»20. Kapitel

„Jetzt komm schon. Tu es für mich.“

Wie ein kleiner Junge zog mein bester Freund quengelnd an meinem Arm herum. Genervt stöhnte ich auf. Wenn er jetzt so weiter macht bringe ich ihn um, beschloss ich mit einem todernsten Gesicht und drehte mich zu dem großgewachsenen Jungen hinter mir um.

„Ich mache es nur, wenn du aufhörst mich anzubetteln.“

stellte ich klar und nahm ihn dann meine Sporttasche aus der Hand. Zayns Gesicht erhellte sich. Zufrieden darüber, dass ich es nun doch tun würde lächelte er mich dankend an und drehte sich um.

„Na dann, bis gleich.“

trällerte er plötzlich besser gelaunt und verschwand in der Männer Umkleide. Kopfschüttelnd sah ich ihn hinterher. Er ist schon etwas besonderes, dachte ich mir schmunzelnd und stapfte in die entgegengesetzte Richtung. Aber wie langweilig wäre mein Leben bloß ohne ihn?

 Seit Niall mit mir geredet hatte waren drei weitere Schulstunden vergangen. Nun hatten wir die letzten zwei Stunden Sport. Ich liebte es mich in meiner Freizeit sportlich zu betätigen, doch in der Schule hasste ich es einfach nur. Und daran war nur Mr. Sterling, mein Lehrer Schuld. Er mochte mich nicht und jede einzelne Stunde nahm er mich zwischen den anderen heraus, nur weil er anscheinend Spaß daran hatte mich fertig zu machen.

Eigentlich hatte ich auf diese zwei Stunden voller Horror verzichten wollen, doch ein Junge namens Zayn hatte mich davon abgehalten zu schwänzen. 

Als ich die kleine, muffige Umkleide betrat fand ich nur ein paar andere Mädchen, die wie ich etwas zu spät gekommen waren. Schnell suchte ich mir einen freien Platz und zog mich um. Das zweite, das ich an Schulsport hasste war die einheitliche Kleidung. Da unsere Schule an unterschiedlichen Wettbewerben teilnahm war es nach und nach Pflicht geworden diese bestimmte Teamkleidung auch im normalen Unterricht zu tragen.

 Allein das war der Grund wieso ich mir nun ein schwarzes schlichtes T-Shirt mit der Aufschrift unserer Schule und eine sehr kurze gleichfarbige Shorts dazu anzog. Meiner Meinung nach waren diese Hosen viel zu kurz, doch es schien keinem anderen aufzufallen. Die Jungs mussten dasselbe tragen, nur das ihre Hosen etwas länger waren.

Murrend band ich mir noch schnell die Haare zusammen und zog mir die Schuhe an, dann tapste ich in die Halle. Es waren außer den restlichen Mädchen in der Umkleide schon fast alle da. Ich entdeckte Zayn, der etwas abseits der anderen stand und sich immer wieder durch die Haare fuhr. Als er mich sah, lächelte er. Mit schnellen Schritten kam er mir entgegen.

„Weißt du, was wir heute machen?“

erkundigte ich mich und blieb neben ihm stehen. Zayn legte kurz seine Stirn in Falten, dann gab er mir eine Antwort.

„Ich glaube Badminton. Aber wir beide machen doch zusammen, oder?!“

Bittend blickten mich die schokobraunen Augen an. Wie selbstverständlich nickte ich. Zayn und ich machten immer alles zusammen, da wir uns durch ein Missverständnis mit den anderen in unserer Klasse nicht mehr so blendend verstanden wie am Anfang. Das alles hatte dazu geführt, das wir nun unser Ding machten und alle anderen sich von uns weg hielten.

„So, dann wollen wir mal anfangen.“

Eine mir nur zu bekannte tiefe Stimme brüllte so laut durch die gesamte Halle, dass Zayn und ich gleichzeitig zusammen zuckten. Mein Blick fiel auf den kleinen Mann, der gerade dabei war sich auf den Matten Wagen zu setzen, damit er auch von jedem gesehen wurde. Unwirklich breitete sich ein leichtes Grinsen auf meinem Gesicht aus. Wie kann man als Mann nur so klein aber gemein sein?

„Bitte findet euch alle zu zweit zusammen und nehmt euch jeweils einen Schläger. Die Bälle liegen direkt daneben.“

wies er an und deutete zeitgleich neben sich. Keine Sekunde später stürzten sich sämtliche Schüler darauf. Ich wollte es ihnen gleichtun, doch eine Hand legte sich im rechtzeitigen Moment auf meine Schulter.

„Warte, ich hole sie schon für uns. Halte du am besten schon einmal ein Feld frei.“

Noch bevor ich ihm sagen konnte, dass ich die Schläger auch holen konnte, war Zayn schon los gelaufen und hatte sich zwischen die anderen gemischt. Resigniert seufzend drehte ich mich um und lief auf ein freies Feld zu.

Manchmal verstand ich Zayn einfach nicht. Andauernd nahm er mir alles ab und erledigte Dinge für mich, die ich auch selbst machen konnte. Ich sagte es ihm zwar jedes Mal, doch in dieser Angelegenheit war er komplett taub. Nachdenklich reservierte ich ein kleines Feld zum spielen, indem ich mich auf eine Seite des Netzes stellte.

Das Niall keine Minute später links von mir auftauchte und das Feld beschlagnahmte ignorierte ich einfach. Ich traute mich seit unserem Gespräch nicht mehr ihm in die Augen zu sehen, weswegen ich nur aus den Augenwinkeln den Blick bemerkte, der sich in mir einbrannte.

„Hier.“

Ein Schläger, der unmittelbar unter meine Nase gehalten wurde, lenkte mich ab. Mit einem schiefen Lächeln nahm ich ihn dankbar entgegen und sah zu, wie Zayn einmal unter dem Netz her kroch und sich auf die andere Seite gesellte.

„Na dann wollen wir mal!“

rief er mir überaus motiviert zu und warf den kleinen, leichten Ball in die Luft. Er holte mit seinem Schläger aus, doch traf ihn nicht. Automatisch entwich mir ein kurzes Kichern. Zayn und Sport, dachte ich glucksend, ist genauso wie ich und Mathe Unterricht. 

Verschmitzt beobachtete ich wie mein Partner mit knallroten Wangen den Ball wieder aufhob. Ein zweites Lachen ertönte, doch es kam nicht von mir. Sondern von ihm.

Liam stand direkt neben Zayn und musterte ihn schadenfreudig. Seine Augen leuchteten dabei belustigt. Augenblicklich verschwand meine gute Laune wieder. Na toll. War es nicht irgendwie klar, dass ausgerechnet Niall und Liam das Feld neben uns nehmen mussten? Das kann ja mal wieder was werden.

Zayn warf Liam einen Blick zu, mit dem er hätte töten können. Dieser erwiderte ihn nur zu gerne und sagte anschließend etwas zu ihm. Leider stand ich so weit von den beiden weg, dass ich kein einziges Wort verstand. Ich versuchte von seinen Lippen zu lesen, doch auch dies war vergebens. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen verfolgte ich, wie Zayn ihm etwas mit zusammen gebissenen Zähnen antwortete und sich dann wieder zu mir drehte.

Ohne auf den verächtlichen Blick von Liam einzugehen warf er den Ball erneut hoch und schoss ihn dieses mal mit mehr Erfolg zu mir herüber. Mit Leichtigkeit wanderte er wieder zurück. Zayn spielte den Ball mit so einer Kraft, das ich allein darin erkannte, dass Liams Aussage ihn tierisch aufgeregt haben musste. Aber was hatte er ihm gesagt?

Ich beschloss einfach ihn nach Unterrichtsende damit zu konfrontieren. Auch wenn ich genau wusste, das Zayn es mir mal wieder nicht verraten würde, war es wenigstens einen Versuch wert. Obwohl ich vollkommen in Gedanken versunken war und Zayn dem Anschein nach wütend war, spielten wir relativ gut.

Aber auch Niall und Liam verhielten sich wie Profis. Ohne den Ball einmal auf den Boden aufkommen zu lassen, schossen sie ihn immer und immer wieder über das Netz. Als ich kurz zu den beiden herüber lugte sah ich, dass zwei braune Augen mich anstarrten. Als er meinen Blick jedoch bemerkte, sah er schnell wieder auf den Ball, der unmittelbar auf ihn zuraste.

Irgendwie wurde ich aus dem anderen Geschlecht nicht schlau. Jeder Junge, den ich bis jetzt kennen gelernt hatte war anders. Die meisten waren wie Liam, der reine Macho und so von sich überzeugt, dass sie dachten jede Frau ins Bett zu bekommen. Und da waren noch so Typen wie Zayn. Lieb, einfühlsam und ein halbes Mädchen. Sie wollten alle ernst genommen werden, doch benahmen sich manchmal wie Jeff aus der Snickers Werbung.

Während ich über das Mysterium Mann weiter nachgrübelte realisierte ich nicht, dass gar kein Ball von der anderen Seite zu mir herüber kam. Etwas verwundert sah ich auf.

Ich fand Zayn auf der Feldseite von Liam wieder. Seine Brust hob und senkte sich rasend schnell, seine Hand umklammerte den Griff seines Schlägers so fest, dass ich selbst aus der Entfernung erkennen konnte, wie extrem die Knochen hervor traten. Mit einer bösen Vorahnung schritt ich langsam und geräuschlos auf die beiden zu.

Bitte verprügelt euch nicht schon wieder gegenseitig, betete ich im Stillen und bemerkte wie auch Nialls Aufmerksamkeit auf die beiden gezogen wurde. Mit angehobenen Augenbrauen trat auch er näher an das Geschehen heran.

„Rede nicht von etwas, von dem du eh keine Ahnung hast.“

hörte ich Zayn gerade zischen, als ich es geschafft hatte unauffällig in die Hörweite zu gelangen. Liam stieß ein kleines Grunzen an.

„Oh, du kannst dir ziemlich sicher sein, das ich eine Ahnung davon habe.“

antwortete er gelassen und schwang seinen Schläger locker im Kreis. Zayn schnaubte laut auf. Er sah so aus, als würde er ihm gleich an die Kehle springen, weswegen ich kurzerhand beschloss die beiden zu unterbrechen. Entschlossen hob ich das Netz an, um darunter her zu kriechen, als ein Schläger mitten in das Gesicht von Liam klatschte. Geschockt verharrte ich auf der Stelle.

„Wie kannst du so etwas nur über sie sagen?“

rief er und holte zu einem weiteren Schlag aus. Etwas erschrocken rieb Liam sich kurz über die Nase, dann reagierte er noch vor Zayn. Mit einer geschickten Bewegung rammte er ihm den Griff des dünnen Schlägers in seinen Bauch.

„Das, das ich über sie gesagt habe ist die Wahrheit. Komm mal damit klar.“

Wütend darüber, das Zayn ihn gerade ernsthaft mit einem Badminton Schläger vermöbelt hatte, warf er seinen weg und stürzte sich auf seinen Gegner. Mit einem lauten Krachen landeten sie auf den Boden.

Als die anderen Paare es mitbekamen stellten sie augenblicklich ihr Spiel ein. Was für neugierige Hühner. Eigentlich hätte ich mich über die neugierigen Blicke maßlos aufgeregt, doch ich musste meine Zeit nun eher damit verbringen die beiden Idioten auseinander zu bekommen.

Nur mit viel Glück gelang es Liam die Oberhand zu gewinnen und sich auf Zayn draufzusetzen. Wütend traf seine geballte Faust immer und immer wieder sein Gesicht. Grauenhafte und weitaus beunruhigende Geräusche hallten durch die Halle und sorgten dafür, dass sich mein Magen einmal komplett herumdrehte.

Fest entschlossen stolperte ich auf die beiden zu und versuchte sie voneinander zu trennen. Nicht einmal eine Sekunde später trat ein blonder Kopf neben mich und half mir dabei.

„Oh Gott, du bist so ein verdammtes Arschloch!“

schrie Zayn Liam an, während Niall versuchte ihn an seinen Armen zu packen, und ihn unter Liam wegzuziehen. Der kleine Ire musste jedoch richtig gegen ihn ankämpfen, da er um einiges schwächer war. Doch Louis kam im rechtzeitigen Moment dazu und drehte Zayns Arme im richtigen Moment hinter seinen Rücken. Unwirklich kam mir das alles wie eine filmreife Szene vor.

Doch ich wurde wieder aus meinem kurzen und absolut unwichtigen Gedankengang gezogen, als Zayn sich aus Louis festem Griff befreite und wieder auf Liam zustürmte. Ich sah, wie die Wut in seinen Augen glitzerte. Und es schreckte mich richtig ab.

Damit keiner der beiden einen noch größeren Schaden davon trug, hechtete ich nach vorne und stellte mich vor Liam. Ich wusste genau, das Zayn auf mich hören würde. Und das tat er auch. Sobald er mich realisiert hatte blieb er ruckartig stehen.

„Sag mal seid ihr zwei eigentlich siebzehn oder fünf?“

schrie ich sie an und schenkte erst Zayn und dann Liam meinen besten Todesblick. Diese zeigten sich jedoch anders als anfänglich von mir angenommen. Anstatt mir eine Antwort zu geben oder sich gegenseitig zu entschuldigen, funkelten sie sich über meinen Kopf hinweg an.

"Du bist so ein Abschaum, Liam.“

knurrte Zayn letz endlich und trat einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu. Erschreckt bemerkte ich wie ein paar Tropfen Blut aus seiner Nase quollen. Entsetzt über die Brutalität, die zwischen ihnen vorging, drehte ich mich zu dem Jungen hinter mir. Im Kontrast zu meinem Freund sah er reichlich besser aus. Nicht einmal ein Kratzer war auf seinem makellosen Gesicht zu finden. Nicht einmal einer!

"Ach, fahr doch zur Hölle, Malik.“

brummte er und spuckte Zayn provokant mitten ins Gesicht. Und ich schwöre gehört zu haben, wie jeder in der Halle den Atem anhielt. Geschockt klappte meine Kinnlade auf. So etwas hat er sich noch nie gewagt, rief ich mir ins Gedächtnis und glotzte mein Gegenüber entgeistert an.

Unsere Blicke vernetzten sich haargenau in der Mitte. In der Sekunde wo dies geschah begann sich alles um uns herum wie in Zeitlupe abzuspielen. Das sanfte Braun seiner Augen wurde größer. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sie wieder dieses perverse oder aggressive Glitzern wieder geben würden, doch ich sah geradewegs in das Gegenteil. Sie sagten etwas Eindeutiges aus, trotzdem war es schwer die exakte Definition dafür zu finden. War es etwa ... liebevoll?

Noch ehe ich groß Zeit darin verschwendete die Augen des Jungen, der gerade meinen besten Freund zu Brei gemacht hatte, zu analysieren, wurden wir beide von einem Geschrei unterbrochen.

"Was geht in euren verdammt hohlen Köpfen eigentlich vor, das ihr es euch erlaubt in meinem Unterricht eine Schlägerei zu starten?“

Mr. Sterling holte uns beide wieder in die Realität zurück. Etwas verlegen trat ich von ihm zurück und schlug mich unaufgefordert auf Zayns Seite. Innerlich hoffte ich, dass keiner diesen merkwürdigen Moment zwischen Liam und mir bemerkt hatte. Was war das gerade bloß gewesen?

"Ihr verschwindet jetzt beide. Sofort! Ich will eure Gesichter für heute nicht mehr hier sehen!“

Mit diesen Worten machte der pummelige Mann auf dem Absatz kehrt und watschelte zurück zu seinem Übersichtspunkt, den Matten Wagen. Dabei schüttelte er permanent den Kopf und murmelte leise Worte vor sich hin. Ich schätzte, dass es Flüche waren.

"Und alle anderen fangen wieder an zu spielen. Die Show ist vorbei.“

fügte er hinzu und kletterte wieder auf die blauen Matten. Als zusätzliches Signal blies er noch einmal kräftig in seine Pfeife. Nur widerwillig begannen die Unbeteiligten nun wieder sich auf ihre ursprünglichen Positionen zu verstreuen. Alle außer mir.

Mit vor der Brust verschränkten Armen sah ich den beiden Jungen hinterher, die sich nun auf den Weg in die Umkleide machten. Keinen von ihnen machte sich die Mühe sich noch einmal zu mir zurück zu drehen, allein nur um meinen Todesblick einzufangen.

Aber das war nicht mehr nötig. Sobald ich her entlassen wurde, würde Zayn sowie Liam eine ordentliche Standpauke von mir reinziehen müssen. Und das würde was werden. Da war ich mir sicher.

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