☆>Dreizehn<☆
Nobody knows it but you've got a secret smile
And you use it only for me
Semisonic - Secret Smile
~~~~~~~~~
Prustend kam ich wieder hoch und spuckte einen Schwall Wasser aus, das widerlich nach Chlor, Algen und vermoderten Blättern schmeckte. Dieser Idiot hatte mich doch tatsächlich kopfüber im Brunnen versenkt und begann nun schallend zu lachen, als er mich deutlich weniger elegant wie die Nixe, die den Brunnen zierte, darin herumplanschen sah. Schlimmer noch, er bekam sich gar nicht mehr ein, inzwischen stiegen ihm schon Tränen in die Augen.
Auch die anderen waren inzwischen näher gekommen und begannen, bis auf Nadine, die das ganze Spektakel mit einer säuerlichen Miene betrachtete, ebenfalls zu lachen.
Ich warf einen bösen Blick zu Kira hinüber, die von Lachsalven geschüttelt, versuchte mit den Schultern zu zucken.
„Sorry, aber du da im Brun...", sie brach ab und versuchte sich nun ebenfalls die Tränen aus den Augen zu wischen.
„Du!", zischte ich und zeigte mit dem Finger auf Liam, was bestimmt sehr bedrohlich wirkte, weil ich noch immer auf dem Po im Wasser saß.
„Du bist..." Ich schnappte abermals nach Luft.
„Ja?"
Grinsend trat er näher an den Brunnen heran, stellte einen Fuß auf den Rand und streckte mir die Hand entgegen.
„Was bin ich? Komm erst mal raus da, du holst dir noch den Tod."
Finster dreinblickend ergriff ich seine Hand und stand langsam auf. Dann hakte ich blitzschnell mit dem Fuß hinter sein Knie, zog ihn in Richtung Wasser und betrachte mit einem großer Genugtuung, wie er ebenfalls mit einem lauten Platschen im Wasser landete.
„... Nicht wirklich standfest", beendete ich meinen angefangenen Satz.
Das gab den anderen den Rest. Niall brüllte vor Lachen, selbst Harry, der ja von Haus aus etwas stiller war, war deutlich zu vernehmen und auch ich stimmte mit ein, als ich Liams verdutztes Gesicht sah. Die Haare klebten ihm zum Großteil am Kopf, während einige wenige Strähnen, die wohl besonders viel Haargel abbekommen hatten, eher traurig vom Kopf abstanden.
„Tja, Liam, sieht so aus, als könnte dir da jemand das Wasser reichen", feixte Louis.
Grinsend drückte ich mir das Wasser aus den Haaren, während ich noch immer bis zu den Knien im Wasser stand.
„Ich glaube nicht, dass er noch Bedarf an Wasser hat", korrigierte ich ihn und stieg aus dem Brunnen.
Das Wasser rann an mir herunter und die nasse Jeans klebte unangenehm an meinen Beinen. Zum Glück war mein T-shirt wie üblich schwarz, sodass ich nicht auch noch unfreiwillig meine Unterwäsche präsentierte.
Liam rappelte sich ebenfalls auf, verließ seine improvisierte Badewanne und landete mit einem nassen Platschen auf dem Pflaster neben mir.
Vorsichtshalber brachte ich mich hinter Niall in Sicherheit, falls mein Badepartner noch auf andere Rachegedanken kommen sollte.
Passanten gingen kopfschüttelnd an uns vorbei, bei den jüngeren Leuten zeigte sich des Öfteren ein Lächeln, während die älteren uns eher kritische Blicke zuwarfen.
Zum Glück war es in München recht warm, sodass ich durch den leichten Wind, der ging, nicht gleich schockgefrostet wurde.
„Und was machen wir jetzt mit euch?"
Ein wenig ratlos sah Niall erst zu mir und dann zu Liam hinüber.
„So könnt ihr doch nicht durch die halbe Stadt zurücklaufen."
„Also ich hab noch trockene Klamotten", merkte ich an und deutete auf die Tüten, die Kira mitgenommen hatte.
„Und umziehen wolltest du dich dann hinter dem Baum da oder was?", kommentierte Kira trocken und deutete auf ein Bäumchen, dass wohl zur Begrünung der Fußgängerzone aufgestellt worden war und dessen Stamm maximal so dick wie Harrys Oberarm war.
Ich rollte mit den Augen, blieb aber still, weil ihre Logik wirklich niederschmetternd war.
„Erst mal besorgen wir euch Handtücher. Wir sind doch vorhin an nem Kaufhaus vorbeigekommen, oder?"
Harry war ganz der Rationalist und lief schon mal ein paar Schritte in die Richtung aus der wir gekommen waren.
„Los jetzt!"
Als wir vor der Filiale der großen Warenhauskette ankamen, waren wir schon zu so etwas wie der neuen Attraktion von München mutiert.
Ein etwas wirr aussehender älterer Mann hatte sogar auf die Wasserspur gedeutet, die Liam und ich hinterließen und gefragt, ob das so etwas wie Aktionskunst sei. Völlig verblüfft durch die Frage hatte ich mit ‚Ja' geantwortet, woraufhin der Mann fröhlich nickte und seiner Wege ging.
Liam hatte keinen Ton mehr gesagt und war mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck recht still neben Louis hergelaufen.
Als ich völlig selbstverständlich das Warenhaus betreten wollte, hielt Kira mich zurück.
„Du wartest schön hier, ich hab keine Lust, wegen dir hier noch den Boden zu wischen."
Damit ließen die anderen Liam und mich vor dem Eingang stehen. Nadine schien kurz zu überlegen, warf ihrem Inzwischen-wohl-nicht-mehr-Lieblingssänger jedoch schließlich einen giftigen Blick zu und folgte dem Rest der Gruppe.
Erleichtert atmete ich tief durch. Rumgezicke oder alternativ verliebtes Gesäusel war das Letzte, war ich nun noch brauchen konnte.
Liam und ich standen ein paar Meter voneinander entfernt und schauten demonstrativ jeder in eine andere Richtung. Die Minuten verstrichen.
Ich rieb mir über die Oberarme, auf denen sich im Schatten des Eingangs nun doch langsam eine Gänsehaut zeigte.
„Ist dir kalt?"
Liam trat plötzlich neben mich.
„Ich würde dir ja eine Jacke anbieten, wenn die nicht leider nass wäre."
Seine Stimme tiefte vor Ironie.
Ich zog eine Grimasse und drehte mich zu ihm um.
„Das hast du dir ja wohl selbst zuzuschreiben."
„Ich? Du warst doch diejenige, die mir zu diesem unfreiwilligen Bad verholfen hat!"
„Weil du mich ins Wasser geschmissen hast!"
Wütend funkelte ich ihn an und richtete mich zu meiner vollen Körpergröße auf, die leider immer noch gut 30 cm geringer war als seine.
„Wer frech wird, muss mit den Konsequenzen rechnen", konterte er mit amüsiertem Glitzern in den braunen Augen.
Mir fiel plötzlich der Unterschied zwischen seinem Lachkrampf, dem jetzigen Grinsen und den Momenten auf, in denen ich mir zuvor kleine Schlagabtausche mit ihm geleistet hatte: Sein Lächeln hatte seine Augen nie ganz erreicht. Wenn es das tat, schienen seine Augen von innen heraus zu strahlen.
Schnell lenkte ich meine Gedanken wieder in andere Bahnen.
„Konsequenzen? Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich an einen gestörten Briten gerate, der gleich versucht, mich für einen einfachen Scherz zu ersaufen."
„Wow, die verrückte Halb-Britin hat gesprochen", spottete Liam.
„Verrückt, hm?"
Ich stieß ihm mit dem Zeigefinger vor die Brust, woraufhin er ihn mit seiner Hand umschloss und festhielt, damit ich ihn nicht weiter piesacken konnte.
„Du hast angefangen. Ich bin sicher nicht gestört."
„Sagte der Lemming und stürzte vom Felsen", entgegnete ich mit zuckenden Mundwinkeln.
„Musst du immer das letzte Wort haben?"
Mit gespielter Verzweiflung ließ Liam meine Hand los und fuhr sich durchs nasse Haar.
Ich überlegte kurz.
„Klar", antwortete ich dann lachend und auch er grinste.
„Ich verstehe zwar kein Wort, aber: Sind sie nicht niedlich? Wie ein altes Ehepaar", erklang plötzlich eine Stimme hinter mir.
Eine halbe Sekunde später wurde mir ein Handtuch über den Kopf geworfen, sodass ich kurz in Dunkelheit getaucht war.
„Das habe ich jetzt mal überhört", grummelte ich also dumpf gegen den Vorhang aus Frottee, bevor ich begann meine Haare trocken zu rubbeln und Kira dankbar das zweite große Handtuch abnahm, um mich darin einzuwickeln.
„Genau Kira, man wünscht Menschen doch nichts Schlechtes", kicherte Liam.
Er pellte sich grade aus seinem nassen T-shirt um ein trockenes anzuziehen, das Louis ihm wohl gekauft hatte.
„Schön, dass du das auch so siehst."
Ich streckte ihm die Zunge heraus und hatte prompt sein nasses T-shirt im Gesicht hängen.
„Arsch!"
„Zicke!"
„Schluss!", mischte Louis sich ein.
„Das hält ja kein normaler Mensch aus!"
Verdutzt klappten Liam und ich unsere Münder zu.
Ich zog derweil meine Schuhe aus und wurstete einen neu gekauften schwarzen Rock über meine Jeans. Danach strampelte ich mir mit einiger Mühe die nasse Hose von den Beinen. Wirklich angenehm war es immer noch nicht, da ja auch meine Unterwäsche völlig durchnässt war, aber immerhin besser als die nasse Jeans, die durch das Wasser mindestens 3 Kilo schwerer war, an meinem Körper durch die Gegend zu tragen. Mein T-shirt wechselte ich mit meiner ausgefeilten Freibadtechnik und die Haare flocht ich schnell zu einem festen Zopf, da so nicht ganz so auffiel, dass sie nass waren.
Die anderen warteten geduldig, bis ich fertig war. Liam stopfte kommentarlos das T-shirt, das ich ihm zuwarf in die Plastiktüte, als mir etwas auffiel.
„Wo habt ihr denn Nadine gelassen?"
Verdutzt sahen wir uns um.
„Die war doch an der Kasse noch hinter uns, oder nicht?", fragte Niall irritiert und warf einen Blick zu Kira hinüber.
Die nickte.
„Ich ruf sie mal an."
Ein kurzes Telefonat klärte, dass Nadine sich schon wieder auf den Weg ins Hotel gemacht hatte, was wir daraufhin auch taten.
Nachdem ich zum zweiten Mal an diesem Tag geduscht hatte und wieder angezogen war, klopfte es auch schon meiner Tür.
Es war Harry, der mich abholen wollte, weil die Band sich nun auf den Weg zum Club machte. Ich schnappte mir schnell meinen Laptop, quetschte mich mit den Jungs in ein Großraumtaxi und fuhr mit ihnen zur Giglocation.
Das Stella Mare war größer als der Club in Frankfurt. Auch hier waren die Roadies bereits dabei, die Bühne mit Verstärkern und Stolperfallen, auch Kabeln genannt, zu versehen. Ich zog mich in eine ruhige Ecke zurück und raffte mich tatsächlich dazu auf ein neues Word-Dokument zu öffnen und ein paar wenige Zeilen zu tippen, dann verließ mich die Arbeitswut auch schon wieder.
Tourtagebuch, so etwas Bescheuertes. Ich kam mir irgendwie blöd dabei vor, von den Kabbeleien zwischen den Jungs und mir zu schreiben, ich war schließlich nicht die Stasi. Also setzte ich neu an und beschränkte mich zunächst auf einen Konzertbericht.
Hier war ich ehrlich und schrieb, dass ich von der Band positiv überrascht worden war. Vielleicht würde das die Vorurteile der Metallheads zumindest etwas lindern.
Anmerkungen zu Layout, Bildern und ‚nette Bemerkungen' zu den Fangirlies schrieb ich in Deutsch, was den Vorteil hatte, dass Word, das ich auf meinem Laptop noch immer nicht mit einer Rechtschreibkorrektur für Deutsch ausgestattet hatte, sofort diese Bereiche rot unterkringelte und man somit auf den ersten Blick Text und Anmerkung auseinanderhalten konnte.
Ich war so vertieft in meine Arbeit und hatte bereits zwei Seiten fertig, als Harry mir plötzlich auf die Schulter tippte. Erschrocken zuckte ich zusammen.
„Buh!", grinste er und beugte sich schräg über mich um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen.
„So fleißig? Die Jungs haben mein Schlagzeug inzwischen fertig aufgebaut und da der Unterricht gestern doch ausgefallen ist..."
Er deutete zur Bühne.
Dankbar schaltete ich schnell mein Arbeitsgerät aus.
„Und du meinst das wirklich ernst, dass du mir Schlagzeug spielen beibringen willst? Ich steche dir wahrscheinlich ein Auge aus oder so", lachte ich.
Wenn ich ehrlich war, reizte es mich schon sehr ein wenig auf den Drums herumzutrommeln.
„Berufsrisiko", entgegnete Harry nur und dirigierte mich hinter das Schlagzeug.
„Also, ein Fuß kommt hier hin und der andere da."
Er platzierte meine Füße auf den Pedalen der Hi-Hat und der Bass Drum und verbrachte die nächsten Minuten damit mir den Rhythmus einzuhämmern, in dem ich beides zu bedienen hatte. Ich musste mich wirklich konzentrieren, diesen Rhythmus zu halten und wenn es auf der Bühne rumpelte, weil Elmo oder einer der anderen einen Verstärker hin und her rückten, verlor ich ihn auch gleich wieder.
Als Harry mir dann noch die Sticks in die Hand drückte und ich parallel auf Tom-Tom oder Snare spielen sollte, war ich völlig überfordert.
„Argh!"
Ich stöhnte als ich mal wieder aus dem Takt geriet.
"Nicht verzweifeln, ich bin doch jetzt da", ertönte da eine Stimme hinter Harry und mir.
Ich ließ die Sticks sinken und wandte mich um. Liam, der bis jetzt auf das Stylen seiner Haare verzichtet hatte und daher mal nicht aussah, wie vom Blitz getroffen, schlenderte über die Bühne auf uns zu. Ich rollte zur Antwort nur mit den Augen.
„Na Harry, versuchst du immer noch verzweifelt, dich entbehrlich zu machen?"
„Klar, wenn Elif für mich die Drums übernimmt, kann ich mich früher den schönen Dingen des Lebens widmen", flachste Harry.
„Gott sei Dank hab ich dafür genauso viel Talent wie ein Elefant als Porzellanverkäufer", grummelte ich und machte Anstalten, aufzustehen, um Harry meinen Platz zu überlassen.
Liam drückte mich hingegen wieder auf den Hocker zurück.
„Du denkst zu viel nach, wenn dein Unterbewusstsein den Rhythmus erst mal gespeichert hat, musst du es einfach nur noch fließen lassen."
Liam trat an mich heran und ging leicht in die Hocke. Durch mein T-shirt konnte ich seine Körperwärme an meinem Rücken spüren.
„Harry, hast du mit ihr mit demselben Rhythmus angefangen, wie bei mir?"
„Yep", hörte ich Harrys Stimme. Ich fühlte mich unwohl und eingekesselt.
Vor mir die Drums, hinter mir Liam, der sich nun noch tiefer beugte.
„Also Frau Westerman, Haltung bitte", kommandierte Liam, woraufhin ich seufzend die Sticks hob.
Plötzlich legte er seine Arme von hinten um mich. Erst dachte ich, dass er mich in eine Umarmung ziehen wollte und versteifte mich augenblicklich, doch dann griff er nach meinen Handgelenken und dirigierte somit meine Arme paarmal probehalber über das Schlagzeug.
„Locker Elif, oder mach ich dich etwa nervös?", raunte er mir ins Ohr, als er merkte, dass ich komplett angespannt war.
Ich atmete tief durch, und versuchte mich zu entspannen.
„Eigentlich habe ich eher Schiss, dass ich dir gleich ein Auge aussteche, Harry hatte schon Gründe für seinen Sicherheitsabstand."
Ich warf dem Angesprochenen, der inzwischen einen Schritt um sein Instrument herumgetreten war, ein unsicheres Grinsen zu. Er zwinkerte zurück.
„Keine Sorge, bevor es mein Auge trifft, trifft es deins", verkündete Liam in seiner typisch unbekümmerten Art und der Griff um meine Handgelenke verstärkte sich, als er merkte, dass ich auf dem Stuhl herumfahren wollte.
„Elif, Aus!"
„Was bin ich, ein Hund?" meckerte ich, gab aber Ruhe.
„So, Konzentration und Augen zu. Rechts, rechts, rechts, rechts...", kommandierte Liam.
Wir betrieben also ‚Schlagzeug spielen für Dummies'. Liam sagte an, was ich mit meinen Füßen zu tun hatte und führte in der Zwischenzeit meine Arme über die Drums. Es dauerte ein paar Minuten, dann hatten wir unseren Rhythmus gefunden.
Inzwischen kamen nur noch vereinzelte Einweisungen die Hi-Hat zu bedienen, wenn es nötig war. Ich hielt die Augen weiterhin geschlossen und genoss die Wärme, die Liams Körper ausstrahlte. Erst als er einen Schritt von mir wegtrat, bemerkte ich, dass er meine Hände bereits losgelassen hatte.
Erschrocken öffnete ich die Augen, spielte aber weiter. Ein Gefühl von Stolz durchflutete mich, als ich merkte, dass das, was ich da spielte tatsächlich ganz gut klang.
Harry nickte anerkennend und ich stoppte schließlich.
„Siehst du, ist doch gar nicht so schwer, oder?"
Ich legte die Sticks auf die Snare und stand auf.
„Na ja, ich glaube, ich bleibe wohl besser bei den Instrumenten, die ich wirklich beherrsche, aber es macht auf jeden Fall Spaß."
„Was kannst du denn spielen?", fragte Liam.
„Vielleicht können wir dich ja als Gastmusiker verpflichten."
Trotz seines Grinsens merkte ich, dass es ihn wirklich interessierte.
„Ich hab mal Klavier gespielt", versuchte ich so unbeteiligt wie möglich zu antworten.
„Das klingt aber begeistert."
Liam runzelte die Stirn.
„Und jetzt spielst du nicht mehr?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich könnte mir nie vorstellen, jemals aufzuhören ein Instrument zu spielen", sagte er nachdenklich.
Das konnte ich mir vorstellen. Liam war wirklich mit Leib und Seele ein Musikmensch. Ich wusste selbst nicht genau, woran es lag, dass ich seit über einem Jahr das Klavier in meiner Wohnung mit Verachtung gestraft hatte. Fast 15 Jahre lang hatte es zu meinen täglichen Wegbegleitern gehört, doch nach dem Unfall und der Trennung von Jasper hatte sich so vieles geändert. Ich hatte mich verändert.
„Dann ist es ja gut, dass du der Musiker bist und ich nur die Journalistin", konterte ich und versuchte mich unbeschwert zu geben.
„Du spielst uns bestimmt trotzdem bei Gelegenheit was vor", schlug Harry diplomatisch vor.
„Alles verlernt haben wirst du ja wohl nicht."
„Wenn ihr wirklich mal was hören wollt und ein Klavier greifbar ist, kann ich das gern mal machen", versprach ich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
„Wir werden dich darauf festnageln", verkündete Liam fröhlich und wandte sich zum Gehen.
„Ich geh mal die anderen für den Soundcheck holen."
Die Zeit vor dem Konzert nutzte ich um noch kurz mit Ville zu telefonieren.
Da wir diesmal mehr Zeit hatten, erzählte er mir noch die ein oder andere lustige Anekdote aus dem Studio. Es fiel mir immer ein wenig schwer, die doch sehr ernst wirkenden Mitglieder von ‚Poisonblack' in Einklang mit diesen Geschichten zu bringen.
Wenn Ville erzählte, konnte man fast glauben, dass man es mit einem Haufen Teenager zu tun hatte und nicht mit einer Gruppe erwachsener Männer. Irgendwie schien das ein Bandphänomen zu sein. Gedanklich überschlug ich, wenn Ville und seine Jungs in ihrem Alter von Teenager waren, waren One Direction grade mal im Grundschulalter. Diese Vorstellung belustigte mich irgendwie.
Später ließ auch Franky sich wieder blicken, den ich in der Garderobe gleich über die freien Tage im Tourplan ausquetschte. Die Jungs waren noch mit dem Soundcheck beschäftigt.
„Also, die freien Tage nach dem Stuttgart-Konzert sind zum Durchatmen für die Jungs", erklärte Franky, während er das Blatt studierte, dass ich ihm in die Hand gedrückt hatte.
Ich nickte, so etwas in der Richtung hatte ich mir schon gedacht. Harry und Niall waren bestimmt froh, ihre Freundinnen ein paar Tage wiederzusehen.
Die Frage war nur, was ich dann mit diesen freien Tagen anfing. Stuttgart war nun nicht unbedingt die Stadt meiner Wahl um dort auf eigene Kosten meine Freizeit zu verbringen. Ich konnte mir nämlich kaum vorstellen, dass das Magazin für Hotelkosten aufkommen würde, die eigentlich nicht im Rahmen der Tour lagen.
Andererseits war ein Flug von Stuttgart nach London und zurück wahrscheinlich noch teurer. Ich sollte wirklich dringend mit Brian darüber sprechen.
„Und die vier Tage kurz danach sind für den Videodreh für die neue Single gedacht", fuhr Franky fort.
„Da geht es dann für ein paar Tage nach Spanien."
Überrascht sah ich ihn an.
„Spanien?"
„Sí, Espana", bestätigte er und drehte sich mit der schlechten Imitation einer Flamenco-Tänzerin um die eigene Achse.
„Ich hoffe, du hast deine Badehose dabei."
„Ich komme mit?"
Das verblüffte mich jetzt doch.
„Aber natürlich, der Videodreh gehört doch mit zur Tour, oder?"
Ein verschmitzter Blick trat in Frankys Augen.
„Na ja, das kann man nun so oder so sehen, oder nicht?", wand ich ein, doch auch auf meinen Lippen zeigte sich ein Lächeln, denn ich war mir ziemlich sicher, dass Franky da irgendwas mit Brian gedreht hatte.
Vielleicht hatte auch Brian selbst darauf bestanden, dass ich mitflog, um Herrn Möller mal zu zeigen, was für Kosten die Wünsche seines Töchterchens verursachen konnten. Nicht, dass es diesen sonderlich gestört hätte. Plötzlich war ich mir ziemlich sicher, dass auch mein Aufenthalt in Stuttgart geregelt war.
„Das heißt also, ich fliege nach Spanien", murmelte ich vor mich hin.
„Yep, und das Beste: Das Video wird mindestens zwei Tage am Strand gedreht, das heißt wir beide schauen den Jungs beim Arbeiten zu und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen."
Das klang ja immer besser.
„Apropos, wie kommst du eigentlich mit den Jungs klar?", hakte der Manager nach.
„Da mich noch keine Anrufe ereilt haben, dass ihr euch gegenseitig an die Gurgel springt, scheint ihr euch ja zusammengerauft zu haben, oder? Nicht, dass ich es anders erwartet hätte, aber..."
„Ja, wir verstehen uns ganz gut", bestätigte ich und spielte mit einer Strähne meines dunklen Haares.
„Sehr schön. Ich hatte ja ehrlich gesagt ein wenig Sorge, als ich erfahren habe, dass der Verlag einen jungen Hasen wie dich schickt. Nicht weil ich an deinen Fähigkeiten gezweifelt habe", entkräftete er seine Aussage sofort.
„Aber vier Jungs und ein Mädel zusammen in einem Tourbus hat ja durchaus Konfliktpotenzial."
Ich grinste breit.
„Wie schön, dass du dir darum jetzt schon Gedanken gemacht hast."
Er zog eine Grimasse und legte mir die Hand auf die Schulter.
„Elif, gleich als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass du dieses Irrenhaus bändigen würdest."
„Natürlich", spottete ich.
„Das hast du mir an der Nasenspitze abgelesen, oder?"
---------
Na da war der Manager aber zuversichtlich. XD
Ob er das noch lange bleiben wird?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top