Kapitel 6
Die Sommerferien waren viel schneller vorbei gegangen, als erwartet und schon fand sich Lily am 1. September am Bahnhof King's Cross mit ihren Eltern und Petunia, die nur mitgekommen war, weil sie mit ihrer Mum in die Londoner Innenstadt wollte.
Mr Evans half seiner Tochter das Gepäck auf einen Wagen zu hieven und gab wie die letzten sechs Jahre auch einen Kommentar zu dem unmöglichen Gewicht des Koffers ab.
Lily wurde von ihrer Familie noch bis in die Halle begleitet und dort dann schweren Herzens verabschiedet.
"Pass auf dich auf, mein Schatz.", sagte Mrs Evans und drückte Lily fest.
"Mache ich, Mum.", sagte diese und lächelte. "Das ist das letzte Mal, dass ihr mich verabschieden müsst."
Auch Mr Evans nahm seine Tochter in den Arm. "Lass dich nicht von den Leuten unterkriegen. Wir sind so stolz auf dich, Lily."
Ihre Mum streichelte lächelnd über Lily's Arm. "Du machst dich sicher gut als Schülersprecherin."
"Danke euch.", sagte Lily gerührt und blickte dann zu Petunia, die bisher schweigend daneben gestanden hatte. "Wir sehen uns in den Weihnachtsferien, Lily.", sagte sie und lächelte dünn.
Lily nickte und schenkte ihr ein Lächeln.
Sie winkte ihrer Familie und schob ihren Wagen dann in Richtung Gleis 9 3/4.
Das letzte Mal.
Lily versuchte, nicht zu sehr melancholisch zu werden und ging zügig auf die Absperrung zwischen Gleis 9 und 10 zu.
Kurz davor wurde sie immer schneller und kam schließlich beim Hogwartsexpress an. Die rote Dampflok sah wie immer stattlich aus und regte in Lily ein Gefühl der Aufregung an. Dieser Zug hatte sie in die magische Welt gebracht, in der sie nun zuhause war.
Am Gleis wimmelt es nur so von Eltern, Geschwistern und Schülern. Lily bahnte sich einen Weg mit ihrem Wagen zu einer der Türen.
Glücklicherweise war sie volljährig und konnte so ihr Gepäck vor ihr herschweben lassen, während sie sich auf den Weg zum Schülersprecherabteil machte.
Der Zug war schon gut gefüllt und die Abteile besetzt.
Schon als Vertrauensschülerin hatte sie davon geträumt, in das Schülersprecherabreil zu dürfen, denn dieses war für sie besetzt und so hatte sie alle Zeit der Welt, dort hin zu kommen.
Die restlichen Schüler hasteten in den Zug, um für sich und ihre Freunde ein Abteil zu besetzen.
Endlich kam sie beim vordersten Abteil im Zug an.
Nervös tastete sie nach dem Schülersprecher-Abzeichen, dass sie stolz an ihr Oberteil geheftet hatte.
Lily öffnete die Abteilstür und blickte vorsichtig hinein. Glücklicherweise war es leer. Sie verstaute ihr Gepäck und ließ sich auf einen der Sitze am Fenster fallen.
Nachdenklich blickte sie hinaus und beobachtete einzelne Schüler, die von ihren Eltern verabschiedet wurden.
Ihre Gedanken schweiften zu Potter, der jeden Augenblick durch die Tür kommen konnte.
Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Immerhin hatten sie sich auf der Party bei ihm wirklich gut verstanden. Doch Lily kannte ihn zu wenig, um beurteilen zu können, was das zu bedeuten hatte.
Jedenfalls graute es ihr schon ein wenig davor, dieses Jahr so viel mit ihm zu tun haben zu müssen.
Klar, er konnte nett sein, wenn er wollte. Aber Potter hatte die meiste Zeit nur Blödsinn im Kopf und ein Vorbild für Jüngere war er erst recht nicht.
Irgendwie würde Lily damit klarkommen müssen. Und in dem Punkt gab sie Remus recht: wenn sie ihm nichtmal die Chance gab, wie sollte es Potter dann schaffen? Dieses Risiko musste sie eingehen.
Plötzlich wurde die Abteilstür mit einem Ruck aufgerissen und alle vier Rumtreibern kamen herein.
"Wow, ist das luxeriös hier.", pfiff Black durch die Zähne. "Die Schülersprecher haben anscheinend ein besseres Abteil verdient als wir minderwertiger Pöbel."
"Hi, Lily.", wurde sie von Remus begrüßt. Lily stand auf und umarmte ihn lächelnd. "Hi." Stirnrunzelnd blickte sie in die Runde. "Was macht ihr alle hier?"
"Sie wollten unbedingt mitkommen, um sich das Abteil anzuschauen.", erklärte Potter und fuhr sich durchs Haar. "Aber sie wollten gerade wieder gehen, nicht wahr?"
"Ja, klar-", fing Remus an.
"Was? Ich dachte, wir dürfen hier bleiben!", rief Black entrüstet.
Potter verdrehte die Augen. "Sucht euch ein eigenes Abteil, Tatze."
"Und schon fühlst du dich als etwas besseres, Krone. Ich habe es von Anfang an gesagt-", protestierte Black, wurde aber von Remus und Peter aus dem Abteil gezogen.
"Tut mir leid.", sagte Potter und kratzte sich am Hinterkopf. "Ich wollte eigentlich nicht, dass sie mitkommen."
Lily winkte ab. "Schon in Ordnung. Black kann ja fast nicht ohne dich. Seid ihr verheiratet?"
Potter verdrehte die Augen. "Wie witzig, Evans."
Anscheinend hörte er das des Öfteren.
Er warf sich auf einen Sitz und legte die Füße auf den Tisch. "An so viel Platz könnte ich mich glatt gewöhnen."
Auch Lily setzte sich wieder.
Die Uhr schlug 11 Uhr und pünktlich begann der Zug sich zu bewegen.
Potter zog seine Brille ab und schloss entspannt die Augen.
"Was machst du da?", wollte Lily alarmiert wissen.
"Schlafen, siehst du doch. Letzte Nacht habe ich nicht so viel Schlaf abbekommen.", nuschelte Potter immernoch mit geschlossenen Augen.
"Und was ist mit deinen Pflichten als Schülersprecher?", fragte Lily fassungslos.
"Komm mal runter, Evans.", murmelte Potter und atmete laut aus. "Wir haben noch massig Zeit."
"Nein, haben wir nicht. Wir müssen den Vertrauensschülern Bescheid geben, wann sie zu einer Besprechung kommen müssen und-", legte Lily angespannt los.
"Hab ich schon geregelt.", unterbrach Potter sie und öffnete genervt die Augen. "Hab vorhin auf dem Flur einen Vertrauensschüler getroffen und gesagt, sie sollen so gegen 12 Uhr hier her kommen."
Damit schloss er die Augen, für ihn schien alles geregelt zu sein.
"Wer war denn dieser Vertrauensschüler?", wollte Lily wissen.
"Keine Ahnung.", entgegnete Potter.
"Oh, super. Sehr zuverlässig. Und wer soll bis um 12 Uhr dann nach dem Rechten im Zug sehen?", bohrte Lily entnervt weiter nach.
"Die eine Stunde werden die Leute auch ohne uns auskommen. Die werden sich schon nicht auffressen.", brummte Potter und gähnte. "Und wenn du jetzt bitte still sein könntest, ich will schlafen."
"Aber-"
"Klappe, Evans."
Lily sah ihn geschockt an, doch Potter ließ sich nicht anmerken, ob er das bemerkte. Er lag dort auf den Sitzen und atmete gleichmäßig ein und aus.
Lily schnaubte empört. "Arschloch.", murmelte sie.
"Das hab ich gehört.", grinste Potter und Grübchen bildeten sich um seinen Mund.
Lily verdrehte die Augen und zog die aktuelle Ausgabe des Tagespropheten aus ihrer Tasche.
Ihre Uhr zeigte 15 Minuten vor 12 Uhr und Lily, die sich die ganze Zeit nicht auf die Zeitung hatte konzentrieren können, hatte sich alles mögliche einfallen lassen, um James zu wecken.
Grinsend zog sie ihren Zauberstab und entschied sich für die einfachste Methode: Lärm.
Ein kurzer Wink mit dem Zauberstab und die Dampflok stieß einen ohrenbetäubenden Pfeifton aus, der im Schülersprecherabteil besonders laut war, da sich dieser am nächsten an der Lok befand.
Lily hielt sich die Ohren zu, während sie belustigt Potter beobachtete, der vor Schreck von den Sitzen fiel.
Fluchen rieb er seinen Kopf, als er aufstand.
"Bei Merlins Bart, was war das denn?", knurrte er verärgert.
Lily sah ihn nur vergnügt an. "Es ist viertel vor 12 Uhr, wir sollten uns auf das Treffen mit den Vertrauensschülern vorbereiten."
Potter stöhnte und streckte sich kurz.
"Du warst das? Was fällt dir ein, mich so zu wecken!"
Lily sah ihn unschuldig an. "Sei froh, dass ich dich nicht früher geweckt habe."
Potter setzte sich ihr gegenüber auf den Sitz und seufzte.
"Na schön, das kann ja was werden mit uns."
Lily räusperte sich und überhört gekonnt seinen letzten Satz.
"Also, ich dachte, wir könnten damit anfangen, dass alle-", sie wurde unterbrochen, als die Abteilstür aufglitt und zwei Vertrauensschüler aus Hufflepuff herein kamen.
"Oh, ähm, hallo.", begrüßte Lily sie verwirrt.
Die beiden sahen Lily und Potter gestresst an. "Wir dachten, wir wären zu spät.", meinte der Junge.
"Zu spät?", hakte Lily nach.
Das Mädchen nickte. "Zu uns wurde eigentlich 11.30 Uhr gesagt. Aber anscheinend sind wir ganz falsch."
Lily lächelte unsicher. "Nein, ihr seid bloß zu früh. Wir fangen um 12 Uhr an."
"Oh, okay.", meinte das Mädchen. Beide standen ein wenig verloren in der Tür.
"Setzt euch doch.", bot Potter an, worauf sie beiden zu ihnen kamen. Lily sah Potter ungläubig und gleichzeitig wütend an. Dieser zuckte bloß gleichgültig mit den Schultern.
So konnten sie ihre Vorbereitungen vergessen, denn nach und nach trudelten alle Vertrauensschüler der verschiedenen Häuser ein.
Völlig unvorbereitet starteten sie dann um kurz nach 12 Uhr in die Besprechung.
"Hi.", sagte Lily und spürte, wie nervös sie war. "Ich bin Lily Evans und das ist James Potter-"
Er hob kurz die Hand.
"-und wir sind dieses Jahr die Schülersprecher."
Lily sah kurz zu Potter, der ihr bestärkend zunickte. "Also wir würden gerne anfangen, indem wir einen Plan machen, wer wann im Zug Aufsicht hat."
Sie zog ein Blatt Pergament und eine Feder hervor. Kurz deutete sie mit dem Zauberstab darauf, woraufhin eine Tabelle erschien.
"Tragt euch bitte in den Zeiten ein und haltet die Aufsicht auch wirklich ein.", erklärte Lily weiter.
Sie gab ihnen Zeit, sich in die Liste einzutragen und nutze die kurze Pause, um mit Potter zu reden.
"Was willst du sagen?", raunte sie ihm zu.
"Du machst das super, Evans.", meinte er. "Ich muss nichts sagen."
Verunsichert sah sie ihn an. "Aber-"
Die Liste kam zurück und Lily hatte keine Gelegenheit mehr, mit Potter zu diskutieren.
"Okay, ähm, als nächstes würde ich vorschlagen, dass wir uns einmal die Woche zur Besprechung treffen, am besten machen wir das Stundenplan-abhängig, vielleicht finden wir sogar einen Zeitpunkt, an dem alle frei haben."
Alle nickten.
"Und wir erstellen jetzt noch einen Plan mit Aufsichten in der Schule, allerdings müsst ihr als Vertrauensschüler nur tagsüber Aufsicht machen, also in den Pausen und so."
Auch hier reichte sie Pergament und Federkiel im Kreis herum.
Doch bevor sie sich erneut an Potter wenden konnte, stellte die Vertrauensschülerin aus Slytherin eine Frage.
"Wie sieht es mit Quidditch aus? Wann findet das Aufnahmetraining statt?"
Völlig überfordert sah Lily sie an. Sie hatte doch keine Ahnung von Quidditch und hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst dass es ein sogenanntes Aufnahmetraining gab.
"Ich, äh-"
"Die werden vom jeweiligen Mannschaftskapitän bestimmt, wie jedes Jahr.", hörte sie plötzlich die ruhige Stimme von Potter hinter sich.
"Danke.", meinte Lily und sah ihn aufrichtig an. Die Vertrauensschüler waren wieder verschwunden und inzwischen war auch die Imbiss-Hexe vorbeigekommen, sodass auf dem Tisch zwischen Lily und Potter alle möglichen Süßigkeiten verstreut lagen.
"Du musst dich nicht bedanken, immerhin sind wir ein Team. Ich lass dich doch nicht die ganze Arbeit allein machen.", meinte Potter und stopfte sich einen Schokofrosch in den Mund. Hoffnungsvoll holte er die Karte raus, doch seine Schultern sackten nach unten.
"Wen hast du denn?", wollte Lily neugierig wissen.
"Schon wieder Merlin. Ich könnte meine Wand mit Merlinkarten tapieren, so viele hab ich von ihm."
Lily legte den Kopf schief und nahm sich auch einen Schokofrosch.
"Welche fehlt dir denn?"
Sie warf ihn sich schnell in den Mund, bevor er davonspringen konnte.
"Nicholas Flamel.", meinte Potter.
Langsam zog Lily ihre Karte aus der Verpackung. Potter sah sie gespannt an.
Lily blickte auf ihr Karte.
"Es ist Nicholas Flamel!", rief sie dann.
"Du machst Witze!", rief Potter ungläubig.
"Ja klar, du Idiot.", lachte Lily. "Es ist Dumbledore."
Potter sah sie verärgert an.
"Du..."
"Ja?"
"Nichts."
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