»08. Kapitel

„Rachel!“

Mein bester Freund breitete freudestrahlend seine Arme aus und wartete darauf, dass ich ihn umarmte. Anstatt wie jeden Morgen wortwörtlich in seine Arme zu springen und ihn solange zu knuddeln bis er keine Luft mehr bekam, sah ich auf den Bau hinter ihm und quetschte mich an ihm durch das Gartentor vorbei.

Zayns breites Grinsen verschwand und wurde durch einen erschrockenen Gesichtsausdruck ersetzt. Enttäuscht ließ er seine Arme sinken und holte schnell den kleinen Vorsprung wieder auf, den ich bereits bekommen hatte. Eine Hand legte sich auf meine Schulter, als ich meine Schultasche zurecht rückte.

„Ist alles in Ordnung bei dir? Warte, lass mich deine Tasche nehmen.“

Redet da jemand mit mir? Nachdem was letztens alles passiert war, hatte ich beschlossen meinen kleinen Bad Boy zu ignorieren. Schließlich war ich ja immer noch beleidigt, weil er mich beim Thema Liam so oft anlogDann konnte er mal sehen, was er davon hatte.

Zayn versuchte mir wie jeden Morgen die Tasche abzunehmen, doch ich wich ihm geschickt aus. Wenn es eine einzige Sache gab, die mein Fast Bruder Abgrund tief verabscheute, dann waren es die Tage, wo ich ihn ignorierte. Er hasste es, besonders wenn er nicht wusste, wieso ich sauer auf ihn war. Mit gleichmäßigen Schritten lief ich seelenruhig und unbeirrt die Straße entlang und warf einen kurzen Blick auf mein Handy. Noch so früh?

Eine Hand streifte meine. Er versuchte unsere Finger miteinander zu verschränken, was ebenfalls ein Teil unseres morgendlichen Rituals war, doch wieder zog ich sie elegant weg. Mein Blick wanderte über die kurze Straße, die aus der Wohnsiedlung heraus und auf die Hauptstraße verlief, und uns zur Schule bringen würde. Es würde Zayn wahrlich umbringen, wenn wir unser kleines Ritual nicht ausführen würden.

„Guck mal, i-ich habe dir Frühstück gekauft.“

Sein Stottern verriet mir, das er versuchte meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich zwang mich selbst ihn nicht anzusehen, nicht einmal aus den Augenwinkeln. Wenn ich in seine Augen sehen würde, dann würde ich eventuell weich werden, und genau das wollte ich vermeiden. Es sollte ihm eine Lehre sein. Zayn hatte eine Geheimwaffe, von der er nicht einmal etwas wusste.

Jedes Mal, wenn ich versuchte sauer auf ihn zu sein, setzte er unbewusst diesen einen Blick auf. Ich kannte ihn zu gut um zu wissen, dass er das nicht mit Absicht machte. Seine ohnehin schon schönen braunen Augen wurden größer, während sich seine Unterlippe leicht vorschob, sodass er aussah wie ein kleiner Welpe, der gerade Ärger bekommen hatte. Er sah einfach so...hilflos aus. Und jedes Mal verzieh ich ihm daraufhin.

Zwei starke Arme, die sich plötzlich um meine Taille legten und mich somit am weitergehen hinderten, schreckten mich aus meinen kurzen Gedankengang. Widerwillig blieb ich stehen und spürte, wie sich ein schwerer Kopf auf meine Schulter legte. Sein Gesicht drückte er in meine Halsbeuge, er atmete tief ein.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“

Seine rauchige Stimme drang aus nächster Nähe an mein Ohr. Mein Mund öffnete sich, ich wollte ihm antworten, doch etwas anderes ließ es mich wieder vergessen. Behandle ihn, als wäre er Luft. Auch wenn es mir schwerer als zuvor fiel, löste ich mich aus seinen Armen und lief mit schnellen Schritten weiter. Hinter mir wurde genervt aufgestöhnt, dann näherten sich schnelle Schritte.

„Jetzt benimm dich doch nicht wie eine Diva und erzähl mir verdammt nochmal was ich gemacht habe.“

Zayn stieß die Luft heftig aus, die er gerade noch eingesogen hatte. Ich blieb so ruckartig stehen, sodass er mit voller Wucht in mich hinein krachte. Vorbeitrottende Schüler warfen uns merkwürdige Blicke zu, doch ich ignorierte sie alle. Ich benahm mich wie eine Diva?

„Hast du gerade gesagt, dass ich eine Diva wäre? Das sagt mir der Junge, der mich wie ein Mädchen anschreit, das ich rausgehen soll, wenn er gerade mit verheulten Augen Titanic und Dirty Dancing guckt, weil seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat?“

Ungläubig sah ich in ihm ins Gesicht. Zayns Wangen wurden schlagartig rot, wahrscheinlich lag es daran, dass er sich an diesen Abend zurück erinnerte. Wenn ich an diesen bestimmten Samstagabend zurückdachte, bekam ich meistens einen so starken Lachanfall, dass ich anfangen musste zu weinen.

Ohne etwas Weiteres zu sagen, rauschte er an mir vorbei und ging auf den Eingang der Schule zu, an dem wir nun angekommen waren. Mein bester Freund war jetzt nicht sauer auf mich, er würde jetzt nur für eine Weile verschwinden, damit wir uns beide beruhigen konnten.

„Ich warte an deinem Spind.“

flüsterte er noch, dann hatte ihn das monströse alte Backsteingebäude verschluckt. Kopfschüttelnd setzte ich meinen Weg langsam fort. Wenn wir im Unterricht sitzen würden, würde ich ihm den Grund nennen, wieso ich ihn ignorierte. Wir konnten halt nicht lange aufeinander sauer sein oder den anderen ignorieren. 

Mit kleinen Schritten setzte ich es mir als nächstes als Ziel, die Schule zu betreten, ohne zerquetscht zu werden. Es war egal um wie viel Uhr man morgens die Schule betrat, jedes Mal wurde man fast von anderen Körpern gegen die Wand gedrückt.

„Hey.“

Braune Locken, die auf eine merkwürdige Weise nach oben gestylt worden waren, erschienen neben mir. Mein Kopf drehte sich ein kleines bisschen nach links, damit ich meinen Verdacht bestätigen konnte. Ein lächelnder Harry lief neben mir und sah mich mit seinen kräftigen grünen Augen an.

„Hi.“

begrüßte ich ihn ebenfalls und erwiderte sein gut gelauntes Lächeln. Harry und ich hatten ein paar Kurse zusammen und wir verstanden uns einigermaßen gut miteinander. Wenn wir mal miteinander redeten, dann waren es nur diese typischen Hey- wie geht-es- gut dir Gespräche.

„Was ist los?“

erkundigte ich mich, als wir uns durch den Eingang quetschten. Ein wahrhaftiger Hüne, der ebenfalls durch die Tür gehen wollte, machte sich selbst Platz, indem er mich an Harrys Brust drückte. Peinlich berührt sahen wir uns an, als wir versuchten aus der unangenehmen Situation herauszukommen.

„Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du am Samstag zu meiner Party kommen willst. Ein guter Freund von mir hat Geburtstag und wir wollten die Sau raus lassen. Also wenn du-“

Er unterbrach seinen Satz, als ich stehenblieb. Ich war an meinem Spind angekommen, doch von Zayn war keine Spur zu sehen. Ich lehnte mich mit dem Rücken an das kalte Metall meines Schließfaches und bedeutete dem Lockenkopf fortzufahren. Dieser trat nun einen kleinen Schritt auf mich zu und sah mich verschmitzt an. Seine Grübchen kamen zum Vorschein, als er seinen Kopf zu mir herunter senkte.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn du kommen würdest.“

flüsterte er mit einem Hauch von Verführung in seiner rauen Stimme. Was für ein zweideutiger Satz. Glucksend wollte ich ihm gerade antworten, als mir auffiel, wie nah er mir gekommen war. Eine plötzliche Bewegung neben mir ließ mich aufschrecken. Eine Hand wurde unmittelbar links von meinem Kopf platziert, doch sie schien nicht Harry zu gehören.

„Wohin kommen, wenn ich fragen darf?“

Interessiert drehte ich meinen Kopf nach links, nur um festzustellen, dass meine kleine Möchtegern Diva dort stand und Harry mit funkelnden Augen ansah. Wo war er denn jetzt so plötzlich her gekommen? Harry erwiderte seinen Blick kurz sichtlich unbeeindruckt, bevor er sich wieder an mich wandte. Er verformte seine rosafarbenen Lippen zu einem neuen Wort, das trotzdem nicht seinen Mund verließ.

„Das würde mich ebenfalls sehr interessieren.“

Eine mir ebenfalls sehr bekannte Hand erschien rechts von meinem Kopf. Als ich meinen Blick in die Richtung wandte, sah ich keine anderen Augen als die von Liam. Das wurde ja immer besser hierDas erste, das mir auffiel war, das er Harry mit demselben Blick musterte, wie Zayn es tat. Harry trat einen Schritt zurück, sodass er nun Abstand von uns drei hatte. 

„Ach, ist doch egal. Also Rachel, es würde mich wie gesagt sehr freuen, du kannst auch jemanden mitbringen.“

murmelte der grünäugige und wuschelte sich kurz durch seine Locken. Ich nickte, und schenkte ihm ein kleines schüchternes Lächeln.

„Sie nimmt mich mit.“

Wieso mischten sich Jungs immer in Sachen ein, bei denen sie nicht einmal wussten, worum es ging? Harry und ich sahen uns verwirrt an. Normalerweise wäre ich davon ausgegangen, das Zayn es sagen würde. Das der selbe Satz aber synchron von beiden gekommen war, schien selbst die beiden zu überraschen. Kurz trafen sich ihre Blicke, dann wandten sie sich wieder an Harry, der aber bereits verschwunden war. Er war einer der vielen Jungs, die Respekt vor Liam sowie Zayn hatten. Dass er in diesem günstigen Moment die Flucht ergriffen hatte, wunderte mich nicht sonderlich.

„Ich werde sicherlich keinen von euch mitnehmen. Ich kann doch alleine auf eine Party gehen.“

sagte ich so laut, dass die beiden es hörten und drehte mich zu meinem Spind um. Ich war noch nie mit Liam auf einer Party gewesen und mit Zayn wurde es jedes Mal eine komplette Katastrophe. Langsam öffnete ich die schmale Tür und kramte ein paar Bücher heraus.

„Nein.“

„Das wirst du nicht.“

„Und wieso nicht? Harry ist doch nett, es ist doch nichts dabei, wenn ich mich Samstag ein wenig mit ihm rede.“

Seit wann ergänzten die beiden denn schon ihre Sätze? Das wurde irgendwie gruselig hier. Es war, als würden sie sich unausgesprochen einig sein. Ich stapelte die Bücher übereinander und drehte mich dann zu den beiden um. Vier braune Augen sahen mich an, was mich etwas nervös machte.

„Er ist nicht gut für dich.“

Wieder bewegten sich ihre Münder gleichzeitig und wieder schenkten sie sich gegenseitig giftige Blicke. Sprachlos sah ich von einem zum anderen. Erst verstanden sie sich überhaupt nicht, aber wenn es darum ging, ob ich mit einem anderen Jungen redete, waren sie sich auf einmal einig? Zayn drehte mir als erster den Rücken zu.

„Ich gehe mal kurz zur Toilette.“

murmelte er und sah mich mit einem unergründlichen Blick an. Ich kannte diesen Blick. Irgendetwas stimmte nicht Liam, der mich immer noch anstarrte.

„Hast du gerade irgendetwas gesagt, das er-“

Seine dunkle Stimme unterbrach mich gut gelaunt, er legte einen Finger auf meine Lippen. Verdattert sah ich von seinem Finger zu seinen Augen.

„Es ist jetzt egal, was mit ihm ist, ich muss mit dir reden. Es geht um deine Nachricht.“

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