»06. Kapitel
Sollte ich ihn anrufen oder nicht?
Ich erwischte mich selbst dabei wie ich den Blick von dem kleinen Papierschnipsel abwandte und auf mein Handy wanderte. Ich schüttelte den Kopf und schenkte meiner Aufmerksamkeit wieder dem kleinen zerknitterten Stück dreckigen Papier. Was wäre so falsch daran ab und zu mal meinen Spaß zu haben? Eigentlich nichts.
Außerdem war Liam eine neutrale Person mir gegenüber, denn ich war nicht in ihn verliebt und er auch nicht in mich. Nach unserer gemeinsamen Vorgeschichte war ich mir sicher, dass wir uns nicht mehr ineinander verlieben würden.
Mein Handy riss mich aus meinen Gedanken. Ich schreckte auf und warf einen Blick auf mein Handy. Ich hatte eine neue Nachricht von Zayn. Mit einen kleinen Lächeln auf meinen Lippen nahm ich das Smartphone in die Hand und entriegelte den Bildschirm. Sofort sprang mir ein kleiner Satz ins Auge.
Mach mal deine Tür auf, ich friere mir hier den Arsch ab...
Ich lachte und hüpfte auf um die Treppe herunter zu rennen. Kaum zu glauben, dass ich wirklich davon ausgegangen war, den Freitagabend alleine zu verbringen.
Ich rutschte auf meinen Socken über dem glatten Laminat und öffnete schwungvoll die Tür. Sofort erblickte ich dieses umwerfende Lächeln und sprang quietschend in seine Arme. Zayn lachte und umgriff meine Oberschenkel, damit ich nicht herunterfiel. Ich schlang meine Beine um seine Hüfte und legte meine Arme um seinen Hals.
„Warum so begeistert?"
fragte er grinsend und trug mich in mein Haus zurück. Er ließ mich auf dem Sofa herunter und stellte sich dann wieder aufrecht hin. Er drehte mir den Rücken zu, um die Plastiktüte zu holen, die er neben der Fußmatte abgestellt hatte, doch ich machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
Schnell sprang ich auf und hechtete auf seinen Rücken. Etwas überrascht kippte er etwas nach vorne, konnte sich aber noch relativ gut halten. Grinsend und mit mir als Gepäck holte er noch schnell die Tasche rein, bevor er zurück ging und mich wieder auf das Sofa fallen ließ. Etwas unsanft knallte ich auf das weiche Polster und rieb mir den Kopf.
„Warum ich so begeistert bin fragst du? Vielleicht liegt es daran, dass du mich vor einem langweiligen Wochenende gerettet hast?"
sagte ich beschäftigt und durchsuchte neugierig die Plastiktüte, die er mitgebracht hatte. Der schwarzhaarige riss mir schnell die Tüte aus meiner Hand und sah mich tadelnd an. Er zog sich kurz seine Jacke und Schuhe aus, bevor er tief in sie hinein griff.
„Nicht so neugierig, Miss Hudson."
sagte er und seufzte gespielt hoffnungslos auf. Ich zog einen Schmollmund und wartete darauf, was er dort auspackte. Ich lehnte mich zurück und kuschelte mich in meinen viel zu weiten Pullover. Jetzt fiel mir erst einmal auf, dass es Zayns Pullover war. Er hatte ihn letztes Mal hier vergessen und anstatt ihn zurück zugeben, beschloss ich ihn erst rauszurücken, wenn er bemerken würde, das er weg war.
Zayn stellte verschiedene Boxen auf den Tisch, aus denen der angenehme Geruch von Essen kam. Zufrieden stellte ich fest, dass es chinesisches Essen war. Dieser Junge kennt mich zu gut. Als ich die Box mit den Frühlingsrollen entdeckte, war es eindeutig zu viel für mich.
So hyperaktiv wie ich so war, wenn ich Hunger bekam und Zayn da war, schmiss ich mich mit voller Wucht auf ihn drauf. Er knallte aufs Sofa und sah mich erstaunt an, während ich auf ihn drauf kletterte. Ich legte mich auf seine Brust und strahlte ihn an.
„Oh Gott, ich liebe dich."
sagte ich und drückte ihm einen kurzen Kuss auf den Mund. Zayn lachte und schüttelte den Kopf. Er versuchte sich gerade hinzusetzen und hievte mich dabei gleich mit hoch.
„Wie kann man nur so hyperaktiv und glücklich wegen einer Box Frühlingsrollen sein?"
fragte er sich selber, während er mir meine geliebten kleinen Rollen auspackte und mir eine in den Mund stopfte. Zufrieden kaute ich auf ihr herum und zog die Ärmel meines Pullovers über meine Finger. Mein bester Freund nahm sich eine Box mit gebratenen Nudeln und begann zu essen. Naja, sagen wir mal, er versuchte zu essen. Anstatt sich eine Gabel aus der Küche zu holen, versuchte er vergeblich mit den dünnen Holzstäbchen zu essen, die ihm mitgegeben worden waren. Kichernd beobachtete ich ihn dabei, wie er 'aß'.
Ich schaltete den Fernseher an und stellte irgendeinen neuen Fernsehsender ein, den wir noch nicht hatten. Ich zappte durch die Kanäle, bis ich bei einem Film hängen blieb. Zayn schien den Film im gleichen Moment zu erkennen, denn eine Sekunde später stöhnte er mit vollem Mund auf.
„Nein, schag mir jetscht nischt, dasch wir den jetzt gucken müschen."
rief er mit vollem Mund und sah mich gequält an. Ich schüttelte angewidert meinen Kopf, da ich das zerkaute Essen in seinen Mund sah, und schnappte mir noch eine heißgeliebte Rolle. Bevor ich ihm antwortete, tauchte ich sie in die passende Sauce und steckte sie mir dann in den Mund.
„Jetzt sei keine Tussi und stell dich nicht so an."
erwiderte ich und hielt mir eine Hand vor dem Mund, damit er meinen vollen Mund nicht sehen konnte. Zayn ließ sich gequält nach hinten fallen und lehnte seine Schulter an meine. Ich verstand überhaupt nicht, was er gegen 'Susi und Strolch' hatte. Es war so ein süßer Film und jedes Mal, wenn ich ihn gucken wollte, wehrte er sich mit Händen und Füßen dagegen. Gut gelaunt wandte ich mich zum Bildschirm und lehnte meinen Kopf an Zayns Brust. Ich liebte es, mit ihm zu kuscheln. Zu meiner Zufriedenheit, stellte ich fest, dass gerade meine absolute Lieblingsstelle lief.
Es war die Stelle, wo Susi und Strolch im Hinterhof des italienischen Restaurants saßen und die Fleischbällchen über den Teller schoben. Beide aßen dasselbe Spaghetti Stück, was dazu führte, das sie sich in der Mitte trafen.
„Wieso hast du mich eigentlich noch nicht zu so einem Essen eingeladen?"
Ich wandte mich vorwurfsvoll an Zayn, der sich an einer Nudel verschluckte und heftig anfing zu husten. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich zu, wie sich sein Kopf langsam rot verfärbte, während er sich die Seele aus dem Hals hustete. Ob ich ihm helfen sollte? Nein. Ich beschloss ihn leiden zu lassen. Schließlich machte er das auch mit mir, wenn ich dabei war zu ersticken. Nachdem er sich beruhigt hatte, sah er mich mit tränenden Augen an.
„Wieso zu Henker sollte ich mich mit dir zusammen in einen alten dreckigen Hinterhof setzen und mit meiner Nase Fleischbällchen über den Teller schieben?"
fragte er kopfschüttelnd und nahm einen Schluck Cola, die er ebenfalls mitgebracht hatte. Ich zog eine Grimasse und sah ihn anschließend mit meinen süßesten Blick auf, den ich hatte. Zayn würde bei diesem Blick eh schwach werden, das wusste ich jetzt schon.
„Hm, vielleicht weil ich deine beste Freundin bin, du mich so gut wie nie zum Essen einlädst und mir damit einen großen Wunsch erfüllen würdest?"
stellte ich in einem Atemzug klar und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Zayn sah mich eine Weile ausdruckslos an, bis er letz endlich nickte. Er hatte innerlich mit sich gekämpft, das hatte ich ihm angesehen. Dafür kannte ich ihn einfach nur zu gut. Er mochte romantische Essen oder Dates nicht, wieso hatte er mir nie gesagt. Auch heute noch versuchte ich es aus ihm heraus zu quetschen, aber er hielt immer noch dicht. Warum er und Liam sich hassten, bekam ich ebenfalls nicht raus, was mich ziemlich aufregte.
„Aber du wirst kein-"
Das Klingeln an der Tür, schnitt seinen Satz ab. Ich stöhnte genervt auf und sah ihn kurz entschuldigend an. Grummelnd stand ich auf und bedeutete ihm mit einer kurzen Handbewegung, dass er gleich weiterreden konnte. Er nickte und widmete sich wieder seinen Nudeln. Wer störte mich schon wieder? Ich fuhr mir kurz durch meine Haare, bevor ich die Tür öffnete, um der Person, die geklingelt hatte, einen genervten Blick zu zuwerfen.
„Hey, Babe."
Ich hörte seine dunkle Stimme, noch bevor ich ihn sah. Augenblicklich erstarrte ich und wollte die Tür wieder zuschlagen, doch ein großer Fuß hinderte mich daran, sie wieder zu schließen. Bitte lass Zayn noch nichts davon bemerkt haben.
„Verschwinde, Liam."
sagte ich leise und öffnete die Tür soweit, das Zayn ihn nicht sehen konnte. Wenn sich die beiden sehen würden, dann würde es wieder los gehen.
„Wer ist da, Rachel?"
hörte ich eine rauchige Stimme vom Sofa aus rufen. Panisch drehte ich mich zu ihm um und lächelte ihn schnell an. Ich durfte ihm jetzt nicht zeigen, dass ich kurz vor einer kleinen Panikattacke stand. Das, das letztens in der Cafeteria passiert war, war nicht einmal schlimm gewesen. Früher waren durch aus schlimmere Dinge zwischen den beiden passiert, und jedes Mal hatte ich es mit ansehen müssen. Es war schrecklich gewesen.
„Oh, das ist nur unser Nachbar."
sagte ich schnell und warf Liam einen warnenden Blick zu. Wenn er jetzt nicht mitspielte, dann würde ich ihn umbringen. Liam zog eine Augenbraue hoch und legte seinen Kopf etwas schief. Dann begann er zu grinsen. Ich ahnte nichts Gutes.
„Ach ist Zayn auch da?"
fragte er und sah mich erwartungsvoll an. Als ich in seine Augen sah, spiegelte Belustigung und Lust auf Stress wieder. Warnend sah ich ihn an und schüttelte dann meinen Kopf.
„Nein, das ist ähm...mein...mein..."
„Na, wenn es dein mein ist, dann kann ich ja reinkommen."
sagte er lächelnd und schob mich zur Seite. Nein, Nein, Nein. Liam trat ein und fokussierte sofort Zayn, der ihn schon gesehen hatte. Seine Miene verdunkelte sich, drohend stand er auf und stellte seine Nudeln auf den Tisch.
„Was willst du denn dir?"
fragte er langsam und kniff seine Augen zusammen. Ich schluckte schwer und sah gespannt zu Liam. Dieser sah sichtlich entspannter aus und grinste ihn breit an. Wenn er ihm jetzt sagen würde, was zwischen uns passiert war, dann ... Zayn trat einen Schritt auf ihn zu, woraufhin Liam locker stehenblieb.
„Was ich hier will? Ich wollte deine kleine Freundin nur fragen, ob sie sich jetzt entschieden hat."
Fragend wandte er sich zu mir und sah mich erwartungsvoll an. Langsam aber sicher spürte ich, wie die Wärme aus meiner Wange wich und durch kalte Blässe ersetzt wurde. Ich beschloss so zu tun, als wüsste ich nicht, was er meinte.
„W-Was meinst uhm...du?"
stotterte ich und sah ihn nervös an. Mein bester Freund sah mich nun ebenfalls nun etwas misstrauisch an. Ich zog meine Stirn zusammen und trat von einen Fuß auf den anderen. Der große Nachteil an mir war, dass man mir augenblicklich ansah, wenn ich nervös war.
„Ja, genau Rachel, wovon redet er?"
Er sah mich fordernd und etwas erstaunt an. Ich biss mir auf meine Unterlippe und wich seinen durchdringenden Blick an. Nachdem ich nach einer Minute immer noch nichts gesagt hatte, schien Liam zu beschließen, etwas zu sagen. Er wandte sich erst an mich und dann an Zayn.
„Du weißt nicht wovon ich rede? Ist ja interessant."
sagte er belustigt und drehte sich dann zu Zayn. Wenn er es jetzt sagen würde, dann würde ich ihm persönlich zeigen, wie die Hölle aussieht.
„Nun, weißt du Zayn, als ich letztens spontan bei ihr vorbeigekommen bin, habe ich es relativ schnell geschafft, sie zu knal-"
Noch bevor er den Satz zu Ende führen konnte, hatte ich mich vor ihn gestellt und ihm eine geknallt. Sein Kopf flog zur Seite, was Mitleid in mir auflodern ließ. Jedoch war ich auch zufrieden, dass ich es geschafft hatte, ihn erst einmal eine Weile zum Schweigen gebracht hatte. Zayn hinter mir lachte laut auf. Wenn er den Grund wissen würde, warum ich das getan hatte, würde er bestimmt nicht mehr lachen. Liam hatte sich inzwischen wieder gefasst und starrte mich an.
„Sag mal geht es dir noch gut? Wag es dich noch einmal und schlag mich du Miststück, dann -"
„Wie hast du sie gerade genannt?"
Diesmal musste ich Zayn davon abhalten, nicht auf ihn loszugehen. Hatte er mich gerade ernsthaft Miststück genannt? Wieso fand ich das irgendwie heiß? Kopfschüttelnd hob ich meine Hände und drückte sie auf Zayns Brust, um ihn davon abzuhalten, Liam zu schlagen.
„Zayn, ist doch alles gut."
versuchte ich ihn zu beruhigen und versuchte ihn nach hinten zu drücken, doch es klappte nicht. So sehr ich auf drückte, er bewegte sich nicht einen einzigen Zentimeter. Liam lachte leise auf.
„Nenne sie noch einmal Miststück und du bekommst einen auf die Fresse."
knurrte er und trat noch einen Schritt näher. Durch seinen Schritt, wurde ich ein Stück nach hinten gedrängt. Ich spürte, wie mein Rücken gegen Liams Brust knallte. Ihm schien es wohl zu gefallen, denn ein leises Brummen kaum aus seiner Richtung.
„Hm, sie ist ein Miststück."
sagte er und legte seine Hände auf meine Hüfte. So fühlte sich also das Burger Fleisch zwischen den Brötchen Scheiben...Ich warf Zayn einen warnenden Blick zu, den er aber zu ignorieren schien. Bevor er ausholen konnte, hatte Liam mich im rechtzeitigen Moment zur Seite geschoben. Deswegen hatte er also auch seine Hände auf meine Hüften gelegt. Bevor ich noch reagieren konnte, war eine große Faust in seinem Gesicht gelandet. Erschrocken quietschte ich auf und versuchte mich zwischen die beiden zu stellen, doch Liams Hand drückte mich weg von den beiden. Wieso mussten Jungs eigentlich immer gleich gewalttätig werden? Liam schlug zurück und traf Zayns Nase.
„Jungs, jetzt hört doch mal auf!"
rief ich und versuchte mich wieder erfolgslos zwischen die beiden zu stellen. Die beiden begannen nun richtig aufeinander loszugehen. Bei jedem Schlag zuckte ich leicht zusammen.
„Nimm das zurück."
schnaufte mein Freund und funkelte ihn an. Liam wischte sich kurz über sein Gesicht und schüttelte dann tapfer seinen Kopf. Wieder ging es los. Ich seufzte auf und sah einmal hinter mich. Wenn sie so nicht aufhören würden, dann würde ich wohl meine Ich-fall-in-Ohnmacht-damit-die-beiden-mich-endlich-mal-bemerken-und-dann-aufhören Nummer abzuziehen. Ich seufzte dramatisch auf, bevor ich mich noch dramatischer und täuschend echt nach hinten fallen ließ.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top