Kapitel 18

Es war raus. Lily hatte es gesagt.

James grinste. "Ja, was meinst du, wie mich Sirius blöd angeschaut hat, als er es erfahren hat."
Lily lachte nervös. "Ich meinte eher, wie du Schülersprecher werden konntest."

"Wie bitte?", fragte James und sah ehrlich verwirrt aus. "Ich verstehe nicht ganz, worauf du hinaus willst." Lily räusperte sich und fand plötzlich ihre Schuhspitzen wahnsinnig interessant.
"Ich, ähm-", nuschelte sie. "Ich habe nur gehört, dass du eventuell nicht...ich meine, dass du anscheinend nicht fair zum Schülersprecher ernannt worden bist."
Lily wagte es nicht, in sein Gesicht zu sehen, denn sie konnte sich vorstellen, wie es sich vor Wut verzerrte.
Und tatsächlich hörte sich seine Stimme wahnsinnig zornig an, als er sprach. "Wo hast du denn bitte diese Scheiße über mich gehört?"

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich rastlos durch sein Haar fuhr. Lily zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung...ich hab das nur irgendwo aufgeschnappt..." Immer noch wagte sie es nicht, aufzublicken.
Lily spürte seinen Blick auf ihr und als er schließlich verächtlich schnaubte, spannte sich alles in ihr an. "Aber natürlich...irgendwo aufgeschnappt." Er stand auf und tigerte im Raum umher.
Lily hoffte inständig, niemand würde in den Gemeinschaftsraum kommen und diese unangenehme Situation miterleben.
Ganz langsam blickte sie auf und sah James mit dem Rücken zu ihr aus dem Fenster starren. Als er sich jedoch blitzschnell umdrehte, zuckte sie erschrocken zusammen.

"Es war Snape, stimmts?"

Völlig überfordert sah Lily ihn sprachlos an.
"Ich, äh - Nein!", rief sie dann viel zu spät. Spöttisch lachte James auf. "Natürlich war es Schniefelus, er hat dir dieses dumme Zeug in den Kopf gesetzt, dieser verfluchte Bastard!"
Empört sprang Lily nun auch auf. "James! Sowas sagt man nicht!" Ungläubig sah der Schwarzhaarige sie an. "Du verteidigst ihn auch noch? Was ist denn mit dir falsch?"
Lily stiegen die Tränen in die Augen. "Was?"
James schüttelte bloß den Kopf. "Und ich dachte, du wärst die klügste Hexe in unserem Jahrgang. Scheinbar bist du dumm genug, um immer noch mit diesem...diesem Reinblutfanatiker befreundet zu sein! Nach allem, was er dir angetan hat!"
Empört starrte Lily ihn an. "Kein Grund, beleidigend zu werden! Ich wollte doch nur klarstellen-"
Er lachte bitter auf. "Und du glaubst ihm auch noch, ich fass es nicht!"
Wütend ballte Lily ihre Hand zu einer Faust. Was fiel ihm ein, sie jetzt auch noch zu beleidigen?

"Hör auf.", knurrte sie. Aber James dachte gar nicht daran. Er fuhr sich gestresst durch sein Haar und wandte sich dann wieder an sie.
"Ist das dein Ernst?", wollte er wissen. "Ich meine, fragst du mich gerade wirklich, ob ich irgendwie betrogen hätte? Wie hätte ich das deiner Meinung nach tun sollen?"
Verlegen starrte Lily auf einen Punkt hinter dem Schwarzhaarigen und zuckte die Schultern.
"Hmm, lass mich überlegen.", fauchte James. "Wie wäre es mit...aber natürlich!" Er lachte auf. "Natürlich denkt Schniefelus-und du jetzt auch-dass ich Dumbledore bestochen hätte. Klar, wieso auch nicht? Das lässt sich ja überhaupt nicht darauf zurückführen, dass meine Eltern viel Geld haben und Schniefelus in einem Drecksloch aufgewachsen ist. Mit Eifersucht hat das bestimmt gar nichts zu tun."

"James...", startete Lily einen Versuch, ihn zu beruhigen, denn sie bereute es zutiefst, dass sie dieses Thema angesprochen hatte.
"Nein, Evans, hör mir zu!", knurrte er zornig und zeigte mit dem Finger auf sie. Die Tatsache, dass er wieder ihren Nachnamen verwendete, bemerkte Lily sofort. "Er ist einfach nur eifersüchtig auf mich, weil ich jetzt mehr Zeit mit dir verbringe als er es jemals wieder tun wird. Er kommt bestimmt immer wieder angekrochen, um um Verzeihung zu bitten, nicht wahr? Und du vertraust ihm auch noch. Habt ihr zwei euch wieder versöhnt?"
In Lilys Augen stiegen erneut Tränen auf. Trotzig strich sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schnaubte. "Nein, haben wir nicht."
James sah etwas besänftigt aus, als er das hörte. "Warum glaubst du ihm dann?"
Entrüstet warf Lily ihre Arme in die Luft. "Wir waren fünf Jahre lang beste Freunde! Dagegen habe ich dich erst dieses Jahr näher kennengelernt! Außerdem habe ich mir diese Frage schon so oft gestellt und mal ehrlich: du und deine Freunde habt mehr Unruhe gestiftet als sonst jemand. Warum sollte Dumbledore ausgerechnet dich auswählen?"
Sie wusste, dass es harte Worte waren, aber es war die Wahrheit. Und schlimmer als die Situation schon war, konnte es eh nicht mehr kommen.

James schloss kurz seine Augen und setzte sich wieder auf das Sofa. "Woher soll ich das wissen? Aber ich sag dir mal was, Evans. Vielleicht würde dein Freund Schniefelus so etwas machen, wenn er das Geld dazu hätte. Aber ich wurde nicht so erzogen, durch illegale Methoden an Erfolg zu kommen, klar? Mal ganz davon abgesehen, dass ich niemals im Leben freiwillig Schülersprecher werden würde."
Lily setzte sich neben ihn auf das Sofa und knetete nervös ihre Hände. "Es tut mir leid, James.", sagte sie leise. "Mir hätte klar sein sollen, dass du und deine Eltern so etwas nie machen würdet."
"Meine Eltern?", fragte James mit hochgezogenen Augenbrauen. "Wie kommst du denn darauf?"
Lily wurde rot. "Vergiss, was ich gesagt habe.", sagte sie hastig.
James sah sie jedoch sprachlos an. "Hast du gerade ernsthaft meine Eltern beschuldigt, Dumbledore zu bestechen, Evans?"
Lily sah ertappt zu Boden. Schlimmer ging immer, lernte sie gerade.
"Es tut mir so so Leid, James, ich wollte nicht..."
Der Schwarzhaarige schnaubte. "Also ich hinterfrage gerade, was ich sonst so von dir gedacht habe." Kopfschüttelnd blickte er ihr kalt in die Augen.
Bei diesem Ausdruck lief es Lily eiskalt den Rücken hinunter, ernst jetzt merkte sie, wie warm er sie sonst ansah.
"James...", murmelte die Rothaarige verzweifelt.
"Hör einfach auf, Evans. Du machst es nur noch schlimmer.", sagte er und klang wirklich enttäuscht. Dann stand er auf und ging zum Porträtloch. "Warte, James!", rief sie ihm hinterher. "Lass mich erklären-"
"Lass gut sein.", unterbrach er sie hart und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum. Verzweifelt sank Lily in das rote Sofa.
Im Nachhinein könnte sie sich dafür in den Arsch beißen, dass sie dieses Thema angesprochen - nein, dass sie Severus überhaupt die Geschichte abgekauft hatte. Stöhnend fuhr Lily sich mit der Hand durchs Gesicht. Wie konnte sie das nur wieder geradebiegen?
Plötzlich riss sie erschrocken die Augen auf. Was, wenn James nun in seiner Wut nicht zu seinen Freunden gegangen war (wie Lily es eigentlich vermutet hatte), sondern Severus zur Rede stellen wollte?

Hastig verließ sie den Gemeinschaftsraum, denn wenn dem so war, dann würde James bestimmt etwas sehr Dummes tun. Allerdings war der Korridor hinter dem Porträt natürlich längst leer. Wo konnte James hingegangen sein? Auf gut Glück machte sich Lily auf den Weg in Richtung Bibliothek, denn dort hielt sich Severus meistens während Freistunden auf.
Vielleicht hatte Lily auch Glück und er hatte momentan Unterricht. Die Bibliothek war komplett still, denn nur einzelne Schüler befanden sich darin. Panisch bemerkte Lily, dass weder Severus noch James hier waren. Verzweifelt fuhr sie sich durch ihr langes Haar.
Vielleicht war ihre Panik auch völlig unbegründet und James schlug sich mit Remus und Sirius den Bauch in der Küche voll - da sie anscheinend wussten, wo sich diese befand. Oder aber, James hatte wutentbrannt Severus aufgesucht.
Frustriert seufzte Lily. Was sollte sie bloß tun? Wenn die zweite Option der Wahrheit entsprach, war alleine sie selbst daran Schuld.

Der nächste Ort, der Lily einfiel, war der Slytheringemeinschaftsraum, von dem James allerdings nicht wissen sollte, wo er sich befand. Lily wusste es auch nur, weil sie lange mit einem Slytherin befreundet gewesen war. Nach kurzem Überlegen machte sich Lily trotzdem auf den Weg in die Kerker, denn bei James konnte man nie wissen. Vorsichtig wagte sie sich immer näher an den Gemeinschaftsraum der Schlangen. Lily als Muggelstämmige war hier nicht wirklich gerne gesehen und im Hinterkopf hatte sie immer noch, was Mulciber und Avery der muggelstämmigen Lucy Baker angetan hatten. Einfach nur grässlich.

Ein Geräusch ließ Lily aufhorchen. Aufgeregt setzte sie möglichst lautlos einen Fuß vor den anderen. Je näher Lily kam, desto deutlicher hörte sie, dass die Geräusche Stimmen waren, die nicht sehr freundlich klangen.

"...dafür wirst du bezahlen!", hörte sie eine Stimme dunkel knurren, die Lily nicht zuordnen konnte.
"Du wirst nie wieder 50 Punkte von unserem Haus abziehen, hast du verstanden?", befahl eine andere und Lily zog scharf die Luft ein. Mulciber. Jemand lachte höhnisch. Erschrocken begriff Lily, dass es sich dabei um niemand anderen als James handelte. "Uhh, jetzt hab ich aber Angst."
"Halt dein Maul, dreckiger Blutsverräter!", spuckte die erste Stimme wieder.
James schnaubte verächtlich. "Für solche Gespräche bin ich nicht extra in dieses Drecksloch gekommen."
"Achja, warum dann?", wollte Muciber herausfordernd wissen.
"Ist denn der werte Herr Schniefelus hier?"
Lily schloss entnervt die Augen. Sie hatte es befürchtet. "Was willst du von ihm?", kam sofort die Gegenfrage. Doch anscheinend öffnete sich der Gemeinschaftsraum sowieso gerade.

"Was ist denn hier los?"
Lily gefror das Blut in den Adern. Wie groß konnte denn der Zufall sein, dass ausgerechnet in diesem Augenblick Severus den Gemeinschaftsraum verlassen wollte?
"Potter!", zischte er dann auch schon. "Schniefelus.", erwiderte James ebenso verächtlich. "Wie ich höre, verbreitest du einen Haufen Scheiße über mich?", kam er auch sofort zur Sache.
Lily lehnte sich an die kühle Wand in ihrem Rücken. Sollte sie einschreiten? "Ich habe bessere Sachen zu tun, als mich mehr als nötig mit dir zu beschäftigen, Potter."
James schnaubte. "Ich weiß ganz genau, dass du es warst. Und wer schlecht über mich redet, kommt nicht so einfach davon, Schniefelus." "Was willst du machen, Potter?", höhnte Severus. "Mich verhexen? Hier? Was würde nur Evans sagen? Und dein Daddy müsste Dumbledore wahrscheinlich nochmal ordentlich Geld zahlen, dass du auch ja deinen Platz als Schülersprecher nicht verlierst. So, wie du immer alles in den Arsch-"
"Vorsicht.", knurrte James zornig. "Beleidige noch einmal meinen Vater und-"
"Und was?", provozierte Severus und schien sich ziemlich sicher mit seinen zwei Kollegen an der Seite zu fühlen. "Du bist alleine, Potter. Deine Freunde sind nicht da."
"Du bist einfach nur bemitleidenswert, Schniefelus. Du bist eifersüchtig.", konterte James.
Hinter ihrer Wand zog Lily vorsichtshalber ihren Zauberstab. Diese Situation würde jeden Moment eskalieren. Severus lachte kalt. "Eifersüchtig auf dich? Ich habe keinen Grund, auf dich eifersüchtig zu sein, Potter."
"Oh, das glaube ich schon.", Lily konnte förmlich hören, wie James grinste. "Der arme kleine Schniefelus ist in der Friendzone gelandet und hat jetzt Angst, die Angebetete an seinen ärgsten Feind zu verlieren. Oh, wie ärgerlich ist das denn? Er versucht verzweifelt, die beiden auseinander zu bringen, obwohl sie sich immer näher kommen. Dann sinkt er noch tiefer und verbreitet Lügen über seinen Feind, um wieder bei dem Mädchen landen zu können."
"Halt deine verdammte Klappe, Potter.", knurrte Severus zornig.
"Was meint er, Snape?", wollte Mulciber verwirrt wissen. Lily hielt in ihrem Versteck die Luft an und ihr brannten tausend Fragen auf der Zunge. Redeten die etwa über sie? Severus hatte Gefühle für sie? Seit wann das denn? Hatte James das nur erfunden?

"Er redet von diesem rothaarigen Schlammblut, nicht wahr?", sagte die unbekannte Stimme. Lily riss die Augen auf. Tatsächlich. "Mit der du früher abgehangen bist."
Severus schnaubte. "Jetzt bist du es, der die Lügen verbreitet, Potter. Ich will doch nichts von einem dreckigen Schlammblut."

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