand. Etwas verwundert wartete ich darauf, dass er weitersprach.

„Rachel, ich...mag dich wirklich und du bist ein echt tolles und liebes Mädchen...Also wollte ich dich fragen, ob du...ob du vielleicht meine Freundin sein willst?"

Überrascht sah ich ihn an. Meine Kinnlade klappte weit auf. Liam wollte mein Freund sein?

„Uhm, Liam..."

begann ich zögernd und sah ihn bedrückt an. Dieser sah mich aufgeregt, jedoch noch ein bisschen nervös an. Wahrscheinlich war er erleichtert, dass er es nun endlich gesagt hatte. Aber ich konnte nicht seine Freundin werden, Zayn war doch schon mein Freund und Sandkasten Buddy.

„Was willst du denn hier?"

Mein bester Freund trat neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. Die Flaschen mit dem Eistee stellte er neben sich auf den Boden. Liam ließ meine Hand sichtlich erschreckt los und trat einen Schritt zurück. Erschrocken, panisch und ängstlich zugleich sah er mich an. Er hatte schon immer Angst vor Zayn gehabt, schließlich hatten sich die beiden noch nie sonderlich gemocht. Als ich fragte wieso sie sich nicht mochten, hatte mir keiner von beiden eine Antwort gegeben.

„Was will er von dir?"

fragte Zayn und sah mich durchdringend an. Er verlangte natürlich, dass ich ihm die Wahrheit sagte, schließlich sagten wir uns immer alles ehrlich.

„Er-Er hat gefragt, ob ich seine Freundin möchte."

erwiderte ich kleinlaut und sah auf den Boden, damit ich keinen von beiden ansehen musste. Wieso hatte ich das nur gesagt? Als ich einen Blick zu Zayn wagte, musste ich feststellen, dass dieser überhaupt nicht erfreut aussah. Langsam nahm er den Arm von meiner Schulter und trat einen Schritt auf Liam zu.

„Sie ist schon meine Freundin!"

rief er wütend und trat einen Schritt auf ihm zu. Liam schlich ein Stück zurück und schluckte einmal schwer. Er tat mir leid, aber ich konnte Zayn schlecht davon abhalten ihn runter zu machen. In solchen Situationen war ich machtlos gegen ihn. Unvorhergesehen schubste er Liam plötzlich, sodass dieser zu Boden fiel. Ein aufgeregtes kleines Quietschen entfuhr mir, als ich mit ansehen musste, wie er hart auf den Boden aufschlug.

„Halte dich ja von ihr fern."

blaffte er und nahm meine Hand um mich wegzuziehen. Ich drehte mich zu Liam um und sah, dass er sich leicht an seiner Hand verletzt hatte. Ich wollte nicht mit ihm mit, ich wollte Liam helfen. Er tat mir so unglaublich leid.

„Komm, Rachel."

sagte Zayn und zog mich zu seiner Familie. Ein letztes Mal sah ich zu Liam, der nun mit Tränen in den Augen auf dem Boden saß und mir hinterher sah. Die Rose, die er mir geschenkt hatte, rutschte aus meiner Hand und fiel achtlos auf den Boden.

*

„Lass uns noch ein paar Blumen drauf machen"

Begeistert griff ich nach ein paar Gänseblümchen, die neben dem Sandkasten auf der saftig grünen Wiese blühten. Schnell riss ich ein paar heraus und drückte Liam welche in die Hand. Dieser sah mich nur entgeistert an.

„Das ist eine Ritterburg, da kannst du doch keine Blumen draufmachen!"

Ganz entsetzt über meine Aussage warf er die Blumen achtlos hinter sich. Verwirrt legte ich den Kopf in eine seitliche Lage.

„Nein, in der Burg wohnt doch eine Prinzessin, da gehören doch keine Ritter hin!"

Erneut lehnte ich mich nach hinten und zupfte diesmal vereinzelte Butterblumen aus der Wiese. Es war ein warmer Nachmittag im Frühsommer und Liam und ich hatten unsere Kindergärtnerin angebettelt auf den Spielplatz zu gehen. Nachdem sie vollkommen entnervt eingewilligt hatte, waren wir Hand in Hand nach draußen gestürmt und hatten uns im Sandkasten ausgebreitet. Seit Stunden waren wir nun schon dabei die revolutionärste Sandburg zu bauen, die die Welt je gesehen hatte.

Doch so wie es aussah, hatten wir beide wohl verschiedene Vorstellungen für die Funktion der Festung. Peinlich genau platzierte ich die gelben Blüten auf die Türme und das Hauptgebäude. Dabei ignorierte ich Liams Todesblick elegant.

„Guck doch mal wie schön das aussieht!"

Zufrieden betrachtete ich mein Werk. In meinen Augen sah es wunderschön aus. Die mächtigen Wachtürme, die Liam gebaut hatte, sahen durch das Gelb der Blumen nicht mehr so machtergreifend aus, auch das monströse Schloss in der Mitte trug dazu bei, das unser geschaffenes Anwesen viel freundlicher herüber kam. Begeistert klatschte ich in die Hände.

„Ich fand die Ritterburg besser. Stelle dir doch mal vor, wie toll es wäre ein echter Ritter zu sein. Wäre ich einer, dann würde ich mit meiner Armee durch das Land reiten und die Burg vor feuerspeienden Drachen und bösen Magiern beschützen."

Aufgeregt sah Liam mich an. Obwohl ich nicht der größte Fan von Abenteuern war, musste ich zugeben, dass mir seine Vorstellung gefiel. Bevor ich ihm antwortete, zupfte ich mein Kleid ein wenig zurecht. Liam stützte sich währenddessen nach hinten auf seine Hände. Seine funkelnden Augen entgingen mir natürlich nicht.

„Was hältst du davon, wenn wir unsere Vorstellungen zu einer verbinden?"

Lächelnd sah ich auf unser Kunstwerk. Wir beide waren einfach nur das perfekte Team. Normalerweise redeten wir wegen Zayn nur ab und zu miteinander, doch da dieser heute krank war, hatten wir den Tag zusammen verbracht. Ich fand es schade, dass er nie wollte, das Liam und ich etwas zusammen unternahmen, denn eigentlich mochten wir beide uns sehr.

Lächelnd stützte ich meine Ellbogen auf die aufgeschürften Knie und legte anschließend den Kopf in die Hände. Damit ich mein Gegenüber noch sehen konnte, nahm ich den Sonnenhut ab und ließ ihn neben mir in den Sand plumpsen.

„Wie genau meinst du das?"

Ebenfalls interessiert beugte Liam sich etwas zu mir vor. Schmunzelnd öffnete ich den Mund, um ihm alles genau zu erklären.

„Nun ja, du möchtest, dass das eine Ritterburg ist und ich will, dass eine wunderschöne Prinzessin dort wohnt. Wie wäre es, wenn du mit deinem Trupp die Prinzessin vor jeglichen Gefahren beschützt und rettest? Und nachdem du sie vor dem bösen Drachen gerettet hast, küsst ihr euch vor dem ganzen Hofstaat und heiratet dann."

Gespannt wartete ich auf seine Antwort. Etwas verwirrt bemerkte ich, wie sich seine Wangen plötzlich rosa verfärbten. Schüchtern sah er zu mir herüber.

„Solange du die Prinzessin bist, gerne."

Und ich schwöre, dass mir in diesem Moment das Herz für einen Moment stehenblieb. Verlegen sahen wir beide auf unsere Hände. Natürlich hatte ich Kontakt mit Jungs, doch so etwas hatte mir noch nie jemand gesagt. Schüchtern strich ich mir eine Strähne hinters Ohr.

Eine Bewegung vor mir ließ mich aufmerksam werden. Als ich verwundert aufschaute, sah ich nur noch, wie Liams braune Augen sich schlossen. Ehe ich mich versehen konnte, hatte er seine Lippen schnell auf meine gedrückt. Automatisch weiteten sich meine Augen.

„Liam, komm rein, deine Mutter ist da, um dich abzuholen."

So schnell wie es auch passiert war, war es auch schon wieder vorbei. In einer rasanten Geschwindigkeit stand Liam auf und stolperte zurück. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte er weg und ließ mich somit total aufgelöst im Sandkasten sitzen.

*

Geschafft ließ ich mich auf das große Bett fallen. Ich war todmüde, dazu kam noch mein Magen, der sich anfühlte, als würde er gleich explodieren. Vielleicht war es ja doch ein Cheeseburger zu viel gewesen.Zayn streifte sich seine Jacke ab und warf sie achtlos über die Lehne seines Schreibtischstuhls. Ich würde heute bei ihm übernachten, damit wir den Rest meines Geburtstages noch für uns nutzen konnten. Wir hatten Zeit für uns alleine. Ohne nervige Verwandten, die ich überhaupt nicht kannte.

Mein bester Freund krabbelte neben mich. Von einem Seufzer begleitet, ließ er seinen Körper auf die blaue Bettwäsche fallen. Schweigend lagen wir nebeneinander und starrten die Wand über uns an.

„Vielleicht hätten wir die letzte Runde weglassen sollen. Ich beschuldige dich, wenn mein Magen gleich platzt."

Um die rumorende Magengegend etwas zu besänftigen, hob ich meine Hand und legte sie auf die schmerzende Stelle. Leicht begann ich darüber zu streichen. Augenlider legten sich aufeinander. Vergeblich kreiste meine Hand über die schmerzende Magengegend, doch es schien nicht besser zu werden.

Bis sich eine größere Hand auf meine legte.

Verwundert riss ich meine Augen auf, um zu gucken, was Zayn dabei war zu machen. Als wäre es das normalste der Welt, hob er meine Hand an und legte sie neben mich. Als er kurz zu mir aufblickte, bekam er einen fragenden Blick zugeworfen.

„Lass mich das ruhig machen."

murmelte er und schob seine durchaus wärmere Hand unter mein T-Shirt. Entspannter schloss ich meine Augen wieder und ließ meinen Kopf wieder tief in das Kissen sinken. Zayns Hand hatte die Temperatur einer Wärmflasche, von daher war es deutlich angenehmer. Gab es eigentlich irgendetwas, was dieser Junge nicht konnte?

Lange Finger begannen in einer kreisenden Bewegung über meinen Bauch zu streichen. Durch die Vorsicht in seiner Bewegung schien sich mein Magen nach kurzer Zeit wirklich etwas abzuregen. Erleichtert seufzte ich leise auf. Es tat verdammt gut.

Die entspannte Haltung löste sich in Luft auf, als ich zwei heiße Lippen spürte, die sich behutsam auf die Stelle links von meinem Bauchnabel pressten. Was war denn jetzt los?

Verwundert sah ich abermals auf. Ich erwischte meine bessere Hälfte dabei, wie er erneut einen Kuss auf meine Haut pflanzte, dieses Mal nur ein Stück höher. Seine Beine waren links und rechts von mir platziert. Ohne meinen verwirrten Blick auch nur etwas Beachtung zu schenken, zogen seine Finger den Saum meines Shirts noch ein Stück höher. Mehr und mehr Haut wurde frei gelegt.

„Zayn, was machst du da?"

Ich wollte ihn stoppen, doch ein merkwürdiges Kribbeln, das durch meinen gesamten Körper fuhr, schien jegliche Reaktionen fest zu halten. Braune Augen trafen auf meine. Die Emotionen in der dunklen Iris, ließen mich erraten, was er vorhatte.

Mein Blick schien mich zu verraten. Langsam bewegte er sich zu mir hoch. Seine Hände platzierte er links und rechts von meinem Kopf. Wie oft hatten wir schon so gelegen. Nur ohne Hintergedanken. Nur dieses Mal schien Zayn andere Pläne zu haben. Als wir jünger gewesen waren, hatten wir uns geschworen, dass der jeweils andere das erste Mal werden sollte. So wie es aussah, war mein Freund gerade dabei, genau dieses Versprechen einzuhalten. Aber wieso ausgerechnet jetzt?

„Rachel, vertraust du mir?"

Die sonstige gute Stimmung, die seine Stimme begleitete, war durch Ernsthaftigkeit ersetzt worden. Verunsichert nickte ich als Antwort. Zayn näherte sich mir ein große Stück. Dabei verließen seine Augen nie meine. Stockend reduzierte sich die Entfernung unserer Gesichter ein weiteres Mal erheblich.

Unsicher schloss der Junge über mir seine schönen Augen. Mit schief gelegtem Kopf beobachtete ich, wie sich seine Lippen spitzten. Lass es einfach geschehen, dachte ich mir und atmete tief ein, wir werden schon darüber reden, wenn es vorbei ist. Diese zwei kurzen Sätze waren die einzigen Gedanken, die ich noch klar bilden konnte, ehe sich unsere Münder sanft aufeinander pressten.

*

„Es ist fast Mitternacht..."

Unheilvoll legten sich zwei Hände auf meine Schultern und drückten sie feste. Erschreckt fuhr ich zusammen und wirbelte herum. Die braunen Augen musterten mich, dem Anschein nach sichtlich amüsiert.

„Findest du das vielleicht lustig?"

Um den Schreck, den er mir gerade versetzt hatte, zu verdeutlichen, griff ich mir dramatisch ans Herz und gönnte ihm den tödlichsten Blick, den ich zustande bringen konnte. Schmunzelnd darüber, nahm Zaynn meine Hand.

„Komm."

sagte er und half mir dabei aufzustehen. Langsam aber sicher wurde es im Raum immer überfüllter und stickiger, was ein Grund war, raus an die frische Luft zu gehen.

Mit hochgezogener Augenbraue, quetschten wir uns durch die Menschenmasse.

Eigentlich war ich noch nie wirklich ein Fan von Halloweenpartys gewesen, doch Zayn hatte mich stundenlang dazu beredet, wenigstens einmal mit ihm auf eine zu gehen. Da ich so nett gewesen war, und ich meinem besten Freund ohnehin nie etwas abschlagen konnte, hatte ich letztendlich zugestimmt. Das alles hatte darin geendet, dass wir uns in einem Haus lauter verkleideter Jugendlichen befanden, die meiner Meinung nach, verdammt gruselig aussahen.

„Du solltest dich echt geehrt fühlen, dass ich mit dir gegangen bin."

grummelte ich über die laute Musik hinweg und sah den Jungen vor mir tadelnd an. Dieser drehte sich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen zu mir herum.

„Das bin ich dir, da kannst du aber von ausgehen."

rief er mir glücklich zu und führte mich weiter durch den Raum. Im Gegensatz zu mir schien er die Tür, die in den anliegenden Garten führte, schon gesichtet zu haben. Kopfschüttelnd warf ich einen Blick auf die große, mit künstlichen Spinnenweben verzierte, Wanduhr. In dem Moment, wo ich auf den schwarzen Zeiger sah, traf er genau auf die zwölf. Nicht einmal eine Sekunde später, ging das Licht aus.

Augenblicklich brach lautes Gekreische aus. Sofort hielt ich mir die Ohren zu und versuchte trotz der Dunkelheit Zayn zu erkennen.

„Mitternacht."

Die rauchige Stimme an meinem Ohr jagte mir so einen Schrecken ein, dass ich kurz aufsprang. Obwohl ich überhaupt nichts sehen konnte, holte ich aus und schlug meinem Freund gegen die Brust.

„Ich habe gesagt, du sollst mich nicht so erschrecken!"

quiekte ich, doch ich erhielt keine Antwort mehr. Denn anstatt sich bei mir zu entschuldigen, zog Zayn mich zu sich heran und presste seine Lippen vorsichtig auf meine.

Flashback Ende

Erinnerungen. Unmengen von alten Erinnerungen fielen wie ein Dach über mir zusammen. Mein erster Kuss mit Liam, mein erster Kuss mit Zayn. Es waren Momente mit dem Menschen, den ich schon immer liebte und mit dem, den ich erst lieben gelernt hatte.

Immer mehr von diesen Flashbacks aus meiner Vergangenheit zogen an meinem geistigen Auge vorbei.

Ich sah Zayn, wie er mir versprach, dass er mich nie verlassen würde, wie er lachte, wie er trauerte, wie er mich ansah. Ich sah meinen Vater, wie er mich auf seinen Armen in mein Bett trug, wenn ich in seinem eingeschlafen war, ich sah sogar meine Mutter, wie sie mir über die Haare strich und sagte, das sie gehen würde. Ich sah Liam, wie er mich heimlich beobachtete, wie er schüchtern zu mir kam und mich fragte, ob wir zusammen zum Jahrmarkt gehen wollten, wie er mich anfunkelte, wenn ich Zayns Hand gehalten hatte.

Es wurde zu viel für mich.

Vergeblich versuchte ich, den nicht stoppenden Fluss zu unterbrechen. Unruhig rutschte ich umher. Ich wollte das alles nicht sehen. Ich wollte es nicht sehen, da diese Momente etwas in mir hervorriefen, was ich jahrelang erfolgreich unterdrückt hatte.

Keuchend ballte ich die Hände zu festen Fäusten. Ich wollte nicht mehr in meiner Vergangenheit sein, nein. Ich wollte wieder zurück in die Gegenwart.

Mein Körper bäumte sich auf, als mich etwas, das sich wie elektrische Schläge anfühlte, durchfuhr. Mit Schwung fiel ich wieder nach unten, nur um ein paar Sekunden später wieder von diesen Schlägen getroffen zu werden. Es hörte nicht auf.

Ich konnte nicht anders, als zu schreien. Ich fing an zu schreien, dass es aufhören solle und es stoppen solle, mich zu quälen. Allerdings schien mich der Verursacher dieser Schmerzen nicht zu hören. Erst, als ich erschöpft nach hinten fiel, verschwanden sie wieder.

Geschockt schlug ich meine Augen auf. Was war das gewesen, fragte ich mich, doch die Frage verpuffte wieder, als ich das andere Paar Augen bemerkte, das mich geradewegs ansah.

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