»01. Kapitel

Published: 03.08.2013

„Hey Rachel.“

Als die rauchige Stimme an meinem Ohr ertönte, ließ ich vor Schreck meine Schulbücher fallen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch in der Hand gehalten hatte.

„Zayn, hör auf mich andauernd so zu erschrecken!“

zischte ich ihn an und bückte mich um die ganzen Wälzer wieder aufzusammeln. Mein sichtlich amüsierter bester Freund bückte sich ebenfalls, nur um auch ein paar aufzuheben. Als er nicht wusste, wohin er sie legen sollte, platzierte er sie einfach auf die kniehohe Mauer links von uns.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so erschrecke.“

murmelte er und grinste breit. Mit angehobener Augenbraue beäugte ich ihn misstrauisch. Ich fand es im Gegensatz zu ihm überhaupt nicht lustig, wenn mich jemand erschreckte. Grummelnd stellte ich mich wieder gerade hin und stapelte die Bücher auf den kleinen Berg, der bereits auf der Mauer thronte. Zayn wich meinen Blick aus und setzte sich neben sie. Wenn er jetzt anfangen würde zu lachen, dann ... Langsam setzte ich mich auf den kalten Stein und beobachtete  meinen Freund ausgiebig.

Dieser kramte mit zwei Fingern eine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche und zog eine heraus. Während er dies tat, suchte ich sein Gesicht nach möglichen Anzeichen ab, das er sein Lachen zurückhielt. Seine Lippen verzogen sich zu schmalen Strichen, während sich auf seiner Stirn Falten bildeten. Ich seufzte ergeben auf und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, das er lachen durfte. Und das tat er auch.

Mir war es einfach nur peinlich, wenn mich jemand erschreckte und was ich noch mehr verabscheute war das, wenn jemand danach lachte. Ich fand es einfach nur unglaublich unangenehm, wenn andere sich über die Reaktion von jemandem lustig machten. Doch Zayn neben mir prustete unbesorgt so heftig los, das er seine Zigarette nicht einmal richtig halten konnte.

„Du hättest dein Gesicht danach sehen sollen.“

gluckste er und versuchte vergeblich seine Kippe anzuzünden, da seine Finger wegen dem Lachen so sehr zitterten. Ich antwortete ihm nicht sondern wartete etwas beleidigt bis er sich beruhigt hatte. Das würde Rache geben. Das war jetzt schon klar.

Der Geruch von Zayns brennender Zigarette ließ mich wieder aufmerksam werden und meine meisterhaften Rachepläne vor dem geistigen Auge verschwinden. Er nahm einen tiefen Zug und legte dann einen Arm um mich. Schlecht gelaunt lehnte ich mich an seine Schulter und zählte die Schüler, die unmotiviert an uns ins Schulgebäude schlenderten. Wieso war Zayn eigentlich der einzige den ich kannte, der Montag am frühen Morgen schon motiviert und gut gelaunt war?

Als Entschuldigung für den kleinen Lachanfall drückte er mir einen Kuss aufs Haar. Dann hielt er mir seine Zigarette hin. Pikiert Ich schüttelte den Kopf und setzte mich aufrecht hin. Wir verstanden uns auch ohne Worte.

„Guck mal wer da ist.“

raunte er mir plötzlich ins Ohr und deutete mit einem kurzen und unauffälligen Kopfnicken auf die große Figur gegenüber von uns. Unauffällig suchte mein Blick die Person, die er gemeint hatte. Dann entdeckte ich ihn auf der anderen Mauer, etwa fünf Meter von uns entfernt. Heute trug er mal wieder seine schwarze Lederjacke und ein graues T-Shirt, was seine Bauchmuskeln betonten, die sich darunter sichtbar machten. Seine Haare waren an der Seite kurz und oben etwas länger, was perfekt zu seinem Bad Boy Image passte.

Ich konnte verstehen wieso so viele Mädchen ihn so anhimmelten. Ich persönlich fand ihn zwar gut aussehend, aber das war es auch schon. Verliebt in ihn war ich ebenfalls nicht und als jemand besonderem sah ich ihn auch nicht. Für mich war er ein ganz normaler Mitschüler.

Mein Blick glitt über seinen Oberkörper und machte bei seinem Gesicht halt. Unsere Blicke trafen sich in der Mitte. Liam sah mich belustigt an und schob seine Augenbraue etwas hoch. Wahrscheinlich dachte er, das es mir jetzt peinlich sein würde, das er mich beim anstarren erwischt hätte, doch das war es mir eindeutig nicht.

„Guck ihn dir doch mal an. Wie er heute aussieht. Er macht mir mit diesem Style total nach. Kann er sich nicht etwas eignes suchen? Erst klaut er mir meinen Style, dann die Mädchen, was soll als nächstes kommen? Nimmt er mir dich weg?“

Wütend blies Zayn den Rauch in seinem Mund aus und warf einen verächtlichen Blick nach vorne. Nachdem er einen weiteren tiefen Zug seiner Kippe genommen hatte, begann er sich weiter über Liam aufzuregen. Ich hörte ihm nur mit halben Ohr zu, denn mein Blick hang immer noch an den braunen Augen, die mich stumm musterten.

Anscheinend dachte er nicht einmal eine Sekunde daran den Blickkontakt zu beenden, ich ebenfalls nicht. Ich wollte ihm zeigen, dass ich keinen Respekt vor ihm hatte, so wie andere Schüler. In seinem Blick lag Belustigung, jedoch war er auch etwas wütend und abfällig aus. Dieses wütende ließ mein schlechtes Gewissen wieder in mir aufbrodeln, da ich streng genommen daran schuld war, das er mich und Zayn heute so ansah.

Flashback

„Möchtest du Zitronen oder Pfirsich Eistee haben?"

Die aufgeregte Stimme von Zayn drang an mein Ohr, während er an meinem knielangen Kleid zog und mich ungeduldig ansah. Wieso fragte er mich eigentlich immer, obwohl er die Antwort ohnehin schon wusste?

„Zitrone.“

antwortete ich genervt, damit er nun endlich Ruhe gab. Schnell drückte er mir einen Kuss auf die Wange, bevor er zu seiner Mutter hüpfte, die mit seinen Schwestern auf der Bank saß, um sie danach zu fragen. Kopfschüttelnd, aber mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen sah ich ihn hinterher. Er konnte schon süß sein.

Vorsichtig strich ich mir mein Kleid wieder glatt und sah kurz über den ganzen Spielplatz. Sollte ich auf Zayn warten oder jetzt schon anfangen Sandburgen zu bauen? Während ich so vor mich hin überlegte, bemerkte ich kaum, wie mir jemand zaghaft auf die Schulter tippte. Verwundert drehte ich mich um, wobei mein Kleid ein wenig mitflog. Ich blickte in zwei braune Augen, die schüchtern in meine sahen.

„Oh hey, Liam.“

sagte ich etwas überrascht und schenkte meinem Gegenüber ein kleines Lächeln. Liam war in meiner Kindergartengruppe und unsere Eltern waren miteinander befreundet.

„Hi Rachel.“

antwortete er leise und drehte eine Blume zwischen seinen kleinen Fingern hin und her. Für wen die Blume wohl ist, fragte ich mich im Stillen und rieb mir kurz über die Augen. Dann drückte ich meine Puppe Betty näher an mich heran und sah ihn fragend an. Liam und ich spielten ab und zu mal zusammen, sonst hatten wir aber nicht sonderlich viel miteinander zu tun. Während er nach den richtigen Worten zu suchen schien, beobachtete ich ihn kurz. Die braunen kurzen Haare hatte er ausnahmsweise mal ordentlich gekämmt, sein weißes Hemd strahlte schien sorgfältig gebügelt worden zu sein. Irgendwie sah er heute anders aus.

„Was ist los?“

Liam trat von einem Fuß auf den anderen. Dann hielt er, ohne etwas zu sagen, mir die Blume hin. Es war eine rote Rose, eine meiner Lieblingsblumen. Das hatte ich ihm letztens erzählt, als ich zusammen mit ihm eine verletzte Hummel aufgepäppelt hatte.

„Du hast mir erzählt, das du Rosen magst, also...hier.“

flüsterte er sichtlich nervös und hielt sie mir unter die Nase. Meine Wangen verfärbten sich in ein helles rosa, als ich sie freudig annahm.

„Dankeschön!“

Lächelnd beugte ich mich zu ihm rüber und presste ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. Genau an der Stelle wo ich ihn geküsst hatte, wurde seine Haut rot. Langsam stieg die Röte in sein ganzes Gesicht, was ihn ziemlich süß aussehen ließ. Sein Blick wanderte zur Seite. Er warf seiner Mutter einen unsicheren Blick zu, die etwas weiter entfernt von uns auf einer Bank saß. Sie nickte ihm ermutigend zu und lächelte ihn an. Dann wandte sie sich wieder an meinen Vater, der neben ihr saß und ihr etwas erzählte. Liam drehte sich nun sichtlich mutiger als gerade wieder zu mir und nahm meine Hand. Etwas verwundert wartete ich darauf, dass er weitersprach.

„Rachel, ich…mag dich wirklich und du bist ein echt tolles und liebes Mädchen...Also wollte ich dich fragen, ob du...ob du vielleicht meine Freundin sein willst?“

Überrascht sah ich ihn an. Meine Kinnlade klappte weit auf. Liam wollte mein Freund sein?

„Uhm, Liam...“

begann ich zögernd und sah ihn bedrückt an. Dieser sah mich aufgeregt, jedoch noch ein bisschen nervös an. Wahrscheinlich war er erleichtert, dass er es nun endlich gesagt hatte. Aber ich konnte nicht seine Freundin werden, Zayn war doch schon mein Freund und Sandkasten Buddy.

„Was willst du denn hier?“

Mein bester Freund trat neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. Die Flaschen mit dem Eistee stellte er neben sich auf den Boden. Liam ließ meine Hand sichtlich erschreckt los und trat einen Schritt zurück. Erschrocken, panisch und ängstlich zugleich sah er mich an. Er hatte schon immer Angst vor Zayn gehabt, schließlich hatten sich die beiden noch nie sonderlich gemocht. Als ich fragte wieso sie sich nicht mochten, hatte mir keiner von beiden eine Antwort gegeben.

„Was will er von dir, Rachel?“

fragte Zayn und sah mich durchdringend an. Er verlangte natürlich, dass ich ihm die Wahrheit sagte, schließlich sagten wir uns immer alles ehrlich.

„Er-Er hat gefragt, ob ich seine Freundin möchte.“

erwiderte ich kleinlaut und sah auf den Boden, damit ich keinen von beiden ansehen musste. Wieso hatte ich das nur gesagt? Als ich einen Blick zu Zayn wagte, musste ich feststellen, dass dieser überhaupt nicht erfreut aussah. Langsam nahm er den Arm von meiner Schulter und trat einen Schritt auf Liam zu.

„Sie ist schon meine Freundin!“

rief er wütend und trat einen Schritt auf ihm zu. Liam schlich ein Stück zurück und schluckte einmal schwer. Er tat mir leid, aber ich konnte Zayn schlecht davon abhalten ihn runter zu machen. In solchen Situationen war ich machtlos gegen ihn. Unvorhergesehen schubste er Liam plötzlich, sodass dieser zu Boden fiel. Ein aufgeregtes kleines Quietschen entfuhr mir, als ich mit ansehen musste, wie er hart auf den Boden aufschlug.

„Halte dich ja von ihr fern.“

blaffte er und nahm meine Hand um mich wegzuziehen. Ich drehte mich zu Liam um und sah, dass er sich leicht an seiner Hand verletzt hatte. Ich wollte nicht mit ihm mit, ich wollte Liam helfen. Er tat mir so unglaublich leid.

„Komm, Rachel.“

sagte Zayn und zog mich zu seiner Familie. Ein letztes Mal sah ich zu Liam, der nun mit Tränen in den Augen auf dem Boden saß und mir hinterher sah. Die Rose, die er mir geschenkt hatte, rutschte aus meiner Hand und fiel achtlos auf den Boden.

Flashback Ende

Das Läuten der Schulglocke unterbrach unseren intensiven Blickkontakt. Ob er wohl gerade auch daran gedacht hatte? Liam nahm seine Tasche und schwang sie sich locker über seine Schulter. Ohne uns auch noch eines weiteren Blickes zu würdigen mischte er sich unter die anderen Schüler und verschwand im Schulgebäude. Ich fragte mich oft ob er mir deswegen noch sauer war, denn schließlich waren wir vier gewesen, als das alles passiert war. Seitdem waren Zayn und ich weiterhin unzertrennlich gewesen, mit Liam hatten wir nichts mehr zu tun. Sie hassten sich immer noch, den Grund wusste ich aber immer noch nicht.

Zayn hob meine Schultasche hoch und nahm mit der anderen meine Hand. Manchmal konnte er schon wirklich ein Gentleman sein.

„Komm, wir gehen rein.“

sagte er und immer noch in Gedanken an dieses Erlebnis betraten wir das Schulgebäude.

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