☆>Neun<☆
Can you forgive me again
I don't know what I said
But I didn't mean to hurt you
Evanescence - Forgive me
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Als ich den Hinterhof verließ, wandte ich mich nach rechts und lief die Straße hinunter. Tatsächlich begegneten mir schon die ersten vereinzelten schwarzgekleideten Mädels, die spätestens mit den Schriftzügen auf ihrer Stirn die Frage beantworteten, ob es sich um Fans handelte oder nicht.
Ich war so wütend auf Liam, dass selbst sein Name auf der Stirn der Mädchen heiße Wut durch meine Adern schießen ließ.
Was hatte er sich bloß dabei gedacht? War er eventuell auf die Idee gekommen, dass ich Ärger mit Brian bekam, wenn dieser den Eindruck hatte, ich würde aus der Reportage meinen persönlichen „Popp-den-Popstar"-Ausflug machen?
Ich liebte meinen Job und hatte bestimmt nicht vor, dass ich ihn wegen diesem Idioten verlor. Ganz abgesehen von dem Spott, der in der Redaktion auf mich warten würde.
Viel schlimmer war jedoch der Gedanke an Sven. Ich war mir sicher, dass er jeden Bericht über One Direction lesen oder anschauen würde, solange ich unterwegs war, auch, wenn er sich bemüht hatte, unbeeindruckt zu klingen, als ich mich von ihm verabschiedet hatte.
Wir schlichen bereits Monate um einander herum. Zunächst hatte ich seine Avancen abgeblockt, weil ich mich aus mehreren Gründen noch nicht für eine neue Beziehung bereit fühlte und jetzt wo ich darüber nachdachte mich auf ihn einzulassen, schien er sich zumindest vordergründig mit der Situation, dass wir nur Freunde waren, abgefunden zu haben.
Liams Bemerkung und den Eindruck, den er damit erweckt hatte, würden bestimmt nicht hilfreich sein, um ihn in die richtige Richtung zu lenken und ich hatte nicht den Mut, diejenige zu sein, die den ersten Schritt machte. In solchen Belangen war ich ein typischer Fall von großer Klappe und nichts dahinter, weil ich viel zu sehr Angst hatte, zurückgewiesen zu werden.
Ich lief weiter in viel zu hohem Tempo durch das graue Stadtgebiet.
Die Leute, die mir inzwischen in größerer Zahl entgegen kamen, weil ich mich den belebteren Straßen näherte, musterten mich irritiert, als ich in Jeans an ihnen vorbeisprintete.
Es dauerte nicht lange und meine Beine protestierten angesichts der ungewohnten Belastung. Zu Hause lief ich höchstens mit halbem Tempo. Ich drosselte also meine Geschwindigkeit und trabte langsam aus, bevor ich noch einen Krampf bekam. Dann sah ich mich zum ersten Mal bewusst um. Ich hatte keine Ahnung, wo genau ich war, aber durch die Häuser hindurch konnte ich den Main sehen.
Ich schlenderte in Richtung des Flusses und ließ mich auf eine Bank fallen. Tief durchatmend sah ich auf den Main hinaus. Es dauerte ungefähr eine Viertelstunde bis langsam die Erkenntnis in meinem Kopf durchsickerte, dass ich mich aufgeführt hatte wie eine Furie.
Natürlich war Liams Antwort völlig unpassend gewesen, aber meine Reaktion, ihm dann auch noch eine runterzuhauen, hatte auch nicht grade von guter Kinderstube gezeugt.
Langsam verwandelt sich die heiße Wut in brennende Scham. Der Wind strich unangenehm kühl über meinen verschwitzten Rücken und ich stand wieder auf. Mit einem letzten Blick auf den Fluss begann ich in gemäßigtem Schritt, den Weg zurückzulaufen, den ich gekommen war.
Besser, ich entschuldigte mich gleich, bevor die Situation noch komisch wurde. Oder besser, noch komischer.
***
Es dauerte eine Weile, bis ich den Club wieder erreicht hatte. Einmal verlief ich mich fast, aber schließlich lief ich einen mir vage bekannten Straßenzug hinunter und auch die giggelnde Truppe Mädchen vor mir waren ein guter Anhaltspunkt, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs war.
Unbemerkt bog ich hinter ihnen in den Innenhof ab und betrat die Katakomben des Clubs.
Als erstes sah ich in der Garderobe nach, doch sie war leer. Insgesamt war ich über zwei Stunden weg gewesen, wahrscheinlich waren die Jungs beim Soundcheck. Ich kam an einer Tür mit einem Piktogramm vorbei, dass eine Dusche symbolisierte und mir wurde bewusst, dass ich gefühlte drei Meilen gegen den Wind stinken musste.
Ich würde mich gleich, nachdem ich mich bei Liam entschuldigt hatte, meiner verschwitzten Klamotten entledigen und eine Runde Duschen. Oder vorher? Ich verwarf den Gedanken, denn ich wusste, dass ich mich nur vor dem Unvermeidlichen drückte.
Ganz offensichtlich hatte ich richtig vermutet, denn je weiter ich in Richtung des Saales kam, desto lauter wurde das Geräusch von gedämpfter Musik.
Leise trat ich durch die Tür, die die Bühne vom Flur trennte und stellte mich in eine Ecke, da die Band mitten in einem Lied war und ich nicht stören wollte.
Als der Song zu Ende war, trat ich auf die Bühne.
„Ich glaube, da muss mehr Gitarre auf den Monitor", sagte ich laut und vernehmlich.
Louis schaltete als Erster.
„Hey, da bist du ja wieder", lächelte er und nickte mir aufmunternd zu.
Ich holte tief Luft.
„Ja, ähm, könntet ihr mir wohl kurz euren Sänger ausborgen?", fragte ich schüchtern und die drei damit Angesprochenen warfen sich untereinander einen kurzen Blick zu.
„Klar", antwortete Louis dann.
„Liam, kann ich dich kurz sprechen?"
Er wandte sich mit einem unbekümmerten Lächeln zu mir um.
„Ja, natürlich."
Er steuerte über die Bühne auf mich zu und folgte mir durch die Tür auf den Flur.
„Hör zu", ich räusperte mich nervös.
„Es tut mir leid, dass ich so ausgeflippt bin und dir eine geklebt habe, ich..."
Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Ja, also, mir tut es auch leid. Louis hat mich schon zur Schnecke gemacht, weil meine Bemerkung eventuell nicht gut bei deinem Chef oder deinem Freund ankommen könnte."
Überrascht sah ich ihn an. Ich hätte nicht gedacht, dass Louis so schnell die richtigen Schlüsse für mein Verhalten ziehen würde und ehrlich gesagt auch nicht, dass der große Checker Liam sich so bereitwillig entschuldigen würde.
„Ich hatte es wahrscheinlich verdient, dass du mir eine geknallt hast. Ich rede manchmal, bevor ich denke und bin dann auch ein ziemlicher Arsch."
Er schenkte mir ein schiefes Lächeln und ließ die Hand, mit der er seine Haare zerwühlt hatte, wieder sinken.
„Trotzdem hätte ich mich nicht aufführen sollen wie eine Geisteskranke", grinste ich unsicher.
Es wurde still im Flur.
„Also, einigen wir uns darauf, dass du mir nicht im Schlaf den Kopf abhackst und ich dich nicht wegen Körperverletzung verklage?", lockerte Liam die Stimmung mit seinem typischen Humor auf.
Ich musste lachen und spürte, wie die Anspannung von mir abfiel.
„Okay, aber wenn ich morgen graue Haare entdecke, zahlt mir euer Management die Haartönung."
„Aber sicher."
Liam hielt mir die Hand hin und ich schlug ein, schob ihn aber von mir, als er mich in eine kurze Umarmung ziehen wollte. Er warf mir einen fragenden Blick zu.
„Keine Sorge, ich habe keine Mordgedanken mehr, aber ich stinke wie ein Iltis."
Ich deutete auf meine Turnschuhe.
„Oh, sportlich, sportlich!", feixte er.
Ich zuckte die Schultern.
„Jetzt gehe ich erst mal ganz sportlich duschen."
„Zu schade, dass ich dich nicht begleiten kann."
Da war es wieder, dieses heisere Schnurren, das er ganz offensichtlich für Bemerkungen wie diese reserviert hatte. Er hatte die Worte jedoch kaum ausgesprochen, als sich ein entschuldigender Ausdruck in seine Augen stahl, der mir bedeutete, dass er sich fragte, ob er grade mal wieder über das Ziel hinausgeschossen war.
Angesichts seines Schuljungencharmes konnte ich aber nichts anderes als zu grinsen.
„Glaub mir, darüber bist du nur halb so traurig wie ich", konterte ich also gelassen.
Liam wirkte ehrlich erleichtert, als ich wieder so unverfroren auf seine Provokation einstieg.
„Wir können das ja nachholen", antwortete gönnerhaft und wandte sich zum Gehen.
„Und schon wieder merke ich, dass du sehr lebhafte Tagträume hast", entgegnete ich und hörte ihn noch lachen, bevor die Tür hinter ihm zufiel.
***
Mit der Dusche wusch ich auch die restlichen unangenehmen Erinnerungen an meinen kleinen Ausrutscher ab.
Sicherheitshalber hatte ich die Tür zur Dusche zusätzlich mit einem Stuhl verbarrikadiert, die Geschichte mit der fehlenden Tasche war einfach noch zu frisch.
Natürlich lagen meine frischen Klamotten und die Unterwäsche noch an ihrem Platz, als ich in den kleinen Vorraum kam.
Zu meinem Leidwesen gab es hier keinen Fön wie im Hotelzimmer und ich hatte meinen Reisefön natürlich zu Hause vergessen, also warf ich mir, nachdem ich angezogen war, wieder das Handtuch über den Kopf und wickelte es zu einem Turban.
Ein Blick auf meine Uhr sagte mir, dass in einer halben Stunde der Einlass beginnen würde.
Als ich in die Garderobe trat hatte sich die Menge der Menschen dort mehr als verdreifacht. Nun wuselte hier auch die Crew durch die Gegend und eine Gruppe junger Frauen, wahrscheinlich die Vorband, hatte sich ebenfalls einen Platz auf einem der Sofas gesichert. Eine dunkelhaarige Schönheit mit merkwürdig silbrigen Augen hing grade fasziniert an Louis' Lippen, während ihre blonde Bandkollegin auf Liams Schoß hockte. Natürlich nur, weil die Couch eigentlich nur für drei ausgelegt war und für sie sonst kein Platz gewesen wäre.
„Himmel, wo bin ich denn hier gelandet?", fragte ich etwas geschockt von den vielen Menschen und stellte mich zu Harry, der etwas abseits an einem Brötchen kaute, und nahm mir seine zweite Brötchenhälfte vom Teller.
„Ich hol gleich neue", entgegnete ich auf seinen stummen vorwurfsvollen Blick.
Während ich meine Zähne in das Brötchen schlug, zog ich mir mit der anderen Hand das Handtuch vom Kopf. Mit nassen Haaren fiel ich weniger auf, als mit dem Handtuchturm auf meinem Kopf, mit dem ich aussah, wie die Königin von Saba.
Gedankenverloren rubbelte ich mit einer Hand weiter meine Haare trocken.
Harry stand weiterhin schweigend neben mir und wir kauten einträchtig, bis ich mir den letzten Bissen in den Mund schob und ihm den Teller abnahm, um Nachschub zu holen. Neben dem Buffet stand Niall, der anscheinend mit seiner Freundin telefonierte.
„Nein Schatz, ich bin gar kein Fan von Lila, erst recht nicht im Schlafzimmer. Da vergeht einem ja alles."
Als er sah, dass ich seinen letzten Satz mitbekommen hatte, warf er mir grinsend einen augenrollenden Blick zu.
„Ja, dunkelrot finde ich viel besser..."
Mit einem wieder voll beladenem Teller entfernte ich mich.
„Ist eigentlich geplant, dass wir uns die nächsten vier Wochen nur von geschmierten Stullen ernähren?", fragte ich Harry, als ich wieder bei ihm angekommen war.
Er kaute kurz auf, bevor er mir antwortete.
„Wir werden nach dem Gig wohl noch irgendwo was essen gehen. Möchtest du mitkommen?", bot er mir an.
„Wenn du nach dem Konzert noch lebst, heißt das. Du bist ja nicht so Fan von unserer Musik, oder?", fügte er dann noch hinzu.
Ich errötete kaum merklich. Ganz offensichtlich kam Harry, wenn er etwas sagte, schnell zum Punkt.
„Na ja, ich höre ansonsten eher andere Musik", gab ich zu, weil es sinnlos gewesen wäre, es abzustreiten.
„Aber, ich hab euch ja noch nicht live gesehen, vielleicht reißt es eure Bühnenshow ja raus", erinnerte ich mich an Thomas' Worte.
Harry grinste.
„Lieber so, als ein kreischendes Fangirlie. Wenn du Liam auch noch den ganzen Tag hinterherlaufen würdest, bräuchten wir noch zwei Busse. Einen für uns und einen für ihn und sein Ego."
Ich lachte hell auf und sah zur Couch hinüber, wo der erwähnte Sänger mit der Blondine flüsterte.
„Ich glaube nicht, dass er mich dazu noch braucht."
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Na hättet ihr gedacht das Elif den ersten Schritt macht und Liam sich auch noch entschuldigt?
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