Kapitel 23
Als Nummer 5 Ella ein paar Gänge weiter absetzte, brach sie ihr Schweigen und eröffnete ihm ihren Plan. „Es ist zwar wirklich riskant und wenig durchdacht", begann sie zögerlich und mit gesenkter Stimme, während sie sah, wie sich das Gesicht ihres Gegenübers augenblicklich verdunkelte, „aber es könnte klappen. Du schleichst dich zurück zu Lukas und ich mach gleich ganz viel Theater. Wir müssen hoffen, dass Mark noch eine Weile bewusstlos bleibt und Franziska herkommt, um nach dem Rechten zu schauen. Du holst Lukas, der hoffentlich wach ist, und ihr kommt dann zurück. Zu zweit müsstet ihr doch eine Chance gegen Franziska haben. Ich kann schließlich nicht mithelfen. Oder du versteckst dich irgendwo auf dem Weg und lauerst ihr auf." Nummer 5 schüttelte den Kopf. „Dann hat sie am Ende noch dich und Lukas und ich müssen uns etwas überlegen, um dich rauszuholen. Wir brauchen einen anderen Plan. Bei diesem kann zu viel passieren.", er fuhr sich aufgewühlt durch die Haare und ein leicht verzweifelter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Und wir sind auch noch weggegangen und wissen nicht, was Franziska jetzt macht!" Ella senkte beschämt den Blick. Das hatte sie nicht bedacht. Nummer 5 begann, unruhig auf und ab zu laufen, während er seine noch bewegliche Hand betrachtete und sie immer wieder zur Faust zusammenballte und anschließend öffnete. Ella sah, wie es in seinem Kopf ratterte. Schließlich wandte er sich wieder ihr zu. „Es nützt alles nichts, wir müssen ausnutzen, dass der Mann noch bewusstlos ist. Wir versuchen es mit deinem Plan. Ich lauer Franziska im Hinterhalt auf." „Denkst du, du kannst allein gegen sie ankommen?" Nummer 5 zuckte mit den Schultern. „Wir werden ja sehen." Damit drehte er sich um und wollte sich auf den Weg zurück machen. Dann blieb er jedoch noch einmal stehen und drehte sich zu ihr um. „Warte lieber mal noch zwei drei Minuten, ehe du loslegst, damit ich genug Zeit habe um mir ein gutes Versteck zu suchen." Ella nickte. Nummer 5 setzte sich wieder in Bewegung. Plötzlich fiel ihr etwas ein, was sie ihn unbedingt noch fragen wollte, ehe er ging. „Hey, warte noch mal kurz!" Er hielt erneut an. „Was?" Ella legte neugierig den Kopf etwas schief. „Wie ist eigentlich dein richtiger Name? Du hast ihn doch nicht wirklich vergessen, oder?" Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er nicht mehr wusste, wie er hieß. Sie war es irgendwie leid, ihn immer nur mit 'Nummer 5' anzusprechen. Jetzt wo sie auf der Flucht waren musste er nicht mehr den Namen verwenden, den Franziska und Mark ihm aufgedrückt hatten. Er seufzte leise. Sie sah, dass er etwas mit sich rang, ehe er antwortete. „Nein, habe ich nicht. Als ich das zu euch gesagt habe, da . . . hatte ich einfach eine ziemliche Angst. Ich hätte die ganze Zeit über fliehen können, da hatte Lukas Recht. Aber die Sache ist die ...", er schluckte und begann, heftig zu blinzeln. Ella sah, dass er versuchte, Tränen zurückzuhalten. „Nummer 12, sie war meine Cousine. Ich weiß nicht, wie wir hier hergekommen sind, aber ich weiß, dass ich besser auf sie hätte aufpassen müssen. Nach ihrem Tod da war mir einfach alles egal. Ichhatte das Gefühl, dass ich sie zurücklasse, wenn ich gehe." Ella senkte den Kopf. Das hatte sie nicht gewusst. Was für eine Last das für ihn sein musste. Sie hatte sicher nicht einmal ansatzweise eine Ahnung davon, wie es ihm ging. Schuldgefühle mussten ihn auffressen, Trauer und Kummer ihn Nächtelang wachhalten. Nummer 5 fuhr fort, zu sprechen. „Am Anfang dachte ich, ich könnte euch die dummen Fluchtgedanken ersparen. Als wir ihr Skelett gefunden haben, das hat mich einfach aus der Bahn geworfen. Aber irgendetwas habt ihr in mir verändert. Ich wusste nicht warum, aber ich verspürte plötzlich den starken Drang, euch zu folgen. Ihr beide, du und Lukas, ihr habt mir wieder Hoffnung gegeben. Ich weiß nicht, wie ihr das geschafft habt, aber ich bin euch dankbar." Ella sah wieder auf. Nummer 5 wischte sich über die Augen und schenkte ihr ein winziges, trauriges Lächeln. „Und deshalb werde ich auch alles tun, um euch zu helfen. Wir müssen hier raus. Es gibt immer einen Ausgang und den gilt es, zu finden." Er kam noch einmal zurück zu ihr und griff nach ihrer regungslosen Hand. „Ich bin Marko." Auf Ellas Gesicht erschien ein leichtes Lächeln, als er ihre Hand schüttelte. „Freut mich sehr, Marko." Er nickte, ließ sie los und eilte dann durch den Flur davon.
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