Kapitel 4

"Zum Glück ist deine Schwester nicht da.", seufzte Marlene offen heraus und betrachtete ihre blonde Lockenpracht im Spiegel. "Also versteh mich nicht falsch, Lily. Bestimmt ist sie ne tolle Schwester, aber letztes Mal, als ich hier war..."
"Schon okay.", murmelte Lily, während sie sich die Wimpern tuschte. "Ich weiß, was du meinst. Leider Gottes haben wir eben nur ein Bad."
"Das heißt aber nicht, dass sie sich für ganze zwei Stunden dort einschließen muss und wir zu Mary apparieren müssen, um uns zu richten.", meinte Marlene und trug konzentriert Eyeliner auf ihr Lid, was mit Hilfe von Magie nicht ganz so knifflig war.
Lily seufzte. "Ich weiß, sie ist manchmal echt anstrengend, aber das liegt vor allem daran, dass sie die ganze Sache mit der Magie verabscheut."
Marlene schüttelte ungläubig den Kopf. "Wie kann man Magie denn nicht mögen?"
Die Rothaarige zuckte mit den Schultern und betrachtete die Ohrstecker in ihrer Hand. "Welche soll ich eher tragen?"
"Hm.", machte Marlene und blickte sie ebenfalls nachdenklich an. "Die Silbernen."
Lily nickte und steckte sie sich an. "Bist du fertig?"
Marlene fuhr sich ein letztes Mal durch die gemachten Locken und nickte. "Ich bin startklar!"
Lily kontrollierte noch schnell, ob sie alles in ihrer Tasche hatte, was sie brauchte und nickte dann ebenfalls. "Ich auch."

"Alles klar, dann können wir ja apparieren, oder nicht?", meinte Marlene und klatschte in die Hände. "Wir sind eh schon ziemlich spät."
"Weißt du denn, wo Potter wohnt?", wollte Lily wissen.
Marlene grinste. "Klar, weiß ich das."
Und mit diesen Worten apparierte sie und zog Lily mit.

Obwohl Marlene sie in einen Wald gebracht hatte (und Lily kurz Angst hatte, sie wären am falschen Ort), hörte man die laute Musik.
Das Haus konnte Lily aber nicht erkennen, sie sah weit und breit nur Bäume.
"Wo sind wir?"
Marlene nahm sie am Arm und führte sie in die Richtung, aus der die Musik kam. "Sie befinden sich auf dem Grundstück der Potters, Miss Evans.", lachte sie.
Staunend sah Lily sich um, konnte jedoch wegen der Dunkelheit nicht viel erkennen. "Das gehört alles den Potters?"
"Jap.", meinte Marlene. "Einen berühmten Zaubertrankmeister als Vater und ein schönes Familienerbe sind eben kein Nachteil, was?"
Lily kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Wer hatte denn bitte einen eigenen Wald? Doch als sie das riesige Haus sah, blieb ihr die Spucke weg.
"Du kannst mir nicht erzählen, dass in diesem Haus nur drei Leute wohnen, Marls."
"Naja, ich glaube sie haben eine Hauselfe, die wohnt auch noch da.", sagte Marls und musste über Lily lachen. "Wenn James wüsste, wie du gerade über sein Zuhause staunst.", kicherte sie.
Lily verdrehte die Augen, musste aber auch lächeln. "Es ist einfach wahnsinnig. Dieses...Haus ist bestimmt dreimal so groß wie mein Elternhaus. Und wir leben da zu viert. Und wir haben nur einen kleinen Garten."
"Und ein Bad.", lachte Marlene.
"Und ein Bad.", stimmte Lily zu. "In diesem Haus gibt es bestimmt zehn Bäder."
Marlene legte ihr den Arm um die Schultern. "Willst du noch länger staunen oder sollen wir mal reingehen?"
Lily räusperte sich. "Ist ja gut, wir können reingehen."

Schon im Eingangsbereich war es stickig und laut. Es roch nach Alkohol und Schweiß - keine gute Mischung. Lily verzog angeekelt das Gesicht. "Wie soll ich es hier drin nur aushalten?", rief sie Marlene zu, die sie immer weiter in das sogenannte Haus reinzog.
"Du gewöhnst dich schon dran.", meinte Marlene und führte sie zu einer Art Büfett in der Küche, die von einer Theke vom Wohnzimmer getrennt wurde.
Marlene nahm sich zwei Getränke und drückte eins Lily in die Hand. "Anders kann man das hier ja gar nicht aushalten.", meinte Lily und schlürfte daran. Es schmeckte unerwartet gut und sie nahm gleich noch einen Schluck.
"Die haben ja wirklich den ganzen Jahrgang eingeladen.", staunte Marlene und nippte ebenfalls an ihrem Getränk.
"Hey, da hinten ist Remus!", rief Lily freudig. "Lass uns zu ihm hingehen."
Marlene nickte und die beiden drückten sich durch die Menge zu ihm.
Remus stand etwas einsam an der Wand gelehnt und ein Getränk in der Hand. "Hi, Remus!", rief Lily und grinste ihn an.
Sein Gesicht erhellte sich, als er Lily vor sich erkannte und er zog sie in eine Umarmung. "Ich hätte echt nicht gedacht, dass du noch hier aufkreuzt.", lachte er und nahm auch Marlene in den Arm.
"Was machst du denn hier so allein?", wollte die wissen.
Remus zuckte mit den Schultern. "Einer muss doch ein bisschen aufpassen."
Lily lächelte. Das war Remus: freundlich und verantwortungsbewusst.
Kein Zweifel, dass er Schülersprecher geworden war.
"Hey, da hinten ist ja Mary, ich geh mal kurz zu ihr. Bin gleich wieder da.", rief Marlene und schon war sie weg.
Lily lehnte sich an die Wand neben Remus. "Na, hast du auch tolle Neuigkeiten?", fragte Lily grinsend und schaute zu ihm hoch.
Remus jedoch blickte ihr verwirrt in die Augen, als wolle er lesen, was genau sie meinte.
"Tut mir leid.", sagte er schließlich. "Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst."
Lily verdrehte die Augen und kniff ihn in die Seite. "Na ich meine, ob du auch heute den Hogwartsbrief bekommen hast."
"Achso.", meinte Remus und fuhr sich lächelnd durchs Haar. "Ja, den hab ich bekommen. Schon krass, dass es der Letzte war."
"Hm.", meinte Lily lächelnd. "Aber dafür ein Letzter mit sehr guten Neuigkeiten, nicht wahr?"
Remus blickte zu ihr hinunter und sah sie amüsiert an.
"Heißt das, du bist Schülersprecherin?"
Lily lachte. "Endlich hast du es verstanden! Ich freu mich so darauf! Ich meine, wie cool ist das denn, dass ausgerechnet die Vertrauensschüler aus Gryffindor auch beide Schülersprecher werden?"
Remus, der gerade einen Schluck von seinem Getränk genommen hatte, verschluckte sich.
"Remus!", Lily kramte hastig ihren Zauberstab aus der Tasche und richtete ihn auf Remus, dessen Luftröhre wieder frei wurde.
"Danke.", keuchte Remus.
"Was war denn los?", wollte Lily verwirrt wissen. "Hab ich was Falsches gesagt?"
Remus räusperte sich. "Nein, nein, du hast nur etwas ziemlich falsch verstanden."
Er fuhr sich durch sein Haar. "Ich, ähm, bin nämlich nicht der Schülersprecher."
"Oh!", machte Lily verwundert und wurde rot. "Ich hätte wetten können, dass du es wirst. Das ist mir grad irgendwie peinlich." Sie lachte nervös und strich sich das Haar hinter ihr Ohr. Remus grinste und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Das muss dir nicht peinlich sein."
"Aber wer...wer ist es dann? Es muss doch jemand aus Gryffindor sein.", überlegte Lily.
Nun wurde Remus wieder ernst. "Ähm, was deinen Schülersprecher-Kollegen angeht..."
"Ja?", fragte Lily und sah ihn wissbegierig an. "Weißt du, wer es ist? Ich meine, so viele Jungs aus Gryffindor in unserem Jahrgang gibt es doch gar nicht..." Plötzlich schlug sie sich die Hand vor den Mund. "Es ist John Turner, oder?"
Remus lachte nervös. "Ähm, nein, ehrlich gesagt nicht."
Lily seufzte. "Jetzt sag schon, mach es doch nicht so spannend!"
"Naja, wie soll ich das sagen...", begann Remus und starrte auf einen Punkt neben Lilys Augen.
"So schlimm wird es wohl nicht sein, oder?", lachte Lily über die Nervosität von Remus. "Ich meine, Dumbledore würde doch niemals Potter oder Black..."
Doch als sie seinen Blick sah, verstummte sie und sah ihn ungläubig an. "Nicht dein Ernst."
"Genau genommen.", meinte Remus leicht lächelnd. "Ist es James."
"James?", fragte Lily fassungslos. "James wie James Potter? James wie James, der sich nie an Regeln hält?"
"Wir haben nur einen James im Jahrgang, soweit ich weiß.", meinte Remus schulterzuckend.
"Wie kannst du das nur so gelassen nehmen?", rief Lily, raufte sich die Haare und stieß sich von der Wand ab. "Wie konnte es passieren, dass Dumbledore den Jungen zum Schülersprecher macht, der sich am wenigsten um die Regeln unserer Schule schert und noch nie auch nur ein kleines bisschen Verantwortung gezeigt hat?"
"Wenn James will, kann er echt verantwortungsbewusst sein.", verteidigte Remus seinen Freund.
"Verantwortung und Potter? Dass ich nicht lache!", fauchte sie und stemmte ihre Hände in die Hüften.
"Du kennst nur das von ihm, was er nach außen hin zeigt, Lily. Also verurteile ihn nicht zu früh. Dumbledore wird sich schon etwas dabei gedacht haben.", versuchte Remus sie zu beruhigen.
Lily fuhr sich durchs Haar und seufzte. "Ich weiß, ich will Dumbledores Entscheidung auch nicht anzweifeln, aber es fällt mir so unheimlich schwer, mir Potter als Schülersprecher vorzustellen. Wie soll bloß unsere Zusammenarbeit funktionieren?"
Remus lachte. "Witziger Weise hat er mich genau dasselbe gefragt."
"Hat er das?", fragte Lily verwundert. "Aber..."
Remus legte ihr einen Arm um die Schultern. "Entspann dich Lily. Lass es doch einfach auf dich zukommen und gib James eine Chance."
Laut atmete die Rothaarige aus. "Na gut. Du hast recht, ich sollte nicht voreilig Schlüsse ziehen. Wie kannst du nur immer einen kühlen Kopf bewahren, Remus? Ohne dich wäre ich heute Abend noch auf Potter losgegangen."
Remus lächelte. "Ich bin gerne für dich da."
Lily lächelte und nahm einen Schluck aus ihrer Flasche. "Das war ein Schock."
Remus lachte. "Das glaube ich, eigentlich war das nicht so geplant, dass du es über mich erfährst."
"Ich werde mich daran gewöhnen müssen.", meinte Lily seufzend eher zu sich und blickte durch die tanzende Menge.
"Oh, ich glaube, Peter braucht mich.", meinte Remus allarmiert, als er seinen Freund durch den Raum torkeln sah. "Wir sehen uns, Lily."
Die Rothaarige nickte und lehnte sich wieder an die Wand und trank erneut einen Schluck, um sich zu entspannen. Das musste sie erst einmal sacken lassen.
James Potter würde ihr Kollege sein. Wie sollte das bloß funktionieren?

Mit der mittlerweile leeren Flasche in der Hand beobachtete Lily die Leute im Raum. Party war noch nie so ihr Ding gewesen. Marlene hatte sie auch nicht mehr gesehen, seit sie zu Mary gegangen war. Vielleicht sollte Lily sie suchen gehen, denn hier kannte sie seltsamerweise nicht wirklich viele. Anscheinend waren nicht nur Leute aus ihrem Jahrgang hier.
Doch gerade als sie sich von der Wand abstoßen wollte, sah sie ihn.
James Potter, der aus einem unerklärlichen Grund nun auch Schülersprecher war. Lily schockierte das zwar sehr, doch vor zwei Jahren wäre sie augenblicklich zu Dumbledore gegangen, um sich zu beschweren. Nun jedoch ging sie merkwürdigerweise mehr oder weniger gelassen mit der Situation um. Im letzten Schuljahr hatte sie nicht viel mit Potter zu tun gehabt, er hatte sich wirklich zurückgehalten mit den Date-Fragen.
Am Ende vom Schuljahr jedoch hatte Lily mit ihm seltsamerweise ein relativ ernsthaftes Gespräch geführt, das Lily sogar auf eine Weise genossen hatte. Dort hatte sie die seriöse Seite an ihm entdeckt und hatte sich dabei ertappt, mehr von dieser Seite kennenlernen zu wollen.
Aber jetzt, da sie ihn sah, war er wieder der typische Potter, den jeder in Hogwarts kannte.
Knutschend stand er da mit irgendeinem Mädchen, das Lily nicht kannte.
Nachdenklich beobachtete sie ihn. Schwarzes, wildes Haar, schlanke, aber muskulöse große Figur und ein kantiges Gesicht.
Ihr dummes Unterbewusstsein hatte nach diesem Gespräch letztes Jahr gedacht, James Potter hätte sich geändert.
Doch dem war nicht so und das hätte Lily sich denken müssen.
Eine Zusammenarbeit mit diesem arroganten Idiot konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Lily wusste nicht, warum, aber der Anblick von James fesselte sie da, wo sie war. Sie krallte sich in ihre Flasche.
Es war nichts Neues, das Potter mit einem Mädchen knutschte, doch das erste Mal behagte Lily dieser Anblick nicht.

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