Kapitel 20
Der Dezember rückte immer näher und somit auch der Austausch der 42 französischen Schüler und Schülerinnen mitsamt ihrer Schulleiterin Madam Maxime. Zusätzlich zu den Vorbereitungen auf den Weihnachtsball und dem Unterricht kamen haufenweise Hausaufgaben und Aufsichten hinzu. Lily fand sich selbst in einer unglaublich stressigen Situation, bekam jedoch bei James mit, dass er es fast noch stressiger hatte, denn zusätzlich zu seinen Aufgaben als Schülersprecher musste er auch mindestens zweimal die Woche Quidditchtraining abhalten, denn es standen wieder Spiele an.
Völlig verschwitzt und schlammbespritzt kam James nach einem sehr stürmischen Trainings die Schlossgründe hinauf und erreichte außer Atem das Porträt der fetten Dame, wo Lily schon auf ihn wartete. "Ich bin gleich da.", keuchte er und verschwand kurz in den Jungenschlafsaal, um sich zu duschen und umzuziehen.
Dies schaffte er in Rekordzeit und war kurz darauf auf seinem Rundgang durch die Schule mit seiner Partnerin. Durch das Schweigen zwischen ihnen war sein unregelmäßiger Atem deutlich zu hören.
"Alles in Ordnung?", fragte Lily deshalb nach. James nickte und Lily merkte wie er versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen.
"Es war bloß ein anstrengendes Training."
Lily sah ihn mitfühlend an. "Vielleicht solltest du ein bisschen langsamer machen, James. Die letzten paar Male warst du auch immer völlig geschafft."
James fuhr sich durch sein mittlerweile ziemlich langes Haar. "Momentan ist es eben stressig, aber das legt sich schon wieder."
"Sonst kann ich auch einmal eine Aufsicht alleine machen, James. Mir macht das nichts aus."
James schnaubte und schüttelte vehement seinen Kopf.
"Alleine im dunklen Schloss? Das kannst du vergessen, Lily. Außerdem fühle ich mich immer noch schlecht wegen Halloween."
Die Rothaarige seufzte bloß, antwortete aber nichts. Sie wusste, wie stur er sein konnte und war insgeheim auch froh, dass er sie nicht alleine lassen wollte.
Erneut breitete sich Stille zwischen den beiden aus, doch Lily konnte nicht umhin, zu genießen, dass James neben ihr ging. Niemals im Leben hätte sie gedacht, seine Gesellschaft einmal zu genießen. Aus irgendeinem Grund strahlte er auf sie ein beruhigende und angenehme Atmosphäre aus.
Ein sanftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Vorsichtig linste Lily in ihrem Augenwinkel zu James hinüber. Er schien vertieft in seine Gedanken und schien kaum wahrzunehmen, wohin sie liefen. Seine Stirn war leicht gerunzelt, seine Schultern angespannt und sein Blick ging ins Leere. Glücklicherweise war sein Atem wieder gleichmäßig.
Dennoch war Lily um ihn besorgt. Lily war um ihn besorgt.
Um James.
Wann war es denn bitte soweit gekommen?
Noch vor einem halben Jahr hätte Lily jeden für verrückt erklärt, der ihr gesagt hätte, dass sie einmal völlig gelassen neben James laufen, ihn James nennen und sich um ihn Sorgen machen würde.
Doch seit Lily ihn etwas näher kennengelernt hatte, war ihr klar geworden, dass James Potter viel mehr war als der Typ, den er nach Außen hin gab.
Er war nicht bloß dieser draufgängerische Typ, auf den die Mädels standen. Quidditch war auch nicht das einzige, dass ihn ausmachte. James war ein treuer Freund, der niemals jemanden verraten würde, der ihm nahe stand. Er war ein guter Schüler, der jedoch damit nicht prahlte, sondern lieber in Streichen und dummen Sprüchen versteckte, dass er auch eine vernünftige Seite an sich hatte.
Lily hatte es wirklich lange Zeit gebraucht, das herauszufinden. Sechs Jahre ihres Lebens hatte sie ihn nur oberflächlich betrachtet und ihn als arroganten, faulen Macho abgestempelt.
"Wenn du meine unglaubliche Schönheit bewundern willst, dann kannst du gerne ein Foto machen.", grinste da James neben ihr.
Manchmal war er eben doch arrogant und unausstehlich. Lily verdrehte die Augen. Sie wusste, dass er bloß die Stimmung auflockern und von seiner eigentlichen Verfassung ablenken wollte.
"Lass uns zum Gemeinschaftsraum zurückgehen.", beschloss Lily, ohne auf ihn einzugehen. "Wir sind fertig für heute." James nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück in den Turm.
*
Zwischen den vielen Stunden an Unterricht und Hausaufgaben mussten Lily und James sich Zeit freischaufeln, dass sie irgendwie noch den Weihnachtsball organisieren konnten.
Lily war positiv überrascht von James, denn es lief ganz anders als an Halloween. Natürlich hatte sie sich Gedanken gemacht, dass sich James trotz seines Versprechens nicht bessern würde, doch es kam ganz anders als erwartet.
James tat alles daran, ihre Partnerarbeit am Laufen zu halten und Lily bewunderte es ehrlich, wie er im Gegensatz zu ihr teamfähig war. Langsam verstand sie auch, was sich Dumbledore dabei gedacht hatte, ihn als Schülersprecher einzusetzen, denn James zeigte Fähigkeiten, die sie niemals vermutet hatte und die er sinnvoll in ihre Zusammenarbeit einband.
"Hey, Lily!", hörte sie seine Stimme durch das Gewusel nach dem Zaubertrankunterricht. Sie drehte sich zu ihm um und sah, wie er sich durch die Menge drängte.
"Ja?", wollte Lily neugierig wissen und strich sich ihr rotes Haar hinters Ohr.
"Wir müssen nochmal das mit der Sitzordnung besprechen. Wann hast du deine nächste Freistunde?", fragte James.
Auf Lilys Gesicht breitet sich ein dankbares Lächeln aus. Die Sitzordnung hatte sie komplett vergessen.
"Gut, dass du es sagst.", meinte sie ehrlich. "Ähm...ich habe jetzt noch Alte Runen, aber danach habe ich frei."
James nickte. "Gut, treffen wir uns dann später in der Bibliothek?"
Glücklich lächelte Lily. "Klar, bis später."
Gerade wollte sie sich umdrehen und weitergehen, als James einen Kommentar nicht unterdrücken konnte. "Zählt das als Date?"
Lily verdrehte die Augen, sagte aber nichts, sondern ging einfach den Korridor hinunter. Noch nie hatte sie einen blöden Spruch von James so gelassen aufgenommen. Lily versuchte ihre Gedanken auf die bevorstehende Unterrichtsstunde zu richten, doch sie kam nicht umhin an ihr Treffen mit James in der Bibliothek zu denken. Lily konnte nicht verleugnen, dass sie sich darauf freute. Denn James' Gesellschaft tat ihr auf eine Weise wirklich gut. Lily genoss die Zeit mit ihm, was sie auf eine Weise wirklich erschreckend fand.
Nach Alte Runen verließ sie mit Remus das Klassenzimmer, der sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum machen wollte und Lily verwirrt anblickte, als sie in eine andere Richtung ging.
"Ich muss noch mit James etwas in der Bibliothek besprechen.", rief sie ihm entschuldigend zu, worauf Remus wissend lächelte.
Seinen Blick ignorierend kehrt sie ihm den Rücken und suchte die Bibliothek auf. James war noch nicht dort, sodass sie sich an ihren Lieblingsplatz an eines der Fenster setzte.
Untypisch für Lily, die sonst sofort ihre Schulsachen ausgepackt hätte, saß sie einfach nur auf ihrem Stuhl und sah hinaus auf die Schlossgründe und den Großen See.
Auf dem Gelände hatte Lily schon viele schöne, aber leider auch schlechte Erinnerungen gesammelt. Ihre Gedanken wanderten an ihr fünftes Schuljahr, als sie die Rumtreiber davon abhalten wollte, ihren damaligen Freund Severus bloßzustellen. Damals waren ihr vor allem James und Black als schamlose Mobber vorgekommen, die sich einen Spaß daraus machten, andere Leute zu erniedrigen.
Niemals hätte Lily zu dem Zeitpunkt gedacht, sich einmal so gut mit James zu verstehen, sodass sie sich auf ihn freuen würde.
Natürlich war ihr damals schon aufgefallen, dass er gut aussah, dennoch hatte Lily ihn gehasst.
Zum einen, weil er Severus gemobbt hatte, aber auch, weil James sie die ganze Zeit mit seinen Date-Fragen genervt hatte, obwohl Lily ganz genau gewusst hatte, dass er es nicht ernst meinte.
Nun war Lily von sich selbst verwundert, da sie die Fragen bei weitem nicht mehr so nervten wie früher. Wahrscheinlich lag es daran, dass James einfach nicht mehr so oft fragte.
Oder, weil sie seine Aufmerksamkeit mochte.
Diesen Gedanken schob sie ganz schnell zur Seite, denn es bescherte ihr nur Bilder im Kopf von einem oberkörperfreien James nach einem schweißauftreibenden Quidditchspiel.
"Na, schmutzige Gedanken, Lily?", riss sie James' Stimme aus den Gedanken und ließ sie rot werden.
Wenn er nur wüsste.
Hastig schüttelte sie den Kopf, sodass James in schallendes Gelächter ausbrach, was ihm einen bösen Blick von Mrs Pince einbrachte.
Diesen ignorierte er und ließ sich lässig auf den Stuhl gegenüber von Lily sinken.
Sie räusperte sich unangenehm berührt. "Also...wir wollten über die Sitzordnung reden, oder?"
James legte grinsend seinen Kopf schief und blickte ihr in die Augen. "Ich wüsste nur zu gerne, was in diesem kleinen, schlauen Kopf vor sich geht."
Das ließ Lily nur noch röter werden. "Nichts, was dich angehen würde, James. Also, die Sitzordnung?", wollte sie zum eigentlichen Thema zurückkommen.
James seufzte, ging aber nicht weiter darauf ein und begann, das Problem zu schildern. Lily ertappte sich dabei, James' vordere Haarsträhnen zu beobachten, die während seiner Erklärung immer weiter in seiner Stirn rutschten und schließlich von einer routinierten Bewegung seiner Hand wieder zurückgestrichen wurden.
Allerdings hielten sie nicht lange an ihrem Platz und glitten erneut nach vorne. Der Anblick zauberte Lily ein leichtes Lächeln aufs Gesicht. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und selbst durch die schwarzen Locken gestrichen.
"Oder was meinst du?", wollte James plötzlich von ihr wissen.
Erschrocken blickte Lily ihn an. "Ich, ähm..."
James Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, wodurch sich Grübchen bildeten, sodass Lilys Blick automatisch dorthin gelenkt wurde. "Lily Evans hat mir ernsthaft nicht zugehört?", stellte er belustigt fest. "Was lenkt dich denn so sehr von deinen Pflichten als Schülersprecherin ab?"
Erneut spürte Lily, wie die Hitze ihr ins Gesicht schoss. Das passierte eindeutig zu oft in James' Anwesenheit.
"Nichts, ich bin nicht abgelenkt.", behauptete Lily schnell.
James zog eine Augenbraue in die Höhe.
"Ach ja? Warum antwortest du mir dann nicht auf meine Fragen?"
Lily seufzte und rollte mit ihren Augen. "Na schön, ich habe eben kurz nicht aufgepasst, okay? Was hast du gefragt?"
James sah ihr kurz neugierig in die Augen, als wolle er ablesen, was Lily gerade dachte, doch wiederholte schließlich seine Frage.
*
"Na, wie war euer Date? Remus hat mir alles erzählt!", wurde Lily im Mädchenschlafsaal von Marlene begrüßt.
Genervt blickte Lily die Blondine an. "Das war kein Date, ebenso wie unsere anderen Treffen auch. Wann kapierst du das endlich, Marls?"
Mary in ihrem Bett kicherte.
"Lily, selbst ich glaube mittlerweile, dass da mehr zwischen euch ist." Triumphierend sah Marlene Lily an und kramte nach ihrem Pyjama.
"Na siehst du! Ich werde erst Ruhe geben, wenn es wirklich passiert ist." "Wenn was passiert ist?", fragte Lily verständnislos und kickte ihre Schuhe von den Füßen.
"Na, dass ihr zusammen auf ein Date geht.", meinte Marlene, als währe es das selbstverständlichste der Welt. "Was ist das eigentlich zwischen Black und dir?", wollte Lily von ihr ablenken.
Mary war auch sofort ganz Ohr.
"Das frage ich mich auch, Marls!" Marlene schüttelte bloß den Kopf. "Was soll da sein? Wir nerven uns nur gegenseitig, aber eigentlich sind wir sowas wie Freunde. Das war's."
"Das war's?", hakte Lily nach und kuschelte sich unter ihre Bettdecke. Marlene nickte. "Da wird niemals was sein. Ich meine, habt ihr vergessen, dass ich auf Stephen McLean stehe?"
*
Großes Getuschel erwartete Lily, als sie am nächsten Morgen aus dem Schlafsaal kam.
Eine große Horde Gryffindors hatte sich um das schwarze Brett versammelt. Lily drängelte sich durch die Menge und erblickte Black und James ganz vorne, die nun allerdings gelesen hatten, was dort stand und umkehrten. Als sie an Lily vorbeikam, blieb James stehen und grinste sie an. "Guten Morgen, Lily!"
Fragend runzelte Lily die Stirn. "Was steht denn da so Interessantes auf dem Schwarzen Brett?"
James fuhr sich durch sein Haar. "Der erste Hogsmeade-Ausflug findet kommendes Wochenende statt, weil da die Franzosen da sind und die das Dorf dann auch sehen können."
Lilys Gesicht hellte sich auf. "Wirklich? Oh, das ist klasse!"
James lächelte sie nervös an.
"Hey, ähm, hättest du zufällig Lust, ich meine rein theoretisch, ähm...in Hogsmeade was trinken zu gehen? Also nur, wenn du zufällig eh schon da bist und-"
"Wieso nicht?", schoss es aus Lily, die selbst nicht glauben konnte, was sie das sagte. "Ich würde gerne etwas mit dir trinken gehen."
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