Kapitel 40

Lukas führte Ella in den Raum. Mehrere Tische waren an die Wände geschoben worden, auf denen verschiedenste Dinge lagen. Ella überflog die Stifte, Skizzen und verschiedene Werkzeuge. An den Wänden selbst hingen unterschiedliche Karten und diverse Bilder von einer bewaldeten Landschaft, aber beides bereits sehr ausgeblichen und abgenutzt. Der Raum hatte Ähnlichkeiten mit einem Büro. Einem unordentliches Büro, in dem jemand arbeitete, der ein Genie aber auch ein Chaot zugleich war. Ella tippte auf Franziska, da sie ja schließlich auch den Schlüssel zur Tür besessen hatte. Außerdem hatte Mark erzählt, dass sie die Glasaugen entworfen hatte die ihm dabei halfen endlich sehen zu können. Oder besser, die ihm geholfen hatten. Schließlich war der Mann nicht mehr am Leben. Ella wurde kalt, als sie an Mark denken musste. Und auch die durchsichtig – bläuliche Kugel, die Lukas sicherlich noch immer in seiner Hosentasche stecken hatte, und die für ihr ihr linkes Auge bestimmt war, ließ sie sich nicht gut fühlen. „Schau, da ist es." Lukas deutete aufgeregt auf ein dunkelgrünes Telefon, welches sicherlich auch schon bessere Tage gesehen hatte. Es besaß sogar noch eine Wahlscheibe und an vielen Stellen war der Lack abgeplatzt. Unzählige bunte Kabel verbanden es mit einem Loch in der Wand und einem Stromgenerator. „Hoffentlich funktioniert es auch.", murmelte sie. „Aber was machen wir, wenn Franziska oder Mark es irgendwie kaputtgemacht haben? Wenn es nicht mehr geht?" Lukas sah sie warnend an. „Darüber wollen wir jetzt nicht nachdenken, okay? Versuch positiv eingestimmt zu bleiben. Bitte." Er ließ sich und Ella vor dem Telefon zum Stehen kommen und beugte sich dann nach vorn, um das Gerät zu inspizieren. „Okay. Tut mir leid.", entschuldigte sie sich, während sie ihm dabei zusah. Sie konnte nicht abstreiten, wie ungemein aufgeregt sie war. Hoffentlich, hoffentlich funktionierte das Telefon! Lukas nahm folgte mit seinem Blick der komplizierten Verkabelung. Auch er war mehr als nervös. Seine Hände schwitzten und sein Herzschlag war schneller als gewöhnlich. Musste er etwas an den Kabeln umstecken? Er kannte sich nicht im Geringsten mit Technik aus. Aber vielleicht funktionierte es auch so. Das Einzige, was er tun konnte um das herauszufinden, war das Telefon einfach auszuprobieren. Hoffentlich ging nur dabei nichts kaputt. Er streckte die Hand aus, aber er hielt wenige Zentimeter vor der Wahlscheibe inne. Er sah zurück zu Ella. „Was ist?", fragte sie. „Warum zögerst du?" Lukas seufzte leise. „Ich will nichts kaputt machen. Das ist womöglich unsere letzte Chance. Die will ich unter keinen Umständen verspielen." Ella verstand seine Sorgen nur zu gut. Wenn sie sich noch eigenständig hätte bewegen können, dann hätte sie ihm vielleicht in diesem Moment die Aufgabe aufgenommen und sich selbst die Verantwortung aufgeladen. Aber sie konnte nicht. „Du schaffst das. Ich glaube an dich – und daran, dass dieses Ding funktioniert. Wenn wir fest genug hoffen, dann wird es klappen." Sie wusste selbst nicht, woher diese Sicherheit kam, warum sie diese Worte so aussprechen konnte, aber es schien Lukas wirklich zu helfen. „Okay. Ich versuche es." Er drehte sich wieder um und machte sich an der Wahlscheibe zu schaffen. Er wusste nicht, wen er anrufen sollte, also wählte die Nummer der Polizei. Seine Finger zitterten stark, als er die Wahlscheibe des grünen Telefons drehte. Langsam, bedacht, ängstlich. Was, wenn es nicht funktionierte? Wenn das Gerät doch einen Defekt hatte und die Kabelkonstruktion nicht richtig angeschlossen war? Oder wenn Ellas Vermutung wahr wurde, dass Franziska und Mark es demoliert hatten? Dann würden sie hier drin sterben. Ellas Blick war genauso starr auf den Telefonhörer gebannt, wie der ihres Freundes. Als er die Nummer gewählt hatte, hielten beide unwillkürlich den Atem an. Sie warteten. Und warteten. „Es klappt nicht.", murmelte Ella enttäuscht. Lukas wollte gerade etwas sagen, aber genau in dem Moment drang ein Geräusch aus dem Hörer. Ein leises, kontinuierliches Tuten. Es wählte. Sofort presste er sich das Telefon zurück ans Ohr und griff mit seiner freien Hand nach Ellas. Sie riss vor Erstaunen ihre Augen auf und lauschte ebenfalls, aufgeregt und hoffnungsvoll. Das Stumme Flehen der beiden, es möge doch endlich jemand den Anruf entgehen nehmen, füllte die Luft mit Spannung. Nach dem fünften Tuten nahm am anderen Ende der Leitung jemand ab. Es knackte leise. Dann meldete sich eine ermüdete, leicht genervte Stimme zu Wort. „Ja?" Jemand hatte sich gemeldet und auf den Anruf reagiert! Lukas Herz schlug ihm bis zum Hals, als er antwortete. „Hallo?", fragte er mit bebender Stimme. In seinem Kopf rasten auf einmal die Gedanken wie wild durcheinander und er wusste nicht mehr, was er sagen sollte, so erleichtert war er. Ella schluchzte neben ihm leise auf. „Es hat funktioniert.", wisperte sie. „Wer ist da?", fragte die Stimme am anderen Ende der Leitung. „Mein Name ist Lukas. Ich – wir sind eingesperrt worden, in irgendeinem Gebäude mitten im Wald! Man hat uns hier gefangen gehalten und wollte uns zu Robotern machen und – " Die Worte begannen nur so aus Lukas Mund zu sprudeln aber die Stimme aus dem Telefonhörer unterbrach ihn, inzwischen deutlich interessierter an ihrem Anliegen, als am Anfang. „Beruhigen Sie sich, Lukas. Alles wird gut. Atmen Sie tief durch und dann schildern sie mir von Anfang an, aber kurz und sachlich bitte, was genau vorgefallen ist." Lukas nickte, obwohl das der vermutliche Polizist am Telefon natürlich nicht sehen konnte, und tat das, was ihm gesagt wurden war. Er holte hörbar tief Luft und hielt nebenbei Ellas Hand noch immer fest. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, begann er mit ihrer unglaublichen Geschichte. Hoffentlich glaubte man ihnen.

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