»27. Kapitel

Mit hängenden Mundwinkeln ließ ich mich auf den unbequemen Stuhl fallen. Wieso geht ausgerechnet der letzte Schultag einfach nicht zu Ende, fragte ich mich und holte die passenden Schulutensilien aus meiner Tasche. Obwohl Spanisch neben Biologie eins meiner Lieblingsfächer war, kam der leise Verdacht in mir auf, dass sich die letzte Schulstunde am längsten hinziehen würde.

„Was ziehst du denn für eine Schnute? Ist jemand gestorben oder so?"

Mein Kopf fuhr ruckartig nach links, als ich die Stimme mit dem starken Akzent erkannte. Mit einem lauten Knallen ließ sich der, mir nur zu bekannte Blondschopf auf den Stuhl neben mir fallen. Seine Schultasche knallte dabei auf die Tischplatte, doch es passierte nicht sonderlich viel, außer dass es ein noch lauteres Rums durch den Klassenraum schallte und sämtliche Blicke auf uns zog.

Mit einem kleinen Lächeln wandte ich mein Gesicht wieder ab und kramte meine Federmappe zwischen den anderen Heften hervor.

„Wie kommst du denn auf so etwas?"

Als würde ich nicht wissen wovon er redete legte ich meine Stirn in Falten und zog das kleine Etui erfolgreich an das Tageslicht. Niall tat es mir gleich und packte seine Sachen aus. Während er seine Unterlagen sowie das Sandwich heraus suchte, das er merkwürdigerweise jede Stunde mitbrachte, damit wir es uns teilen konnten, wanderte mein Blick zu der Tür auf der anderen Seite des Raumes.

Auch wenn es sehr unwahrscheinlich war, hoffte ich, dass wenn Zayn gleich herein kommen würde, sich auf den Platz rechts von mir setzen würde, den ich extra für ihn reserviert hatte. Doch so wie ich ihn kannte würde er sich irgendwo anders hinsetzen, außer neben mich

„Du siehst aus, als hätte man dir gerade eben gesagt, dass du nur noch einen Tag zu leben hättest."

Niall seufzte dramatisch auf, als wir gleichzeitig Mrs. Fabray erblickten, die mit einem großen, falschen Lächeln den Klassenraum betrat. In ihren Armen hielt sie einen Stapel Arbeitsblätter. Von Zayn oder Liam war immer noch keine Spur.

Auch vom letzteren Jungen war ich leicht enttäuscht. Nach unserer kleinen...Aktivität gestern, war er zwar auf meine Frage hin geblieben, doch als ich am nächsten Morgen merkwürdigerweise in T-Shirt und Unterhose aufgewacht war, war die andere Betthälfte leer und kalt gewesen.

Er hatte, wie schon gesagt, sein Wort gehalten, aber als ich in der Nacht einmal kurz aufgewacht war, hatte ich bemerkt, wie distanziert er von mir gelegen hatte. In dieser Sekunde war der Wunsch in mir aufgekommen mich an seinen warmen Körper zu schmiegen und das geborgene Gefühl der starken Arme um mich herum zu spüren, doch auch zu dem war ich zu feige gewesen.

„Was hast du denn jetzt?"

Ein aufgeregter Ire lenkte mich aus meinen Erinnerungen von letzter Nacht ab. Aufgelöst sah ich auf und stellte gleichzeitig fest, dass die junge Lehrerin schon mit dem Unterricht begonnen hatte. Doch aufpassen würde ich ohnehin nicht, denn erstens saß ich neben Niall und zweitens war mein Energie auf dem Tiefpunkt.

„Es ist alles gut, ich..."

„Du?"

half er mir nach und stützte den Kopf auf seinen Arm. Das blau seiner Augen bohrte sich förmlich von der Seite in mich hinein, doch ich versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren, indem mein Fokus wieder zu der stark demolierten Tür glitt, stets in der Hoffnung, dass mein alter bester Freund noch hinein platzen würde.

„Es ist nur...Zayn hat dir doch sicher erzählt was los ist, oder?"

Die Wörter verließen nur holprig und stotternd meinen Mund. Am liebsten wäre ich jetzt einfach gegangen, denn ich wusste genau, was Niall versuchen würde, wenn er wissen würde was zwischen Zayn und mir in den letzten Tagen geschehen war.

„Ja, er hat mir alles erzählt."

vernahm ich ihm anschließend nüchtern. Dann biss er in das Thunfisch Sandwich, das er so schnell wie möglich und hungrig aus der Alufolie gewickelt hatte. Geduldig kaute er auf dem Bissen herum, während er auf meine Fortsetzung wartete.

„Ich verstehe einfach nicht, wieso er gesagt hat, dass er mich hassen würde."

murmelte ich und versuchte gegen Ende hin nicht leiser zu werden. Mit einem halben Lächeln nahm ich das große Brot von ihm an. Bevor ich einen kleinen Happen nahm, reichte ich zuerst die Arbeitsblätter weiter, die gerade durch die Reihen gegeben wurden.

„Oder das er mir an den Kopf geworfen hat, das ich mich verändert hätte."

fuhr ich fort und kaute abwesend auf der Brotkante herum. Niall hörte auf mich mit nachdenklichen Blicken zu durchlöchern und setzte sich aufrecht hin. Ohne mir eine Antwort zu geben, zückte er seinen Füller und las sich die Aufgaben auf den Zettel durch. Geknickt aß ich noch ein bisschen.

Er ist ja nett, beschwerte sich mein Gewissen lauthals bei mir, erst fragt er und jetzt gibt er dir nicht einmal eine Antwort. Doch mal wieder war die nervende Stimme in meinen Kopf zu vorschnell gewesen, denn ich erhielt keine Sekunde später eine Antwort von Niall.

„Ich weiß, dass du das jetzt nicht unbedingt hören willst, aber seit du und Liam...du weißt schon, was ich meine, habt, bist du wirklich anders geworden."

Blondie verhielt sich so, als würde er mir von dem letzten, langweiligen Besuch bei seiner Großmutter erzählen. Er schien in seinen Gedanken abwesend zu sein und mir nur genau das zu sagen, was ich ausgerechnet nicht hören wollte.

Mit einem Räuspern gab ich ihm sein Essen zurück.

„Inwiefern verändert?"

hakte ich nach und ließ meinen Fokus mal wieder zur Tür gleiten. Sie hatte sich seit Mrs. Fabray hier war nicht mehr geöffnet. Wo blieben die beiden nur?

„Du scheinst Liams Anwesenheit mehr zu genießen, als Zayns, was ihn ziemlich aufregt, da du nicht zu verstehen scheinst, was du ihm eigentlich bedeutest."

„Natürlich ist er mein bester Freund, aber-"

„Halte jetzt einfach mal die Klappe und lasse mich jetzt reden!"

Nialls Stimme schnitt scharf und plötzlich durch meinen Satz. Augenblicklich verstummte ich. Beeindruckt über den plötzlichen Ton, den er plötzlich hatte verformten sich meine Lippen zu einem kleinen o.

Kleinlaut zog ich meine Schultern etwas zusammen und wagte einen kurzen Blick zu meinem Sitzpartner. Dieser hatte seinen Stift aus der Hand gelegt und widmete seiner Aufmerksamkeit nun vollkommen mir. Und so tat ich es auch.

„Er hasst dich verständlicherweise nicht wirklich, dafür liebt er dich viel zu sehr. Also....als Schwester natürlich!"

gab er als erstes zu bedenken. Mit einem kleinen, eingeschüchterten Nicken zeigte ich ihm, das er fortfahren konnte. Niall sammelte sich ein paar Sekunden lang, bevor er seine Standpauke weiter führte. Diese paar Sekunden reichten komplett aus, um heraus zu finden, dass er die Worte als Schwester natürlich schnell angehängt hatte.

„Aber er hat eine Ahnung, dass da was zwischen dir und Liam läuft und das ist nur einer der Gründe, weswegen er sich so aufregt."

„Hast du ihm etwa etwas davon erzählt?!"

„Nein. Ich habe dir doch gesagt, dass ich ihm kein einziges Wort verraten werde. Aber wenn du dich nicht bald traust es ihm zu beichten, werde ich es mir noch einmal gründlich überlegen."

Mit diesen Worten drehte einer meiner engsten Freunde mir den Rücken zu und machte sich an seine Aufgaben. Damit bewirkte er nicht nur, dass mein Mund so weit aufklappte, das ich befürchtete mein Kiefer würde gleich auf den Boden knallen, nein.

Mit diesen dreiunddreißig Wörtern regte er mich dazu an ernsthaft darüber nachzudenken, ob ich es ihm nicht wirklich alles erzählen sollte, oder doch nicht.

*

Ich drehte mich nicht ein einziges Mal herum, als ich aus dem Schulgebäude heraus, und an die frische Luft trat. Die Spanisch Stunde war, seit der Beendung von Nialls und meiner Konversation, doch glücklicherweise schneller vorüber gegangen, als ich vorerst vermutet hatte. Keiner der beiden Jungs war, zu meiner Enttäuschung, im Verlauf der Stunde aufgetaucht.

Da ich nach dem erlösenden Klingeln noch einmal schnell zu meinem Spind gelaufen war, um die ganzen unnötigen Schulsachen darin zu verstauen, war ich jetzt nur noch eine der wenigen, die sich noch hier befanden. Wer wollte auch schon am letzten Schultag freiwillig in der Schule bleiben?

Langsam schritt ich über den Parkplatz, der unmittelbar vor der Schule platziert worden war, und sah mir die Autos an. Ein mir bekanntes stach mir nicht ins Auge, dafür aber ein Motorrad. Und der Junge, der lässig dagegen gelehnt stand, war mir auch äußerst bekannt.

Da ist er also. Mit einem schnelleren Tempo steuerte ich auf ihn zu. Wenigstens würde ich erfahren, wo einer von ihnen sich während der Unterrichtszeit herum getrieben hatte. Als er mich sah, erhellte sich sein grimmiger Gesichtsausdruck etwas.

„Hey."

begrüßte er mich mit einem schiefen Lächeln, doch ich ging gar nicht erst großartig darauf ein.

„Wo warst du?"

„Ach, ich bin nur ein wenig durch die Stadt gekurvt. Hatte keine Lust auf Spanisch."

Liams Miene war gleichgültig, jedoch erkannte ich, wie seine Augen zu schimmern begannen. Mit angehobenen Augenbrauen sah ich ihn einfach nur an.

„Und du weißt auch nicht zufällig wo Zayn ist?"

„Nein, wieso fragst du?"

Der unheimliche Gedanke, dass die beiden schon wieder aneinander geraten waren, baute sich in mir auf. So unauffällig wie möglich tastete ich mit meinen Augen sein Gesicht ab, doch ich fand keinerlei Kratzer oder Wunden. Es war genau so, wie ich es das letzte Mal gesehen hatte. Makellos und perfekt.

„Nur so."

nuschelte ich kurz angebunden und sah auf meine Hände. Liam Anwesenheit erinnerte mich unwirklich an gestern Abend. Und daran wollte ich nicht unbedingt denken. In diesem Moment zumindest.

„Und was machst du jetzt noch hier? Wieso bist du dann noch nicht zuhause, ich meine es ist doch schon längst Schulschluss."

fragte ich murmelnd und knetete auf meinen Daumen herum. Aus der Brust vor mir ertönte ein tiefes und leises Lachen. Kurz darauf legte sich ein Finger unter mein Kinn und drückte es hoch.

„Ich habe gedacht, dass ich dich nach Hause fahren könnte. Du bist doch bestimmt noch nie Motorrad gefahren, oder?"

Ich verneinte. Mit einem breiten Lächeln auf den rosigen Lippen, stand Liam auf und schwang sein Bein über das teure Fahrzeug. Mit der geöffneten Handfläche klopfte er einladend auf das Polster hinter sich. Als er bemerkte, dass ich zögerte, entfuhr ihm erneut ein tiefes Lachen.

„Komm schon, es wird dir nichts passieren. Ich verspreche es."

Und ich glaubte seinen Worten. Trotz dem unwohlen Gefühl in meiner Magengegend, setzte ich mich hinter ihm und schlang meine Arme feste um seinen Oberkörper. Den Helm, den er eigentlich benötigte, überließ er mir.

Was soll's, dachte ich mir schulterzuckend, ab morgen wirst du bei deiner Mutter in einem Strandhaus sein, da macht Motorrad fahren mit einem sehr waghalsigen Jungen doch auch nichts mehr aus.

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