Kapitel 3

In dem Gang war es hell. Nach über einer Stunde in der Dunkelheit schmerzten Ellas Augen von dem plötzlichen Lichteinfall. Der Mann mit den gruseligen Augen, denn niemand anders war der Kerl, hatte sie unter den Armen gepackt und schleifte sie über den Boden. Sie hörte das Geräusch ihrer Turnschuhe über die dreckigen Fliesen. Warum waren bis jetzt eigentlich überall Fliesen? In diesem Raum, in dem sie aufgewacht war und jetzt auch in dem Flur. Und alle waren alt und dreckig. Wo zur Hölle befanden sie sich bitte? Ella hatte absolut kein gutes Gefühl. Sie wollte die Kundschaft oder den Käufer nicht kennenlernen, von denen der Mann gesprochen hatte. Wenn sie sich wenigstens bewegen könnte! Immerhin hatte der Schmerz in ihrem Körper nachgelassen und war nicht mehr so dominant. Ellas Blick fiel auf ihre Beine, welche in einer kurzen, abgewetzten Hose steckten, die bestimmt nicht ihr gehörte. Sie hatte die langen Striche darauf bereits schon einmal flüchtig gesehen. Ihre Beine waren blass und mager, so dass die Streifen geradezu ungesund rot davon abstachen. Was hatte der Mann da bloß gemacht? Sie wurde um eine Ecke gezogen. Ein neuer Raum. Gefliest – wer hätte das gedacht. Ella wurde in einen Stuhl gehoben. Der Mann grinste sie an und erst jetzt bemerkte sie, dass er eine Sonnenbrille trug. Nichts von seinen ungewöhnlich durchsichtigen und bläulich leuchtenden Augen war zu sehen. Warum versteckte er sie jetzt hinter einer Sonnenbrille? „So Nummer 13. Wir warten jetzt auf Franziska.", erklärte er, mit seiner Nerv tötenden, verstellten Pieps Stimme. Ella verkniff sich die Frage, wer Franziska war. Der Typ hatte oft genug klargemacht, was er davon hielt, wenn jemand ohne Erlaubnis redete. Stattdessen ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Vor ihr hing ein verdreckter Spiegel, welcher bereits ein paar Risse auf seiner Oberfläche zeigte. In dem sah sie den restlichen Raum, der bis auf einen weiteren Stuhl leer war, und den Mann, der nun ungeduldig auf und ab lief. Zu seinen Schritten ertönten plötzlich andere, draußen, auf dem Gang und wenige Sekunden später kam eine Frau in den Raum. Ella fielen sofort die kurzen, grell grün gefärbten Haare und die Hakennase auf, die ihr eigentlich ganz hübsches Gesicht etwas entstellte. „Ich mach sie fertig. Kümmre dich um den Kunden.", befahl sie mit kalter Stimme. Und tatsächlich ging der Mann ohne Einwand zu erheben. Dann wandte sich Franziska, denn niemand anders konnte sie sein, an Ella. Sie schüttelte den Koffer in ihrer blassen Hand und musterte sie aus kalten Augen. „Dann fangen wir mal an."

Lukas hatte versucht, noch mehr aus Nummer 5 rauszukriegen, aber der hüllte sich eisern in Schweigen. Er schien schon lange hier zu sein. Unschöne Erinnerungen mussten sich in sein Gedächtnis gebrannt haben und schreckliche Bilder verfolgen ihn im Schlaf. Lukas Bewegungsunfähigkeit ging ihm inzwischen gehörig auf die Nerven. Zum hundertsten Mal versuchte er, seine Hände und Füße zu bewegen und hielt plötzlich überrascht inne, als er glaubte, eine Zehe bewegen zu können. Oder war das Einbildung? Er versuchte es erneut. Nein, sein Zeh bewegte sich tatsächlich! Vielleicht ließ die Wirkung der Spritze ja nach? Hoffnung keimte in Lukas auf. Wenn der Mann das vielleicht nicht wusste, könnte er dies als Vorteil nutzen und vielleicht hier weg kommen! Er wackelte noch einmal prüfend mit dem Zeh. „Es bringt nichts. Sie wissen, wann die Wirkung aufhört." Der plötzliche Klang von 5's Stimme ließ Lukas zusammen zucken. „Woher weißt du-", setzte er erstaunt an, wurde aber unterbrochen. „Wirst du sehen, wenn deine Freundin zurückkommt." Dann schwieg 5 wieder. Lukas seufzte. Würde je auch nur eine vernünftige Antwort von ihm bekommen? Er hoffte, dass der Mann Ella bald wieder brachte. Es war schön, sich mit jemanden zu unterhalten, der seine Identität nicht vergessen hatte, oder wollte, wie Nummer 5. Jedoch kannte er seine Gründe dafür nicht. Lukas sollte vielleicht keine Vorurteile gegen ihn haben. 

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