☆>Drei<☆

Ich begann zunächst auf der offiziellen Homepage der Band, die die Plattenfirma zur Verfügung stellte. Wirklich ergiebig war diese aber nicht. Ich fand Tourdaten, ein paar Live-Streams und ein kurzer Abriss der Geschichte der Band. Diesem widmete ich als erstes.

Es war im Sommer 2010 als die Freunde Niall Horan und Louis Tomlinson, beide begeisterte Gitarre- und Bassspieler, auf einer Party Harry Styles kennen lernten. Der junge Brite war gerade in Nialls und Louis' Heimatstadt London gezogen und vertrieb sich mit Schlagzeugspielen seine Zeit. Nach einigen gemeinsamen Jam-Sessions stand fest: Die Jungs wollten weiterhin gemeinsam Musik machen. Zunächst übernahm Louis den Hauptteil des Gesangs und die Jungs traten auf Schulfesten mit Coverversionen von Oasis, den Red Hot Chili Peppers und  ACDC auf.

Ich war überrascht. In dieser Zeit schienen die Jungs tatsächlich so etwas wie Musikgeschmack gehabt zu haben.

Als Louis im Jahr 2012 schließlich seinen langjährigen Freund Liam Payne überzeugen konnte, in die Band zu kommen, begann die Band eigene Songs zu schreiben.

Wie es schien der Anfang vom Ende. Bei gefühlten fünf Millionen Briten konnten ja nicht nur musikalische Genies darunter sein.

Ich klickte ein paar Mal auf meinem Bildschirm hin und her, bis eins der Promobilder der Band meinen kompletten Bildschirm ausfüllte und musterte es.
Die beiden großgewachsenen Kerle rechts und links im Bild mussten Louis und Niall sein. Der blonde auf der rechten Seite konnte nur Niall sein, der Dunkelhaarige, der auf der anderen Seite in die Kamera grinste, wirkte irgendwie reifer. Beide hatten fast die gleichen blauen Augen.

Den Schlagzeuger Harry erkannte man sofort. Er war größer als Louis und Niall und hatte braune lockige lange Haare. Er blitze mit seinen grünen Augen in die Kamera, als würde er die ganze Situation grade nicht ernst nehmen und wirkte recht sympathisch.
Erst jetzt wandte ich meinen Blick der Person zu, die strategisch so von dem Fotografen positioniert worden war, dass sie eindeutig das Bild dominierte.
Kritisch betrachtete ich Liam Payne, der mit leicht geöffneten Mund in die Kamera sah.

Vom Typ her war er kein Unbekannter. Er konnte sich mit Ville Valo oder Lauri Ylönen die Hand geben. Schlank, braunäugig und dunkelhaarig, mit einem Haarschnitt, der aussah als hätte seine kleine Schwester mit der Schere Hand angelegt. Durch die vordere Position im Bild war schwer zu sagen, wie groß er war, ich schätzte ihn aber nur ein wenig kleiner als den Gitarristen und Bassisten der Band.

Ich lenkte meinen Blick noch einmal auf sein Gesicht. Wie ich ja dank der Zeitschriften schon wusste, war er das Aushängeschild der Band und wahrscheinlich auch der Traum sämtlicher Groupies. Auch das Bild sagte viel über seinen Status in der Band.

Während die anderen Jungs recht normal auf den Bildern aussahen, war ihr Sänger nicht nur von der Position auf dem Bild herausgestellt worden.
Durch den leicht geöffneten Mund wirkten seine vollen Lippen noch sinnlicher und seine spöttisch hochgezogene Augenbraue in Kombination mit seinen hübschen, aristokratischen Gesichtszügen sorgte dafür, dass man sich vorkam wie Staub unter Liams Füßen und ihm trotzdem noch gefallen wollte – wenn man 16 war. Kurz: Kein normaler Mensch guckte so in die Kamera.

Ich blätterte virtuell durch die Bilder und musterte noch eine Einzelaufnahme von Liam.
Auch wenn ich es nicht gern zugab, fotogen war er trotz seiner Frisur auf jeden Fall und seine Teddybäraugen waren recht ausdrucksstark.

Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich fuhr zusammen. Sherin zog mir die Kopfhörer von den Ohren und lauschte kurz hinein.
„Die Mondscheinsonate?", fragte sie belustigt. „Ist das nicht etwas melodramatisch?" Ich streckte ihr die Zunge raus.

„Vorher war es das Requiem von Mozart", sagte ich und deutete auf die Playlist. Sie schüttelte den Kopf.

„Manchmal glaub ich wirklich, du hast eine zweite Persönlichkeit."

Schulterzuckend nahm ich ihr den Kopfhörer aus der Hand und legte ihn auf meinen Schreibtisch.

Auch wenn ich eindeutig die härtere Schiene bevorzugte, hörte ich eigentlich viele Musik querbeet. Grade wenn ich etwas lesen musste, bevorzugte ich unaufdringliche Musik wie instrumentale Filmsoundtracks oder halt Klassik.

„Ist das der Sänger von One Direction?", fragte Sherin nun mit einem Blick auf meinen Bildschirm. „Alter Schwede, ist das ne Schnitte!" Sie stieß einen bewundernden Pfiff durch die Zähne aus.

Ich rollte mit den Augen. „Nicht Schwede, Brite!"

Sherins Männergeschmack war eigentlich einfach gestrickt. Dunkelhaarig, groß und Musiker, mehr brauchte sie nicht zum glücklich sein. Gelegentlich scherzte sie, dass Tuomas Holopainen, das Mastermind von Nightwish, für immer ihre einzige richtige Liebe bleiben würde. Diese Tatsache war es, die mich zu meiner nächsten Äußerung veranlasste.

„Sherin, du willst doch deinem Tuomas nicht untreu werden, oder?"

„Nein, niemals. Aber wenn Herr Holopainen nicht bald erkennt, dass wir füreinander bestimmt sind, dann würde ich dieses Exemplar auch nehmen", lachte sie. Kopfschüttelnd schloss ich das Browserfenster mit den Bildern.

„Hat selbst der nicht inzwischen auch ne Freundin? Da wirst du wohl noch ewig warten. Kein Wunder, dass du Single bist. So, und jetzt widme ich mich noch den wichtigen Dingen wie Liams Lieblingsfarbe und der Anzahl der Fans, die Louis bereits vernascht hat."

„Häh?" Ein ratloser Ausdruck zierte ihr Gesicht.

„Nicht so wichtig, geh spielen." Ich zog mir wieder die Kopfhörer über die Ohren, aus denen inzwischen ein Stück aus dem Herr der Ringe Soundtrack ertönte und widmete mich wieder der Band-Biographie.

Mit den eigenen Songs kam auch sehr schnell der Erfolg. Die Band, damals noch unter dem Namen ‚California Kings' bekannt, trat auf Volksfesten und in Einkaufszentren auf, zwei Jahre später folgte eine kleine England-Tour. Mit dem kleinen Label Loud Music wurde schließlich ein Album produziert, das in Kritikerkreisen großen Anklang fand. Mit Unterzeichnung des Vertrags benannte sich die Band in One Direction um. Eine weitere Tour folgte, die die Band diesmal auch nach Deutchland und in die Schweiz führte. Nach Verhandlung mit mehreren Labeln entschied sich die Band schließlich mit Universal Records zusammenzuarbeiten und produzierte mit Tom Hallgard das aktuelle Album ‚Made in the A.M'. Die erste Single-Auskopplung ‚Drag Me Down' hat in Deutschland bereits Goldstatus.

Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass die Band bereits schon so lange Bestand hatte. Dass keins der ursprünglichen Mitglieder ausgestiegen war, war ebenfalls ungewöhnlich. Normalerweise fand nach einigen Jahren immer ein Besetzungswechsel statt, weil sich Geschmäcker oder Interessen in unterschiedliche Richtungen entwickelten.

Da die offizielle Homepage nicht mehr sehr ergiebig war, tippte ich den Namen der Band in Google ein. Wie erwartet wurde der Bildschirm von Links zu Foren, Fanclubs und selbstgebastelten Beepworld Homepages überflutet.
Wahllos klickte ich einen der Einträge an und landete auf der Homepage einer Interessengemeinschaft mit dem einfallsreichen Namen ‚The Directioners'.
Ich schüttelte mich. Das war genau das, was ich erwartet hatte: 14-jährige Teenies, die jeden noch so kleinen Schnipsel an Informationen über ihre Lieblingsband dokumentierten. Albern, aber für mich sehr informativ.
Auf der Seite besaß jedes Mitglied der Band einen eigenen Steckbrief, zusätzlich gab es eine Abteilung für News, Bilder, Links und alles andere, was der ‚Directioner' so brauchte.

Für mich waren die Steckbriefe am interessantesten. Ich begann mit dem von Harry, dem Schlagzeuger, über den es, wie ich im weiteren Verlauf feststellte, genauso wenig Infos gab, wie über Niall, den blonden Gitarristen.
Ansonsten erhielt ich über Harry und Niall nur spärliche Infos, Geburtstag, Größe, Lieblingsmusik und Hobbies mussten mir als Informationen vorerst reichen.
Wie ich vermutet hatte, lag die Fanbase woanders.
Louis' Steckbrief war schon ergiebiger. Hier fanden sich neben den anderen Informationen auch Angaben zu seinem Lieblingsessen, wie er sich einen perfekten Tag vorstellte, seine Lieblingsreiseziele, dass unter seinen Lieblingsfernsehsendungen Spongebob Schwammkopf aufgeführt war, machte ihn mir irgendwie sympathisch.

Als ich schließlich Liams Steckbrief öffnete, hätte ich genug Lektüre für einen ganzen Abend gehabt. Ich überflog kurz die Kategorien, ohne mir die Kommentare und Infos genau durchzulesen. Das ging von den normalen Sachen wie Familie und Musik zu Vorlieben, Styling und wilde Spekulationen über seinen Beziehungsstatus.

Kopfschüttelnd las ich die detaillierten Beschreibungen, wann der Sänger wo mit welchem Typ Mädchen gesichtet worden war. Wäre Osama bin Laden der Sänger einer Popgruppe gewesen, hätte er sich nicht so lange in einer Höhle verstecken können. Seine Fans hätten ihn gefunden.

Ich ging noch einmal alle Steckbriefe durch.
Niall war über ein Jahr jünger als ich, also 22, sein Kumpel Louis war 3 Jahre älter als er. Harry war so alt wie ich und Liam war wenige Monate jünger als sein Kumpel Louis und mir somit ebenfalls zwei Jahre voraus.
Pitt hatte also recht gehabt, altersmäßig passte ich in die Truppe.

Zusätzlich verrieten mir die Steckbriefe ebenfalls, wovon ich wohl hauptsächlich während der Tour ernähren durfte: Pizza tauchte sowohl bei Liam als auch bei Louis als Lieblingsessen auf.

In diesem Moment tippte mir erneut jemand auf die Schulter. Als ich über die Schulter sah, erblickte ich meinen Chef, der mir bedeutete die Kopfhörer abzunehmen. Wie schon Sherin zuvor hielt er sie sich selbst noch kurz nebens Ohr, bevor er sie zurück auf meinen Schreibtisch legte.

„Debussy, wie nett", kommentierte er.

„Letzte Recherche vor deinem großen Tag morgen?", fragte er dann und nickte zum Bildschirm hinüber.

„So ungefähr", knurrte ich, da ich das Gefühl nicht loswurde, dass er doch etwas schadenfroh war.

„Ich hoffe nur, dass ich für die Reportage gut bezahlt werde."

Ehrlich gesagt hatten Brian und ich noch gar nicht über ein Gehalt gesprochen. Schließlich war ich 24 Stunden am Tag unterwegs, musste in einem unbequemen Bett im Tourbus schlafen, zumindest in den Nächten, in denen die Band nicht auch im Hotel nächtigte, das gab doch bestimmt fette Zulagen.

„Wer hat gesagt, dass wir dich für die Reportage bezahlen?", fragte Brian und zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

„Ha ha!", grummelte ich.

„Schon gut. Mit deinen Finanzen wirst du schon zufrieden sein und außerdem zahlt das Magazin sämtliche Spesen, wenn du also beim Catering was Spezielles essen möchtest, wir zahlen das."

Ich spitzte die Ohren.

„Alles?", hakte ich noch einmal nach.

Brian betrachtete mich mit einem amüsierten Lächeln.

„Elif, ich vertraue auf deinen gesunden Menschenverstand und darauf, dass du dir kein ganzes Kobe-Rind aus Japan einfliegen lässt... oder Sushi", fügte er mit Hinblick auf meine kulinarische Vorliebe hinzu.

„Aber dieses leckere hawaiianische Mineralwasser...", begann ich.

„... Darfst du kistenweise bestellen", antwortete Brian.

„Viel Spaß mit der Band und vergiss später deinen Pass nicht."

Er deutete auf das Pappkärtchen an meiner Schreibtischlampe, klopfte mir auf die Schulter und ließ mich wieder allein.

„Wie könnte ich den Pass vergessen? Das ist doch die Eintrittskarte zu meinem persönlichen Wunderland", murmelte ich.

Dann setzte ich mir wieder die Kopfhörer auf die Ohren und klickte mich weiter durch die Seiten des World Wide Web.

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Na ihr, was sagt ihr?

Elif scheint ja Liam doch ganz Interessant zu finden. ;)

Aber mal schauen wie es weiter geht ;)

Wenn es euch gefallen hat dann lasst mir doch ein Sternchen da.

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