Roboter Kathrin

"Kathrin, Reich mir mal den Schraubenzieher!"
Ein braunhaariges Mädchen, von etwa sechzehn Jahren, beugte sich eilig über einen grauen Kasten aus Metall und holte das gewünschte Werkzeug zwischen den Anderen hervor.
Dieses reichte sie einem Mann mittleren Alters, der nur wartend die Hand ausstreckte und sich ganz auf den Gegenstand konzentrierte, der vor ihm auf dem großen Arbeitstisch lag.
Er hatte bereits nur noch wenige, graue Haare und dunkle Augenringe, als hätte er schon lange nicht mehr geschlafen. Auch bei Kathrin war dieses Zeichen von Schlafmangel zu erkennen.
Der Gegenstand war ein kleiner roter Kasten, an dem gleichfarbige Arme zum Greifen angebracht waren. Als Kopf diente ein noch kleinerer, ebenfalls roter Kasten, mit zwei Lampen als Augen.
Der Roboter stand auf schwarzen Rollen, welche wackelten, wenn der Mann ab und zu an den Tisch stieß. Offenbar wollte er die Räder mit Hilfe des Schraubenziehers befestigen.
Er schloss seine Finger um den Griff des Werkzeugs und setzte dazu an, den letzten Schritt seiner Arbeit zu erledigen, doch der Schraubenzieher war viel zu groß.
Wütend schmiss der Erfinder ihn auf den Boden, direkt vor die Füße des Mädchens, das erschrocken einen Schritt zurück trat.
"Was bist du nur für ein nutzloses Stück, was soll ich denn mit diesem großen Ding anfangen? Hol gefälligst den kleinen Schraubenzieher!"
"Tut mir leid, Vater." Kleinlaut reichte das Mädchen ihrem Vater einen weiteren, kleineren Schraubenzieher.
Diesmal schien der Mann zufrieden zu sein und er zog, nach und nach, die vier Räder fest.
Stolz betrachtete er sein vollendetes Werk, dessen Nutzen jedoch nicht erkennbar war.
"Damit gewinne ich ganz sicher." Der Erfinder warf dem Roboter einen liebevollen Blick zu und packte ihn, zusammen mit der dazugehörigen Fernbedienung, in einen Karton.
"Räum hier auf und schau dann nach dem Auto, Irgendwas stimmt mit den Scheinwerfern nicht. Und mach schnell, um zehn Uhr beginnt der Wettbewerb!"
Kathrin beeilte sich damit, Ordnung in die Werkstatt zu bringen, und eilte dann, mit ein paar Ersatzlampen in der Hand, die Treppe hinauf.
Im Erdgeschoss kam sie an ein paar Türen vorbei, die meisten waren geschlossen. Durch eine der geöffneten Türen konnte man eine Küche sehen, in der gerade der Vater des Mädchens saß und frühstückte.
Sie nahm sich noch den Autoschlüssel aus einem Wandschrank und ging nach draußen, um durch das schwache Licht der Morgensonne zu der Garage, neben dem Haus, zu laufen.
Dort schloss sie ein graues Auto auf und stieg ein. Kaum hatte sich die Autotür hinter ihr geschlossen, schaltete sie auch schon die Lichter an, und es war deutlich zu sehen, dass der rechte, vordere Scheinwerfer nicht funktionierte.
Innerhalb von wenigen Minuten war das Problem behoben und die kaputte Lampe im Restmüll.
Wieder im Haus, wusch Kathrin sich Hände und Gesicht und öffnete den Dutt, den sie mit ihren etwa schulterlangen Haaren gerade so eben noch hin bekam. Eine einzelne Strähne, auf der linken Seite, war zu kurz und musste mit zwei kleinen, schwarzen Spangen zurück gehalten werden.
Ihre braunen Augen blickten leicht traurig aus den tiefen Höhlen, als sie nun auch in die Küche ging, um etwas zu essen.
Danach ließ sie sich erschöpft auf ein altes Bett in einem kleinen, spärlich eingerichteten Raum fallen und, wenige Minuten später, war, außer dem lauten Knall, als der Vater die Haustür hinter sich zufallen ließ, nur noch das regelmäßige Atmen seiner Tochter zu hören.
Diese schlug, erst Stunden später, ihre Augen wieder auf und ließ ihren Blick zu der Standuhr mit dem großen Zifferblatt in der Zimmerecke wandern.
Die Tatsache, dass es bereits drei Uhr Nachmittag war, schien sie in Panik zu versetzen, denn sie war sofort hellwach und hatte kurz darauf das dunkelblaue Kleid, mit weißer Schürze, eines Dienstmädchens angezogen und ihre Haare erneut hoch gesteckt.
In der Zeit, die ihr Vater noch weg war, versetzte sie das Haus in einen annehmbaren Zustand und bereitete das Abendessen für den Erfinder vor.
Der ließ auch nicht lange auf sich warten und seine schlechte Laune konnte man schon von weitem hören. Der Wettbewerb lief wohl nicht so, wie er es sich gewünscht hatte.
Kathrin vermied jeglichen Augenkontakt und saß, während der immer noch fluchende Vater seinen Teller leerte, still auf ihrem Platz.
"'Zu klein' haben sie gesagt! Und 'lächerlich'! Die haben doch keine Ahnung, aber bei meiner nächsten Erfindung werden sie Augen machen, oh ja! Kathrin, du gehst jetzt Einkaufen, ich brauche neues Material."
"Sofort, Vater." Kathrin wechselte ihre Kleidung und verließ dann das Haus, mit der Liste, die ihr Vater ihr in die Hand gedrückt hatte.
Sie schien zwar verwundert, als sie auf dem Zettel sah, dass sie, unter anderem, keine fertigen Bauteile mehr, sondern nur die Metalle zum selbst bearbeiten besorgen sollte, stellte dies aber nicht weiter in Frage.
Um die schweren Einkäufe transportieren zu können, fuhr sie mit dem Auto von Händler zu Händler.
Erst spät Abends, erreichte Kathrin wieder ihr Zuhause, und lud das Auto aus. Den Inhalt des Kofferraums trug sie nach und nach in die Werkstatt, wo ihr Vater bereits, über ein paar Baupläne gebeugt, auf sie wartete. Auf den Plänen konnte man Skizzen mit menschlichen Umrissen erkennen.
"Komm mal her." Forderte er seine Tochter auf und nahm ein Maßband vom Arbeitstisch.
Sie kam seiner Forderung sofort nach und hielt still, als er sie komplett ausmaß.
Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, erklärte der Erfinder "Der Roboter wird deine Größe haben. Es soll aber eine Überraschung werden, also komm nicht in den Keller, wenn ich es dir nicht erlaubt habe."
Kathrin nickte und ihr Vater schickte sie weg, nachdem er die nötigen Werte notiert hatte.
Die kleine Schmiede im Nebenraum, die schon lange nicht mehr von ihm benutzt wurde, brachte der Mann von selbst wieder in Gang. Anscheinend hatte er vor, sofort zu beginnen, und, anstatt endlich mal zu schlafen, die fehlenden Teile des geplanten Roboters anzufertigen.
Ohne auf seine Tochter zu achten, die durch den Lärm, des Hammers auf Metall, wach gehalten wurde, arbeitete er die ganze Nacht durch.
Genauso wie den darauf folgenden Tag und die Nacht danach. Nur zum Essen kam er in die Küche, und er sah von Mal zu Mal schlimmer aus. Trotzdem weigerte er sich, den nötigen Schlaf nachzuholen.
Nachdem es einige Tage so weiter ging, schien er endlich den ersten Schritt seiner Arbeit beendet zu haben. Für den nächsten brauchte er offenbar die Hilfe eines Bekannten oder Freundes, denn er lieferte sich ein langes Gespräch am Telefon. Ab und zu machte er sich Notizen, die alle, unter der Überschrift 'Ausstopfen', auf einem Blatt notiert wurden.
Der Erfinder schien mit seinem neu errungenen Wissen zufrieden und begab sich, zum ersten mal seit langem, aus dem Haus. In seiner Hand hielt er eine Liste, die er aus den Notizen erstellt hatte.
Währenddessen erledigte seine Tochter wieder einmal die Hausarbeit, ohne auch nur zu ahnen, was noch am selben Tag auf sie zukommen würde.
Als der Vater zurück kam, verfrachtete er einige Behälter mit Flüssigkeit, die, laut dem Etikett, giftig war, zusammen mit Skalpellen, jeder Menge festem Schaumstoff und Watte in seine Werkstatt.
Dort räumte er die selbst geschmiedeten und bearbeiteten Roboterteile vom Tisch und legte sie ordentlich auf den Boden, bis man deutlich die Ähnlichkeit zum menschlichen Körper erkennen konnte.
Schließlich rief er seine Tochter zu sich. Kathrin trug wieder das blaue Kleid mit Schürze und auch ihre braunen Haare waren zum gewohnten Dutt zusammen gesteckt.
Der Mann winkte seine Tochter zu sich und ließ sie sich neben die Teile des Roboters legen. Er wollte wohl vergleichen, ob alles passte.
"Gut... gut, alles perfekt." Murmelte er und setzte dann ein seltsames Grinsen auf. "Und jetzt wirst du deinen Zweck erfüllen, Kathrin."
Er kniete sich neben das Mädchen, welches ihn unsicher anschaute. Plötzlich streckte er seine Hände aus und umfasste ihren Hals.
Verzweifelt wand seine Tochter sich in dem Klammergriff und trat um sich, doch nichts davon brachte etwas.
Der Mann beugte sich zu ihr herunter und fragte hämisch "Überrascht?"
Letztendlich erstarb jegliche Gegenwehr von Seiten des Mädchens.
Sie war tot.
Ohne auch nur ein Anzeichen der Trauer, zog der Erfinder seine Tochter komplett aus und legte ihre nackte Leiche in eine Tiefkühltruhe, deren eigentlicher Inhalt auf dem Boden verstreut lag.
Dann ging er nach oben und legte sich zum ersten Mal seit langem in sein Bett um zu schlafen. Er schlief tief und friedlich, obwohl er erst vor kurzem seine eigene Tochter umgebracht hatte.
Am nächsten Morgen wachte er auf und begab sich erneut in seine Werkstatt. Dort füllte er eine alte Badewanne mit der giftigen Flüssigkeit, die er von seinem Einkauf am letzten Tag mitgebracht hatte, und holte dann die eingefrorene Leiche seiner Tochter. Kathrins Haut war kreidebleich und ihre braunen Augen starrten ins Leere. In ihren braunen Haaren funkelten ein paar Eiskristalle im Licht der Deckenlampe und verliehen ihnen einen silbrigen Schimmer.
Nachdem ihr toter Körper genug aufgetaut war, nahm der Mann sich ein Skalpell und schnitt ihn auf. Möglichst an den Stellen, die man nachher nicht mehr sehen konnte, wenn das Mädchen wieder etwas an hatte.
Er zog der Leiche die komplette Haut ab und entnahm auch den Schädel, indem er die Kopfhaut von hinten aufschnitt. Gründlich entfernte er alle Fleisch- und Fettreste von der leeren Hülle und badete diese dann in dem Gift. Vermutlich, um sie haltbar zu machen.
Nun legte er die Haut seiner ehemaligen Tochter neben die Teile des Roboters, genau so, wie sie lag, als er sie erwürgte.
Die Roboterteile baute er in der Hülle zusammen und füllte die leeren Stellen mit festem Schaumstoff, den er mit einem Messer zurecht schnitt, und, hin und wieder, mit Watte.
Als Knochen, Muskeln, Fett und Organe durch Metall, Kabel, Schaumstoff, Watte, Batterien und der Technik, die zum Programmieren des Roboters und zum Speichern von Informationen benötigt wurde, ersetzt wurden, musste nur noch die Kopfhaut ausgefüllt werden.
Hierfür hatte der Erfinder mit viel Aufwand einen metallenen Schädel hergestellt. Er hatte dünne Wände und war innen, bis auf ein paar Zahnräder, Mikrofon und Lautsprecher, hohl.
Die Zahnräder waren durch die Löcher für die Augen kaum zu sehen, nur eines war halb durch das linke Loch zu erkennen. Auf drei von dessen Zähnen verteilt, hatte der Mann dort eine winzige Kamera, einen Laserpointer und eine kleine Taschenlampe angebracht.
Als alles an seinem Platz war, nähte der Mörder die Haut seiner Tochter wieder zu, genauso wie ihren Mund, der ansonsten lose herab hängen würde. Die Nähte wurden schließlich beinahe vollständig von dem blauen Kleid der Tochter verdeckt, das der Erfinder dem Roboter, zusammen mit der Unterwäsche, nun über zog.
Dann nahm er sich eine Fernbedienung, die jede Menge Knöpfe und Schalter für unterschiedliche Aktionen besaß.
Kaum hatte er ein paar der Knöpfe gedrückt und Hebel bewegt, setzte sich der Roboter tatsächlich in Bewegung und stand auf. Nun starrten die leeren Augenhöhlen direkt auf den Mann. Dieser drehte leicht, entgegen des Uhrzeigersinns, an einem Rädchen auf der Fernbedienung, bis es einmal 'Klick' machte.
Das halb sichtbare Zahnrad hatte sich ebenfalls gedreht. Wo vorher, in der Mitte der Augenhöhe, nur ein leerer Zahn des Rads zu sehen war, konnte man nun deutlich den nächsten Zahn mit einem schwarzen Fleck darauf, der Kamera, erkennen.
Jedes Mal, wenn der Erfinder an dem Rädchen drehte, drehte sich auch das Zahnrad. Nacheinander wurde die Kamera von dem Laserpointer, und dieser von der Taschenlampe, ersetzt, bis wieder die leeren Zähne folgten. Wenn eine dieser Zusatzfunktionen zu sehen war, schaltete sie sich automatisch an, und auch wieder aus, wenn sie aus der Mitte der Augenhöhle verschwand.
Zufrieden lächelnd, werkelte der Mörder erneut an der Fernbedienung rum, und seine Roboter-Tochter setzte sich in Gang. Er ließ sie im Kreis gehen, bis ihre Bewegungen flüssiger wurden.
Schließlich probierte er etwas neues aus. Er rief einmal klar und deutlich "Halt!" Der Roboter blieb sofort stehen und rührte sich nicht mehr. "Sag etwas." Fuhr der Mann fort und als Antwort sagte eine Roboterstimme "Etwas."
Die Stimme war weiblich, klang jedoch verzerrt und unheimlich. Den Erfinder schien das nicht zu stören, denn nachdem sich damit gezeigt hatte, dass Mikrofon und Lautsprecher einwandfrei funktionierten, schaltete er den Roboter, mit Hilfe der Fernbedienung, aus und verließ die Werkstatt, um zu schlafen.
Seit er seine Tochter getötet hatte, schien er besser zu schlafen, als je zuvor, verbrachte die Nacht im Reich der Träume, wo er vermutlich seinen sicheren Sieg bei dem Wettbewerb feierte.
Er schlief so tief und fest, dass er von den Schritten, die aus dem Keller, die Treppe herauf, bis vor sein Zimmer, zu hören waren, nichts mitbekam.
Auch als die Tür beim Öffnen laut knarrte, lag er einfach nur ruhig in seinem Bett. Im Türrahmen konnte man eine menschliche Gestalt erkennen. Regungslos stand sie da und starrte auf den Schlafenden. Sie machte kein Geräusch, schien nicht mal zu atmen, und setzte ihren Weg dann, mit einem leisen, summenden Geräusch bei jedem Schritt, fort, bis sie neben dem Bett stand.
Erneut war das Summen zu hören, doch auf den ersten Blick war keine Bewegung zu erkennen. Dann leuchtete im Dunkeln plötzlich ein kleiner, roter Punkt auf, genau in Augenhöhe der Gestalt. Das rote Licht fiel, in einem dünnen Strahl, direkt auf den Erfinder, wie bei einem Laserpointer.
Erneut erklang das Summen, als die Gestalt einen Arm ausstreckte und ihre Hand um den Hals des Mannes legte. Dieser wurde endlich wach und keuchte auf, als er die Hand bemerkte.
Der Moment der Überraschung weilte jedoch nur kurz und im nächsten Moment wurde die Hand der Gestalt von seiner eigenen gepackt. Als er sich aber, selbst mit den starken Händen eines Schmiedes, nicht aus dem Klammergriff befreien konnte, schien Panik in ihm aufzusteigen, dabei drückte die fremde Hand noch kaum zu.
Der Mann tastete mit seiner freien Hand hektisch nach etwas und kurz darauf erhellte das schwache Licht einer kleinen Stehlampe den Raum.
Als er dann endlich sah, wer da neben seinem Bett stand, verschlimmerte das seine Angst nur.
Die leeren Augenhöhlen seiner Tochter starrten ihm in dem emotionslosen Gesicht entgegen. Der kleine Lichtpunkt des Laserpointers endete genau zwischen seinen Augen und der blasse, fast weiße Arm des Mädchens umschloss mit der dazugehörigen Hand seine Kehle.
"Überrascht?" Erklang die Roboterstimme, jetzt noch viel gruseliger als beim ersten mal. Kathrin, oder eher, die Roboter Kathrin, streckte nun auch ihre zweite Hand aus und drückte ihrem Schöpfer und Mörder die Luft ab.
Dieser konnte sich vor Schock nicht bewegen und rang nur vergeblich nach Luft.
Nach ein oder zwei Minuten begannen seine Augenlider zu flackern und schlossen sich schließlich endgültig.
Für immer.

~*~

Das ist meine erste Creepapasta und ich mag sie irgendwie.
Das Bild im Kapitel habe ich selbst gemalt, ich hoffe es wird angezeigt.

Was haltet ihr von meiner Idee?

LG

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