Kapitel 24

Lily hätte niemals gedacht, dass ihr das Tanzen einmal so viel Spaß machen würde, doch sie ertappte sich dabei, sich auf die gemeinsamen Tanzstunden mit James zu freuen. Sie musste zugeben, dass er ein wirklich guter Tanzlehrer war. Schnell hatte Lily die neuen Schritte verstanden, die James ihr beigebracht hatte. Und obwohl er sich des Öfteren über sie lustig machte, war er die meiste Zeit ernsthaft bei der Sache.

Lilys Augen wanderten öfters als sonst zur Uhr in Professor Binns' Unterricht, denn danach hatte sie eine Freistunde, was bedeutete, dass ihre letzte Tanzstunde stattfinden würde. Nächste Woche war der Weihnachtsball und somit rückten auch die Weihnachtsferien näher. Auf diese freute sich Lily nicht ganz so sehr wie sonst als, denn vor einem Tag war ein Brief von ihren Eltern gekommen, der brichtet hatte, dass Petunia und Vernon große Neuigkeiten hatten und diese in einem sehr teuren Muggelrestaurant verkünden wollten. Natürlich konnte Lily eins und eins zusammenzählen und dachte sich bereits, dass es sich um eine Verlobung handelte. Bei diesem Gedanken fuhr es der Rothaarigen eiskalt den Rücken hinunter. Auch wenn Petunia ihr schon echt fiese Sachen an den Kopf geworfen hatte, wünschte sich Lily für ihre Schwester einen besseren Mann als Vernon.
Vernon Dursley war engstirnig, geizig, arrogant - und fett. Lily konnte es nicht anders ausdrücken, denn der Freund ihrer Schwester hatte ein gewaltiges Problem mit seinem Übergewicht. Lily machte sich nicht gern über das Gewicht anderer lustig, für das viele einfach nichts konnten, aber bei Vernon unterstrich sein Äußeres bloß seinen hässlichen Charakter. Er hatte ein strenges Bild davon, wie die Welt auszusehen hatte und wer nicht in dieses Bild passte, den verabscheute Vernon aufs Tiefste. So traf es auch Lily, die einfach anders war. Noch wusste Vernon nichts von ihren magischen Fähigkeiten, doch Petunia musste gar nicht erst davon erzählen. Er hasste Lily einfach schon so wegen Petunia, die es genoss, wenn er sich über Lilys Haare oder ihre Art zu gehen lustig machte.

"Hey, Lily!", wurde sie von Mary aus den Gedanken gerissen, die sich flüsternd zu ihr rüber beugte. "Hast du schon ein Date für den Ball? Ich habe gehört ein paar dieser heißen französischen Jungs haben noch niemanden!" Lily schüttelte grinsend den Kopf. "Ich habe noch niemanden, du?" Mary wurde rot und schüttelte ebenfalls den Kopf. "Marlene wurde schon von drei Jungs gefragt!", meinte sie mit einem neidischen Unterton. "Und hat sie einem davon zugesagt? " Wieder schüttelte Mary den Kopf. "Du kennst Marlene ja. Sie genießt die Aufmerksamkeit von Jungs und will sich alle Türen offen lassen." Lily kicherte. "Typisch. Dich wird bestimmt auch noch jemand fragen, Mary." Diese zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht einmal, ob manche Jungs wissen, dass ich existiere." Lily schnaubte. "Du wirst schon sehen. Und außerdem kannst du auch einen Jungen fragen. Ich meine, Jungs sind für so etwas doch eigentlich viel zu schüchtern."

*

Lily beeilte sich, in das abgemachte Klassenzimmer zu kommen, indem ihre letzte Tanzstunde stattfinden würde. Als sie jedoch gerade in das Zimmer treten wollte, hörte sie Stimmen.
"Isch weiß nischt...isch kenne noch nischt so viele Jungs 'ihr in 'Ogwarts." Das war eindeutig Colettes Stimme. "Aber du bist jetzt doch schon eine Weile hier und außerdem kennst du doch mich und Sirius und Remus.", antwortete James' Stimme.
Lily konnte nicht verleugnen, dass bei dem Gedanken an Colette und James allein in einem Raum die Eifersucht in ihr aufstieg. Colette kicherte. "Isch weiß. Deswegen wollte isch fragen, ob du Lust 'ättest, mit mir-"

"Da bin ich!", unterbrach Lily extra laut die Konversation der beiden, da sie es keine Sekunde länger mehr in ihrem Versteck ausgehalten hätte. Colette und James, die für Lilys Geschmack etwas zu nah aneinander standen, sahen die Rothaarige erschrocken an.
Lily spielte ebenfalls die Überraschte. "Oh, habe ich euch gestört?" James räusperte sich und rückte sichtbar ab von Colette, die nicht sehr erfreut über Lilys Ankunft schien. "Ehrlisch gesagt, Lily-", begann die Blondine. "Ach was, du bist genau richtig.", wurde sie jedoch von James unterbrochen, was ein breites Lächeln auf Lilys Gesicht zauberte. James zwinkerte ihr frech zu und wandte sich wieder der Französin zu. "Colette, es war echt schön, mit dir zu reden, aber Lily und ich waren verabredet, also wäre es schön, wenn du..."
Genervt warf Colette ihre Haare hinter die Schulter. "Isch bin schon weg." Und sie stürmte beleidigt aus dem Klassenzimmer.
Lily konnte sich bei diesem Anblick nicht zurückhalten und prustete los. James grinste verschmitzt und schloss die Tür hinter Colette. Dann drehte er sich zu Lily um und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Sie verschränkte bloß ihre Arme und starrte zurück.
"Was denn?"
James schüttelte seinen Kopf und lachte leise. "Ich weiß ganz genau, dass du uns belauscht hast." Lilys Wangen wurden heiß, trotzig hob sie ihr Kinn. "Das weißt du also?"
James nickte und kam auf sie zu. "Das weiß ich."
Kurz vor Lily blieb er stehen. Sein angenehmer Duft stieg in Lilys Nase, wodurch sie sich augenblicklich entspannte. "Ich wusste gar nicht, dass du durch Wände schauen kannst.", konterte Lily.
"Ich kann Menschen ziemlich gut einschätzen.", erwiderte der Schwarzhaarige und kam noch einen Schritt näher, ohne Lily aus den Augen zu lassen.
"Ach ja?", wollte sie wissen, völlig gefangen von seinem Blick.
Seine braunen Augen bohrten sich in ihre.
"Hmm."
James' Hand wanderte an ihre Hüfte, während die andere sanft Lilys Hand ergriff. Aus irgend einem Grund fühlten sich seine Berührungen viel intensiver als sonst an. Lily platzierte ihre linke Hand an seinem Bizeps, der sich automatisch anspannte.
Sie sah, wie James schlucken musste. "Wie schätzt du mich denn ein?", wollte die Rothaarige leise wissen und sah hoch in sein Gesicht, das dem ihren sehr nahe war. Langsam begann James, sich zu bewegen, sodass sie zusammen durch den Raum tanzten. Seine Hand war von ihrer Hüfte zu ihrem Rücken gewandert.
Bedächtig setzten sie einen Schritt vor den anderen.
Sein Kopf senkte sich zu ihr herab. "Du bist ein sehr gewissenhafter Mensch, Lily.", wisperte er in ihr Ohr, sodass sich dort eine Gänsehaut bildete. "Außerdem siehst du stets das Gute in den Menschen. Naja, mich ausgenommen."
Lily wollte schon protestieren, doch James führte sie in eine Drehung, sodass sie keine Chance dazu hatte. Elegant drehte James sie wieder in seine Arme. "Aber das hat sich ja jetzt geändert.", fuhr er leise fort und sah ihr in die Augen.
"Hat es das?", hakte Lily nach.
James nickte. "Ganz sicher. Auch wenn du es vielleicht nicht zugeben magst, magst du mich."
Lily lächelte. "Was macht dich da so sicher?"
James blickte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen an. "Du warst eifersüchtig auf Colette."
Überrascht blickte Lily ihn an. "Was? Wie kommst du denn auf so etwas?" Sie schnaubte. "Als wäre ich eifersüchtig-"
James grinste.
"Was war dann das gerade eben?"
"Das? Das war nichts! Ich habe bloß-"
"Colette verscheucht!"
"Das warst du!"
"Du bist hier reingestürmt!"
"Aber du hast zu ihr gesagt-"
"Willst du mit mir auf den Ball gehen?"
"Nein, ich war überhaupt nicht- warte was?"
Entgeistert starrte Lily James an.
Er starrte zurück, offenbar nervös. "Willst du mit mir auf den Ball gehen?", wiederholte er schließlich seine Frage und sah sie geradeaus an. Lily blinzelte einige Male und ihr Verstand schaltete sich komplett aus. "Liebend gerne!", hörte sie sich sagen.

*

"Was habe ich mir nur dabei gedacht?" Panisch rannte Lily im Mädchenschlafsaal umher, anstatt sich wie ihre Zimmermitbewohnerinnen zu richten. Es war der Abend des Weihnachtsballs und Lily erlitt gerade einen halben Nervenzusammenbruch. "Warum habe ich ausgerechnet James als Date?"
Marlene, die sich gerade die Haare zu Locken drehte, lachte. "Du hast das beste Date, was du dir vorstellen kannst, Lily."
Mary nickte zustimmend und deutete dann auf einen Stuhl. "Jetzt setzt dich schon hin, wir haben nicht ewig Zeit und ich muss auch noch meine eigenen Haare machen."
Widerwillig setzte sich Lily und ließ Mary an ihre rote Mähne. Ihre Hände zitterten aufgeregt in ihrem Schoß. James würde sicher umwerfend aussehen, halb Hogwarts würde ihn begaffen und Lily neben ihm würde sich einfach nur ungeschickt anstellen. Nachdem sie allerdings fertig gerichtet war und Mary und Marlene ihr die ganze Zeit gut zugesprochen hatten, fühlte sich schon viel besser und freute sich auf den Abend.

In ihrem königsblauen Kleid wartete Lily schließlich im Gemeinschaftsraum auf James, der kurz darauf die Treppe hinuntergehastet kam. "Tut mir Leid, Lily. Peter hatte gerade nur ein kleines Problem und das mussten wir kurz-" Lily schmunzelte. "Schon in Ordnung, jetzt bist du ja da." James fuhr sich erleichtert durch seine schwarzen Locken, die er auch heute nicht bändigen konnte und hielt ihr gentlemenlike seinen Arm hin. Gemeinsam schritten sie die Treppen zur Großen Halle hinunter. James wandte ihr sein Gesicht zu, sodass auch Lily zu ihm sah. "Du siehst unglaublich aus, Lily."
In seinen Augen spiegelte sich pure Ehrlichkeit, die Lilys Herz schneller schlagen ließen. "Danke.", wisperte sie und wurde rot. James grinste und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. "Du bist echt süß, wenn du rot wirst." Lily verdrehte die Augen, erwiderte jedoch nichts.

Als sie in der Großen Halle ankamen, herrschte schon ein reges Treiben, die Musik spielte und einige Paare hatten sich bereits auf der Tanzfläche eingefunden. Auf James' Wangen bildeten sich Grübchen. Lächelnd drehte er sich zu Lily und hielt ihr auffordernd die Hand hin. "Darf ich es wagen?", scherzte er und deutete eine Verbeugung an. Auch auf Lilys Lippen stahl sich ein Lächeln. Sanft legte sie ihre Hand in seine, was sich furchtbar gut anfühlte. "Mit dem größten Vergnügen."

Die Große Halle sowie die Tanzfläche füllten sich immer mehr. Das Büffet wurde gestürmt und während James sie durch die Halle wirbelte, erblickte Lily immer wieder bekannte Gesichter. Marlene und ihre Begleitung tranken einen Met nach dem nächsten, Lily hatte Mary schon längere Zeit nicht mehr gesehen und was James' Freunde machten, war ihr schleierhaft. Keinen der restlichen drei Rumtreiber hatte sie bisher auf dem Fest gesehen. Als Lily James danach fragte, tat dieser so, als wüsste er von nichts, doch sie wusste ganz genau, dass da etwas im Busch war. Ihre Sorgen vergaß Lily jedoch schnell, als James sie von der Tanzfläche führte und ihnen etwas zu Trinken besorgte. "Ich habe noch nie Feuerwhiskey getrunken.", gestand Lily schief lächelnd, als sie die Flüssigkeit erkannte. "Dann wird es aber Mal Zeit!", meinte James daraufhin lachend. Die brennende Flüssigkeit rann Lilys Kehle hinunter. Kichernd nahm sie noch einen Schluck. "Schmeckt eigentlich gar nicht so schlecht."
Nach ein paar weiteren Gläsern wurde die Stimmung immer witziger und James zog sie erneut auf die Tanzfläche, die nun wirklich gut gefüllt war. Im Vorbeilaufen erblickte Lily kurz Severus, der einsam mit einem Glas in einer Ecke stand, doch dann lag Lily auch schon im nächsten Augenblick in James' Armen und vergaß die Welt um sich herum. Seine warmen braunen Augen und sein betörender Duft hielten sie gefangen. "Lass uns kurz frische Luft schnappen gehen.", hörte sie da seine Stimme nah an ihrem Ohr und ließ sich von ihm in die Nacht hinaus ziehen.

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