Kapitel 8
"Miss Evans, Ihr Stundenplan."
Schnell schluckte Lily ihr Spiegelei hinunter, als sie Professor McGonagalls Stimme hinter sich hörte.
"Danke, Professor.", sagte sie und heftete ihren Blick auf das Stück Pergament, als McGonagall weiter zu Mary ging.
"Na, wie sieht's bei dir aus?", wollte Marlene neugierig wissen.
"Ganz gut.", sagte Lily und zuckte mit den Schultern. "Hab ein paar mal erst später Unterricht und Freitag Mittag frei."
"Das ist ja mega!", meinte Marls neidisch. "Ich hab mittags nie frei."
"Ich hab jetzt gleich Wahrsagen.", jammerte Mary. "Warum hab ich das Fach nochmal gewählt?"
Lily lächelte. "Das wird sicher gut, Mary. Ich hab jetzt Zaubertränke."
"Uh, beim alten Sluggy.", sagte Marlene augenverdrehend. "Zum Glück hab ich den nicht mehr."
Lily schüttelte grinsend den Kopf. "Er ist doch echt nett."
"Nur weil du in seinem Slug-Club bist, Lily.", entgegnete Mary.
Lily seufzte. "Ja, da musste ich im Zug zum Glück nicht hin, aber er wird schon bald seine nächste Party in Sicht haben."
Mary packte ihre Sachen. "Das wird schon, Lily. Ich muss jetzt los. Wir sehen uns!"
Lily nickte. "Ich geh auch lieber schonmal los. Bis später."
Auf dem Weg zu den Kerkern traf Lily auf viele Schüler, die durch die Gänge strömten und auf irgendwelche Treppen abzweigten. Sie liebte das wuselige Leben im Schloss und fühlte sich wieder ganz daheim, denn hier konnte sie sein, wer sie wirklich war.
Je weiter sie die Treppen hinabstieg, desto weniger Schüler wurden es und schließlich stand sie ganz alleine vor der abgeschlossenen Tür des Klassenzimmers.
Seufzend sah sie auf ihre Uhr und bemerkte, dass sie zehn Minuten zu früh da war.
Lily lehnte sich an die Wand und ihre Gedanken schweiften ab zu den Geschehnissen des letzten Tages. Es war seltsam, mit Potter mehr oder weniger auszukommen. Früher war sie in seiner Gegenwart immer wütend geworden und hatte ihn angeschriehen und heute war sie zwar immernoch genervt von ihm, aber irgendwas hatte sich geändert. Vielleicht waren sie reifer geworden? Lily schüttelte den Kopf. Potter und reifer werden? Das würde niemals passieren. Aber vielleicht war sie selbst ein Stück erwachsener geworden.
Im Endeffekt hatte McGonagall recht: es zeugte von Reife, dass sie versuchten, miteinander auszukommen.
Ein Geräusch auf der steinernen Treppe, die zu den Kerkern hinunter führte, riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Kopf fuhr ruckartig nach oben und sie erblickte Severus Snape.
Dieser sah selbst überrascht aus, sie hier alleine vorzufinden. Seine schwarzen Augen blickten sie unsicher an und seine Hand krallte sich in seine Tasche.
Lily räusperte sich unangenehm berührt und festigte auch um ihre Tasche den Griff.
"Hi.", dieser vertraute Stimme nach so langer Zeit zu hören war seltsam für Lily.
Sie lächelte kurz. "Hi."
Severus blickte sie emotionslos an, nur seine Augen glänzten. "Du bist jetzt also Schülersprecherin."
Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
"Ja.", sagte Lily und trat angespannt vom einen auf den anderen Fuß. Nur zu gut erinnerte sie sich an den Grund, warum sie die Freundschaft zu Severus abgebrochen hatte.
Lily wusste nicht, was sie sagen sollte, um nicht in peinlicher Stille zu enden, doch da wurde die Tür zum Klassenzimmer geöffnet und Professor Slughorn kam heraus. "Miss Evans! Welche Freude, Sie zu sehen! Ich habe Sie im Zug bei unserem Treffen vermisst."
"Guten Morgen, Professor.", entgegnete Lily, froh darum, dem unangenehmen Gespräch mit Severus aus dem Weg gehen zu können. "Tut mir Leid, Sir. Ich musste im Schülersprecherabteil sein-"
"Achja, ach ja!", rief Slughorn vergnügt und ignorierte Severus komplett. "Mit Mr Potter, ich weiß Bescheid. Ihn hätte ich auch gerne dabei gehabt. Die engagierten Schüler sind aber schwer zu haben. Immer sind sie irgendwo anders. So ging es mir auch mit Taylor Johnson, der berühmten Quidditchkapitänin, die Sie sicher kennen. Nie hatte sie Zeit für meine legendären Slugpartys. Immer Training. Na, was soll's, kommen Sie rein!"
Er verschwand wieder in der Tür und Lily folgte ihm rasch, ohne Severus zu beachten. Schnurstracks lief sie auf ihren gewohnten Platz zu, der sich in der zweiten Reihe in der Mitte befand. Lily hörte, wie Severus leise den Raum betrat und hielt gespannt die Luft an. Allerdings entfernten sich seine Schritte von ihr und ans andere Ende des Klassenzimmers. Leise atmete Lily aus und legte ihr Zaubertränkebuch auf den Tisch.
Nach und nach trudelten auch die restlichen Schüler ein und verteilten sich im Raum. Insgesamt waren sie vier Slytherins, zwei Hufflepuffs, drei Ravenclaws und vier Gryffindors.
Lily lächelte zufrieden, als sich Remus wie letztes Jahr neben sie setzte. Das hatte allerdings auch zur Folge, dass sich Potter und Black neben sie setzten.
"Na, alles klar, Evans?", fragte Potter und wuschelte sich durch die schwarzen Locken.
Lily verdrehte nur die Augen und richtete ihren Blick nach vorne.
"So, liebe Schüler. Herzlich Willkommen zu diesem Schuljahr. Ihr letztes Schuljahr.", betonte Slughorn. "Nun wird es ernst für Sie, denn es geht nicht mehr lange und Ihre Prüfungen stehen bevor. Deshalb werden wir dieses Jahr fortführen, womit wir letztes Jahr zusammen begonnen haben, nicht wahr? Bitte nehmen Sie den Unterricht ernst, ich bereite Sie perfekt auf die sowohl praktische als auch theoretische Prüfung vor. Lassen Sie mich beginnen..."
Zaubertränke war Lily's Lieblingsfach und es war für sie von Anfang an klar gewesen, dass sie in diesem Fach ein UTZ machen wollte. Dennoch wurden die Aufgaben immer schwerer und auch heute, an ihrem ersten Schultag, erwartete Slughorn eine Menge von ihnen. Dennoch ging die Stunde wie immer viel zu schnell rum.
"Füllen Sie ein Fläschchen ihrer Tinktur ab und beschriften Sie es mit Ihrem Namen!", rief Slughorn durch die Dämpfe, die aus den Kessel quollen. "Die Zeit ist abgelaufen. Als Hausaufgabe schreiben Sie bitte einen Aufsatz über Golpalotts drittes Gesetz. Zwei Rollen Pergament."
Das Getuschel wurde laut aufgrund der vielen Hausaufgaben in der ersten Stunde, doch Slughorn verschwand in seinem Büro.
"Ich nehme an, dass wird uns in jedem Fach so ergehen.", meinte Remus seufzend und packte seine Sachen ein.
"Es hängt mir jetzt schon zum Hals raus, dieses ewige Gelaber von 'es wird ernst', als wüssten wir nicht, dass die UTZe uns dieses Jahr bevorstehen.", beschwerte sich Potter und warf sich seine Tasche achtlos über die Schulter.
"Wahre Worte.", pflichtete ihm Black bei und stand ebenfalls auf. "Das geht mir jetzt schon auf den Sack."
"Die Lehrer wollen uns doch nur zum Lernen motivieren.", verteidigte Lily Professor Slughorn.
"Ich werde doch nicht zum lernen motiviert, indem ich zwei Rollen Pergament beschreiben muss.", konterte Black und sah Lily herausfordernd an.
"Solltest du vielleicht, wenn du gute Noten erreichen willst, Black.", giftete Lily und marschierte aus dem Raum.
"Das krieg ich auch ohne den verdammten Aufsatz hin, Evans.", meinte Black, der ihr gefolgt war, ebenso wie Potter und Remus.
"Wenn du mit so einer Einstellung dran gehst, wär ich mir da nicht so sicher.", zweifelte Lily und sah ihn mit zusammengezogen Augenbrauen an.
"Ach was, Evans.", meinte Potter lässig. "Es hat die letzten Jahre doch auch funktioniert."
Nun sah Lily ihn an. "Ich meine, es geht um unsere UTZe. Solltet selbst ihr da nicht ein klein wenig mehr Ehrgeiz entwickeln?"
Remus lächelte müde. "Versuche es erst gar nicht, Lily."
Potter und Black grinsten.
Evans sah die beiden ungläubig an. "Wie könnt ihr nur darauf vertrauen, dass es irgendwie schon klappt?"
"Machst du dir etwa Sorgen um uns, Evans?", wollte Potter zwinkernd wissen.
Lily schnaubte. "Hättest du wohl gerne. Macht doch, was ihr wollt."
Damit drehte sie sich um und lief den Korridor hinunter.
"Gehst du mit mir aus, Evans?", rief er ihr hinterher.
Wie angewurzelt blieb Lily stehen, schloss für einen kurzen Moment die Augen und zählte innerlich bis zehn. Sie war kurz davor, sich umzudrehen und ihm ordentlich ihre Meinung an den Kopf zu pfeffern, doch dann erinnerte sie sich daran, was sie vor ein paar Stunden noch über ihre eigene Reife gedacht hatte, atmete kurz aus und lief einfach weiter.
Und es fühlte sich so gut an, Potter einfach ohne ein Wort stehen zu lassen, sodass sich ein Grinsen in ihrem Gesicht ausbreitete und sie beschwingt zur nächsten Stunde lief.
"Ich bin stolz auf dich, Lily.", lachte Marlene und tauchte ihren Löffel in die Kürbissuppe. "Ich hätte gerne sein Gesicht gesehen."
Lily lächelte. "Es hat sich erstaunlich gut angefühlt."
"Was hat sich erstaunlich gut angefühlt? Sluggys Schleimereien?", fragte Mary und setzte sich neben Marlene an den Gryffindortisch.
Lily verzog ihr Gesicht. "Nein!"
Marlene klopfte der Rothaarigen auf die Schulter. "Unsere liebe Lily hat ihre erste Abfuhr dieses Jahr verteilt."
"Uuh.", machte Mary. "Ich habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern wird. Wie viele waren es nochmal letztes Jahr?"
"22, hab sie selbst gezählt.", sagte Marlene mit einem ernsten Gesichtsausdruck.
"22? Aber vorletztes Jahr war es bestimmt das doppelte.", meinte Mary.
"Wir könnten eine Statistik führen.", witzelte Marlene. "Laut einer Studie wird Potter dich dieses Jahr 11 Mal nach einem Date fragen, liebste Lily."
"Heute mitgerechnet bedeutet das noch 10 Körbe für dich zum verteilen.", grinste Mary.
Lily schüttelte bloß den Kopf. "Ihr seid doch verrückt."
Nachdem Verwandlung endlich vorbei war, wo McGonagall ihnen ebenfalls einen Berg an Hausaufgaben aufgab und deutlichst an die UTZe erinnerte, wollte Lily ihre freie Zeit in der Bibliothek nutzen und schonmal einen Teil der sich angesammelt Hausaufgaben abarbeiten.
Die Bibliothek von Hogwarts war für sie eine Art Rückzugsort, denn hier war sie meist allein mit ihren Gedanken und einem Haufen alter Bücher. Hierher verirrte sich kein Black und erst recht kein Potter. Lily's einzige Sorge war Severus, der auch oft hier zu Besuch war.
Entspannt atmete Lily den Duft von alten Büchern ein und wanderte kurz durch die Regale, um zu genießen, wieder hier sein zu dürfen.
Dann ging sie auf die Suche nach Büchern, die ihr bei dem Zaubertränkeaufsatz helfen könnten. Mit drei Büchern auf dem Arm ging Lily auf einen freien Arbeitsplatz an einem der großen Fenster der Bibliothek zu und stellte die Bücher ab. Als sie den Blick hob erkannte sie Severus, der sofort hinter einem der Regale verschwand, als er ihren Blick bemerkte. Lily zog die Augenbrauen zusammen, setzte sich jedoch an den Tisch, ohne ihren ehemals besten Freund zu beachten. Als sie jedoch merkte, dass diese drei Bücher ihr nicht weiterhelfen würden, stand sie erneut auf und ging auf die Suche. Mit zwei weiteren Büchern kehrte sie zu ihrem Arbeitsplatz zurück und nahm seufzend erneut die Feder in die Hand.
"Meine Güte, was hast du denn vor?"
Erschrocken ließ sie die Feder fallen, an der glücklicherweise noch keine Tinte hing.
Noch nie, wirklich noch nie hatte Lily diese Stimme innerhalb dieser vier Wände gehört.
Was zur Hölle tat Potter hier?
"Überrascht, mich zu sehen?", grinste er und setzte sich neben sie.
Misstrauisch sah Lily ihn an. "Was willst du?"
Er fuhr sich mit einer flüssigen Bewegung durch sein Haar.
"Überrascht aber anscheinend nicht erfreut, mich zu sehen, Evans."
"Gut erfasst, Potter. Ich bin hier nämlich gerade am Arbeiten.", meinte Lily genervt.
Potter seufzte. "Keine Sorge, ich störe nicht ohne Grund."
"Ach nein?"
"Nein. Ob du es glaubst, oder nicht, ich wollte mit dir über unsere Schülersprecherpflichten reden."
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