»17. Kapitel

Niall’s Point of View

Wieso muss Schule eigentlich andauernd so ätzend sein?

Diese acht Wörter waren die einzigen, die sich momentan in meinem Kopf befanden. Nur widerwillig zog ich meine Hand aus der wohlig warmen Jackentasche und griff nach der eiskalten Türklinke. Wie kann es nur so kalt sein? Es ist verdammt noch mal Oktober, da sollte es angenehm frisch sein und nicht die neue Eiszeit, dachte ich mir kopfschüttelnd und betrat das Schulgebäude. Unmotiviert stapfte ich durch den leeren Gang und hörte dem quietschenden Geräusch zu, die meine Schuhsohlen verursachten.

Im Gegensatz zu meinen anderen Turnschuhen waren diese unbequem und außerdem viel zu klein, doch ich musste sie tragen, da Rachel mir ja Freitag auf die anderen gekotzt hatte. Dass sie es nicht hatte zurück halten können war ja in Ordnung gewesen, doch das sie genau auf meine brandneuen teuren Schuhe getroffen hatte, war nicht sonderlich gut bei mir angekommen.

Zielsicher steuerte ich auf die Treppe zu, als mich eine dunkle Stimme davon abhielt.

„Mr. Horan! Müssten sie nicht Unterricht haben?“

Wie ein aufgeschrecktes Huhn blieb ich ruckartig stehen. Verwirrt fuhr ich mit dem Kopf in die Richtung, aus der der Ausruf meines Namens erklungen war. Nach ein paar Sekunden entdeckte ich die schmale Figur von Mr. Allington, meinem Geschichtslehrers. Mit angehobenen Augenbrauen sah er mich erwartungsvoll an.

„Ich habe erst zur Zweiten Stunde und wollte gerade eben in meinen Klassenraum gehen.“

Ein höfliches Lächeln begleitete meine ehrliche Antwort. Geduldig wartete ich auf seine Antwort. Die kleinen, grauen Augen musterten mich für eine Weile lang misstrauisch, dann wanderten sie auf den Stapel Blätter, den er wahrscheinlich gerade in das Lehrerzimmer bringen wollte, und fokussierten das oberste Blatt.

„Na dann gehen sie mal. Aber wagen sie es sich und kommen gleich nicht zu meiner Stunde.“

murmelte er und setzte zum weiter gehen an. Mit gesenktem Kopf rauschte der alte Mann an mir vorbei und verschwand um die Ecke.

„Ich wünsche Ihnen auch noch einen schönen Tag.“

sagte ich leise und drehte mich dann wieder zur Treppe um. Mr. Allington war mir schon immer merkwürdig vorgekommen. Er konnte nett sein, aber auch total böse. Manchmal war er lustig, zwei Sekunden später verdonnerte er jedem, der lachte, eine Strafarbeit. Während ich mich so langsam wie möglich die kalten Steinstufen hoch hievte, schweiften meine Gedanken von dem gruseligen Lehrer zu Rachel, Zayn und Harrys Party am vergangenen Freitag ab.

Es war ein denkwürdiger Abend gewesen, und obwohl es inzwischen Mittwoch war, dachte ich immer wieder an dieses einzigartige Erlebnis. Eigentlich hatte ich immer gedacht ihn gut zu kennen, doch in diesen paar Stunden war mir klar geworden, wie gebrochen sein Herz sein musste.

Von außen hatte er immer bewundernswert und so perfekt auf mich gewirkt, doch nun wusste ich, dass dies alles nur eine gut erbaute Fassade war. Hinter den sympathischen braunen Augen und dem netten Lächeln versteckte sich ein gebrochener Junge. Und das nur wegen ihr. Und sie wusste nicht einmal, wie unglücklich sie ihren besten Freund machte.

Ich wünschte, ich könnte den beiden helfen, seufzte ich mir und atmete tief aus. Treppen steigen und nachdenken konnte zusammen ganz schön anstrengend sein. Ein erneutes, tiefes, resigniertes Seufzen verließ meinen Mund, als ich die gefühlten fünfzig weiteren Stufen vor mir sah. Hatte ich ernsthaft gedacht, dass ich es schon fast geschafft hätte? Wiederwillig setzte ich meinen Weg fort, und mit jeder Stufe kam ein neuer Gedanke dazu.

Im Gegensatz zu Zayn erschien mir Rachel einfach nur glücklich, von innen und von außen. Ich mochte sie wirklich und war echt froh darüber, dass wir eine gute Freundschaft pflegten, doch in manchen Momenten könnte ich sie einfach nur für ihre naive Seite ohrfeigen. Meine Gedanken waren zwar etwas verwirrend, aber für dumm hielt ich sie nicht. Sie war ein schlaues Mädchen, doch wenn es um ihren vertrautesten und besten Freund ging, schien sie nichts mehr zu begreifen.

Es war egal wie oft es passierte, aber jedes Mal, wenn die beiden zusammen waren, sah sie niemals die Blicke, die er ihr andauernd zuwarf. Die Begrüßungs- und Abschiedsküsse, die er ihr gab, das Händchenhalten, das verträumte Lächeln, all diese offensichtlichen Zeichen, blendete sie vollkommen aus.

Und genau das war es, das Zayn das Herz aus dem Leib riss. Er tat mir so unglaublich leid, doch als Außenstehender hatte ich mir fest vorgenommen mich nicht darin einzumischen. Das ich meinen Freund jedoch davon abgehalten hatte, die enge Beziehung der beiden durch einen Kuss zu zerstören, war eindeutig nötig gewesen.

„Was willst du jetzt genau von mir?“

Eine männliche Stimme, die keinem Lehrer zu gehören schien, drang an mein Ohr. Und mal wieder verharrte ich in der Position, in der ich mich gerade befand. Wer redete da?

„Du weißt genau, was ich von dir will.“

Eine zweite, hellere Stimme folgte kurz angebunden an den ersten Satz. Der verführerische Ton in dem Klang war eindeutig nicht zu überhören. Mein Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen, als ich beide Stimmen Personen zuordnen konnte.

Rachel und...Liam?

So geräuschlos wie möglich huschte ich die letzten Stufen der Treppen hoch und lugte vorsichtig um die Ecke. Meine eigentlich absurd gedachte Vermutung bestätigte sich, als ich die zwei Gestalten erkannte, die etwa zehn Meter von mir entfernt standen.

„Ach so, wieso machst du da denn so ein Geheimnis draus? Hättest du mir vorher eine Nachricht geschrieben, dann hätte ich noch etwas zum Schutz mitgenommen.“

Liam, der mit dem Rücken zu mir stand, trat einen Schritt auf sie zu. Da ich Rachels Gesicht noch so halb erkennen konnte, konnte ich atemlos beobachten, wie sie sich leicht auf die Lippe biss. Dann stellte sich sich auf Zehenspitzen und presste ihre Lippen auf seinen Hals, während ihr Gegenüber sie an die Wand presste und seine Arme links und rechts von ihrem Kopf an die Wand platzierte.

Ich träume, flüsterte ich leise und verfolgte gebannt das Geschehen vor mir, bitte sag mir irgendjemand, das das alles hier ein ganz böser Traum ist. Doch das war es nicht. Obwohl ich es nicht glauben wollte, musste ich mir eingestehen, das Liam gerade wirklich seine Hand unter ihr Shirt gleiten ließ. Als Gegenzug schlang sie ihre dünnen Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter. Anschließend wurden wahrscheinlich dreckige Wörter in sein Ohr geflüstert.

Liam und Rachel?

Rachel und Liam?

Liam und Rachel?

Rachel und Liam?

Wieso zum Teufel sah es gerade so aus, als würde Zayns größter Feind mit ausgerechnet seiner besten Freundin kurz davor sein intim zu werden? Das alles ergab gerade überhaupt keinen Sinn.

„Der Raum da vorne ist frei. Vielleicht sollten wir das anstehende dorthin verlegen.“

Eine Antwort auf den Vorschlag, den sie ihm gerade gemacht hatte, bekam sie nicht. Stattdessen packte er wortlos ihre Hand und zog sie mit sich zu der gemeinten Tür. Ehe ich blinzeln konnte, hatte er die sie geöffnet und sie in den Raum gedrängt. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich das dreckige Grinsen in seinem Gesicht sehen. Dann waren beide verschwunden. Das einzige, das ich noch mitbekam, war das Krachen der Tür, die ins Schloss fiel.

War das gerade wirklich passiert? War es real gewesen, oder war ich nicht doch blöderweise in einem ziemlich realen Alptraum gelandet?

Immer noch vollkommen baff von dem, was ich gerade gesehen hatte, trat ich aus meinem Versteck hervor. Damit ich von den beiden nicht erhört wurde, schlich ich an der Tür, hinter der sie dabei waren, Gott weiß was, zu tun, vorbei.

Soll ich Zayn etwas davon erzählen, fragte ich mich, während mein Gehirn immer noch daran arbeitete, das gesehene Erlebnis sowie tausende von Fragen zu verarbeiten. Du atmest erst einmal tief durch, und gehst dann zu deinem Klassenraum, ordnete ich mir selbst an, dann ist Pause und du wirst dich wieder mit Zayn und Rachel in der Mensa treffen. Dort wirst du zur Beruhigung etwas essen und dann unauffällig heraus finden, ob er etwas davon weiß. Mit klopfenden Herzen versuchte ich mich etwas abzuregen. Die ganze Situation hatte mich so schockiert, dass mein Herz nun Überschläge machte.

Ich fand meinen Plan wirklich gut, doch er wurde komplett zerstört, als aus dem Raum, indem die beiden verschwunden waren, ein lauter Schrei ertönte. Ein lautes Poltern folgte Sekunden später. Noch ehe ich die Chance hatte mich zu verstecken oder irgendwie zu reagieren, wurde die Tür aufgerissen und jemand kam heraus gestürzt.

Meine Augen rissen weit auseinander, als ich erkannte wer von den beiden nun vor mir auf dem Boden lag.

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